mehr, als das des stumpfsinnigen Straßenkehrers, der kaum zu lesen und zu schreiben versteht, und die Stimmen dessen, der jährlich Tausende beisteuert zu den Kosten der Reichs- und Staatsverwaltung hat nicht mehr Gewicht, als die des ärmsten Proletariers, der keinen Pfennig Steuern entrichtet."

Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstags hat sich, wie dieVolksztg." meldet, gegen die Ein­stellung der Arbeit am l. Mai erklärt.

Ein Konsortium von Hamburgern hat zwei Grundstücke, die dem Fürsten Bismarck zur Abrun­dung seines Friedrichsruher Besitzes erwünscht sind, angekauft, um ihm dieselben nachträglich als Ge­burtstagsgeschenk zu verehren.

Die deutschen Gewerbevereine haben sich gegen den Vorschlag ausgesprochen, den 1. Mai als Ar­beiterfeiertag zu begehen. Sic wollen aber für eine Kürzung der Arbeitszeit da eintretcn, wo dieselbe zu sehr ausgedehnt ist.

Ein Teil der Sozialdemokraten verlangt be­kanntlich heute den achtstündigen Arbeitstag. Am l9. November 1885, also vor noch nicht fünf Jahren, brachte die Partei aber im Reichstage den Antrag Auer ein, der, unterzeichnet von 23 sozialdemokrati­schen Abgeordneten, wörtlich verlangte: Die Arbeits­zeit für alle, in gewerblichen Unternehmungen be­schäftigten, über 16 Jahre alten Arbeiter und Hilfs- pcrsonen darf, ausschließlich der Pausen, täglich höch­stens zehn Stunden, am Sonnabend höchstens acht Stunden währen. Damals also der zehnstündige Arbeitstag und heute, ehe jene Forderung noch ge­währt ist, der achtstündige? Ein solches Verlangen kann, angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Lage der Gesetzgebung, nur als eine große Nar- rethei oder als eine große Frivolität erscheinen.

Alle Görlitzer Fabrikbesitzer der Textilbranche, die 6000 Arbeiter beschäftigen, beschlossen, keinen am 1. Mai feiernden Arbeiter wieder anzunehmen.

Das Schweine-Einsuhrverbot ist, wie für Bayern, auch für Schlesien bedingungsweise aufge­hoben worden.

O e st r r r r i iti - U n ga r u.

Wien, 14. April. DieDeutsche Ztg." be­stätigt aus guter Quelle, daß die Zusammenkunft v. Caprivi's, v. Kalnoky's und Crispi's am 28. Mai in Karlsbad stattsinden werde.

P e st, 14. April. Zweihundert Schriftsetzer des hiesigen Druckervereins beschlossen, sich der Be­wegung für die Feier des 1. Mai anzuschlicßen und die Herausgeber der hauptstädtischen Blätter zu er­suchen, auf den 2. Mai keine Blätter erscheinen zu lassen.

Frankreich.

Paris, 12. April. Von Seiten der Regie­rung werden hier für den 1. Mai umfassende Vor­sichtsmaßregeln getroffen.

Die Wahlen für den Pariser Gemeinde­rat, sind ans den 27. April festgesetzt. Es sind 88 Gemeinderäte zu wählen, und es bewerben sich um diese Mandate nahezu 900 Kandidaten. Die größten Anstrengungen machen die Boulangisten, die jedoch nicht einmal unter sich einig sind. Die Chan­cen der Boulangisten sind diesmal infoferne nicht sehr günstig, als die Konservativen sich wenigstens vorläufig weigern, sie zu unterstützen.

Ein in Bordeaux erscheinendes Blatt bringt einen Brief Liebknechts an die dortigen Genossen, in welchem er erklärt, daß er gegen die Arbeits­einstellung am I. Mai sei, weil sie nicht ausführbar sei und weil der Versuch Enttcustchungen und Kon­flikte hervorbringcn würde; aber dort, wo die Arbei­ter genügend organisiert seien, um dem Bourgois das Feiern aufzwingen zu können, sollen sie es thun. Der t. Mai muß allgemein seitlich begangen wer­den. Abends sollen Vorträge und Festlichkeiten stattfinden. Weiter heißt es: Für ganz Deutschland wird ein gleichlautender Beschluß gefaßt werden, alle meine Freunde teilen meine Ansicht. Bezüglich Frankreichs habe ich keinen Rat zu erteilen.

Italien.

Wegen abfälliger Kritik der italienischen Finanz­lage sind drei weitere fremde Berichterstatter aus Rom ausgewiesen worden.

B e l g i e ri.

'Brüssel, 13. April. Der Kongo-Staat. Die der Kongorcgierung nahestehendeGazette" ver­sichert, Deutschland habe dem König von Belgien 100 Millionen für den Kongo-Staat angeboren. (?)

Spanien.

Die Unruhen in Valencia haben am Don­nerstag fortgedauert; die Menge versuchte abermals, mehrere Kirchen in Brand zu stecken, wurde aber von der Gendarmerie noch rechtzeitig daran verhin­dert. Nach den neuesten Nachrichten soll die Ruhe in der Stadt wieder vollständig hergestellt sein, doch werden noch die wichtigen Punkte von den Truppen besetzt gehalten. Der Karlistenführer Ceralbo ist mit seinen Genossen nach Aranjuez abgereist. Die Vorgänge in Valencia sind bereits am Freitag in der Deputiertenkammer durch den Abgeordneten Alix zur Sprache gebracht worden, welcher behauptete, daß die Stadt Valencia sich während voller 7 Stun­den in den Händen der Aufrührer befunden habe. Der Minister des Innern gab seinem Bedauern über diese Vorgänge Ausdruck, die die Regierung nicht habe verhindern können, erklärte aber gleich­zeitig, daß die Nachrichten in den Zeitungen stark übertrieben seien. Einige der Brandstifter seien ver­haftet worden.

England.

London, 14. April. Einer Meldung der Times" aus Sansibar zufolge wird Emin Pascha kommende Woche von Bagamoyo nach dem Innern aufbrechen. Die Dauer der Expedition ist aus etwa neun Monate berechnet.

Portug a l.

Das Reutersche Bureau meldet aus Mozam­bique: Leute vom Stamme der Makololo haben den portugiesischen Marinelieutenant Valadin, den' Zivilbeqmten Almeida und 150 eingeborene Sol­daten ihres Gefolges niedergemetzelt.

Amerika.

New-Aork, 14. April. Ein großes Meeting von Deutschen in Toronto richtete eine Adresse an Kaiser Wilhelm, worin sie ihn bitten, er möge die Rückkehr der Jesuiten nach Deutschland nicht ge­statten, ebensowenig eine Annäherung an den Va­tikan zugeben.

Die Feuerbestattung ist in den Vereinigten Staaten jetzt allgemein geworden. In St. Louis kostet die Verbrennung einer Leiche nicht mehr als 25 Dollars, wofür zugleich eine Urne für die Auf­bewahrung der Asche geliefert wird.

Die große Brücke über den East River, welche New-Dork und Brooklyn verbindet, wurde von einem deutschen Ingenieur, Rübling und dessen Si)hn, gebaut. Jetzt soll ein anderer Deutscher Na­mens Lindenthal eine noch größere Brücke bauen, welche New-Iork und Jersey City verbinden wird.

Ein Wirbelsturm suchte am 8. nachmittags das Städtchen Norwalk in Ohio heim. Eine Re­genschirmfabrik wurde nicdergcweht und 30 Mädchen und viele Männer unter den Trümmern derselben begraben. 3 Mädchen und 6 Männer wurden ge­tötet und viele von den in der Luft herumfliegenden Trümmern verletzt.

Afrika.

Stanley über die Engländer in Ostafrika. Vor seiner Abreise von Kairo hat Stanley sich nochmals interviewen lassen und dabei über die ci- vilisatorischen Eigenschaften der Deutschen und Eng­länder Aeußerungen gethan, die in London, wo man zu seinem Empfang die großartigsten Vorbereitungen trifft, gerade keine Begeisterung erzeugen werden, lieber den Jagdsport im Gebiet der britisch-ostafri­kanischen Gesellschaft äußerte sich Stanley sehr ab­fällig; er sagte, die Gesellschaft gestatte einigen eng­lischen und russischen Gentlemen, das Wild anSzn- rotten, und englischen Buschkleppern das Vieh zu rauben. Die Nahrungsquellen würden zerstört, und es wäre besser, wenn überhaupt der ganze Distrikt in die Hände der Deutschen käme, die bessere Ord­nung halten u. solches Treiben nicht zulaffen würden.

Asien.

In Mesopotamien hat eine Ueberschwemmung des Tigris, die durch die Schneeschmelze im Gebirg und mehrtägigen heftigen Regen verursacht worden war, große Verheerungen angerichtet. Die Stadt Mossul war in einen großen See verwandelt; die Häuser eines nahen Dorfes wurden von den Fluten weggerissen, so daß die Einwohner fliehen mußten. A u st r a l i e n.

Aus Melbourne wird der Untergang des DampfersOnella" gemeldet, wobei sämtliche 146 Passagiere ertranken, während die Bemannung ge­rettet wurde. Dem Kapitän wird der Prozes; ge­

macht. Die englichen Zeitungen schweigen den Vor­fall tot.

Kleinere Mitteilungen.

Altensteig, 14. April. Während den ver­derblichen Stürmen, ende Januar d. I., war auch die sogenanntegroße Tanne" im Stadtwald Priemen (unweit-der Schiltmühle) stark beschädigt worden. Infolgedessen wurde die Tanne letzte Woche vollends gefällt und lieferte 20 Rm. Scheiter- und Prügel­holz und 6 Festmtr. Langholz, ein Resultat, welches wohl nur selten sich ergeben wird.

Das Sammeln von Zigarrenspitzen wird in Biber ach mit löblichem Eifer betrieben. Dies Jahr hat derZigarrenspitzen-Vercin" zehn armen Mädchen fünf katholischer und fünf evangelischer Konfession je den Stoff zu einem schwarzen Kleide geschenkt.

München, 13. April. Falsches Geld. Nach einer Polizeimitteilung zirkulieren hier falsche Fünfmark-Stücke in großer Zahl; dieselben würden augenscheinlich von einer Baude gewerbsmäßig ver­trieben.

Ein rechtfideles Gefängnis" scheint sich in Finsterroth zu befinden. Ein Bauer sollte dort wegen straßenpolizeilicher Uebertretung 3 Tag und natürlich auch 3 Nächtebrummen." Der Finsterrother Kerkermeister ließ jedoch den Gefangenen jedesmal des Nachts nach Hause. Morgens fand sich der Ge­fangene, nachdem er daheim gut geruht hatte, wieder ein und ließ sich wieder 12 Stunden lang cinsperren. Er hcL infolge dessen wohl 3 Tage", aber doch nur die Hälfte seiner Strafe abgesessen. Wegen eines Verbrechens dervorsätzlichen Befreiung eines Ge­fangenen" erhielt nun der liebevolle Wärter selbst 3 Monate Gefängnis, aber ohne nächtlichen Ausgang.

In Klettbach ist ein 14 Jahre alter Knabe konsiermiert worden, der über 5 Fuß mißt und 150 P und wiegt.

Aus Unter-franken, 2. April. Aus Faul­bach a. M. bringt die sozialdemokratischeFränkische Tagespost" folgende Mitteilung: Der hiesige Pfarrer- Hat an der Kirchthüre folgenden Erlaß anschlagen lassen:Mahnung an meine Pfarrkinder! Am 20. Februar haben 2 Drittel der katholischen Gemeinde Faulbach sich für einen Mann entschieden, der sich offen in Würzburg als Christusseind und Religions­hasser erklärt hat, zwei Drittel haben sich also als Anhänger der Feinde Christi offen bekannt und mit Schneider Höpfner (Sozialdemokrat) ihren Glauben öffentlich verläugnet; zwei Drittel hahen mit den Juden vor Pilatus eingestimmt in das Geschrei: An's Kreuz mit der Religicn Christi"! Ist das Euer Wille? Dann reißet Enre Kirche nieder; denn sie hat keinen Platz in dem von Schneider Höpfner erstrebten Znkunftsstaat. Habt ihr aber aus Un­gewißheit und Verblendung gehandelt, so laßt uns zu Gott flehxn, besonders in der jetzigen Fastenzeit, daß er uns den 20. Februar 1890 nicht zu streng vergelte. Faulbach den 21. Februar 1890. Ziegler, kath. Pfarrer." Das Aktenstück ist mit dem Amts­stempel des Pfarrer Faulbach versehen.

Die Petite Marseillaise erhält von ihrem Kor­respondenten in Mazagan die Mitteilung folgender Mordgeschichte, die in Marokko verübt und in Mazagan entdeckt wurde. In letzterer Stadt kam nämlich eine Güterkarawanc aus Marokko an mit mehreren Kisten, die alle an eine bestimmte Persön­lichkeit adressiert waren. Der Kameltreiber konnte diese Persönlichkeit nicht auffindcn, und da sie zudem in der Stadt unbekannt war, lieferte er die Kisten dem Kadi aus, der sie auch in Verwahrung nahm. Nach einiger Zeit öffnete man die Kisten und fand darin wohlverpackt achtzehn kopflose Leichen; es waren 16 junge Frauen, eine Negerin und ein Mann. Durch den Kameltreiber erfuhr man, daß ihm die Kisten in Marokko überliefert wurden durch einen reich gekleideten Mann, der ihn auf dem Markt­platz anhielt, ihn mit in sein Haus nahm und mit ihm dort das Geschäft der Fortschaffung der Kisten abschloß. Als die Polizei das Haus durchsuchte, war der Mann verschwunden; die Nachbarn hatten ihn aber gekannt und sagten aus, er habe in dem Hause längere Zeit gewohnt, habe zahlreiche weib- ichc Besuche empfangen und zur Bedienung eine Negerin und einen Burschen gehabt. Bisher hat ich weder von dem Manne noch von den fehlenden achtzehn Köpfen eine Spur gefunden.