Mo. 112.

«1. Jahrgang.

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Amts- uaä Intelkigeazbkatt für äen Dezirsi.

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§am8tag, äen 25. 8eptember 1886.

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'AoLiLische WacHvichten.

Deutsches Reich.

Metz, 21. Septz Heute früh besuchte der Kronprinz um 8'/4 Uhr in Begleitung des Fürsten Hohenlohe, des Staatssekretärs und des Be­zirkspräsidenten die Bibliothek und die Sammlungen der Stadt Metz im Museum. Von Bürgermeister Halm empfangen, nahm der Kronprinz die Vorstellung der Beamten des Museums und des Archivs entgegen. Der Besuch war um 9 Uhr beendigt, und Se. K. u. K. Hoheit fuhr unmittelbar zum Bahnhofe, von den in den festlich geschmückten Straßen dicht gedrängten Massen noch einmal mit herzlichem Jubel begrüßt. Prinz Wilhelm besich­tigte heute morgen die Forts und reiste um 11 Uhr 48 Min. nach Berlin ab.

Der außerordentlichen Reichstagssession widmet die Nat.-Lib. Korr, folgenden Nachruf: Die kurze Tagung ist heute zu Ende gegangen und es ist gelungen, trotz der ungünstigen äußern Umstände die Arbeiten ohne besondere Störung zu erledigen. Die Beschlußfähigkeit war, wenigstens beim ersten Namensaufruf, erreicht, nachher war sie freilich wieder recht zweifelhaft geworden. Indessen, nachdem die Sozialdemokraten ihren Wunsch erreicht, ihren ausgewiesenen Genossen den Aufenthalt in Berlin um ein paar Tage zu verlängern, hatte Niemand mehr ein Interesse daran, die Beschlußfähigkeit anzuzweiseln und der Beendigung der Arbeiten Schwierig­keiten in den Weg zu legen. Der Reichstag hat mit dieser außerordentlichen Leistung, die wenige Monate auf eine Session von überlanger Dauer folgte, einen anerkennenswerten Beweis von Pflichttreue und Hingebung geliefert, und wir stellen mit Genugthuung fest, daß keine Partei den Nationalliberalen an Vollzähligkeit des Erscheinens gleichgekommen ist. Sie waren fast bis auf den letzten Mann zur Stelle, wogegen von allen Parteien wieder einmal das Zentrum seiner Pflicht am schlechtesten genügt hat. Von den süd­deutschen Mitgliedern des Zentrums und dessen polnisch-elsässischen An­hängseln war fast niemand anwesend. Zur polit. Kennzeichnung der Parteien muß dieser Zug hervorgehoben werden. Es wird nunmehr unverzüglich die kaiserliche Ratifikation des spanischen Handelsvertrags erfolgen und dann ist Alles geschehen, was von deutscher Seite geschehen kann, um den Vertrag alsbald ins Leben treten zu lassen. Ob nunmehr die Sache in Spanien ebenso glatt geht, muß leider bezweifelt werden. Gleichzeitig mit dem Schluß der Reichstagssession treffen Nachrichten von einer revolutio­nären Bewegung in Spanien ein. Die Unsicherheit und Gespanntheit der dortigen Verhältnisse war für die Reichsregierung hauptsächlich bestimmend, die Erneuerung des Vertrags möglichst zu beschleunigen. Es liegt freilich ebenso sehr im spanischen, als im deutschen Interesse, daß der Vertrag möglichst bald alle noch ausstehenden Formalitäten zurücklegt, und es kann keiner Re­gierung darum zu thun sein, das Abkommen zu Fall zu bringen. Wenn auch die Vorteile, welche der Vertrag und überhaupt ein gesichertes geord­netes Handelsverhältnis zu Spanien für Deutschlands bietet, durchaus nicht verkannt oder verkleinert werden sollen, so ist doch in der Debatte im Reichs­

tag auch der Nutzen scharf hervorgehoben worden, den Spanien aus dem Verhältnisse zieht. die starke Zunahme des spanischen Exports. Man wird hoffen dürfen, daß diese Erwägungen auch in Madrid durchschlagen, mögen die dortigen Wirren was immer für einen Verlauf nehmen.

Berlin, 23. Sept. Die Alters- und Jnvaliden-Ver- sorgung der Arbeiter wird jetzt vorbereitet; ehe jedoch ein Entwurf formuliert wird, werden die Nächst beteiligten gehört werden. Es ist ausgeschloffen, daß schon in der nächsten Session des Reichstags darüber ver­handelt wird. Die Sichtung und Bearbeitung des Materials der Enquete über die Sonntagsarbeit wird vor Ende des Jahres kaum abge­schlossen werden können.

Berlin, 23. Sept. Soweit bis jetzt feststeht, wird der Reichs- tag Mitte November, der Landtag Mitte Januar zusam- mentreten.

Frankreich.

Paris, 21. Sept. DerTelegraphe" kündigt an, daß zwar nicht mit dem 8 . Armeekorps, aber doch mit dem 9. (Tours) im Frühjahr ein Mobilmachungsversuch gemacht werden solle. Das 8 . Armeekorps (Bourges) berührt mit einer seiner Divisionen (Dijon) die Grenze und war zuerst dazu ausersehen. DerTemps" bemerkt:Seit dem Spionengesetze vergeht kein Tag, ohne daß ein Spion entdeckt oder für entdeckt gehalten wird, im Osten besonders ist das Mißtrauen stark." DerVosgien" ist besonders groß in Spionenriecherei und behält namentlich die Brieftauben im Auge. Der Kriegsminister hat an die Direktion der Ostbahn am 31. August ein Schreiben gerichtet, worin er strengstens die Einführung deutscher Brief­tauben verbietet.

England.

London, 22. Sept. Dem Bureau Reuter wird aus Mandala y unter dem 22. September gemeldet: Als heute früh die Thüren zu den öffentlichen Wohlthätigkeitsan st alten geöffnet wurden, um Lebensmittel an die von den jüngsten Ueberschwemmungen Betroffenen zu verteilen, stürzte ein Haufen Notleidender gewaltsam gegen die Thüren, wobei zwölf Personen zertreten und acht verwundet wurden. Fast 6000 Personen empfingen im Laufe des gestrigen Tages Lebensmittel.

Spanien.

Madrid, 21. Sept. Als die Königin von den Vorfällen der vorletzten Nacht Kunde erhielt, beschloß sie, zurückzukehren, verschob aber ihre Heimkehr bis Sonntag, als sie erfuhr, daß die Empörer zerstreut worden seien. Es sind 85 Militärpersonen und 19 Bürgerliche verhaftet worden. Die amtlichen Depeschen melden, daß die Aufrührer bei Vicalvaro geschlagen worden sind. DerCorreo" meldet, daß nur eine Bande von etwa 40 Reitern nicht zerstraut worden sei. Die Regierung hat, um die Aufwiegelung der Provinzen zu verhüten, die Verhaftung mehrerer Rädelsführer befohlen. Ueber die Provinz Neu-Castilien ist der Belagerungszustand verhängt morden.

Madrid, 22. Sept. Die Königin ist hieher zurückgekehrt, sie wird

Feuilleton.

WerkcrnnL.

Novelle von Leo Sontag.

(Widerrechtlicher Nachdruck wird verfolgt.)

(Fortsetzung.)

Also Sie wollen nicht Lehrerin werden?" fragte er.

Ach nein, Herr Professor, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Mutter dazu bringen könnten, daß ich vom Examen zurücktreten darf."

Und so versprach er mir denn ftir mich einzutreten; ja mehr als das, als ich ihm mitteilte, wie gerne ich eine Stelle als Haushälterin haben möchte, da meinte er lächelnd, er könne mir vielleicht eine solche besorgen.

Daß Sie zu empfehlen sind, davon habe ich mich heute überzeugt", sagte er freundlich.

Wie mich das freut", rief Marie,daß ihr endlich anfangt, einander zu ver­stehen, Du und der Professor. Ich habe euch beide so lieb, und konnte es gar nicht mit ansehen, daß Ihr immer im Streite wäret. Und wenn er mit Deiner Mutter spricht, bleibt Dir auch das gefürchtete Examen erspart."

Ich will es hoffen. Und jetzt hinüber. Fritz muß jeden Augenblick kommen, die andere Herren sind, glaube ich, schon da."

Ja, geh' nur einstweilen, ich komme gleich nach; nur noch ein paar Stiche habe ich hier zu machen."

Marthe fand im Eßzimmer nur Dr. Schulz und ihre Mutter, und zwar- wie es schien, in eifrigem Gespräch, das allerdings bei ihrem Eintritte sofort verstummte.

Wenige Minuten später verließ Frau Büchtemann das Zimmer, um, wie sie sagte, nach dem Nachtessen zu sehen.

Sofort trat der junge Lehrer auf Marthe zu, die sich in eine Fensternische gesetzt und ein Buch zur Hand genommen hatte.

Liebes Fräulein", begann er,ich habe soeben mit Ihrer Mutter gesprochen und dieselbe hat mir Hoffnung gemacht, daß Sie mir vielleicht Gehör schenken würden, wenn ich mir erlaube, Sie zu bitten."

Aber lieber Herr Doktor", unterbrach sie.ihn, wozu denn die lange Vorrede? Wenn ich Ihnen irgend einen Gefallen thun kann, seien Sie überzeugt, daß ich es gern thue. Soll ich vielleicht dafür sorgen, daß es morgen Hafersuppe mit Zwetschgen gibt oder Krautsalat zum Abend? Reden Sie nur, es wird sich schon machen lassen."

O Fräulein Matthe, Sie wissen ja, daß ich Ihnen für kulinarische Genüsse stets dankbar bin; denn Sie haben, wie ich nur schon öfters zu bemerken erlaubt, die Poesie der Küche erfaßt."

Was? reden Sie schon wieder von Küchenpoesie, Herr Doktor!" rief da Marie, die eben eingetreten war,und Marthe studiert das Kochbuch dazu?"

Ach, Fräulein Marie", versetzte der junge Mann in größter Verwirrung, ich war gerade im Begriffe mit Fräulein Matthe zu beraten, was, was"

Was für ein Kuchen zu meinem Geburtstag gebacken werden soll? Ja, da darf ich freilich nicht mit zuhören!" Und rasch huschte Sie wieder zur Thüre hinaus. Der junge Lehrer aber, nach einigen vergeblichen Versuchen, seinen unter­brochenen Redefluß wieder auszunehmen, platzte endlich mit den Motten heraus:

Liebste Matthe, bewahren Sie mich vor dem Zurücksinken in die Prosa gemeiner Kost, überwachen Sie stets die Zubereitung meiner Speisen, kurz werden Sie meine Frau!" (Forts, folgt.)