doch ein unpraktischer Mensch, ein trockener Egoist und roher gemeiner Kerl sein, wie Hunderte, ja tau­sende von Exempeln zeigen.

Ein sehr treffendes Urteil über den Gymnafial- Unterricht fällt der Engländer Herbart Spencer:

Hätte es weiter keinen Unterricht gegeben als den von diesen Gymnasiallehrern und nach deren Methode, England würde jetzt noch sein was es in den Feudalzeiten war. Jede zunehmende Bekannt­schaft mit den Gesetzen der Naturerscheinungen, welche im Lauf der Zeit uns befähigt hatte, die Natur un­seren Bedürfnissen zu unterwerfen und in unseren Tagen dem gemeinen Arbeiter Bequemlichkeit bietet, welche wenige Jahrhunderte vor uns Könige nicht hatten erkaufen können, ist kaum im geringsten Grade den bezeichneten Mitteln unseres alten und gewohn­heitsmäßigen (sog.höheren") Jugendunterrichts zu danken. Die wesentlichste Kenntnis die, durch welche wir uns zu einer Nation entfaltet haben, wie wir sie jetzt sind, und auf welcher jetzt unsere ganze Existenz gegründet steht diese Kenntnis hat ihre Lehrstütte in Winkeln und Ecken gehabt, während die angestellten Männer des Unterrichts wenig anders als tote Formeln gesammelt haben!"

Wer nun einmal den Trieb, das Talent und die-Mittel hat (oder letztere sonst findet), zu studie­ren, der thue cs nach wie vor! Aber wenn die Re­gierungen daran gehen, allen jenen dasStudieren" zu erschweren, welche dazu keinen Trieb und kein Talent haben oder bloß aus Hochmut um der gemeinen" Arbeit in der Werkstätte oder Fabrik zu entgehen, studieren wollen dann thun sie so­wohl sich selbst wie den betreffenden jungen Leuten und ihren Eltern ein gutes Werk; nur müssen sie mit derAuskehr" gleich bei den Beamten aller Art selbst anfangen, welche in ihrer weitaus überwiegen­den Mehrzahl glauben, ihre Herren Söhne seien zu nobel und zu gut, um mit ehrlicher Handarbeit ihr Brot zu verdienen, gerade wie auch viele Pastoren glauben, daß ihre Söhne bei derZunft" bleiben müssen, gleichviel ob sie dazu taugen oder nicht, wo­her es dann kommt, daß es so viele Geistliche giebt, denen man von Polizei wegen das Betreten der Kanzel verbieten sollte.

Gerade das geistige Proletariat, das durch die verkehrte Berufsbcstimmung und Berufswahl heut­zutage an iiEks grvßgczogen wird, liefert der So­zialdemokratie Waffen und Mannschaft in Menge, und die Regierungen haben bis jetzt ihr Möglichstes gethan, dieses Proletariat groß zu ziehen. Hier ist es wirklich höchste Zeit zur Einsicht und zur Umkehr.

Noch einmal auf die Lehrer zurückkommcnd, so ist cs klar, daß der Lehrer gerade so gut wie jeder andere Staatsbürger das Recht hat, in die politische Bewegung einzugreifen. Allein, sagt G. Wächter (Die soziale Bedeutung der evangel. Kirche in der Gegenwart),da sich in seiner Pflege die Kinder aller Kreise befinden, so gilt auch für ihn die Regel: nur im Notfall ist es geraten, an der politischen Be­wegung teilzunehmen. Im großen Wahlkampfe des Jahres 1887 haben sich einige Lehrer das Verdienst erworben, durch eine kurze, kräftige Ansprache oder auch durch die Verbreitung von Wahlaufrufen und Wahlzctteln ihre Gemeinden vor dem Eindringen der Sozialdemokratie zu schützen. Wo eine solche Ausgabe nicht vorliegt, da bleibt ein Mann, der eine öffentliche Stellung in der Gemeinde bekleidet, lieber ser.,. Diejenigen Herren aber, welche sich für den Freisinn erwärmt haben, erlauben wir uns daran zu erinnern, das; kein anderer als der Reichskanzler selbst den Freisinn eine Vorfrucht der Sozialdemo­kratie genannt hat. Tie politische Thätigkcit, welche dem Lehrer oblieg , besteht weniger darin, daß er politische Vereine gründet, Wahlreden hält oder sich selbst zum Kandidaten anjstellcn läßt, sondern viel­mehr darin, oaß er mir denen, welche ein einfluß­reiches staal.iches oder kirchliches Amt in der Kirche bekleioen, immer Hand in Hand gehe. Wenn in einem Ort Pfarrer, Lehrer und Gemcindevorstand kräftig Zusammenhalten, dann wird es den Sozial­demokraten schwer werden, sich der Geister zu be­mächtigen."

schließlich wäre noch der Wunsch auszusprc- chen, d g; die Schule, so viel in ihren Kräften liegt, dahin wirke, auch das deutsche Familienleben wie­der zu heben, die elterliche Autorität und die kind­liche Psttat, die elterliche Gewalt und den kindlichen Gehorsam zu stärken und zu fördern. Sie kann in

l dieser Beziehung viel, sehr viel thun und so die § Sozialdemokratie am wirksamsten mit bekämpfen hel- i fen. Die Pietät gegen die menschlichen Autoritäten j ist eine der wesentlichsten Grundlagen der gesell- . schaftlichen und staatlichen Ordnung, und es ist I Sache der Lehrerschaft samt und sonders, hier mit gutem Beispiel voranzugehen.

^ Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster

^ Entschließung vom 2t. Mai d. I. die Errichtung von Tele- ^ graphenanstalteu mit Televdonbetricb für den öffentlichen ^ Verkehr in den Gemeinden Ebhausen und Rohrdorf gnä­digst genehmigt. Diese beiden Telephonanstaltcn werden am Freitag den 16. Aug. d. I mit beschränktem Tagesdienst er­öffnet werden.

Auf die erledigte Stelle eines Stattonsmeisters und Postexpcditors in Schopfloch wurde der Expedient Keinath in Nagold befördert.

Tages Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Schönbronn, 10. Aug. In unserem Oberamte halten sich gegenwärtig außer in Rohrdorf auch in Schönbronn und Esslingen Ferien­kolonien auf. Auch hier in Schönbronn macht sich unsere kräftige Schwarzwaldluft und namentlich die gute Kost und Verpflegung in äußerst günstiger Weise bei den Kindern geltend. Das Landleben übt einen eigentümlichen Reiz auf sie aus, und man sieht sie häufig mit dem Erntewagen, fröhliche Ge­sänge anstimmend, nach Hause fahren. Die Knaben mit den sonnverbrannten Gesichtern und den Hel­len Augen machen einen ganz anderen Eindruck als die blassen Kinder, die vor etwa drei Wochen in unserem Ort einzogen. Außer der sorgfältigen Für­sorge von seiten des Lehrers, dem die Kinder anver- ^ traut sind, ist an dieser günstigen Umwandlung na­mentlich auch die überaus gute und reichliche Kost, welche ihnen von der Frau Lindenwirt Hirzel ver­abreicht wird, schuldig. Mit mütterlicher Liebe be­handelt sie die Knaben wie ihre eigenen Kinder, sie sorgt in jeder Beziehung für dieselben und bei jeder Gelegenheit sucht sie ihnen eine Freude zu bereiten.

! Wie wir hören, wtrd Frau Hirzel unentgeltlich und i aus eigenem Antriebe die Kinderkolonic in der näch- ! sten Woche einmal nach Nagold führen lassen, damit ! die Knaben den Schloßberg, das Seminar und die anderen Sehenswürdigkeiten der Obcramtsstadt sich besehen können.

Stuttgart, 8. Aug. Wie verlautet, wird der .König den Schah bei seiner Ankunft am 16. Aug.

^ persönlich hier begrüßen: auch die Prinzen des kgl. i Hauses werden dem Vernehmen nach an dem Em­pfange teilnehmen. Bereits am 3. Tag nach seiner i ! Ankunft wird der Schah die Weiterreise antreten. 'Die Königin ist vorgestern in Friedrichshafen einer ! Gefahr entgangen. Dieselbe machte am Vormittag, i von einer Gesellschaftsdame begleitet, eine Ausfahrt. !

! In der Nähe des Gasthofs zur Sonne veranlaßte ! > das schöne Wetter die Königin , zu einem kleinen i ! Spaziergang auszusteigen. Kaum hatte ihre Majc- i ! stät die Equipage verlassen , als die Pferde so wild ,

! wurden, daß der Leibkutscher ihrer nicht mehr Herr f wurde. In wildem Lause gingen die Pferde durch und der Kutscher wurde heruntergeworfen.

In Karlsruhe tagt gegenwärtig die 30. Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure.

Berlin, 10. Aug. Ter Kaiser und Prinz Heinrich kommen heute abend hier an. Der Reichs­kanzler trifft heute abend von Varzin hier ein.

Berlin, 10. Aug. Nach demBcrl. Tagcbl." ift das Gesuch der Stadt Berlin an den Reichskanz­ler um Ausnahme von dem Schweineeinfuluverbot abschläqlich beickneden worden

An den Reichskanzler soll der Vorschlag herangetreten sein, ein eigenes deutsches Kolonialamt unter einem besonderen Staatssekretär zu bilden. Fürst Bismarck hat diesen Antrag abgelehnt, da er, als einziger verantwortlicher Minister im Reiche, in ^ jedem Falle für die Kolonialpolitik einstehcn muß. , Um aber eine sorgfältige und umfassende Erörterung i aller Kolonialfragen zu ermöglichen, ist die Errich­tung einer speziellen Kolvnialabtcilung innerhalb des . Auswärtigen Amtes unter Leitung eines Ministerial­direktors in Aussicht genommen. Bei dieser neuen Einrichtung sollen auch wissenschaftliche und technische Kräfte Verwendung finden. Daß für die Wißmann- ' Expedition dem Reichstage eine neue Forderung zu­gehen wird, ist schön mitgeteilt. Der Jahresuntcr- i halt der Expedition dürfte etwa 21 2 Millionen ^ kosten. ^

Ein Major der Potsdamer Garnison soll nach dem Bericht einer Berliner Zeitung an seine i Kompagnie eine Ansprache gehalten haben, worin f er erwähnt habe, sie werde demnächst zwei Paraden ! zu bestehen haben, eine vor den, österreichischen Kai­ser und die andere vor dem Zaren. Er rechne auf eine tadellose Haltung der Mannschaften. Dem österreichischen Kaiser müsse gezeigt werden, daß er tüchtige, verläßliche Bundesgenossen,- dem Zaren,

^ daß er eventuell kampfbereite, schneidige Gegner ha­ben werde.

Hamburg, 9. Aug. Mit dem heute hier an­gelangten SchnelldampferColumbia" traf Karl >Schurz von Ncwhork hier ein.

Frankreich.

Paris,?. Aug. Die Marschälle Mae Mahon und Canrobert sollen cs abgclehnr haben, an einem i Kriegsgericht zur Aburteilung Boulangers teilzuneh- ! men. Freycinet sei gegen die Einberufung eines Kriegsgerichtes und habe deshalb bis Anfang Sep­tember Ferien-Urlaub genommen.

Paris, 9. Aug. (Prozeß gegen Boulan- ger und Genossen.) Um 2 Uhr nachmittags ver­las Gerichtsschrciber Sorel den Beweisbeschluß gegen Boulanger, Rochefort und Dillon. Hier­auf beginnt der Gcneralstaatsanwalt mit der An­klagerede. Er erklärt, das öffentliche Ministerium habe nicht die Gepflogenheit, die Anklage in Abwe­senheit des Beschuldigten zu begründen. Hier aber liege der. Fall anders. Es gelte vielmehr zu ant­worten auf Ausstellungen der Verteidigung, wie sie über den Kanal von Boulanger herübcrgekommen sei, aber kein Licht in die Angelegenheit gebracht habe. Man habe geglaubt, alle Aktenstücke der An­klage zu besitzen, das sei aber ein Irrtum. Er habe sich absichtlich in der Anklageschrift Beschränkung auserlegt, jetzt erst werde volles Licht in die Sache dringen. Es sei bedauerlich, daß Boulanger nicht den Mut gefunden habe, sich persönlich zu verteidi­gen, anstatt die Anklage mit Beleidigungen der Zeu­gen zu beantworten, deren Aussagen er nicht gehört habe. DerEhrgeiz" des Generals habe nie Schran­ken gekannt. Der Generalstaatsanwalt geht sodann Boulangers Laufbahn von 1882 au durch und be­richtet hieraus über dessen Verhalten in Tunis, wo­bei er namentlich zu beweisen sucht, daß ein Mann, der sich nur mit verdächtigen Subjekten umgebe, un­möglich ehrbar sein könne. (Um 4 Uhr tritt Pause ein.) Der Angeklagte habe selbst den Senat in sei­ner Würde beleidigt, die Minister beschimpft und be­droht. Bei dieser Sachlage sei es unmöglich zu schweigen. Es wäre dringend wünschenswert gewe­sen, ihm die Tausende von Belastungsschreiben ent­gegenhalten zu können. Ankläger und Beschuldigte hätten dann von Angesicht zn Angesicht 'anftreten können. Der einzige Feind deS Generals sei die Aktensammlung, welche zur Kenntnis gebracht werde. Diese Papiere allein würden sprechen. Der Gene­ralstaatsanwalt erörtert sodann noch den Thatbe- stand der Verschwörung, welche darauf hinauslief, die gesetzliche Regierung durch eine Diktatur zu er­setzen. Um halb 5 Uhr wird die Sitzung wieder ausgenommen. In seiner Rede fortfahrend, prüft der Generalstaatsanwalt die Haltung Boulangers als Kriegsminister und belegt die Ausstellungen der Anklage durch Hinweis ans die zahlreichen vertrau­lichen Briefe übel beleumundeter Menschen an den General." Redner betont namentlich das Vorhan­densein einer Quittung über den Empfang von 32,000 Franks durch den übel beleumundeten Spion de Mondion und einem gewissen Foucauld- (welcher vor einigen Tagen nach London ging, um mit Bou­langer zu' beratschlagen, und welcher mit vielen 1000 Francs-Noten zurückkam).Sehen Sie sich diesen General an," fügt der Generalstaatsanwalt hinzu, Zeinen Mann, der mit Ehre und Vaterland um sich wirst und von Gaunern umgeben ist." Um 6 Uhr wurden die Verhandlungen auf heute Freitag 1 Uhr vertagt.

Paris, 9. Äug. Man behauptet, Lagnerre habe Boulanger fahren lassen, weil dieser sich dem Gerichtshöfe nicht gestellt habe. Allgemein nimmt man an, was auch bei dem Processe herauskommen möge, daß Boulanger in der öffentlichen Meinung verloren sei. Nach Eröffnung der Sitzung und dem öffentlichen Namensaufruf setzt der Staatsanwalt seine Anklagerede fort. Er erklärt, daß er sich über den frevelhaften Anschlag gegen den Staat kurz fas­sen würde, damit er heute zu Ende gelange.