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61. Jahrgang

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Amts- unä IntelligenMatt für äen Kezirst

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

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Donnerstag, äen 30. September 1886.

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"Aotitifche Wachvichten.

Deutsches Reich.

Metz. 25. Sept. Heute wurde hier ein Zeichner und Lithograph wegen beleidigender Ausdrücke, die er über den Kronprinzen gebraucht, sowie wegen Bedrohung verhaftet. Derselbe ist ein exaltierter Mansch und hält sich hier als Franzose auf; wie so mancher der hier wohnenden Franzosen denkt er nicht daran, nach Frankreich zurückzukehren, da man ihn dort sofort hinter Schloß und Riegel bringen würde. Voraussichtlich wird ihm nun doch, nachdem er hier seine Strafe verbüßt, eine Beförderung in sein angestammtes Vaterland blühen. Uebrigens wäre zu wünschen, daß, da die Negierung über Ausweisungen vollständig diskretionäre Gewalt hat, das Land von' solchen fremden Elementen gesäubert würde, welche in Frank­reich wegen ehrenrühriger Handlungen 'verurteilt, über die Grenze geflohen sind, und uns mit ihrer Gegenwart beglückt haben. Es wäre damit uns und unfern Nachbarn geholfen. Es ist wirklich traurig, welch eine Menge solchen Gesindels sich hier aushält.

Berlin, 28. Sept. Die politische Situation wird seit ge st er n etwas ernster angesehen. Die Haltung der Bul­garen gegenüber dem russischen General Kaul bars läßt befürchten, daß Rußland in jener Haltung einen erwünschten Anlaß zu einem Ein­marsch nach Bulgarien erblicken könnte, was von Oesterreich- Ungarn eben nicht ruhig hingenommen werden dürfte.

Zweifellos sind augenblicklich die Bemühungen seitens Deutschlands dahin

gerichtet, den drohenden Konflikt zu vertagen. In der Beantwortung der Interpellation im ungarischen Parlament seitens des Ministers Tisza dürfte dieser Punkt nicht unberührt bleiben. Im klebrigen setzt dieNorddeutsche" ihre Polemik gegen einen gewissen Teil der österreichischen Presse fort, von welchem sie wiederholt sagt, daß er am Bündnis freventlich rüttele. Dep. d. Frkf. Journ.

Dem Reichstag steht doch noch eine große Debatte über die bulgarische Frage bevor. DasBerliner Tageblatt" verkündet, daß Herr Eugen Richter und seine Partei im Reichstag auf die bulgarische Angelegen­heit zurückkommen werden. Hoffentlich, bemerkt dazu die Norddeutsche All­gemeine, macht die Opposition ihre Zusage wahr und bringt die auswärtige Politik des Reiches in der nächsten oroentlichen Session zur Sprache. Voraus­sichtlich wird den Interpellanten alsdann eine viel weitergehende Information gegeben werden als es jetzt möglich gewesen wäre über die gegenwärtig noch schwebende Frage zu erteilen.

Aus militärischen Kreisen verlautet mit Bestimmtheit, daß weit über «Hundert französische Offiziere in bürgerlicher Kleidung den Manövern in den Reichslanden beigewohnt hätten; dem Kriegs­minister sei dies nicht unbekannt geblieben, doch hätte derselbe nicht gewünscht, daß den Herren Hindernisse in den Weg gelegt würden. Diese Haltung hat überall den günstigsten Eindruck gemacht, namentlich gegenüber der fast krank­haften Spionenriecherei der Franzosen.

München, 26. Septbr. Gestern morgen hat der Prinzregent die Residenz verlassen und seine Rundreise angstreten, von der erst Finnen binnen 8 Tagen heimkehren wird. Ein zahlreiches Publikum hatte sich auf dem Bahnhof eingesunden, um den Regenien bei seiner Abreise zu begrüßen. Man hat in Bayern derartige Abreisen seit 20 Jahren nicht mehr erlebt. Natürlich, daß man jetzt besonderen Wert darauf legt. Die hiesigen Blätter scheinen die Meinung des Publikums zu kennen; sie behandeln die Reise in langen Berichten, zu deren Abfassung sie eigene Berichterstatter entsandt haben. In Augsburg ist der Regent auf das Glänzendste empfangen worden.

Die Königin-Mutter, die täglich hiesige Kirchen besucht, geht am 2. Oktober wieder nach Hohenschwangau. An demselben Tage beginnt hier offiziell das Oktoberfeft, zu dessen heute beginnender Vorfeier bereits Mafien von Fremden in die Stadt strömen. Auf der Festwiese entwickelte sich in den Nachmittagsstunden ein großartiger Verkehr.

König Ludwig von Bayern würde schon früher entmündigt worden sein, so hatte neulich die ultramontaneGermania" behauptet, wenn nicht der Reichskanzler entschieden diesem Plan widersprochen hätte. Er habe erst in die Einsetzung einer Regentschaft gewilligt, nachdem die Garantien geboten worden seien, daß eine Aenderung in der Haltung der bayerischen

A e u i l l e 1 o n.

(Widerrechtlicher Nachdruck wird v»»folgt.)

VerrkccnnL.

Novelle von Leo Sontag.

(Schluß.)

Eines Tages, ganz kurz vor dem Examen kam der Professor wie gewöhnlich gegen Abend in das Büchtemann'sche Haus und fand die beiden Mädchen allein im Eßzimmer, wo Marthe gerade den Tisch zum Nachtessen deckte, während Marie am Klavier saß und leise ein Lied vor sich hinsummte.

Guten Abend, meine Damen, heißen Sie mich willkommen, denn ich bringe frohe Botschaft. Für Sie, Fräulein Marie, habe ich heute mit dein Freiherrn von Tiele abgeschlossen. Er verzichtet darauf, den Ausgang des Examens abzuwarten, denn ich-habe mich ihm verbürgt, daß Sie glänzend bestehen werden. Nur ruhig, keinen Dank! Ich glaube, ich habe meinem Freunde einen größeren Gefallen gethan, als JhMi. Halten Sie sich bereit, die Stellung möglichst bald anzutretcn, denn die jetzige Erzieherin ist leidend, und die Gräfin möchte sie nicht gerne eher wcglassen, als bis Sie kommen. Also das wäre abgemacht! Für Sie, Fräulein Marthe, habe ich auch eine Stelle als Haushälterin, zwar nicht in einem so vornehmen Hause, wie das der Gräfin Redern; aber ich glaube. Ihnen versprechen-zu können, daß Sic es gut dort haben werden!"

Es ist sehr lieb von Ihnen, Herr Professor, daß Sie auch an mich gedacht, aber ich fürchte nur, Mütterchen wird's nicht zugeben"

Jetzt eben will ich zu ihr; vielleicht kann ich sie doch noch dazu bestimmen; und wenn nicht, nun, dann lassen wir Sie eben durchfallen, dann erlaubt sie's gewiß.

Was für eine Stelle mag das nur sein?" fragte Marthe die Freundin, als

Hauswalt hinüber ins Wohnzimmer gegangen,er thut immer so geheimnisvoll, wenn er davon spricht."

Ich weiß es wirklich nicht Marthe, aber Du wirst es ja gleich erfahren, wenn er wieder herüberkommt. Ich will unterdessen in unserem Zimmer noch ein paar Worte an den Vater schreiben, daß ich die Stellung in Nedernheim bekomme; es wird ja wohl noch eine Zeit lang dauern, bis zum Nachtessen."

Erstaunt sah Marthe der davoneilenden Freundin nach, und fast wollte es ihr scheinen, als ob der plötzliche Correspondenzeifer der im allgemeinen nicht geradezu pünktlichen Briefschreiberin nicht ganz natürlich sei. ES war ihr überhaupt in der letzten Zeit schon wiederholt aufgefallen, daß Marie dem Professor auszuweichen versuchte. Sollte da vielleicht ein tieferes Interesse? Fast wie Schrecken durchzuckte es sie bei diesem Gedanken. Aber nein, das war ja nicht denkbar, war es ihnen doch allen schon längst kein Geheimnis mehr, daß Fritz dem jungen Mädchen ernstlich zugethan war, wie auch diese aus ihrem Gefallen an dem lustigen jungen Arzt nie ein Hehl gemacht hatte. Nasch wurde der Gedanken wieder verbannt; hatte sie ja doch auch augenblicklich keine Zeit ihm nachzuhängen; denn der Ausgang der Unterredung des Professors mit ihrer Mutter nahm ihr ganzes Sinnen und Denken in Anspruch. Fast bebend vor Auflegung nahm sie ihren gewohnten Platz am Fenster ein und hatte eben mechanisch eine Handarbeit ausgenommen, als Hauswalt wieder eintrat. Ein Blick auf sein fröhliches Gesicht genügte, um ihr zu zeigen, daß er diesmal wohl nicht umsonst ihren Anwalt geinacht.

Das wäre gelungen!" rief er.Es hat allerdings des Aufwandes meiner ganzen Ueberredungskunst bedurft, aber schließlich hat die Mutter nachgegeben, und nun hängt es nur noch davon ab, ob Sie die Bedingungen eingehen wollen diV man Ihnen stellt."

O", rief Marthe freudig,wenn Sie und die Muiter glauben, daß ich sie eingehen kann, dann ist-doch wohl kein Zweifel? ^