der Fall: Einige deutsche Knaben aus Markirch, im Alter von 10 Jahren, machten einen Spaziergang in ein benachbartes französisches Dorf. Kaum waren dieselben dort als Deutsche erkannt worden, als sie sich auch schon von der ganzen Schuljugend umringt sahen, welche ihnen «Vivo In Uranos, a bao 1a ?ru8ss« zuriefen. Hätte nicht eine bekannte Familie sich der Kleinen angenommen, so würde es denselben am Ende noch schlecht ergangen sein. Ein Frank­furter Reisender erzählte folgendes:Alljährlich bin ich in den französischen Grenz-Departements beschäf­tigt, um Waren-Bestellungen aufzusuchen. In diesem Jahre machte ich schlechte Geschäfte und kürzte meinen Aufenthalt in Frankreich daher bedeutend ab. Seit Annahme des Mobilmachungsgesetzes ist das Volk aus Rand und Band, und glaubt, es müßte unbe­dingt der Krieg bald ausbrechen, wodurch die Ge­schäfte ungemein leiden. Deutsche Reisende haben einen schweren Stand. Wie oft wird man mit scheelen Augen angesehen! Ich mied absichtlich die Kaffee's, um nicht von irgend einem Hitzkopf als Spion an­gesehen zu werden.

Berlin. DieKreuzztg." betont, daß die von Salisbury in seiner Friedensrede wirklich ge­sprochenen Worte ganz anders lauten, als das Wolff'- sche Bureau telegraphiert hatte.Während hierin, sagt dieKrzztg.", eine übergroße Friedenszuversicht an den Tag gelegt wird, hat Lord Salisbury in Wirklichkeit nicht viel mehr gesagt, als daß Hoffnung vorhanden sei, den Frieden in Europa für absehbare Zeit erhalten zu können. Dies entspricht auch den Thatsachen. Für den Augenblick ist das Europa be­drohende Gespenst des Krieges in den Hintergrund getreten. Entschwunden ist es jedoch keineswegs.

Berlin, 13. Aug. DerReichsanzeiger" veröffentlicht folgende Ordre des Kaisers vom 9. Aug. an den Kriegsminister:Ich habe beschlossen, den in diesem Frühjahre errichteten vier Infanterie-Regimen­tern, sowie den neu errichteten Infanterie-Bataillonen und dem dritten und vierten Bataillon des Eisen­bahn-Regiments , da dieselben sämtlich aus älteren Truppenteilen hervorgegangen sind, welche sich längst im Besitz von Fahnen befinden, schon jetzt, und zwar am 18. August, als dem unvergeßlichen Gedenktage der Schlacht von Gravelotte und Saint-Privat, Fah­nen zu verleihen. Ich hege dabei die zuversichtliche Erwartung, daß alle diese Truppenteile die von Mir ihnen anvertrauten Feldzeichen jederzeit in hohen Ehren halten und bis in die fernste Zukunft i zum Heile Deutschlands und zum Ruhme des Heeres führen werden. Zur Entgegennahme der Fahnen,! deren feierliche Nagelung und Weihung Meinen da- - für gegebenen besonderen Bestimmungen entsprechend am 18. August stattfinden soll, sind die betreffenden, Regiments-Kommandeure, begleitet von so vielen Lieutenants und Unteroffizieren, als der Truppen­teil Fahnen erhält, zum 18. d. M. morgens nach Potsdam zu beordern. Indem Ich bemerke, daß die Lieutenants zunächst aus den schon in Berlin, Pots­dam oder Spandau kommandierten zu wählen sind, beauftrage ich Sie, diese Meine Ordre der Armee be­kannt zu machen und das Erforderliche danach zu veranlassen."

Berlin, 14. August. Eine zuerst von der ^ Nat.-Ztg. gebrachte und dann auf telegraphischem j Wege von Berlin aus weiterverbreitete Nachricht! wollte wissen, daß bei der Begegnung des Fürsten ^ Bismarck mit dem Grafen Katnoky in Kissingen auch ! der russische Botschafter am Berliner Hofe, Graf j Schuwaloff, zugegen sein würde. Demgegenüber muß konstatiert werden, daß Graf Schuwaloff bekanntlich schon vor dem 1. August in Berlin eintraf, um mit dem zu dieser Zeit in Berlin erwarteten Fürsten; Reichskanzler zu konferieren, und am Freitag den 12. August, bevor Fürst Bismarck sich zum Kaiser nach Babelsberg begab, fand im Palais des Reichskanz­lers eine Unterredung zwischen dem Grafen Schuwa­loff und dem Fürsten Bismarck statt. Bei dieser Gelegenheit sind, wie in Kreisen, die der russischen Botschaft nahestehen, verlautet, alle Rußland und Deutschland und das augenblickliche Verhältnis bei­der Staaten zu einander betreffenden Punkte so ein­gehend erörtert worden, daß weder für den Fürsten Bismarck noch für den Grafen Schuwaloff das Be­dürfnis einer zweiten Unterredung in Kissingen ge­legentlich der dortigen Anwesenheit des Grafen Kal- noky vorliegt. Namentlich gilt dies speziell in Be­zug auf die neueste Wendung in der bulgarischen Frage. Deutschland und Rußland gehen hierin Hand

in Hand und auch - nach bester Information- Kaiser Franz Josef will von der Annahme der Wahl ! seitens des Prinzen Ferdinand von Koburg nichts ! wissen und hat alles aufgeboten, letzteren von der ^ Reise nach Bulgarien zurückzuhalten.

Die deutschen Brennereibesitzer wollen eine große Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 30 Millionen Mark errichten, welche den Vertrieb des Spiritus übernehmen und die Preise bestimmen soll. Der eigene Betrieb der Spiritus-Raffinerie wird nicht beabsichtigt; vielmehr wird man mit den Raffineuren Kontrakte abschließen, wonach dieselben die ganze Ma­nipulation gegen eine fest zu bestimmende Vergütung pro Hektoliter zu übernehmen haben; die Berbrauchs- abgabe ans den inländischen Konsum entrichtet sodann ^ die Gesellschaft und den für den Export verbleibenden i Spiritus nimmt sie bis zur Versendung auf steuer­freies Lager. Der Vertrieb desselben nach dem Aus- ^ lande ist ihre Sache, und auch die Festsetzung des Preises des inländischen Branntweins bleibt ihr über­lassen. Der Reichsregierung soll eine dauernde Ein­flußnahme auf die Verwaltung eingeräumt werden. Das Projekt geht aus vom Verein deutscher Spiritus­fabrikanten. Für den finanziellen Teil des Projektes hat die deutsche Bank die Führung übernommen; in­dessen sind auch erste Bankfirmen Berlins an dem­selben hervorragend beteiligt. Seit Bekanntwerden des Planes ist der Spirituspreis kolossal in die Höhe gegangen.

In der großen Parade, welche der Kaiser am 6. September bei Königsberg i. Pr. über das ganze 1. Armeekorps abnehmen will, wird ein Heer von 21000 Mann mit 5000 Pferden und 70 Ge­schützen vor dem Kaiser versammelt sein. Etwa 1060 Mann stark ist schon das aktive Offizierkorps.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 13. Aug. Der Postdieb Zalewski ist heute aus Bremerhaven hier eingetroffen; als man ihm Fesseln anlegte, begann er zu weinen und bat, man möge ihm das ersparen.

Prinz Ferdinand hat, wie Wiener Blätter melden, bei einer Wiener Lebensversicherung einen Versicherungsantrag auf 1 Million gestellt.

Frankreich.

Die bevorstehende Probe-Mobilisierung eines Armeekorps wird wahrscheinlich am 6. Septbr. ihren Anfang nehmen. General Boulanger liebt es, mit Bonaparte verglichen zu werden. Bis­her kannte man nur die Aehnlichkeit, daß beider Name mit Bo anfängt. Der Figaro hat jetzt eine zweite entdeckt: ihr Glaube an Wahrsagungen. Wie Bona­parte seine Lenormand, so hat auch Boulanger seine Prophetinnen, und Alle haben ihm geweissagt, daß er dereinst der Höchste in ganz Frankreich sein werde". Eine andere hat aber den fatalen Zusatz gemacht, der General werde eines gewaltsamen Todes sterben.

Paris, 13. Aug. Die Geschichte von einem zurückeroberten französischen Repetiergewehr, das ein Deserteur mit über die deutsche Grenze genommen haben sollte, hat sich bewahrheitet. General Bois- denemetz, Kommandant der Subdivision Nancy , hat > den Maire von Provenchores ersucht, den jungen Leuten Etienne, Delagoutte, Benoit und namentlich ^ Despagne seine Glückwünsche auszurichtenfür die! erhabenen Gefühle von Patriotismus, wovon sie! Zeugnis abgelegt, indem sie ein Repeticrgewehr zurück­holten, das von einem Deserteur mitgenommen wor- den war." Die 4 Helden waren angeblich dem de­sertierenden Unteroffizier auf deutsches Gebiet nachge­schlichen, hatten ihn auf einer Farm getroffen, wo er Arbeit genommen, und sich durch List in Besitz des. Gewehres gesetzt, das sie dann im Triumphe über die Grenze zurückbrachten.

Paris, 13. Aug. Die Weltausstellung gestaltet sich für die modernenentgleisten" Repub­likaner immer peinlicher; nicht einmal die Privat­industrie will sich zu ihr hergeben, trotzdem ihr die französische Regierung die verlockendsten Erleichterun­gen gewährt hat. Wenigstens rät die offiziöse öster­reichische Presse davon angesichts der Zunahme tau­rischer Fremdcnbehandlung ab.Und das hat mit seinen Reden Herr Deroulede gethan."

Paris, 14. Aug. Im Ministerium des Aus­wärtigen wurden vorige Nacht wichtige Papiere, so­wie größere Summen Geldes gestohlen.

Paris, 15. August. 18 neue Jnfanteriere- gimenter sollen nach dem Petit Journal sämtlich an die deutsche Grenze verlegt werden.

Paris, 15. August. Einer Meldung ans

Limoges zufolge ordnet ein ministerielles Rundschrei­ben an, daß die Richter und Beamten im Bezirke des Gerichtshofes von Limoges trotz der Gerichts­ferien sich an ihren Amtssitzen aufzuhalten haben, für den Fall, daß das 12. Armeekorps mobilisiert würde. Man schließt daraus, das 12. Armeekorps sei für den Mobilisierungsversuch designiert. (Limo­ges liegt im franz. Binnenlande, dem atlantischen Ozean und den Pyrenäen näher als der deutschen Grenze.)

Die Wiedereröffnung der Weißbach'schen Fa­brik in Embremenil auf 3 Monate zur Abwicke­lung der Geschäfte ist, wie jetzt bekannt wird, erst auf eine Intervention des deutschen auswärtigen Am­tes hin erfolgt.

Belgien.

Brüssel, 13. August. DerNord" erklärt, das Abenteuer des Prinzen von Koburg werde in der nächsten Zukunft ein trauriges Ende nehmen.

Italien.

Rom, 13. Aug. Der neue Ministerpräsident CrisPi empfing heute die Mitglieder des diploma­tischen Korps, zuerst den deutschen Botschafter, Gra­fen Solms. Alle Diplomaten versicherten, daß auf die Fortdauer freundschaftlicher Beziehungen zu Ita­lien großer Wert gelegt werde. Wie dieTribuna" aus angeblich guter Quelle erfahren haben will, habe der Papst dem Prinzen von Koburg auf dessen Wunsch seinen apostolischen Segen gesandt. Die radikalen Blätter, besonders dieTribuna", äußern sich höchst ! erbittert über die steigende antiitalienische Agitation ! Frankreichs.

England.

London, 13. Aug. Der Eisenbahninspektor, welcher mit in dem im nordamerikanischen Staate Illinois verunglückten Zuge fuhr, glaubt an eine absichtliche Brandstiftung seitens der Leute, die an­geblich Hilfe leisteten, aber später die Leichen be­raubten. Die Ueberlebenden bemühten sich 4 Stun­den lang, das Feuer der entzündeten Wagen bei dem Wassermangel durch Anhäufung der mit den bloßen Händen ausgekratzten Erde zu löschen. Die zur Hilfe herbeigeeilten Aerzte erklärten, die Hölle könne kein schrecklicheres Schauspiel bieten. Die Unglücks- , stätte liegt inmitten der Prairie, fern jeder Hilfe.

! Viele der Verwundeten starben infolge von Wasser­mangel und mangelnder Pflege. Ein Familienvater, l dessen Frau und Kind umkamen, erschoß sich neben ^ den Leichen derselben. Alle Umstände bekräftigen die ^ Behauptung, daß dieser der schrecklichste in der langen ^ Reihe der Bahnunfälle Amerikas sei. Chaswoth und ! Pipe City, die nächsten Stationen, gleichen wahren ^ Leichenhallen. Kirchen und Schulen beider Orte sind in Spitäler umgewandelt; die Einwohner versehen den Dienst als Hospitalwärter und zimmern aufs eiligste Särge. Bis jetzt sind 155 Tote und 200 Verwundete gezählt.

London, 14. Aug. In Cowes auf der Insel Wight wurde am Samstag eine Französin unter dem Verdachte verhaftet, daß sie gegen die Residenz der Königin, Osborne, einen Anschlag beabsichtigt habe; dieselbe befand sich im Besitze von Stoffen, welche man für Sprengstoffe hält. Die Verhaftete war von Havre aus nach England gekommen, will eine Putz­macherin aus Paris sein und nennt sich Dupoint.

London, 16. Aug. Dem Bureau Reuter wird aus Simla unter dem 15. ds. Mts. gemeldet: Aerztlichen Berichten zufolge sind in den Nordwest­provinzen Indiens im Juni 70 000 Personen an der Cholera gestorben, also 1 pCt. der Einwohner.

Rußland.

Warschau, 15. August. Die Reichsbank in Warschau hat ausländischen, als ganz kreditfähig er­klärten Juden den Kredit gekündigt.

Bulgarien.

Zur Feier der Ankunft des Fürsten Ferdi­nand auf bulgarischem Boden fand in Sofia in der Kathedrale ein Tedeum unter Leitung des Met­ropoliten , des bekannten Feindes des Fürsten Ale­xander, statt. Nachdem der Merropolit Clement die fürstliche Proklamation verlesen, hielt er eine An­sprache , in welcher er ausführte, man müsse Gott danken, daß Prinz Ferdinand trotz der bestehenden Schwierigkeiten die Krone angenommen habe. Die bulgarische Krisis sei jetzt beendigt, die Unschuldigen würden in Zukunft nicht mehr eingekerkert werden, und Jeder könne seine Ansicht frei aussprechen. Die Annahme der Krone und die Ankunft des Prinzen in Bulgarien mache der Alleinherrschaft gewisser Per-