werbetreibenden meistens auch Grund und Boden besitzen. Die Annahme der Regierungsvorlage habe für das Oberamt Nagold folgende Aenderungen im Gefolge:
Grundsteuer jährlich weniger . 9271 Gebäudesteuer „ mehr . . 1889 ^ Gewerbesteuer „ mehr . . 4837 im Ganzen direkte Steuer jährl. weniger 2 545 Wie einschneidend die Wirkung in andern Bezirken ist, wurde am Beispiel von Stuttgart erläutert, welches 247 000 jährlich mehr zu bezahlen hat. Bei der allgemeinen Beratung des Gesetzesentwurfs über landwirtschaftliches Nachbarrecht sei von mehreren Seiten vorgebracht worden, daß kein dringendes Bedürfnis für ein solches Gesetz vorhanden sei. Redner machte hingegen mit andern Kammermitgliedern geltend, daß eine Regelung des Verhältnisses zwischen Feld und Wald in weiten Kreisen als Bedürfnis empfunden werde. Es wurde dann auch in die Einzelberatnng eingetreten und der Entwurf mit einigen Aenderungen, welche namentlich die Regelung einzelner Fragen durch Ortsstatuten bezweckten, angenommen. Uebergehend zu den künftigen Aufgaben des Landtags begann der Abg. mit der Frage des Eintritts von Württemberg in die Branntweinsteuergemeinschaft. Er gab zunächst den wesentlichen Inhalt des Reichsgesetzes vom 24. Juni 1887 an und besprach sodann die verschiedenen Wirkungen des Eintritts. Die Brenner werden voraussichtlich keine erhebliche Aenderung finden; für die Wirte werde die Kleinverkaufsabgabe von Branntwein wegfallen; die Konsumenten werden mit einer Verteuerung des Branntweins um 17—25 L vom Liter je nach dem Stärkegrad des Branntweins zu rechnen haben, falls die neue Berbrauchsabgabe nicht teilweise von Zwischenhändlern getragen würde. Besonders beteiligt sei die Staatskasse; der Eintritt in die Braimtwein- steuergemeinschast setze die süddeutschen Staaten in den Stand, den vielen Bedürfnissen des Reichs und des Staats gerecht zu werden, was sonst nur mit Erhöhung der direkten Steuern geschehen könnte. Die Zustimmung zum Eintritt in die Gemeinschaft werde wohl mit großer Mehrheit ausgesprochen werden. Redner ging sodann aus den Entwurf eines Ausführungsgesetzes zu dem Reichsgesetz betr. die Unsall- und Krankenversicherung der in Land- und Forstwirtschaft-Betrieben beschäftigten Personen und auf den Gesetzesentwurf betr. die Zwangsenteignung von Grundstücken über. Hinsichtlich der Berfassungsre- vision ist der Abg. noch der Ansicht, die er vor 4'/r Jahren entwickelt hat, mit dem Bemerken, daß voraussichtlich inl Laufe des kommenden Winters eine Vorlage der Regierung erfolgen werde. Weitere Entwürfe stehen in Aussicht: über Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen im Zusammenhang mit andern Teilen des Wasserrechts, sowie eine neue Gemeinde- und Bezirksordnung. Redner behielt sich vor, mit den Wählern später wieder in Verbindung zu treten, falls diese 2 Vorlagen noch in der laufenden Wahlperiode erfolgen würden.
* Nagold , 31. Aug. Wir glauben manchen unserer auswärtigen Leser einen Gefallen zu erweisen, wenn wir ihnen auch die Namen der Abgebrannten Mitteilen. Es sind dies: 1) Schmied Finkenbeiner und Sattler Großmann; 2) Metzger Rauser, Buchbinder Häußler und Feldschütz Hemminger; 3) Säger Wihr; 4) Polizeidiener Reinhardt; 5) Bäcker Gottl. Lehre; 6) Tuchmacher Wagners Witwe; 7) alt Bäcker Moser; 8) Säger Jung; 9) Stahl z. Posthörnle, Postunterbediensteter Frey, Eisenbahntaglöhner Zürn u. Tuchmacher Schühle; 10) Metzger Jakob Häußler und Uhrmacher Heller; 11) Schuhmacher Fritz Wagner, Pflästerer Joh. Hörmann und Holzmacher Braun; 12) Stricker Gottlieb Schuon; 13) Messerschmied Weber, Stadtpsteger Webers Witwe und Braun, led. Tuchmacher; 14) Fuhrmann Mosapp. Nach amtlicher Feststellung sind es 14 Wohnhäuser, 8 Scheunen und 1 Remise, und sind 33 Familien obdachlos geworden, sie haben aber bis jetzt alle wieder notdürftige Wohnung gefunden. Der Flächcnraum deS Brandplatzes mag ca. 2*/, Morgen betragen. Brandstiftung darf fast mit Bestimmtheit angenommen werden. Die Feuerlohe war gegen 6—8 Stunden weit sichtbar. Leider sind unter den Brandbeschädigten auch wieder einige Unversicherte. — Seit gestern und heute gleicht die Stadt seinem wahren Wallfahrtsort durch Fremde. — Das Unglück, das durch den letzten Brand einen großen Teil der hies. Einwohnerschaft betroffen, hat den Gemeinderat
veranlaßt, diesmal das Kinderfest ausfallen zu lassen. (Siehe Inseratenteil.)
Stuttgart, 26. Aug. Der im jüngsten Re- organisationsplan der deutschen Armee vorgesehenen Absicht entsprechend wird vom 1. Oktober d. I. ab das Offizierkorps der württ. Artillerie-Brigade nach Feld- und Fuß-Artillerie getrennt, d. h. die Offiziere der Feldartillerie-Brigade werden ein Offizierkorps für sich, ebenso die Offiziere des Fußartillerie-Ba- taillons, je mit selbständigem Avancement bilden. Die Trennung war im Interesse der Ausbildung geboten, da die Technik der Fußartillerie sich im Laufe der Jahre so selbständig entwickelt hat, daß ein gleichmäßiges vollständiges Beherrschen aller Aufgaben der beiden Waffengattungen für den Artillerie-Offizier nicht mehr möglich war. Württemberg hat 2 Feldartillerie-Regimenter (Nr. 13 und 29) und ein Fuß- artillerie-Bataillon (Nr. 13).
Stuttgart, 29. Aug. Minister Hölder ist von einem ernstlichen Unwohlsein befallen.
Stuttgart, 30. Aug. (Telegr. des Gesellsch.) Heute vormittag 9 Uhr starb hier der Minister des Innern v. Hölder. (Durch ein Extrablatt teilweise mitgeteilt.) — (I. Hölder wurde am 28. März 1819 in Stuttgart geboren, wurde 1848 Regierungsrat im Ministerium, war 1849 Mitglied "der 2. Kammer, gründete 1865—66 die deutsche Partei in Württemberg, von 1871—81 Mitglied des deutschen Reichstags und Präsident der württemb. Abgeordnetenkammer, 1881 wurde er zum Minister des Innern ernannt.)
Cannstatt, 29. Aug. Seit einigen Tagen hatten wir Gelegenheit, ein Dampf- Velociped durch die Straßen fahren zu sehen, welches Herr Maschinenfabrikant G. Bausch hier fertiggestellt hat und dessen bis jetzt angestellte Versuche befriedigend ausgefallen sind. Das Vehikel ist vierräderig, leicht lenkbar, kann beliebig umgewendet und angehalten werden und ist der Gang fast geräuschlos. Die Kraftübertragung auf die Räder geschieht vermittelst einer Kette. Die Maschine besitzt ^ Pferdekraft.
Brandfälle: In Altbulach am 26. Aug. das Wohnhaus samt Scheuer des Schultheißen Rupps; in Knappenteich (Freudenstadt) am 27. Aug. ein von 4 Familien bewohntes Haus; in Gmünd am 29 d. M. ein auf der sogen. Krähe gelegenes großes Schafhaus.
Volapük, die Weltsprache, ist in Bayern als fakultativer Lehrgegenstand für die Gymnasien in Aussicht genommen worden, und zwar soll am neuen Luitpold-Gymnasium in München Präfekt Schnepper zum Lehrer der Weltsprache ernannt werden.
Aus dem Königreich Sachsen, 26. Aug. Ein schwerer Schlag hat den sächsischen Weinbau getroffen durch die Einnistung der Reblaus. Ein großer Teil der der Regierung gehörigen Weinberge muß, wie ein Korrespondent der „N. W. V.-Ztg." schreibt, ausgerodet werden, sodaß sich der Schaden auf ungefähr 150000 „kL beläuft. Wenn man bedenkt, daß die Regierung infolge der schlechten Weinjahre schon lange bedeutende Zuschüsse leisten mußte und wie lange es dauern würde, bis diese Weinberge wieder einigermaßen ertragsfähig werden. während doch der ganze kostspielige Apparat erhalten werden müßte, — so muß man befürchten, daß der ganze von der Regierung so sorgsam gepflegte Weinbau in Frage gestellt ist.
Die „Straßb. Post" erhält eine Zuschrift eines Alt-Elsässers aus dem Kreis Zabern über die Gesinnung der Landbevölkerung. Der Einsender behauptet, daß die Fälle von extravaganten französischen Sympathien , die durch die Blätter bekannt werden, die Ausnahme bilden und daß gerade die Landbewohner, denen man nach den Wahlen die größte Schuld in die Schuhe schob, ganz loyaler Gesinnung seien.
Straßburg, 27. Aug. Bürgermeister Helderlin von Niederspekt wurde von dem Landgerichte Mühlhausen zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt; derselbe gab seinem Haß gegen alles Deutsche überall und bei jeder Gelegenheit öffentlich Ausdruck, wobei er stets insbesondere betonte, daß er, wenn einmal die „Revanche" käme, alle seine Wagen und Pferde unentgeltlich hergeden würde, um die verhaßten Deutschen „Prussiens" genannt, fortzuführen.
Hamburg, 25. Aug. Die Polizei hat eine Falschmünzerbande entdeckt. Es wurden Prägestöcke und noch eine Anzahl Falschmünzen zu 1 und 2 v/L beschlagnahmt. Die Verbrecher sind 2 Brüder, 1 Schlossergeselle und 1 Arbeiter.
Hamburg, 29. Aug. Eine große Feuersbrunst wütet in der hamburgischen Ortschaft Geest-
h a chst seit gestern. Bereits 50 Gebäude sind zerstört. Bei dem herrschenden großen Wassermangel dauert das Feuer an.
Meißen, 29. Aug. Ungarische Aristokraten und Geistliche haben für das Priesterjubiläum des Papstes Leo eine Wallfahrt nach Rom geplant. An der Reise werden 500 Personen teilnehmen.
Kiel, 28. Aug. Das Ostseegeschwader ist heute vormittag 11 Uhr nach Beendigung seiner Hebungen aufgelöst worden. Der Chef der Admiralität, Generallieutenant v. Caprivi, ist nach Berlin zurückgekehrt.
In der nächsten Zeit tritt eine besondere Kommission zusammen, um das Enteignungsverfahren der von dem Nord-Ostsee-Kanalbau berührten Ländereien vorzunehmen. Es soll sich dabei um umfangreichere Gebiete handeln, als man dies anfänglich angenommen hatte.
Berlin, 27. Aug. Engen Richter hielt gestern im Verein „Waldeck" vor einer großen Versammlung eine Rede über das neue Brnnntweinsteuergesetz und den „Spiritusring". Die Versammlung faßte einstimmig eine Resolution, wonach in der geplanten Herbeiführung des Privatmonopols für Spiritus ein „gemeinschädlicher Versuch zu verwerflicher Ausbeutung des Volkes im Sonderinteresse einzelner" erblickt wird und alle zur Bekämpfung des Versuchs geeigneten Maßnahmen empfohlen werden.
Der Kaiser soll bereits eine Kabinetsordre vollzogen haben, durch welche der den diesjährigen deutschen Secmanövern beiwohnende Prinz Ludwig von Bayern ä 1a ouito des Seebataillons gestellt wird.
Die Nordd. Allg. Ztg. kann die Meldung der K. Ztg. bestätigen, daß die Anzahl der eingegangenen Eingaben und Bittschriften um Einführung höherer Getreidezölle größer sei, als durch die Zeitungen bisher bekannt geworden. Aus den verschiedensten Teilen der Monarchie gingen noch immer Petitionen ein, worin seitens des Handelsstandes für die Erhöhung der Getreidezölle plaidiert werde.
Die nationalliberale Fraktion beabsichtigt im Reichstag ein Reichswohnungsgesetz einzubringen, um die Mängel in Bezug auf die Wohnungen der kleinen Leute heben zu können.
Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Die „Hamburger Nachrichten" bringen eine Mitteilung aus Kopenhagen, wonach die kaiserlich deutsche Regierung die Versicherung abgegeben habe, sie stehe in keinen Beziehungen zu den Alarm-Artikeln, welche in jüngster Zeit in der deutschen Presse gegen Dänemark erschienen sind. Die in freisinnigen Blättern sowohl wie in der „Neuen Preußischen (Kreuz-) Zeitung" veröffentlichten Angriffe auf Dänemark sind der deutschen Regierung und ihrer Politik in der That vollständig fremd.
Zur Rückkehr der katholischen Orden nach Preußen, schreibt die Köln. Ztg.: „Die Wiedereröffnung der Klöster und OrdenSniederlassungen hat bereits in einem über alles Erwarten großen Umfang stattgefunden. Dutzendweise sind solche Anstalten der verschiedensten Orden bereits wieder zugelassen und fast jeden Tag gehen derartige neue Mitteilungen durch die Blätter. Möge die Regierung gerade auf diesem Gebiet nicht zu weit gehen!
Berlin, 30. Aug. Das Projekt der Spirituskoalition gilt als gescheitert.
Auf dem kürzlich abgehaltenen Dortmunder Handwerkertag hat Herr v. Schorlemer-Alst Worte gesprochen, die man, soweit sie zum konfessionellen Frieden mahnen, gewiß freudig begrüßen wird, um so freudiger, je seltener im ultramontanen Lager diese Tonart angeschlagen wird. „Bleiben Sie einig," rief der Redner den Handwerkern zu, „lassen Sie sich durch nichts stören in dieser Einigkeit, vor allem auch nicht stören durch konfessionelle Hetze, die man vielfach versucht hat und die ich offen als ganz unpatriotisch und schmachvoll für unser Vaterland bezeichne, denn in dem Augenblicke, wo uns äußere Feinde von rechts und links drohen, müssen wir einig denen gegenüberstehen. Sie haben sich als christliche Männer beider Konfessionen die schöne Aufgabe gestellt; Wiederaufrlch- tung des Handwerks auf christlicher Grundlage, das heißt: Rettung und Erhaltung des Mittelstandes. Das ist Ihre Königsburg, aus der Sie Jeden hinausweiscn müssen , der Ihre Eintracht stören will, wir müssen unsere religiöse Ucbcr- zcugung gegenseitig achten, wir müssen das, was uns trennt, in Liebe ertragen und austragen, ohne ein verletzendes Wort, ohne Haß und ohne Bitterkeit. Ja, ich sage, es darf über unsere Lippen niemals ein Wort kommen, was die religiöse Ueberzeugung des Anderen verletzt." Es berührt wohl- thuend, den westfälischen Freiherrn, der einst im Vor-