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der Leitung Stambuloffs ergriffenen Jniative gegen die Revolutionäre. Die Weiterreise nach Philippopel erfolgt voraussichtlich heute.
Sofia, 31. Äug. Im Lande herrscht überall vollständige Ruhe.
Krakau, 31. Aug. (2 Uhr.) Aus Petersburg wird hierher gemeldet, die Militärpartei am Hofe des Zaren drängt zur russischen Besetzung Bulgariens und habe hierfür angeblich den Zaren bereits gewonnen, der nur die Rückkehr des Kriegsministers vor einer definitiven Beschlußfassung abwartet und denselben bereits zurückberufen hat. (Dep. d. Fr. I.)
Gcrges-Weirigkeiten.
(Amtliches.) Nachstehende evangelische Predigtamtskandidaten haben im Juli und August d. I.. die erste theologische D i e n st p r ü f u n g mit Erfolg erstanden und sind zur Versehung von Pfarrgehilfendiensten für befähigt erklärt worden: Seitz, Ernst, von Calw, Hölzle, Max, von Nagold.
Calw. Der fortwährend ungünstige Stand der Bezirkskrankenkasse hat den Gemeinderat Calw veranlaßt, die Ausscheidung der hiesigen Arbeiter aus der Bezirkskrankenkaffe zu beschließen und für die Stadt Calw auf 1. Jan. 1887 eine eigene Ortskrankenkaffe zu errichten, in der Erwartung, daß bei der Beschränkung der Kaffe auf einen Gemeinde-Verband die Verwaltung eine weit billigere und die Kranken-Kontrole eine leichtere sein werde. Die in Folge dieser Austritts-Erklärung einberufene General-Versammlung beschloß bei der Aufsichtsbehörde die Auflösung der Bezirkskrankenkaffe zu beantragen, da nach Ausscheidung der etwa 400 Mitglieder zählenden Oberamtsstadt, die in 38 Gemeinden zerstreut wohnende Restmitgliederzahl von 300 des Verwaltungs-Aufwands halber kaum fähig sein wird, die Bezirkskrankenkasse fortzuführen. Demgemäß dürfte den Bezirksorten eine andere Versicherungsart pr. 1. Jan. 1887 bevorstehen.
* Stammheim. Zufolge neuesten Beschlusses wird das nächste Sängerfest des „Westl. Gäusängerbundes" im Jahr 1887 in Mött- lingen abgehalten werden. Um einer allzugroßen Beteiligung oder Störungen seitens des Publikums vorzubeugen, werden bei Abhaltung desselben mancherlei Aenderungen eintreten. Die Lsbenskräftigkeit dieses Bundes hat sich nun erwiesen. Das Ziel seines Strebens weicht nicht ab von dem des schwäbischen Sängerbundes, denn hier wie dort heißt die Parole:
Deutsche Kraft und deutscher Sang Zieren erst den deutschen Mann.
Stuttgart. Am Sonntag vormittag um 1 / 2 II Uhr ließ der Stuttgarter Brieftauben klub etwa 320 Stück Tauben auf der Solitude aufsteigen. Ein ziemlich starker Nebel erschwerte und beeinträchtigte das Orientierungsvermögen der größtenteils noch jungen Tierchen einige Zeit, indem sie bald in der Richtung nach Ditzingen, bald dem Sindelfinger Wald zu flogen. Erst nach Verfluß von etwa einer Viertelstunde gelang es dem Gros der Tauben die direkte Richtung über Bothnang hinweg nach Stuttgart zu finden.
Stuttgart, 30. August. Wiederum wird eine unglücklich verlaufene Bergbesteigung aus den Alpen gemeldet, deren Opfer leider einer unserer Mitbürger ist: wie uns mitgeteilt wird, ist am Samstag Herr Max Münz, Sohn des Direktors der Württemb. Hohenzollernschen Brauerei- Gesellschaft (Englischer Garten) und selbst auch Angestellter des Etablissements,, bei einer Tour auf das Schreckhorn, einen der schwierigsten Gipfel der Berner Alpen, abgestürzt. Das Unglück geschah morgens 6 Uhr durch den Sturz einer Lawine; die zwei Führer, die Münz bei sich hatte, sind ebenfalls tot; der eine wurde sofort getötet, der andere starb nach etlichen Stunden. Herr Münz hat schon viele schwierige Gipfel bestiegen, u. a. das Matterhorn. Er war seit 2 Jahren verheiratet.
Stuttgart, 31. Aug. Gestern Abend 5^ Uhr ist der 16 Jahre alte Gicßerlehrling August Schäfer von Zuffenhausen in einer Eisengießerei der Neckarstraße dadurch verunglückt, daß er aus einem Bassin heißes Wasser schöpfen wollte, während ein anderer Lehrling sich um die Schapfe mit ihm
riß; hiebei ist Schäfer mit seinem rechten Fuß in das Bassin getreten und hat denselben bis an das Knie herauf verbrüht, rc. Schäfer wurde mittelst einer Droschke zu seinen Eltern nach Zuffenhausen verbracht.
Zuffenhausen, 28. Aug. Gestern nachmittag um 5'/2 Uhr ist eine Feuersbrunst ausgebrochen. Ein kleineres Haus ist in der Müh l- gasse ist abgebrannt. Wie man hört, sollen die auf dem Felde beschäftigten Eltern den Kindern den Auftrag gegeben haben, bis sie nach Hause kommen, auf dem Kochherd das Feuer anzumachen und Kartoffeln zuzusetzen. Durch Unvorsichtigkeit der Kinder scheint der Brand entstanden sein.
Gerlingen, 29. August. Beim Renovieren einer alten Gartenmauer hier wurde in der Tiefe von V 2 Meter ein gut erhaltenes vollständiges Menschenskelett ausgegraben. Die Lage, in welcher dasselbe aufgefunden wurde, läßt vermuten, daß es sich hier um ein Verbrechen handelt, wobei — nach der Größe des Skeletts zu urteilen — em junger Mensch seiner Zeit dort umgebracht und verscharrt wurde.
Ehingen, 27. Aug. In dem benachbarten Altsteißlingen ereignete sich am Montag ein schwerer Unglücks fall. Ein dort im Quartier liegender Dragoner fiel plötzlich, während er sich ganz allein im Stall befand und sein Pferd putzte, zu Boden, nachdem die im Hof weilenden Kameraden ein Gepolter innen gehört hatten. Er lag mit dem Gesicht gegen den gepflasterten Boden und das Pferd hatte sich mit den Füßen in den Halfterstrick verwickelt, so daß die Vermutung nahe liegt, er sei vom Pferd geschlagen worden, wenn auch eine äußere Verletzung nirgends sichtbar wurde. Das reichliche Ausfließen von Blut aus Mund, Nase und Ohr ließ sofort auf eine gefährliche Schädelverletzung schließen. Zum Bewußtsein gekommen, konnte der Verletzte über den Hergang lediglich keine Auskunft geben; somit ist es, da kein Zeuge den Vorfall mit ansah, doch nicht ganz sicher, was die Ursache seines Unfalls war. Andern Tages nach Ehingen in den Spital gebracht, mußte der blühende junge Mensch, nachdem sich sein Zustand anfangs scheinbar gebessert hatte, am Mittwoch abend sein Leben lassen. Die gerichtliche Sektion ergab einen fast die ganze Breite des Schädels einnehmenden Bruch desselben an seiner Basis, welcher jedenfalls auf eine sehr erhebliche Gewalteinwirkung schließen läßt, ohne daß auch jetzt irgend eine äußere Verletzung festzustellen war, während sich eine thalergroße, feuchte Stelle zwischen Kopfschwarte und Schädeldecke des Hinterhaupts zeigte.
Uttenweiler, 31. Aug. (Tel.) Bei Abhaltung des gestrigen Manövers zwischen hier und Betzenweiler auf dem sog. Blechfelde ereigneten sich infolge von Hitzschlag einige Unglücksfälle. 10 Mann sind gefallen, wovon einer (ein Einjährig-Freiwilliger) tot vom Platze getragen wurde. Es stehen in dieser Gegend die 53. und 54. Infanterie-Brigade, also das 5., 6. und 2. Regiment von den Garnisonen Ulm und Weingarten.
Wien, 30. Aug. (2Uhr 10 Min.) Seit dem letzten Ningtheaterbrand hat keine derartige Panik hier geherrscht, wie gestern abend und heute nacht in Folge des Zusammenstoßes zweier Lokalzüge der Südbahn auf frequentiertester Strecke, bei Mödling, zwischen Wien und Baden. Der Zugführer übersah das Blocksignal, überhörte den Alarmruf und fuhr mit voller Kraft von rückwärts her in den Lokalzug, der auf demselben Geleise fuhr. Zertrümmert wurden die drei letzten "Waggons dritter Klasse, die übereinander kollerten, einer in den andern geratend. Es entstand ein gräßlicher Jammer, das Nettungswerk war sehr mühevoll, sechszehn schwer Verletzte und eine,sehr große Zahl leicht Verwundeter und fünf Tote trug man vom Platze. Die Verunglückten gehören den besseren Ständen an, sind zumeist Familienväter, die ihre Familien besuchten, sowie zwei Kinder, durchwegs Inländer. Die Totenliste weist aus: Die neunjährige Tochter und den elfjährigen Sohn des Lehrers Temper, den Spielzeughändler Ignatz Silberberger, ein Dienstmädchen und einen zehnjährigen Knaben, letzterer bisher noch nicht erkannt. Viele retteten sich durch Ausspringen aus den Wagen, wobei einige über die Böschung hinabkollerten. Die Verwirrung am Unglücksorte war unbeschreiblich. Bei Fackelschein wurden die Verunglückten herausgezogen, verbunden und ins Spital überführt. Das Verschulden trifft ausschließlich den Zugführer Trenka. Die Verletzungen bestehen fast durch -
Kriegsschule in den Reichslanden, einen neuen Kommandeur erhalten habe. Trotzdem war diese Thatsache immerhin interessant genug, sie auf das Ausführlichste zu besprechen und nach den uns aus früheren Zeiten bekannt gewordenen kleinen Zügen die Persönlichkeit unseres neuen Vorgesetzten einer sachverständigen Kritik zu unterwerfen. Diese gewiß zeitgemäße Thätigkeit nahm uns so sehr in Anspruch, daß es uns eine ganze Weile nicht auffiel, wie unser ältester Sekonde-Hieutenant, Herr von Scharffenstein, im ganzen Regiment nur unter dem sehr bezeichnenden Spitznamen „Der trockene August" bekannt, stillvergnügt in seiner ruhigen Ecke sitzen geblieben war und den Inhalt seines Glases einer wortlosen aber deshalb nicht weniger aufmerksamen Prüfung unterwarf.
„Alle Hagel!" rief da plötzlich Lieutenannt v. Brunow, der Adjutant und Intimus des „Trockenen", „August, du machst ja ein merkwürdig vielsagendes Gesicht; Du scheinst noch Näheres zu wissen!"
„Na, und ob! brummte Scharfenstein aus seinem Winkel hervor. „Gesehen und Gesprochen!"
„Da brate mir aber Einer 'nen Storch!" brach jetzt Holm los, „da sitzt dieser trockene August schon eine geschlagene Glockenstunde in seiner feuchten Ecke und findet es nicht einmal der Mühe wert, uns die interessante Mitteilung zu machen, daß er unseren neuen Kommandeur bereits kennen gelernt hat. Ist er denn schon an gekommen't"
„Na, und ob!" entgegnete der „Trockene" „er ist im Adler abgestiegen."
Von allen Seiten wurde jetzt Scharffenstein mit Fragen bestürmt, wie der Major aussehe, weß' Geistes Kind er zu sein scheine rc. Die erste Frage beantwortete der Jnterpellirte mit einem kurzen: „Hat mir die Adresse seines Schneiders nicht angegeben!" während auf die zweite nur die einsilbige Entgegnung „Entdecker!" erfolgte.
„Entdecker?" wiederholte Holm fragend.
„Ja, denn er will in Waldburg eine Militärschwimmanstalt entdecken, was bis heute noch Niemand gelungen ist!"
„Waaas? Eine Militärschwimmanstalt? Das wäre allerdings eine wertvolle Entdeckung", lachte Lieutenannt Freihof, unser Jüngster. „Bis heute wenigstens ist mir in der ganzen hiesigen Gegend noch kein Stromsystem vor Augen gekommen, das außer etwa nach einem sehr ausgiebigen Land- und Gewitterregen eine für hochschäf- tige Kommißstiefel bedenkliche Tiefe besäße oder gar jemals von irgend welchem lebenden Geschöpf, einige passionirte Frösche ausgenommen, zu Schwimmversuchen hatte benutzt werden können."
„Na ja! Aber August nu erzähle 'mal, wo Du den Major getroffen und wie ihn das Entdeckungsfieber angepackt!" meinte jetzt Brunow.
„Sehr einfach!" war die Antwort des „Trocknen", die Kompagnie ist auf Wache; ich benutzte den dienstfreien Vormittag zu einem Bade in der Badeanstalt unseres Stabsarztes am Osterbrunnen. Wie ich nachher im Garten meinen Kaffee trinke, erscheint ein frisch gewaschener Stabsoffizier. Ich merke 'was, stelle mich also vor und richtig, es ist der neue Kommandeur, der mir denn auch schleunigst auseinandersetzt, daß eine Garnison ohne Militärschwimmanstalt gerade so denkbar ist, wie ein Unteroffizier ohne Korporalschaftsliste, wie ein nicht von oben bis unten zugeknöpfter General. Damit waren wir denn auch schon mitten in der Generalstabskarte drin, und der Major weist mir nach, daß die hinter den Mühlen im Walde gelegenen ausgetrockneten Fischteiche des früheren Landesfürsten ohne bedeutendere Kosten wieder zu großen Wasserbassins umgestaltet werden können. Das größte derselben bevölkerte der Kommandeur vor meinen Augen im Handumdrehen mit schwimmenden Füsilieren, Lachsforellen, Krebsen und anderen mit verdünntem Kommißschweiß aufgefütterten Beiträgen zur Offiziersspeiseanstalt. Mir wurde ganz wässerig zu M«t. Deshalb habe ich mich vorhin auch so in das Löwenbräu vertieft, daß ich Brunow's Erzählung ganz überhört habe." (Schluß folgt.)
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