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61. Jahrgang
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Amts- urul Intelligenzßkatt für äen Kezirß.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt S H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
, äen 21. September 1886.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Abonnements-Einladung.
Zum Abonnement auf das „GaLwerr Woctzerrötcrtt", 4. Quartal, laden wir hiemit Jedermann in Stadt und Land freundlichst ein.
Die Redaktion hat für das nächste Quartal die beachtenswerte Neuerung getroffen, daß dem Blatte für die Folge die wichtigsten politischen und anderen Ereignisse seitens der Intern. Corr.-Bureaus in Frankfurt a. M. telegraphisch mitgeteilt werden.
Ueber Vorkommnisse im Bezirk wird das Calwer Wochenblatt von seinen Correfpondenten wie bekannt prompt bedient.
Inserate sind infolge der sich stetig mehrenden Abonnentenzahl von größtem Erfolg.
Die Abonnementgebühr beträgt incl. Trägerlohn nur Mk. 1.10 in der Stadt, nach auswärts durch die Post bezogen Mk. 1.15.
Amtliche Wekanntmachungen.
Calw.
An die Ortsarmertöehör-en.
Behufs Ergänzung der seiner Zeit erhobenen Nolizen über den im Jahre 1885 erwachsenen Armenaufwand und die zur Deckung desselben zu Gebot gestandenen Mittel (ck. oberamtlichen Erlaß vom 5. Januar d. I., Amtsblatt Nr. 2) werden die Ortsarmenbehörden beauftragt, auch den Werth des Vermögens an Liegenschaft und Mobilien
a. der öffentlichen Armer,stistungen,
b. der sonstigen in öffentlicher Verwaltung stehenden milden Stiftungen, soweit derselbe ohne förmliche Schätzung angegeben werden kann, zu erheben und binnen einer Woche anher zu berichten.
Die Summen sind für » und b je besonders anzugeben.
Calw, am 20. Septbr. 1886. K. Oberamt.
v. Falk enstein, A.-V.
politische Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
— In Metz hatte man auf den Besuch des Kaisers gehofft, und als die Hoffnung darauf schwand, auf den Besuch des Kronprinzen. Beides ist nun zu Waffer geworden und man hat deshalb die Vorbereitungen zu dem Empfange eingestellt. Der Staatssekretär v. Hoffmann schrieb an das Bezirkspräsidium: Wiewohl der Zustand des Kaisers nicht bedenklich ist, kann die Weiterreise nach Aussage der Aerzte ohne Schaden nicht geschehen. Der Kaiser bleibt bis Sonntag in Straßburg und geht dann wieder nach Baden-Baden. Der Kronprinz reist Sonntag nach Genua.
Straßburg, 17. Sept. Der Kaiser, welcher von einer Teil- nähme an dem heutigen Feldmanöver Abstand genommen hat, wird sich nach Schluß des hiesigen programmmäßigen Aufenthalts nicht nach Metz begeben, sondern direkt nach Baden-Baden zurückkehren, voraussichtlich am Sonntag um 1 Uhr 30 Minuten nachmittags. Heute in der Mittagsstunde machte der Kaiser eine Spazierfahrt. — Der Kaiser hat einem Antrag der Gemeinde» Verwaltung entsprechend genehmigt, daß die Straße, welche die direkte Verbindung zwischen dem Kaiserpalaste und den neuen Universitätsgebäuden bilden wird, den Namen „Kaiser Wilhelms-Straße erhält. — Heute morgen um halb 8 Uhr brachte der Straßburger Männergesangverein seinem hohen Protektor dem Kronprinzen in dem Hofraume des Gouvernementsgebäudes ein Ständchen. Der Kronprinz erschien selbst unter den Sängern und forderte dieselben auf, sich zu bedecken: die Morgenluft sei kühl. — Wie am Mittwoch, so begaben sich auch heute früh der Großherzog von Baden und Prinz Wilhelm von Preußen mit dem um 7 Uhr 50 Min. abgehenden fahrplan» mäßigen Bahnzuge ins Manöverfeld. Mit einem um 8 Uhr 30 Min. abgehenden Extrazuge folgte Generalfeldmarschall Graf Moltke, Kriegsminister Generallieutenant Bronsard v. Schellendorf und die Generäle und mit dem um 9 Uhr 15 Min. abgehenven Extrazuge der Kronprinz, sowie die übrigen anwesenden Fürstlichkeiten nebst Gefolge. Die Rückkehr vom Manöverfelde erfolgte gegen 3 Uhr nachmittags.
Straßburg, 19. Sept., nachmitt. Se. Majestät der Kaiser ist mit Ihrer König!. Hoheit der Frau Großherzogin von Baden heute mittag 1 Uhr nach Baden-Baden abgereist, nachdem Allerhöchstderselbe von Sr. Kgl. Hoheit dem Kronprinzen, Sr. Kgl. Hoheit dem Prinzen Wilhelm, dem Staatthalter Fürst Hohenlohe, dem Staatssekretär v. Hofmann und der Generalität Abschied genommen hatte. Dem Bürger-
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WerknnnL.
Novelle von Leo Sontag.
(Widerrechtlicher Nachdruck wird verfolgt.)
(Fortsetzung.)
„Und doch werde ich mich morgen in der Geschichtsstunde ebenso blamieren, wie gewöhnlich, denn selbst, wenn ich einmal etwas weiß, dann braucht der Professor nur in seinem sarkastischen Ton zu sagen: „Nun, Fräulein Büchtemann?" dann ist alles fort, wie Spreu, die der Wind verweht."
„Warum Du Dich nur von ihm so einschüchtern läßst; Du bist doch sonst nicht so furchtsam."
„Ja, das begreife ich selbst nicht, aber ein Wort von ihm genügt, um mich auch das Wenige noch vergessen zu lassen, was ich sonst weiß. Du mußt mir doch zugestehen, daß ich in den andern Stunden nicht ganz so unwissend bin, wie bei ihm."
„Im Gegenteil, in den Sprachen bist Du sogar sehr gut — "
„Marthe", rief da plötzlich eine Stimme und ein männlicher Kopf erschien in in der Spalte der geöffneten Thüre; wenn Fräulein Eckhard alle ihr Weisheit auf Dich übertragen hat, dann könnt Ihr ja wohl zum Nachtessen kommen. Ich habe fürchterlich Hunger."
„Armer Fritz! Wir kommen gleich!"
Als die beiden Mädchen das Eßzimmer betraten, befanden sich außer dem Doktor, Märchens Bmder, noch drei Herren dort, denn die Frau Pfarrer, die eine sehr gute Köchin war, hatte stets einige Kostgänger, meist Freunde oder Bekannte ihres Sohnes, um auf diese Weise ihr schmales Einkommen etwas zu vergrößern. Marie Eckhard aber lebte ganz bei Büchtemanns. Sie war die Tochter des Apothekers in demselben kleinen Landstädtchen, wo Märchens Vater Pfarrer gewesen und als die Pastorswitwe in die Residenz gezogen, wo ihr Sohn sich als Arzt niedergelassen und wo Marthe das Seminar besuchen sollte, da hatte Herr Eckhard seine Tochter mitgeschickt, da deren sehnlichster Wunsch von jeher gewesen, Lehrerin zu werden.
„Ich habe Professor Hauswalt mit hereinbringen wollen, „Marthe", rief ihnen Fritz entgegen, „doch er sträubte sich sehr, Du habest noch zu thun, meinte er, daß er es nicht wagen dürfe, Dich von Deinen Büchern abzuziehen! Denk' Dir nur Schwesterlein, was der für Ideen von Dir hat, bildet sich ein, Du hocktest den ganzen Tag hinter den Büchern, wie ein Blaustrumpf, (nichts für ungut Fräulein Marie), während doch Dein Hauptstreben dahingeht, meinen Freunden und mir recht gutes Essen auf den Tisch zu setzen.
„Nun dafür habt ihr euch doch eigentlich bei Mutter und Dörte zu bedanken, ich sehe nur ab und zu einmal nach."
„Und doch hat Ihr Bruder recht, Fräulein Marthe", mischte sich hier Dr. Schulz, ein junger Gymnasiallehrer, in das Gespräch, „ich will unserer verehrten Frau Pfarrer durchaus nicht zu nahe treten, aber man merkt es doch immer, wenn Sie die Hand im Spiele hatten, Ihre Kochkunst verrät in nichts die angehende Lehrerin "
„Jetzt bitte ich mir aber die ewigen Anspielungen auf Blaustrümpfe und Lehrerinnen endlich aus", ries Marie, „es mag ja sehr schön sein, wenn man eine gute Hausfrau ist; aber unsere Zeit erfordert, daß die Mädchen auch noch etwas anderes lernen; sie brauchen deshalb noch lange keine Blaustrümpfe zu sein. Wenn wir auch nicht alle das eminente wirtschaftliche Talent Marthens besitzen, die so gut kocht, daß die prosaische Beschäftigung des Essens bei ihren Gerichten zur Poesie wird, wie ich neulich Jemand sagen hörte, so brauchen wir doch keine schlechten Hausfrauen zu sein, weil wir zufällig noch etwas gelernt haben."
Bei ihren letzten Worten hatte Marthe gelacht, während Dr. Schulz heftig errötet war, und Fritz rief nun aus:
„Das ist wohl mein Freund Otto gewesen, der die gestrige Bemerkung von den poesievollen Gerichten gemacht hat, was, Fräulein Marie?"
„Verehrtester Herr Doktor," erwiderte Marie mit einem schelmischen Seitenblick auf den immer mehr in Verlegenheit geratenden Lehrer, „ich gebe nie dis Geheimnisse Anderer schonungslos der Oeffentlichkeit preis, wie Sie dies zuweilen zu thun belieben."
„O Fräulein Doktoressa, haben Sie mir immer noch nicht vergeben, daß ich