gefaßt. Endlich wurde ihm diese Beobachtung lästig und das Päckchen ergreifend, trat er auf den Poli­zeimann mit den Worten zu:Bitte, nehmen Sie das Packet in Verwahrung, bis der Kaiser von Ruß­land vorübergefahren ist!" Der Kriminalbeamte wies das Ansinnen lächelnd zurück und sagte:Na be­halten Sie es nur, Sie thun dem Kaiser doch nichts!"

Berlin, 19. Nov. Die Nachricht, daß der Kanzler nach San Remo reise, wird an unterrichte­ter Stelle als unbegründet erklärt.

Berlin, 21. Nov. Nach einer Meldung derM. A. Ztg." ist Prinz Heinrich bereits in San Remo angekommen. Es fand großer Empfang am Bahnhofe bei prachtvollem Wetter statt. Die Kronprinzessin nahm Morgens die Gratulation der Familie entgegen. Man erwartet den Besuch des Königs Humbert.

Berlin, 21. Nov. Virchow's Untersuchung des Auswurss ergab keine Spur von Krebszellen.

Berlin, 2l. Növ. Die den Kronprinzen be­handelnden Aerzte veröffentlichen imReichsanzeiger" folgenden Krankheitsbericht: Nachdem die ödematöse Anschwellung im Kehlkopfe Sr. Kaiserlichen und Kö­niglichen Hoheit des Kronprinzen bereits in der vo­rigen Woche erheblich gewichen war, hat sich dieselbe im Laufe dieser Woche völlig zurückgebildet. Die Rückbildung wurde besonders bemerkbar, nachdem am 15. d. M. braunrötliche Flocken ausgeworfen worden waren. Darauf konnte eine Abflachung der in der linken Kehlkopfhälfte befindlichen Neubildung, sowie ein teilweiser geschwüriger Zerfall derselben und gleich­zeitig hiermit eine Erweiterung der Stimmritze wahr­genommen werden. Nach diesem Vorgang ist augen­blicklich die Atmung völlig frei, das Schlucken durch­aus völlig schmerzlos. Aussehen, Appetit und Schlaf des hohen Kranken sind sehr gut; Bewegung im Freien ist bei Eintritt sonnigen und trockenen Wet­ters in Aussicht genommen. San Remo, 19. Nov. 1887. Schräder, Krause, Marc, Hovell.

In einem Bericht der Polit. Korr, aus San Remo heißt es: Mit heroischem Gleichmut und hoher Würde trägt der Kronprinz sein Geschick, stets zeigt er sich heiter und unbesorgt, niemals auch nur im Geringsten beunruhigt über das ihm gewor­dene Los. Die Seelengröße des Kronprinzen, die ihn weit mehr nm seine hochbetagten kaiserlichen El­tern, als um sich selbst besorgt macht, läßt erst recht empfinden, was seine Erkrankung für Deutschland, für Freund und Feind in Europa bedeutet.

Berlin, 22. Nov. Es besteht der Post zu­folge die Absicht, die Witwen- und Waisenkassenbei­träge im Reich und demnächst in Preußen für Be­amte und Militär gleichmäßig aufzuheben.

Bei der Beerdigung des sozialdemokratischen Agitators Winters in Berlin kam es am Sonn­tag bei dem Chariteekirchhofe, in welchen Arbeiter gewaltsam eiuzudringen suchten, zu Zusammenstößen zwischen diesen und der Polizei. Eine Anzahl von Verhaftungen wurde vorgenommen. Die Sozialisten beleidigen die Beamten in gröbster Weise.

Nach der vor einigen Tagen im Haag Unter­zeichneten Konvention über den Handel mit gei­stigen Getränken unter Fischern der Nordsee ist der Verkauf und Ankauf jeder aus einer Destillation her- rührenden Flüssigkeit, welche per Hektoliter mehr als 5 Liter Alkohol enthält, allen Personen, die sich an Bord eines Fischcrfahrzeugs befinden, oder zu dem­selben gehören, untersagt. Das Recht von Fischern zum Kleinhandel mit Proviant und anderen zum Gebrauch der Ftscher dienenden Gegenständen (mit Ausnahme spirituöscr Getränke) ist von der Erlaub­nis desjenigen Staates, dem das betreffende Schiff augehört, abhängig, jedoch an die Bedingung geknüpft, daß das fragliche Schiff keine Quantität Spirituosen an Bord habe, welche das für die Verzehrung durch seine eigene Mannschaft notwendige Maß übersteigt. Auch ist jeder Umtausch von Spirituosen gegen Fi­schereiprodukte, AuSrüstungsgegenslünde und Fische- reigeräte untersagt. Ncbertretungcn der Bestim­mungen der Konvention werden durch die Gerichte des Landes abgeurtcilt, welchem das zuwiderbandelndc Schiff angehört.

Der 22. November ist der 100. Geburtstag des berühmten I. N. Dreyse in Sömmerda bei Erfurt. Er war der Erfinder des Zündnadelgeweh­res, das seine ungeheure Rolle in den Kriegen unse­rer Zeit gespielt hat.

Danzig, 19. Nov. Auch in der hiesigen Ge­wehrfabrik wurde heute eine Anzahl Arbeiter, na-

! mentlich gelernte Schlosser, eingestellt. Die Fabrika- ! tion soll sich wieder auf 500 Gewehre pro Tag er- ! strecken. Die mehrfach verbreitete Annahme, daß es sich abermals um Einführung eines neuen Geweh­res handele, beruht, derDanziger Zeitung" zufolge, auf Irrtum. Es wird vielmehr die seit dem Som­mer erheblich eingeschränkte Fabrikation des bisher bei einem Teile der Armee eingeführten Magazinge­wehres fortgesetzt und nur insofern treten Aenderun- gen in der Konstruktion ein, als die bisherigen Ver­suche Verstärkungen einzelner Konstruktionsteile als wünschenswert ergeben haben.

Posen, 19. Nov. In der Königsberger und Jnsterburger Gegend sind mehrfache Zugverspätungen wegen Schneefalls vorgekommen. Vor dem Bahnhof Bergenthal auf der Strecke Thorn-Jnsterburg ist ein Güterzug infolge von Schneewehen entgleist.

Oesterreich-Ungarn.

Wien. Ueber die Mitteilung des traurigen Konsultationsergebnisses an den Kronprinzen äußerte sich Schrötter folgendermaßen: Schrötter sprach zuerst nur von Neubildungen im Kehlkopfe. Plötzlich fragte der Kronprinz, der bis dahin still zugehört:Sagen Sie, lieber Professor, ist es der Krebs?" Schrötter erwiderte:Kaiserliche Hoheit, es ist eine bösartige Neubildung!" Einen Moment schwieg der Kronprinz, nichts verriet den Eindruck der eben gehörten Worte. Nur der in der Zimmerecke stehende Oberstabsarzt Dr. Schräder konnte sich nicht mehr beherrschen und weinte bitterlich.Es war der furchtbarste Augen­blick meines Lebens!", sagte der Gelehrte erschüttert. Einen so großartigen Charakter aber, einen solchen Helden, wie den Deutschen Kronprinzen wird man kaum bald wieder finden. Das ist antike Größe, die jeden zur Bewunderung zwingen muß." Als der Kronprinz endlich Schrötter mit Händedruck und Dankesworten entließ, eilte ihm die Kronprinzessin nach und sagte mit thränenden Augen:Sie werde ich nicht vergessen, wie gut und zart Sie meinen Mann vorbereitet haben. Ich bin Ihnen dankbar für mein ganzes Leben." Mehr konnte sie nicht sprechen, ein Thränenstrom erstickte ihre Stimme."

Aus Wien meldet ein Korresp. der Hamb. Nachr.: Die letzten ausfälligen militärischen Maßnah­men an der deutschen und österreichischen Grenze seien auf eigenmächtige Anordnungen des russischen Kriegs­ministers Wannowski zurückzuführen, welcher vermut­lich im Einvernehmen mit General Gurko vorging. Neuerdings ein Beweis, welche Eigenmächtigkeit und Disziplinlosigkeit selbst in hochstehenden russischen Kreisen eingerissen ist.

Wien, 21. Novbr. Prof. Störk erhielt vom Unterrichtsminister eine Rüge wegen seiner Aeuße- rungen über die Behandlungsweise des deutscheu Kronprinzen.

Wien, 21. Nov. Aus Sofia wird gemeldet: Bei dem gestrigen Galadiner toastierte der Fürst von Bulgarien auf den Prinzen Alexander von Batten­berg. Er spendete 30000 Frks. für ein Denkmal der Gefallenen bei Slivnitza und sandte eine Glückwunsch­depesche an den Prinzen von Battenberg ab.

DieMontags-Revue" verzeichnet die ihr auf außerordentlichem Wege" zugegangene Meldung, daß die Begegnung der Kaiser von Deutschland und Rußland keinerlei Aenderung in den Beziehungen der beiden Reiche zur Folge haben werde. Die Berliner Entrevue sei als eine Ltärkung des europäischen Friedens nicht zu betrachten.

In Pest ist der Agent Waldapfel, der eine Zivilklage gegen den Fürsten von Bulgarien wegen Forderung von 10000 Gulden für Agitationsreisen eingereicht hatte, mit seinen Ansprüchen abgewiesen.

Frankreich.

Ehe man es in Paris selbst gedacht hat, ist das Ministerium Nvuvier gestürzt. Mit 328 gegen 272 Stimmen sprach am Sonnabend die Kam­mer auf Antrag des Abg. Clemenceau dem Kabinet ein feierliches Mißtrauensvotum aus. Die Mehrheit umfaßte 169 Republikaner und 148 Monarchisten, die Minderheit 221 Republikaner und 7 Monarchi­sten. Das Ministerium hat Wilson trotz der Bries- affaire noch gar zu sehr in Schutz genommen, und dies ist die wahre Ursache seines Sturzes. Das Kabinet gab sofort seine Entlassung. Als Ministerpräsident Rouvier den Saal verließ, sagte er zu Clemenceau: Sie haben mich von einer schweren Bürde befreit, ich werde Grevy den Rat geben, Sie zu berufen." Das Resultat der Kammcrabstimmung überraschte allgemein, die Minister schienen ganz konsterniert,

Clemenceau ging in maßlos heftiger Weise vor.

! Freycinet hat bereits mit Grevy konferiert, auch andere ! politische Persönlichkeiten hat der Präsident berufen lassen. Es ist aber sehr die Frage, ob ihm die Mi­nisterbildung noch gelingen wird, denn stürmischer als je wird Wilsons wegen sein Rücktritt gefordert. Es ! ist wahrscheinlich, daß auch Grevy trotz bisheriger Weigerungen schließlich doch gehen wird, und daß man Freycinet zum Präsidenten der Republik wählen wird. Boulanger taucht als künftiger Kriegsminister bereits wieder auf der Bildfläche auf. Da in der Kammer eine feste Mehrheit absolut nicht vorhanden und auch ein neues Kabinet schwerlich lange bestehen würde, fordern mehrere Blätter zur Kammerauflösung auf. Die Situation ist ungeheuer verworren. Die am Donnerstag beschlossene Untersuchung gegen Wil­son hat ihren Anfang genommen. Hcrausgekommen ist bisher nichts dabei.

Paris, 21. Nov. Grevy sprach heute mehre­ren Personen gegenüber erneut seinen festen Entschluß aus, nicht zu demissionieren; er hoffe, ein neues Ka­binet bilden zu können. Stoße er dabei auf un- übersteigliche Schwierigkeiten, so würde er durch den Senat die Auflösung der Kammer beantragen und würde sich dann zurückziehen, nachdem er dem Lande durch eine Botschaft an das Parlament seine Ansicht über die Lage, deren Ursprung, Ursachen und Fol­gen zu erkennen gegeben hätte.

Paris, 21. Nov. Rochefort schreibt imJn- transigeant": Die Rückkehr des Generals Boulanger ist unvermeidlich. Jedes Ministerium, das ohne ihn gebildet wird, ist ein totgeborencs Kind. Die abge­tretenen Minister tituliert Nochefort als vsoroos (Spitzbuben.)Cri du peuple" schreibt, mau müsse die Präsidentschaft abschaffen. Die Zustände seien so, daß Frankreich im Zug sei, unter Null herabzusin­ken.Daher paßt auf, ihr Sozialisten und Revo­lutionäre, es ist Zeit, euch vorzubereiten."

Paris, 21. Nov. Rochefort schlägt schon Herrn Grevy einen Handel vor:Nehmen Sie," so sagt er,unseren Boulanger, den Schrecken der Deutschen, in das Ministerium und wir decken dann über alles den Mantel christlicher Milde und erklä­ren Wilson für einen Ehrenmann." Od Grevy auf diesen Handel eingeyt, ist jedoch fraglich

Es ist mit der Provinzialbevölkerung, unter dem Eindruck der Pariser Skandalaffaice, jetzt so­weit gekommen, sagt dieRep. fr.," daß man den Leuten Vorreden könnte, die Ministerien und die Sitzungsräume der Kammern seien nichts wie Ban­ditenhöhlen, deren sämtliche Insassen in einen Sack gesteckt und in die Seine geworfen zu werden ver­dienten; sie würden dazu höchstens den Kopf schüt­teln und meinen, es sei vielleicht nm Besten.

Italien.

Dem verstorbenen Ministerpräsidenten Depretis wird in Rom ein Denkmal errichtet und sein Bild­nis im Parlamentshause aufgestellt werden.

Aus San Nemo. Prinz Heinrich von Preußen und Dr. Bramann, der erste Assistent Pro­fessor Bergmanns in Berlin, sind hier eingetroffen. Dr. Bramann hatte mit den Doktoren Krause und Howell nach einer Untersuchung des Halses des Kron­prinzen eine Konsultation. Das Allgemeinbefinden des Kronprinzen bleibt befriedigend, doch ist nicht ausgeschlossen, daß die Operation des Luftröhren- schuittes und Einsetzung der Atmuugsröhre bald er­folgen muß. Die Operation ist nicht gefährlich, muß erforderlichen Falles aber sehr schnell ausge­führt werden, da sonst Erstickungsaufälle eintreten.

San Remo, 19. Nov. Das Befinden des Kronprinzen ist ausnehmend gut, die Stimme hat an Klang zugenommen. DerM. A. Z." geht ohne Unterschrift das folgende Telegramm zu: Man mel­det aus Marseille,' daß die deutsche Kronprinzessin in Ventimiglia eine Depesche an Mackenzie habe auf­geben lassen, in welcher derselbe ersucht wird,in aller Eile" zu kommen. Die Stadt beginnt zum Geburtstage der deutschen Kronprinzessin festlichen Schmuck anzulegen.

San Remo, 21. Nov. Die Aerzte sind voll ernstester Besorgnis. Krause äußerte: Es ist jetzt nur mehr Sorge zu tragen, daß eine plötzliche Krisis möglichst abgewendet werde. Krause erhielt den Auf­trag , dem Prinzen-Wilhelm jeden zweiten Tag ein telegraphisches Bulletin zu senden. Schon in der nächsten Zeit dürften von hier aus wichtige Bestim­mungen getroffen werden.

Der Kaiser von Brasilien soll bei der Zu-