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«1s ein Mann, der das Fett von der Suppe abschöpft, welche seine Leute ihm zuberciten. Daß dem nicht so ist, weiß auch jeder einsichtige Arbeiter; die Konkurrenz ist heute nicht blos eine große, sondern sie ist auch häufig eine unbeschreiblich niedrige, und die Verhältnisse könnten in manchem Betriebe weit besser sein, wenn nicht unerhörte Preisunterbietungen Geschäft und Gewinn beeinflußten und beeinträchtigten. Diese unreelle Konkurrenz kann selbst nur den Arbeitern einen äußerst mäßigen Lohn zahlen, sie schafft eine Masse Rekruten für die Sozialdemokratie, indem sie denkt: „Nach uns die Sintflut!" Aber damit ist die Sache nicht gethan; was ruiniert und verloren ist, kann nur mit äußerster Mühe wiederhergestellt und wicdergefunden werden, und deshalb dürfen die vernünftigen Anstrengungen nicht erlahmen, welche darauf abzielcn. der gesamten deutschen Industrie einen entsprechenden Gewinn zu verschaffen, damit auch allen Arbeitern ihre entsprechenden Löhne gezahlt werden können. Genügender Lohn für alle Arbeiter ist das sicherste und auch das einzige Mittel, der Ausbreitung der Sozialdemokratie ein Ende zu machen. Es wird selbstverständlich nicht jedermann zufricdengestellt werden können, stets wird ein Stock von extrem gesinnten Personen bleiben, aber solche gab cs zu allen Zeiten und solche wird es stets geben.
Die Sozialpolitik des Reiches, welches den Arbeiter in Krankheitsfällen und im Alter in Schutz nehmen will, wird ihren Eindruck nicht verfehlen; aber allein wird sie nichts ausrichten. Der Arbeiter denkt, und das ist bei ihm ganz selbstverständlich, von heute auf morgen, er will auch eine gewisse Behaglichkeit um sich sehen, und von dem mehr und mehr sich ausbrcitenden Luxus ist er nicht unberührt geblieben. Es wäre gewiß auch am Platze, für die Wiederherstellung und Einführung einer größeren Einfachheit zu sorgen, denn der Nachahmungstrieb, der sich heute zeigt, liegt im Menschen und ist verzeihlich. Auf der anderen Seite können aber auch die Arbeiter nur durch tüchtige Unterstützung des Geschäftsbetriebes dahin kommen, ihre Lage zu verbessern. Nur eine blühende Industrie kann gute Löhne zahlen, nicht aber eine solche, in der zwischen Haupt und Gliedern fortwährend Streit und Zank herrschen. Das heutige moderne Geschäftsleben ist einer gewaltigen Macht unterworfen, der es sich in keiner Weise entziehen kann, und diese Macht heißt die Kaufkraft des Publikums. Es ist ganz selbstverständlich. daß nur in ruhigen Zeiten, in denen Geld eingeht, keine Befürchungen gehegt werden, die Kaufkraft gedeihen und die Kauflust Hervorrufen kann; und ist die Kaufkraft vorhanden, dann wird auch die Fünf oft als gerade Zahl angesehen. Aber Arbeiterunruhen schwächen die Kaufkraft gleichfalls in sehr hervorragendem Maße, und die Leute schneiden sich somit ins eigene Fleisch, indem sic glauben, sich zu nützen. Unser modernes Geschäftslcbeu gleicht einer fest verbundenen Kette, in welcher jedes Glied ein Industriezweig ist. Reißt ein Glied heraus, dann hat die Kette ihren Wert eingebüßt, dus fehlende Glied wirkt aus alle übrigen zurück. So auch im Leben: Man kann keine einzige Industrie allein schwer schädigen, stets werden andere den Nachteil mit empfinden, und dadurch auch die weitesten Volkskreise.
Tages-Nerngkkiten.
Deutsches Reich.
* Nagold, 2. Feb. Das Fastnachtkränz- chen des Turnvereins hier am gestrigen Samstag war von jungen Damen und Herren sehr zahlreich besucht. Tic Maskierten, durchwegs in anständigen, die Zigeunerinnen u. Bauernmädchen sogar in schönen reizenden Anzügen, erregten viel Bewunderung und auch Neugierde über die Träger und der Trägerinnen der Kostüme. Die Clowns brachten besonderes Leben in die bunte Gesellschaft und war ihren Gliedern der heutige Ruhetag recht wohl zu gönnen. Das Programm für die Abcndunterhaltung bol neben den vielen Tänzen auch einige humoristische Aufführungen, welch letztere viel Heiterkeit erregten und gut gegeben wurden. Der ganze Abend verlief in animiertestcr Stimmung und nicht ein Mlßton drang in die bis zur frühen Morgenstunde aushar- reude Gesellschaft, so daß auch die Alten, die ihren Töchtern zulieb anwohntcn, ihre Freude und Befriedigung fanden.
Nagold, 3. Jan. (Postalisches.)
Für die Personenposten zwischen Nagold und Altensteig ist vom 1. Februar 1890 an in Nagold am Gasthaus zur Krone eine Haltestelle errichtet worden. An dieser Stelle darf somit mit dem Postwagen dann angehalten werden, wenn Reisende ein- oder aussteigen wollen; ein längerer Aufenthalt darf aber nicht entstehen.
Stuttgart, l. Febr. Prälat Schmid in Heilbronn wurde an Stelle Gerock's zum Oberhof- Prediger ernannt.
Stuttgart, 29. Jan. Vorige Woche war hier die Kommission der Kammer der Abgeordneten zur Beratung des Gesetzentwurfes, betreffend die Besteuerung der Hausicrgewerbe in Württemberg nach Stuttgart einberufen. Im Schooße der Kommission wurde von mehreren Mitgliedern betont, daß die Klagen der unfähigen Geschäftsleute, sowohl der Kausleute als der Gewerbetreibenden über die schädliche Konkurrenz der Hausierer uud ihre den Charakter des Schwindels sehr häufig annehmcnden Geschäftspraktiken nicht nur fortdauern, sondern sich noch iminer mehren und verschärfen. Bei dieser Sachlage erachten die ansäßigen Geschäftsleute die von dem Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Besteuerungssätze für die Hausierer vielfach zu niedrig. Die Kommission glaubte sich dieser Strömung im Volke nicht widersetzen zu sollen und hat demgemäß, wie man hört, die Steuersätze des Gesetzesentwurss in erheblichem Maße verschärft. Man wird init der Annahme kaum fehl gehen, daß die Kgl Staatsregierung gegen eine von der Volksvertretung etwa zu beschließende erhöhte Hausiersteuer ihre Zustimmung nicht versagen wird. Dem dießbezüglichen Kommissionsbericht wird man also, namentlich in den beteiligten Geschäftskreisen mit Interesse entgegensetzen.
Stuttgart. 30. Jan. Das vierte deutsche Sängerscst in Wien, dessen Zustandekommen nunmehr durch Zeichnung der nötigen Garantiesumme gesichert ist, nnrd diesen Sommer rm Wiener Theater abgehalten. Die zu erbauende Sängerscsthalle wird ca. 20,000 Personen aufnehmen können. Die hiesigen Gesangvereine, woran natürlich der Stuttgarter Liederkranz, treffen jetz schon eifrige Vorbereitungen, um in stattlicher Anzahl und mit gut einstudicrten Liedern den gemütlichen „Weaneru" das Sängerfest verschönern zu helfen.
Murrhardt, 30. Jan. Stadlbaumeister Brenner, der wegen Betrugs in Untersuchung steht, isr gestern verhaftet worden.
Der in Frankfurt a. M. verstorbene Bürger Ignaz PH. Schuster hat zur Beschaffung von Schuhwerk für arme Kinder eine Stiftung von 100,000 Mk. gemacht. (Gewiß sehr zeitgemäß!)
Karlsruhe, 3l. Jan. Der Wahlaufruf der Liberalen Badens führt eine kräftige Sprache. Derselbe besagt, Baden trage schon lange den ruhmvollen Namen eines liberalen Landes, und weist auf das Äntikartell hin, das Deutschfreisinu, Demokratie und die Ultramontanen verbinde, die politisch schnurstracks einander gegenüberstehen. Bei den Ultramontanen sei „deutsch" gleichbedeutend mit „römisch-deutsch", „Freiheit" mit der „Herrschaft Roms". Der Aufruf widerlegt die dem liberalen Kartell gemachten Vorwürfe und sagt, die verbrüderten Konservativen und Liberalen bezwecken lediglich, des Deutschen Reiches Macht. Sicherheit und Fortentfaltuug zu erhalten und zu mehren. Die Liberalen wünschen keine Jn- teressenpolitik, in erster Reihe steht ihnen das Wohl des Vaterlands. Der Aufruf schließt: An's Vaterland, ans teure schließ' dich an!
Im Lager der Deutschfreisinnigen zu München ist aus Anlaß der bevorstehenden Wahlen ein Krisis ausgebrochen, welche den Austritt des Freiherrn v. Stauffenberg aus dem dortigen Freisinnigen Verein veranlaßt hat. Dieser Freisinnige Verein will nämlich in seiner jetzigen Mehrheit von einem Entgegenkommen gegen die weiter rechts stehenden Liberalen nichts wissen und völlig selbständig Vorgehen, während der Landesansschuß der Partei unter Umständen auch die Unterstützung von nicht streng freisinnigen Kandidaten empfiehlt, wenn sie sich nur zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Wahlrechts, zur Be-1
kämpfung der Monopole, der LebcnSmiktelzöllk .mch-w. verpflichten.
Berlin. 31. Januar, iSozialdemokratischer Appell an die Dienstmädchen.) Daß auch unser Familienwesen bei dem Kampfe gegen die Sozialdemokratie interessiert ist, zeigt ein Artikel in der sozialdemokratischen Wiener „Arbeiterzeitung". In diesem Umsturzorgan wird das „Elend" der „Haus- sklaven" in großer Ausführlichkeit erörtert und den Dienstmädchen auf das eindringlichste klar zu machen versucht, wie viel besser als sie doch die Fabrikarbeiterinnen daran seien. Die Fabrikarbeiterin behalte ihre Selbstständigkeit (?) und sei in bedeutend besserer materieller (?) Lage, wogegen das Dienstmädchen keine Pausen in der Arbeit, keinen Ruhetag habe, und wenn sie ja zweimal im Monat drei bis vier Stunden zum Ausgehen verwende, dies noch als eine besondere Gnade der Herrschaft zu betrachten habe. Dabei seien Kost, Lohn und Schlafstelle völlig ungenügend, kurz, sie würden auf das schmählichste ausgebeutet. Leider hätten die Dienstboten keine Kraft und keine Organisation zum Widerstand gegen die „Bourgeosie", ihnen sei jede Möglichkeit der Organisation benommen. „Wir sehen," i'o lautet der Schluß des Artikels, „daß dies eine sehr gewichtige Frage ist, wo die einzige Lösung in der Umgestaltung unserer Gesellschaftsordnung zu finden ist. In einer Gesellschaft ohne Privateigentum giebt es auch keine Dienstboten für Günstlinge und Privilegierte und daher kein Dienstboieuelend. In ihr ist auch dieser letzte Rest der Sklaverei unmöglich."
Berlin, 31. Jan. Die llebersicht über die Thätigkeit des Reichstags, welche Präsident v. Lcvetzow gab, ist folgende: Der Reichstag war vom 22. Oktober 1889 bis 25. Januar d. I. versammelt. Es haben 82 Sitzungen der Abteilungen, 65 Kommissions-Sitzungen stattgefunden. Seitens der verbündeten Regierungen wurden folgende Vorlagen gemacht: 9 Gesetzentwürfe, 3 Allgemeine Rechnungen, eine llebersicht über Reichs-Ausgaben und Einnahmen pro 1888—89, 2 Anträge, 12 Denkschriften, Berichte und Uebersichten. Von diesen Vorlagen haben 8 Entwürfe die Zustimmung des Reichstags erhalten. Ein Gesetzentwurf wurde nbgelehut. Unerledigt bleiben 3 Allgemeine Rechnungen, eine Ue- bersicht der Reichs-Ausgaben und Einnahmen. Aus der Mitte des Reichstages wurden eingcbracht 17 Entwürfe, 9 Anträge, von diesen wurden 5 genehmigt, 2 abgelehnt, l zurückgezogen, 9 blieben unerledigt. Von den Anträgen, die Gesetzentwürfe nicht enthielten, haben 2 die Genehmigung erhalten, 2 wurden zurückgezogen, über 1 ist Uebergang zur Tagesordnung beschlossen. 4 blieben unerledigt. Die Kommission habe 12 schriftliche und 5 mündliche Berichte erstattet. 1798 Petitionen sind eingegangen, 33 wurden dem Reichskanzler überwiesen, 182 durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, 194 durch Reichstagsbeschlüsse erledigt erklärt, 72 zur Erörterung für nicht geeignet erachtet, 17 zurückgezogen, 1300 Petitionen sind auch in der Kommission nicht mehr zur Beratung und Beschlußfassung gelangt.
Berlin, 31. Jan. Frau Souchay, die in Wiesbaden verstorbene Schwiegermutter des Ministers Frhru. v. Lucius, hat nach der „Kreuz-Ztg." ein Vermögen von nicht weniger als 50 Millionen Mark hinterlassen.
Berlin, 3t. Jan. Der „Reichsanzeigcr" veröffentlicht die auf sein Ansuchen erfolgte Entbindung des Reichskanzlers Fürsten Bismarck von dem Amt als preußischer Handclsministcr und die Ernennung des Oberpräsidenten der Rheinprovinz Freiherrn v. Berlepsch zum Handelsminister.
Berlin, 1. Febr. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht. daß als ein Zeichen besonderer Huld des Kaisers der Stadt Hannover die Bezeichnung Haupt- und Residenzstadt verliehen wurde.
Das Berliner Tagblatt „Consectionär" macht auf die Thatsache aufmerksam, daß jetzt in den Kreisen der Konfektionsarbeiter und Arbeiterinnen von sozialistischer Seite ausgewählt wird, um, wenn die Saison auf der Höhe ist, einen allgemeinen Streik zur Herbeiführung der 8stündigen Arbeitszeit und höheren Löhne zu veranstalten.
Der Comptoirdiener Gleixner bei der Firma S. in Berlin, der eine Summe von 20,000 ^ zu erheben hatte, ist mit dem Betrag durchgegangen. Auf die Ermittlung oes Thäters und Herbeischaffung des veruntreuten Geldes ist eine Belohnung von 1000 ^ ausgeseht.
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