dem Reichsamte des Auswärtigen seinen Beifall, welches in dieser Sache Deutschland mir gutem Erfolge vertreten habe. Abg. Singer (Soz.) behauptet, Fürst Bismarck habe mit der Kündigung des Niederlassungsvertrages die Schweiz verge­waltigen wollen, aber mit seinem Vorgeben eine große Nie­derlage erlitten. Staatssekretär von Marschall antwortet, von einer Vergewaltigung sei keine Rede gewesen. Es habe sich nur um Meinungsverschiedenheiten gehandelt, die nun erledigt seien. Nachdem noch die Abgg. von Puttkammer (kons.) und Marquardsen (natlib.) ihre Freude über das Zu­standekommen des Vortrages ausgesprochen, wird derselbe in erster und zweiter Lesung einstimmig angenommen. Nach­dem noch mehrere Wahlen für giltig erklärt waren, vertagte sich das Haus.

Deutscher Reichstag. Sonnabendsitzung. Der Ge­setzentwurf betr. die Einführung von Gewerbegerichten wird in zweiter Lesung beraten. H 1 bestimmt, daß unter gewissen Voraussetzungen Gewerbegerichte errichtet werden können. Abg. Auer (Soz.) beantragt, daß in allen Gemeinden unter ge­wissen Voraussetzungen Gewerbegerichte errichtet werden sol­len. Abg. Eberty sfrcis.f wünscht zu ß 1 den Zusatz , daß die Genehmigung von Ortsstatuten über die Einführung von Gewerbegerichten nur versagt werden darf, wenn die Be­stimmungen des Statuts den Anforderungen dieses Gesetzes nicht entsprechen. Abg. Dreesbach fSoz.f befürwortet den Antrag Auer, ohne welchen der Entwurf keinen wirklichen Wert für die Arbeiter habe. Abg. Eberty ffreis) erklärt den Antrag Auer für überflüssig, empfiehlt aber seinen An­trag, damit keine Willkür der oberen Behörden Platz greifen könne. Staatssekretär von Bötticher bittet den Antrag Eberty abzulehnen, da er die oberen Behörden unnötig beschränke. Für den Antrag Auer sei keine Bedürfnis vorhanden. Wenn eine Gemeinde sich weigere, auf den Wunsch der Arbeiter oder Arbeitgeber ein Gewerdegericht cinzuführcn, so werde auf Beschwerde die Vorgesetzte Behörde die Sache in die Hand nehmen. Abgg. Kurtz skons.f, von Pfetten fCtr) befürworten die Regierungsvorlage. Abgg. Singer und Heine (Soz.) be­fürworten den Antrag Auer und fordern auch für die länd­lichen Arbeiter die Einführung gewerblicher Schiedsgerichte. Abg. von Cuni (natlib.) ist gegen alle Anträge. Abg. Har- mening sfreis.f beantragt für den Fall, daß der Antrag Eberty abgelehnt werden sollte, daß das Statur über die Einführung von Gewerbegerichten nur dann nicht genehmigt werden darf, wenn cs gegen dies Gesetz verstößt. Abg. Windthorst sCtr.f wird die Anträge Auer und Eberty ableh­nen, aber für den Antrag Harmening stimmen. Abg. Eberty zieht seinen Antrag zu Gunsten des Antrages Harmening zurück. Staatssekretär von Bötticher bittet auch den Har- mcning'schen Antrag abzulehnen, da er nicht nötig sei. Dar­auf wird die Debatte geschlossen. Der Antrag Auer wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Bei der Abstimmung über den Antrag Harmening stellte sich die Beschtußunfähigkeit des Hau>es heraus, nur 145 Abgeordnete sind anwesend. Die Weiterberatung wird auf Montag 1 Uhr vertagt.

Berlin, 14. Juni. Der Schluß des Reichs­tages wird auf den 29. Juni angenommen.

Berlin, 14. Juni. DieNordd. Allgem. Ztg." schreibt: Die von den Blättern bereits als Vermu­tung geäußerte Nachricht, daß Caprivi den Kaiser nach Rußland begleiten werde, ist seit einigen Ta­gen zur Wahrheit geworden.

Berlin, 14. Juni. Kaiserin Friedrich wird nach den aus Athen hier eingetroffenen Nachrichten einen in der Geburtshilfe bewährten Arzt selbst nach der griechischen Hauptstadt mitnehmen. Kaiserin Fried­rich wird in Athen bis zu den Tauffeierlichkeiten verbleiben, mithin einen auf mehrere Wochen berech­neten Aufenthalt nehmen.

Berlin, 14. Juni. Zuverlässige Privatnach­richten melden, daß die in St. Petersburg aufgedeckte Nihilistenverschwörung weit gefährlicher war, als bisher angenommen wurde. Der kaiserliche Palast in Gatschina war unterminiert, wie vor Jahren das Winterpalais. Die Stimmung des Zaren soll be­sorgt sein.

Berlin, 16. Juni. DerNordd. Allg. Ztg." zufolge wird an einem der allernächsten Tage die Verlobung der Prinzessin Viktoria, der Schwester des Kaisers, mit dem Prinzen Adolf von Schaum- burg-Lippe am kaiserlichen Hoflager proklamiert werden.

Berlin, 16. Juni. Die Militär-Commission des Reichstags beendet heute die Beratung des Ge­setzentwurfs über die Friedenspräsenzstärke. Der Antrag Rickert (jährliche Festsetzung der Friedens- Präsenz)' wurde mit 19 gegen 9 Stimmen, der An­trag Richter (zweijährige Dienstzeit) mit 18 gegen 10 Stimmen abgelehnt. Der § I (Feststellung der Friedenspräscnz bis zum 31. März 1894 auf 486 983 Mann) wurde mit 17 gegen 11 Stimmen, ebenso die übrigen Paragraphen angenommen und das ganze Gesetz mit 16 gegen 12 Stimmen genehmigt.

Die Sammlungen für das Bismarck-Denk­mal in Berlin haben nach der neuesten Abrechnung des Komitees bisher im ganzen 312,226 84

ergeben. Das Komitee hat auf l Million ^ ge­

rechnet, es wird also noch besonderer Anstrengung bedürfen, um diese Summe zusammenzubringen.

Potsdam, 14. Juni. Der Kronprinz von Italien ist gestern um 10Y» Uhr abends nach Frankfurt a. M. abgereist. Der Kaiser begleitete den Kronprinzen zum Bahnhof und verabschiedete sich aufs herzlichste von ihm.

Nach der Halleschen Saale-Ztg. hat sich der Kaiser über die Bismarck-Interviews wiederholt amtliche Vorträge halten lassen. Sämtliche Inter­views müßten sofort zu seiner Kenntnis gebracht werden. Der Ministerrat habe zweimal über die Angelegenheit verhandelt, aber stets nur referierend. Wiederholte Mahnungen zur Vorsicht habe Fürst Bismarck ablehnend beantwortet. Nach der Saale- Ztg. wird in Friedrichsruh eine Veröffentlichung über die Bismarck-Krisis, ihre Ursachen und Anstifter geplant.

Frankreich.

Aus Paris, 11. Juni, wird der Voss. Ztg. ge­meldet: Aus Sersu, einer unbevölkerten Saharage­gend, bricht ein ungeheurer Heuschreckenzug hervor, der Algerien zu verwüsten droht. Der Kampf gegen die Plage wird mit höchster Kraftanstrengung geführt.

Frankreich beschloß, die brasilianische Republik anzuerkennen, nachdem dieselbe verschiedene Zollver­günstigungen zugestanden hat.

Die Pariser Militärverwaltung hat von der Auf­stellung eines neuen Armeekorps an der deutschen Grenze, die wiederholt angekündigt war, Abstand ge­nommen. Es sind nur einige Regimenter neu in den Grenzbezirk verlegt.

Z t a l i e n.

Etwa 50 italienische Schützen werden zu dem großen deutschen Bundesschießen Anfang Juli nach Berlin kommen.

Belgien.

Brüssel, 14. Juni. Nach einer Meldung derJndependance" hat sich Stanley bereit erklär:, die chm vom König von Belgien angebotene Stel­lung als General-Gouverneur des Congo-Staates anzunehmen. Stanley geht vorher, und zwar am 29. Oktober nach Amerika, um für 473000 Francs Honorar 49 Vorlesungen zu halten.

England.

Wie allen Leuten, welche viel reden, so passiert es auch zuweilen Herrn Stanley, daß er die Wett mit Aussprüchen überrascht, die nicht ganz zu seinen früheren Acußerungen und Thaien paßen. Als ihm am Donnerstag in Glasgow der Ehren­bürgerbrief überreicht wurde, hob er in einer länge­ren Rede die Nachteile hervor, welche aus dem Zu­rückweichen Englands oder Deutschlands aus Afrika entstehen würden. Wäre Deutschland gezwungen, Afrika zu verlassen, so würde das für das britische Unternehmen verhängnisvoll sein. Ein schnelles Ein­vernehmen sei daher für beide Staaten vorteilhaft. Wozu dann die Jntriguen?

Amerika.

New-4)ork, 14. Juni. Ein Wirbelsturm zer- törte Elmwood (Illinois) vollständig. Viele Men- chen kamen dabei ums Leven.

Kleinere Mitteilungen.

In Würzbach (Calw) schoß der 12jährige Sohn des Bauern Keppler während der Abwesen­heit seines Vaters mil dem Gewehr desselben und lras hiebei seinen neben ihm stehenden 8jährigen Bruder so unglücklich in den Unterleib, daß der Knabe 3 Stunden später eine Leiche war.

Vom Schwurgericht Tübingen wurde Marie Wetzet, ledige Dienslmagd von Enzthal, welche der Klndstötung angeklagr ist, zu 3 Jahren 2 Mo­naten Zuchthaus, auf welche Strafe jedoch 2 Mo­nate der Untersuchungshaft angerechnet wurden, ver­urteilt.

Stuttgart, 17. Juni. Heute früh siel ein 18 Jahre alles Mädchen in der untern Jakobsstraße beim Auslegen von Betten zum Sonnen vom Dache auf die Straße herab und blieb tot.

Ein aus Auma gebürtiger Strumpfwirker, der in der Rindelsmühle bei Zeulenroda beim Betteln aufgegriffen worden ist, muß wahrhaftig beim Fech­ten den Stock zum Schwitzen gebracht haben, oenn es haben sich bei ihm 160 in Gold vorgefunden

In Zeulenroda muß eine gesunde Luft wehen, denn es giebt dort viele hoch^etagte Leute. Von

den ältesten Bewohnern dieser Stadt sind nämlich einer 93, zwei 88, zwei 87, zwei 86, je einer 85 und 84, sechs 83, drei 82, sieben 81 und acht 80 Jahre alt. (Also auf nach Zeulenroda, die den Himmel auf dieser Welt haben!)

Um unberechtigten Streiks erfolgreich begegnen zu können, hat sich in Hamburg-Altona einArbeit­geberverband" gebildet, welcher aus der Vereinigung der hervorragendsten Industrien und Gewerbe be­steht und ein Garantiekapital von 1,500,000 ^ besitzt.

Vor einigen Tagen hat in Berlin der Lehrling eines Glasermeisters aus Furcht vor Strafe einen kaum glaublichen Selbstmordversuch gemacht. Er goß sich Petroleum über den Kopf und «steckte das Haar in Brand. Der entsetzliche Schmerz veran- laßte ihn dann, schnell den Kopf unter die Wasser­leitung zu stecken. Wenngleich die Flammen ver­löschten, hat er doch entsetzliche Brandwunden davon­getragen.

Kaiser Friedrich Barbarossa. Am 10. Juni waren es 700 Jahre, daß Kaiser Friedrich I. Rot­bart auf seinem Kreuzzuge in dem syrischen Flusse Saleph, auch Kalykadus genannt, seinen Tod fand (am 10 . Juni 1190).

Uebermaß beim Trinken. In der Klinik der Berliner Charlie sprach sich jüngst Geheimrat Ger­hardt über die sehr gefährlichen Erkrankungen aus, zu denen das liebermaß beim Trinken oder zu üp­piges Leben überhaupt führt. Er nannte in erster Linie die sogenannte Schrumpf-Niere und eine Art der Leberentzunbung als Krankheiten aller Gewohn­heitstrinker , aber auch derjenigen wohlhabenden Leute, die mit ihrem Reichtum sich lediglich Genüsse aus Küche und Keller verschaffen. Nach feinen Be­obachtungen führt dasakute Trinken", d. h. der plötzliche Alkoholgenuß derer, welche aus irgend einem traurigen Grunde sich dem Äier oder Brannt­wein ergeben, eher zu jener Lebererkrankung; dieje­nigen dagegen, welche morgens ihren Frühschoppen genehmigen, zu einem gmeu Mittagessen tüchtig trin­ken und im Lauf des Nachmittags und am Abend abermals ihren Schoppen vertilgen, also Leute, die viel trinken, ohne sich zu berauschen, das sind nach Gerhardts Ansicht die eigentlichen Kandidaten für Schrumpf-Niere, und ein Münchener Kollege des Professors spricht deshalb geradezu von einerBier- Niere".

Spandau, 14. Juni. Heute nachmittag fand im Drockengebäude der neuen Pulverfabrik, wo sich 26 Fässer Pulver befanden, eine Explosion statt. Das Lrockengebäude wurde vollständig verwüstet und noch ein zweites Gebäude forlgerissen, andere beschädigt, in vielen Häuseru die Fenster zertrüm­mern Von den Arbeitern erhielten 10 durch herum- fliegende Trümmer und Splitter leichte Verletzungen.

Aus Christtana wird berichtet, daß mit dem Kaiser auch Prinz Heinrich von Preußen Anfang Juli dort antommeu werde. Das deutsche Geschwader, das Seine Majestät begleitet, wird aus 12 Schiffen bestehen.

Nach einer Meldung des Wiener Fremdenblatt wirb der deutsche Kaiser im Herbst nach Ungarn ommen, und den dortigen Manövern beiwohnen.

Der Kaffer vonChina hat den Söhnen unseres Kaisers eine große Kiste mit chinesischem Spielzeug geschickt.

Die schlesischen Weber des Eulengebirges haben ein Petition an den Kaiser gerichtet, in welcher sie die große Notlage, in der sie sich besinoen, darstellen. Die Löhne sind soweit heruntergedrückt, daß ein We­ber der Hausindustrie bei täglicher Inständiger Ar­beit wöchentl. nur 5 verdient. Der Grund des niedrigen Verdienstes ist, daß die Handweberei gegen die mechanische Weberei nicht auskommen kann. Beim Spulen der Garne werden schon Kinder von 5 Jah­ren beschäftigt.

Güstrow, Mecklenburg, 11. Juni. Das Schwur­gericht verurteilte den 36 Jahre alten Bergmann Wilhelm Unlenstein in Lübtheen wegen Ermordung einer 10jährigen Locher Marie, seines 8jährigen Sohnes Hermann und seiner Ehefrau Friederike, also wegen dreifachen Mords zum Tode. Er hatte bei der Schreckensthat die Absicht, nach Beseitigung einer Frau und Kinder die Witwe Lange, mil der er noch bei Lebzeiten des Mannes ein Verhältnis unterhielt, zu heiraten und sich in den Besitz des etwa 10,000 ^ betragenden Vermögens der Lange