Amtlich«-.
Nagold.
Reichstagsabgeordneten-Wahl betreffend.
Unter Bezugnahme auf die im vorgenannten Betreff bereits ergangenen Erlasse wird Nachstehendes wiederholt bekannt gemacht:
1) Beide gleichmäßig berichtigte Exemplare der Wählerlisten sind am 22. Tag nach dem Beginn der öffentlichen Auslegung, also am Donners« tag, den 1«. Oktober b. I. von dem Gemeinderat, bezw. Teilgemeinderat definitiv abzvschließen (ß. 4 des Reglements). Dieser definitive Abschluß ist genau nach Maßgabe des Formulars im Regierungsblatt von 1871, Nr. 1, Wahlreglement, Anlage (Seite 14 in der Mitte und die klein gedruckte Anmerkung unten) zu fertigen. — Nach dem definitiven Abschluß der Wählerlisten ist jede spätere Aufnahme von Wählern in dieselben untersagt. —
Die pünktliche Ausstellung dieser Beurkundungen wird den Gemeindebehörden mit dem Anfügen eingeschärft, daß fehlerhafte Liste» seiner Zeit durch besondere Boten zur Ergänzung zurückgegeben werden müßten.
2) Nach Vollziehung der Beurkundungen ist
a) das Hauptexemplar der Wählerliste nebst Belegstücken in der Gemeinderegistratur aufzubewahren, d) das zweite Exemplar sofort dem Wahlvorsteher gegen Bescheinigung zuzustellen.
3) Bis 12. Okt- d. I. ist anzuzeigen, daß das Erkenntnis des Gemeinderats über Einsprachen gegen die Wählerliste (H. 3 des Wahlreglements) spätestens am Mittwoch. den 9. Oktober d. I- den Beteiligten eröffnet worden ist, daß beide Exemplare der Wählerliste am Donnerstag, den 10. Okt. d. I. vom Gemeinderat definitiv abgeschlossen worden sind, sowie daß das zweite Exemplar der Wählerliste dem Wahlvorsteher ausgefolgt worden ist. Sollten keine Erkenntnisse nötig geworden sein, so ist dies in dem Bericht zu erwähnen.
Diese Anzeige muß zuverlässig den 12. Oktober d. I. hier einkommen, andernfalls erfolgt deren Abholung durch Wartboten.
4) Abgesondert von der in Ziffer 3 genannten Anzeige haben die Ortsvorsteher nach dem definitiven Abschluß der Wählerliste die Zahl der Wahlberechtigten zu erheben und das Ergebnis ebenfalls bis Samstag, den 12. Oktober d. I. hieher einzusenden.
5) Neben dem nach vorgängiger Ausfüllung zum sofortigen Anschlag am Rathaus bestimmten Plakat sind den Ortsvorstehern die erforderlichen Formulare für die Wahlvorsteher zugegangen, welchen dieselben alsbald auszufolgen sind. Die Wahlvorsteher sind unter Hinweisung auf ihren früher abgelegten Diensteid anzuweisen, sich mit aller Genauigkeit an die gesetzlichen Vorschriften zu halten, in welcher Beziehung auf die den ihnen früher zugegangenen Bestel- lungsschreiben beigedruckte Belehrung Bezug genommen wird.
Insbesondere sind die Wahlvorsteher auf den vorletzten Absatz des Minist.-Erlasses vom 11. Sept. 1889 — Amtsbl. S. 239 — und darauf hinzuweisen, daß sie für einen tüchtigen Protokollführer und dafür zu sorgen haben, daß das Wahlprotokoll und die Gegenliste richtig geführt wird. Die Protokollführer, wie die Beisitzer müssen Wähler sein und dürfen kein unmittelbares Staatsamt bekleiden. Häufig wird sich die Verwendung von Schullehrern empfehlen, wofern sie sonst die gesetzlichen Eigenschaften besitzen, insbesondere Wähler und nicht Acciser sind.
Die Zahl der Beisitzer, welche die Wahlvorsteher rechtzeitig aus der Zahl der Wähler ihres Bezirks zu ernennen haben, sollte nicht zu klein sein, da zu keiner Zeit der Wahlhandlung weniger als drei Mitßlieder des Wahlvorstands zugegen sein dürfe«.
Die bei der Wahl abgegebenen Stimmen sind mittelst Kreuzes in Columne 7 der Wählerliste zu vermerken. Die Schlußbeurkundung der Wählerliste durch den Wahlvorstand hat zu lauten:
„Die Richtigkeit der bei der heutigen Wahl in Columne 7 gemachten Abstimmungsvermerke beurkundet
.. ., den. der Wahlvorstand:
Wahlvorsteher: Beisitzer: Protokollführer."
(Name und Amt.)
Die Gegenliste ist in der aus dem Formular ersichtlichen Weise zu beurkunden.
Nagold, 3. Oktober 1889.K. Dberamt. Vr. O ü A 6 I.
Tages-Neriigkeiten
Deutsches Reich.
Nagold, 3. Okt. (Einges.) Die Real- , schulfrage, welche unsere Gemüter schon so lange und vielfach beschäftigte, hat heute ihre Lösung erhallen. Die bürgerlichen Kollegien haben einstimmig beschlossen, mit Beginn des neuen Schuljahrs eine Realschule zu errichten. Gleichzeitig wurde weiter, vom Gemeinderat einstimmig und vom Bürgerausschuß mit 6—4 Stimmen (Theurer, Chr. Wagner, I. Wagner und C. G. Rauser) beschlossen, die Lateinschule in ihrem seitherigen Bestände zu belassen, die Collaboraturklasse an derselben also nicht einge- hen zu lassen. Ehre diesen Kollegien, welche durch diese Beschlüsse wieder gezeigt haben, daß sie einzutreten im stände sind, wenn es sich um das Wohl der Stadt handelt, das am besten dadurch gepflegt wird, daß für gute Schulen gesorgt wird, in welchen unsere Heranwachsende Jugend eine gute Schulbildung und durch solche das Zeug zu wackeren tüchtigen Männern erhält. Die Realschule soll in dem unteren Zeichensaal im neuen Schulhaus eingerichtet werden.
Stuttgart, lieber das stattgefundene Eisenbahn-Unglück gibt das „N. Tagbl." folgenden amtlichen Bericht: Der Personenzug 223 a (Stuttgart—Böblingen) hat seine fahrplanmäßige Abfahrt von Stuttgart 10?" vorm., von der Station Hasenberg 10." vorm. Derselbe kommt in Vaihingen a. d. F. >0." vorm, an, wo er mit dem Personenzug 222 (Böblingen—Stuttgart) zu kreuzen hat. Der Zug 223 a fuhr am 1. d. Mts. von einer Zugs- und einer Schiebemaschine geführt von Stuttgart bis zum Haltepunkt Wildpark, worauf die Schiebemaschine nach der Station Hasenberg zurückfuhr. Kurz darauf wurde die Schieblokomotive beigerufen, da Zug 223 a auf der Strecke Wildpark-Vaihingen stecken geblieben sei, worauf der Stationsvorstand in Hasenberg diese Maschine nebst einem angekuppelten leeren Wagen dem Zug 223 a zu Hilfe schickte. Die gemeldete Stockung dieses Zuges mußte sich aber inzwischen gehoben haben, denn der Zug 223 a fuhr noch, ehe die nachgesandte Maschine zu demselben gelangt war, auf der Station Vaihingen ein, worauf der mit demselben kreuzende Zug 222 in der Richtung der Station Hasenberg abgelassen wurde. Dieser Zug führ in vollem Lauf, etwa
600 m vor dem Haltepunkt Wildpark, auf die ent-
j gegenfahrende Schiebmaschine des Zuges 223 a auf. l Der Zusammenstoß wurde durch das Alarmsignal ! nicht vermieden, welches der Stationsvorstand in ! Hasenberg — durch die Abmeldung des Zugs 222 auf die drohende Gefahr aufmerksam gemacht — gab. Die Folge war, daß die Schiebemaschine nebst dem j Wagen aus dem Geleise geworfen wurde. Vom ! Personenzug ist die Lokomotive entgleist, der Sicher- l heitswagen, 1 Wagen 2. Klasse und 2 Wagen 3. j Klasse wurden vollständig zertrümmert und ein weiterer Wagen 3. Klasse schwer beschädigt. Sehr l schwer waren die Folgen dieses Zusammenstoßes für i die Passagiere und das Personal des Zugs. Getötet sind 7 Personen, darunter Katharine Streik,
^ Vorsteherin der Haushaltungsschule in Herrenberg;
! Verwundete sind es 40 bis 50, darunter Gottlieb iBender, Bäcker von Gültstein, OA. Herrenberg j (Quetschung am Fuß), Pfarrer Kappus von Ent- ! ringen und Frau Apotheker Dörr von Ergenzin- ^ gen, Schwerverwundete etwa 10. i lieber das gestrige Eisenbahnunglück erfahren wir noch Folgendes: Ein in einem der letzten Wagen befindlicher junger Mann von ungefähr 20 Jahren saß in der Nähe des (getöteten) Mädchens von Rottweil, als der Zusammenstoß erfolgte. Plötzlich fand er sich dermaßen in einem lebenden Knäuel eingezwängt, daß er glaubte, ersticken zu müssen. Gleichzeitig fühlte er, wie die zusammengedrückten Holzteile des Wagens ihm durch den Nock, Rücken- und Seitenteile desselben gingen, ohne jedoch den Körper zu verletzen. Im nächsten Augenblick war er schon durch das Waggonfenster im Freien. Kaufmann M. Horkheimcr von hier war Vormittags mit einigen Arbeitern in der Trikotwaarenfabrik von Behr und Vollmöller in Vaihingen zur Empfangnahme von Abfällen und benützte den verunglückten Zug mit seinen Arbeitern zur Rückfahrt. Auch er samt seinen Arbeitern wurde, wie wir hören, leicht am Kopfe verwundet. Die Verwundung des Herrn Dr. Löwenstein, welcher gleichfalls in das Kath.- Hospital verbracht wurde, ist derart, daß derselbe heute bereits wieder entlassen wurde. Der Zug, welcher gestern die Toten und Verwundeten barg, traf einige Minuten nach 3 Uhr auf der Hasenbergstation ein. Im vorderen Wagen befanden sich die Toten, in den nächsten Wagen die Verwundeten. Nachdem letztere durch Wasser erfrischt waren, fuhr der Zug mit seiner traurigen Last nach der Auslade
stelle in der Kriegsbergstraße, von wo die Verwun
deten nach dem Katharinen- bezw. Ludwigsspital, die Toten nach dem Leichenhause des Pragfriedhofs befördert wurden. An der Unglücksstätte sind die Abräumungsarbeiten bis heute vormittag noch nicht beendet. Die Züge fahren von beiden Seiten bis zur Unglücksstätte, woselbst umgestiegen werden muß, wodurch selbstverständlich Verspätungen entstehen. Zahlreiche Arbeiter aus den Werkstätten von Stuttgart, Cannstatt und Eßlingen sind in angestrengter Thätigkeit, um die Linie so bald als möglich wieder fahrbar zu machen.
Stuttgart, 2. Okt. Die Betriebs-Inspektion Stuttgart ist angewiesen, sich täglich zweimal nach dem Befinden der in den Spitälern untergebrachten Verletzten zu erkundigen und auf Anfrage telegraphische Mitteilung über das Befinden derselben den auswärtigen Angehörigen zu geben.
Stuttgart, 3. Okt. Von den in das hiesige Leichenhaus gebrachten 6 Toten werden 5 in ihre Heimat übergeführt und nur Fräulein K. Streib, Vorsteherin der Frauenarbeitsschule in Herrenbcrg, wird im Laufe des morgigen Nachmittags auf dem Pragfriedhof beerdigt.
Stuttgart, 1. Okt. Nach der „Köln. Ztg." wird die Einweihung des dem verstorbenen Minister ' Julius v. Hölder von seinen Freunden errichte, i ten Denkmals am 20. Okt. auf dem Pragfriedhof ! stattfinden.
! Cannstatt. (Verspätet.) Es war vorauszu- ffehen, daß das diesjährige Volksfest, als in das ! Jahr des Jubiläums der Regierung Sr. Maj. des ; Königs fallend, große Dimensionen annehipen würde,
^ aber die Wirklichkeit hat die Erwartungen noch stark ! übertroffen. Seit Freitag vormittag bis zum heuti- ! gen Mittag wogt es auf dem Volksfestplatze ununterbrochen von Tausenden von Menschen aus allen Gegenden des Landes; alle Vergnügungs- und Unterhaltungslokale sind überfüllt. Unter den ^" buden befinden sich Heuer manche, die über d wöhnliche Volksfestniveau hinausragen; Jun Alt vergnügt sich auf einer Kopenhagener 1 bahn und einem großen russischen Veloziped-K sell rc., gute Zirkusvorstellungen üben eine Anziehungskraft aus. An Wirtschaftsbuden is kein Mangel. Die Anwesenheit von Deputat der sämtl. landw. Bezirksvereine hat zum E der Feier nicht wenig beigetragen. Das Wetter nicht besonders günstig. Die Ausschmückung