lution gegeben, oder zu dem geplanten Ueberrumpe- lungs-Rachekriege. Auf Ueberrumpelung ist derselbe von Beginn an angelegt. Aber es gibt noch eine dritte Möglichkeit, nämlich die, daß die wahnwitzige Verfolgung und Angeiferung alles Deutschen in Frankreich, welche mit der russischen bald ganz Hand in Hand arbeiten wird, Deutschland seiner selbst wegen zwingt, die Wendung des französ. Bolksschauspiels, das sich vor uns abspielt, zu beschleunigen und damit zugleich das uns gegenüber geplante Zuvorkommen zu vereiteln.
Ueber Unterstützung der Familien der zur Fahne einberufenen Mannschaften ist dem: Bundesrat ein Gesetzentwurf zugegangen, welcher im ° Wesentlichen Folgendes bestimmt: Anspruch auf Unterstützung haben die Familien der Mannschaften der Reserve, Landwehr, Ersatzreserve, Seewehr und des Landsturms, sobald letztere bei Mobilmachung in den Dienst treten. Die Unterstützungen erstrecken sich auf die Ehefrauen und die ehelichen Kinder unter 15 Jahren und ferner auf die Kinder über 15 Jahre, Eltern, Großeltern und Geschwister, sofern sie von dem Einberufenen erhalten werden. Die Unterstützungen sollen betragen: für die Ehefrau für die! Zeit von April bis Oktober monatlich 6, sonst 9 ! Mk.; für jedes Kind unter 15 Jahren und die übri- ! gen obengenannten Personen monatlich 4 Mk.
Nach den Versicherungen cingeweihter Kreise sind die Beziehungen zwischen den Kabinetten von Berlin und Petersburg augenblicklich — gerade zur Zeit des erbitterten Kampfes der deutschen Offiziösen gegen die russischen Werte! — entschieden bessere, ' als lange Zeit zuvor. j
Berlin, 28. Juli. In der Gewehrfabrik in Spandau wurden 300 Arbeiter entlassen. !
Mehrere Gewehrfabriken in Suhl haben für ; die türkische Arme 50 000 Stück Seitengewehre anzu- fertigcn. Ein höherer türkischer Offizier ist dort. >
Die Eckbaustelle der Borsig'schen Fabrik am ^ Oranienburger Thor in Berlin ist mit 9 000 pro Quadratruthe bezahlt worden.
Breslau, 25. Juli. Nach den neuesten Meldungen sind bei einer Explosion auf der Friedenshütte 10 Personen getötet und 40 schwer verwundet worden. !
Schweiz.
Zug, 27. Juli. Ein Rest der Quaimauer senkte! sich um 5 Centimeter. Man hält eine weitere Kata- ^ strophe für unvermeidlich.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 27. Juli. Wie verlautet, wird den wesentlichen Gegenstand der Kissinger Konferenzen i zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Kal- noky der österreichisch- deutsche Handelsvertrag bilden.
Nach dem Saatenstandbericht des österreichischen! Ackerbaumiuisteriums ist eine gute Weizenerntc und! eine gut mittlere Roggen- und Gerstencrnte zu erwarten. Gerste ergab sehr Verschiedene Resultate; sie sind schlecht und sehr gut. Die Zuckerrübe hat durch die Dürre gelitten.
Frankreich.
Paris, 26. Juli. Die Regierung hat beschlossen, der Kammer nach deren Wiederzusammentritt ein Gesetz, betr. die Beendigung der großen Arbeiten an der Seine in Havre, vorzulegcn. Die Kosten hiefür betragen 100 Millionen, welche von der Han- ! delskammer Havre beschafft oder vorgestreckt werden sollen.
In Frankreich redet Alles, Minister, Abgeordnete und solche, die es werden wollen. Nur Boulanger muß stillschweigen, weil ihn die Gicht zwickt. Die letzten Reden mehrerer Minister, welche eine feste Einigung aller gemäßigten republikanischen Elemente empfahlen, haben durch den eigentlichen Führer der Gambettisten, Jules Ferry, eine kräftige Unterstützung erhalten. Ferry ist vor Allem der radikalen Forderung einer Volksarmee L la 1791 cntgegengetrcten. Er verlangt eine kräftige Armee, zur Verteidigung des Landes. Bitter tadelt er die inneren Spaltungen und Zerwürfnisse, welche Frankreich in den Augen des Auslandes am meisten schadeten. Wenn die Franzosen nur darauf hören wollten!
General Boulanger schenkte 2 Polizisten, dem Lokomotivführer und dem Heizer, die seine Abreise von Paris ermöglichten, silberne Uhren mit gravierter Inschrift.
Italien.
R o m. 26. Juli. Auf das letzte St. Peter- und Paulus-Fest ließ der Papst zum Andenken an sein Lchiedsrichteramt in der Karolinenangelegenheit eine goldene Münze schlagen. Die 4 ersten Exem
plare wurden dem Kaiser Wilhelm und der Königin Regentin von Spanien, dem Fürsten BiSmarck und dem spanischen Minister Canovas del Castillo zugesandt.
Der Papst hat ein Schreiben an den Kardinalstaatssekretär Rampolla gerichtet, in welchem er die Ansprüche ans Rom aufrecht erhält. Weiter sagt der Papst, in Preußen müsse das Werk des religiösen Friedens bis zur Vollendung fortgesetzt werden. Den gerechten Wünschen der katholischen Bevölkerung müsse noch mehr Rechnung getragen werden. Dasselbe gelte auch von Bayern.
Aus Catania werden fortdauernd Cholera- Exzesse gemeldet. Die Bevölkerung tritt äußerst drohend gegen die Aerzte und Behörden auf. In Catania wurden mehrere Aerzte als Vergifter von dem rasenden Pöbel erschossen.
England.
Aus London wird gemeldet, daß die am Kehlkopfe des Kronprinzen noch vorhandene kleine Unebenheit ihm zwar keine Schmerzen, wohl aber Unbequemlichkeiten beim Schlucken verursacht. Durch tägliche sechsmalige Gurgelungen soll der Rest des Leidens beseitigt werden. Der Kronprinz nimmt auch nur lauwarme, keine heißen Speisen zu sich.
Nahezu über gauz Irland hat die Londoner Regierung den Ausnahmezustand verhängt, und die Unterdrückung der Nationalliga steht binnen Kurzem bevor. Die Irländer sind aber keineswegs gewillt, ohne Weiteres die Flinte ins Korn zu werfen, sic rüsten sich vielmehr zu entschlossenem Wider-! stände, und wir werden bald von neuen Ruhestör- ungen und Ausschreitungen hören.
Donau-Fürstentümer.
Als Kuriosität teilen wir mit, daß in Bukarest Gerüchte aufgetaucht sind, wonach bulgarische Emissäre den König Karl von Rumänien zum Herrscher Bulgariens ausrufen wollten. Ja, es ist wirklich heiß!
In Bukarest haben am 14. Juli Russen und Franzosen ein Berbrüderungssest gefeiert. Der französische Gesandte de Coutouly erschien in Gesellschaft des Herrn Wlassow, Sekretärs der russischen Gesandtschaft, auf dem Feste der französischen Kolonie. Coutouly hielt eine Ansprache, in welcher er sagte, Frankreich werde so lange als möglich eine friedliche Politik verfolgen, allein gleichzeitig bereite sich die Republik für einen blutigen Kampf vor, welcher umso fürchterlicher werden dürfte, je länger der Ausbruch desselben verschoben werde. Nachdem dann die „Marseillaise" gespielt worden war, erbat sich Coutouly die Erlaubnis, auf das Wohl seines Freundes, eines Fremden, welcher das Fest mit seiner Gegenwart beehre, zu trinken; er wolle ihn jedoch nicht bei Namen nennen, noch auf seine Stellung oder Nationalität anspielen, da dies überflüssig wäre. Dann näherte sich der französische Gesandte Herrn Wlassow und stieß mit ihm an, worauf die aus etwa 200 Personen bestehende Versammlung in freudige Ausrufe ausbrach und wiederholt brüllte: „Lang lebe Ruß- land, der Freund Frankreichs!" !
Kleinere Mitteilungen. !
(Mondsfinsternis.) Die am 3. August stattfindendc !
Mondsfinsteruis beginnt 8 Uhr 7 Min. und dauert bis 10 ! Uhr 34 Min. Um 9 Uhr erreicht dieselbe des Monddnrch- ! Messers. Etwa eine Stunde lang vor und nach der Finster- ! nis wird man den Halbschatten der Erde auf dem Monde r bemerken können. i
In Halle sind zwei Knechte vom Dominium Sch. .
zu 4 Wochen Gefängnis verurteilt worden, weil sie bei einer ! Fahrt dem Pferd, welches den in Morast geratenen Wagen! nicht mehr weitcrziehen konnte, Stroh unter den Bauchgnrt ! gesteckt und dasselbe angezündet hatten. Das Pferd brachte - so den Wagen weiter, verendete aber Tags darauf.
Osten de, 23. Juli. Ein schrecklicher Unfall ereignete ^ sich vorgestern morgen in der Ziegelei Tournoye bei dem nahcgelegcncn Dorfe Mariakerkc. Ein Ziegelofen stürzte zu- ^ sammen und begrub sieben Arbeiter unter seinen Trümmern, i Alle sieben Arbeiter wurden als verkohlte Leichname hervor- ! gezogen; sechs von ihnen waren Familienväter und hinterlas- . sen etwa zwanzig Kinder in zartem Alter. , ^
London, 23. Juli. (Entschädigung einer vcrlaffenen; Frau). Der Herausgeber der „Pall-Mall-Gazclte" hat cnien großen Erfolg betreffs der unglücklichen Mrs. I. errungen, deren er sich gegen ihren schurkischen Gatten angenommen hatte. Dieser hatte sie in London als allein stehende Waise ! kennen gelernt, während sie eine Erzieherinnenstellc inne hatte, ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie bewogen, zur Vollziehung der in England angeblich auf Hindernisse stoßenden Eheschließung mit ihm über den Kanal zn fahren. Die erst in Frankreich in Szene gesetzte Vorspiegelung einer Trauung wurde als eine zn plumpe Täuschung selbst von dem uner- ^ fahrcnen Mädchen durchschaut, und es hat alsdann, in Belgien zwar, aber durch einen wirklichen englischen Geistliche», ' die Trauung stattgefnndcn. Da in Belgien die Zivilehe gilt,
so können allerdings über die Rechtsgiltigkeit her erwähnten Eheschließung starke Zweifel entstehen. Die so Angetraute folgte nun ihrem Gatten über das Weltmeer nach Südamerika, wo derselbe (in Argentinien) große Besitzungen hat. In Buenos-Ayres angekommcn, erklärte ihr der liebenswürdige Gatte trocken, daß er ihrer überdrüssig sei und daß sic, da sic überdcm gar nicht rechtsgiltig mit ihm verheiratet sei, sich wieder nach England zurückbegeben möge. Der unglücklichen Frau blieb nichts anderes übrig, als diesem rohen Ansinnen Folge zu leisten. In England, wo sie einige Zeit nach ihrer Rückkehr einem Kinde das Leben gab, stand sie allein und hilflos da, bis sich die „Pall-Mall-Gazette" des Falles annahm. Im Umsehen waren die 1500 Lst., welche zur Ergreifung der erforderlichen prozessualischen Maßnahmen nötig waren (der Argentinier, welcher dort drüben schwer zu fassen sein dürfte, besitzt nämlich auch in England bedeutendes Vermögen, welches er, um es der drohenden Beschlagnahme zu entziehen, auf den Namen einer Verwandten hatte stellen lassen), von dem Blatte gesammelt, und jetzt ist der Richterspruch erfolgt, welcher der Frau I. eine Entschädigungssumme von 40 000 Lst. (also über 800000 ^.) zuspricht! Das dürfte wohl eine der teuersten Reisen über den Ozean geworden sein, welche der saubere Mr. I. gemacht hat!
Das vergessene Kind. Der Leinenwarenfabrikant Stephan Wentley in London entschloß sich vor einiger Zeit, mit seiner Frau eine Lustreise nach Paris zu unternehmen. Mrs. Wentley beharrte darauf, ihr einziges zweijähriges Töchterchen mitzunehmen. Da die Fahrt schon zeitig morgens angetreten werden sollte, verbrachten die Eltern mit der Kleinen die Nacht in der leerstehenden Stadtwolmung, während der Haushalt schon in der Villa etabliert war. Die kleine Rosa hustete jedoch in der Nacht, die Mutter entschloß sich daher, das Kind zurückzulassen. Während die Kleine ruhig schlummerte, reisten die Eltern ab, vorher übergaben sie noch dem Portier den Schlüssel und eine Depesche, welche die Kinderfrau herbeitelegraphierte. Mitte vorigen Monats kam das Paar von der Reise zurück. Zu ihrem Entsetzen hörten sie, daß man in der Villa nichts von dem Kinde wisse. Von den entsetzlichsten Ahnungen gefoltert, eilten die Eltern in ihre Stadtwohnung und fanden daselbst das arme Kind verhungert. Der schlaftrunkene Portier hatte vergessen, die Depesche ab- zngcben.
Von einer sonderbaren Wallfahrt erzählt ein russisches Blatt: In der Eisenbahn-Station Rudnja - Potschajews- kaja beschwerten sich die Passagiere sämtlicher Klassen des Eisenbahnzuges bei dem Oberkondukteur darüber, daß eine Dame ihre Ruhe störe, indem sie fortwährend von einem Konps in's andere herumwandere. Der Oberkondukteur ersuchte die Dame sich zu setzen; allein sic erklärte kategorisch, daß sie nicht sitzen dürfe. Sie hatte nämlich das Gelübde abgelegt, zu Fuß nach dem Potschajewer Wallfahrtsort zu gehen, und da der Weg ein ungemein langer, so entschloß sie sich endlich, die Eisenbahn zu benutzen, wobei sie glaubte, durch das Gehen im Eisenbahnzug ihr Gelübde zu erfüllen. In Folge dieser Aufklärung gewährten denn auch die Passagiere der merkwürdigen Wallfahrerin die erwünschte „Gang- frciheit."
Vor Kurzem sollte in einer Kirche zu Manchester die Trauung eines Brautpaares stattfinden. Der Pfarrvikar Mr. Levish am erschien. Als er aber die Braut sah, schien er plötzlich verwirrt und stotterte verlegen. Endlich zog er die Braut zur Seite, flüsterte mit ihr eine Weile; seine Worte schienen Anklang zu finden und schließlich wandte sich die Braut an den überraschten Bräutigam und erklärte kurzweg, sie habe sich die Sache überlegt, sie werde ihn nicht heiraten. Die Gäste zogen sich verstimmt zurück. Am nächsten Tage aber erfuhr die Gemeinde, daß Levisham, dem die üppige Braut sehr gefallen, dieser den Vorschlag gemacht, sie möge lieber ihn heiraten; seine zwei Kinder hätten von der Mutter ein großes Vermögen geerbt, dessen Zinsen der Wirtschaft zu Gut kämen. Die Braut war ebenso schnell entschlossen, allein die Pfarrkinder sind über den Fall empört, und haben Klage beim Bischof geführt.
Moustreprozcß. Aus Udinc wird gemeldet: Nach 40tägiger Verhandlung in einem kolossalen Schmuggelprozeß gegen 24 der ersten hiesigen Kauflente, welche augeklagt waren, im Laufe von sieben Jahren ungeheuere Spiritusmengen aus Oesterreich eingeschmuggelt zu haben, wurden 9 Angeklagte feigesprochen, 6 Angeklagte zu je 6 Monaten schweren Kerkers und zum Ersatz von je 74000 Lire, 3 Angekagte zu je 3 Monaten schweren Kerkers und Ersatz von je 10000 Lire verurteilt. Gegen 6 Angeklagte wurde die Anklage zurückgezogen. lieber 120 Zeugen wurden in diesem Monstre- prozessc vernommen, an welchem sich auch 13 Verteidiger beteiligten. .. ,
Ueber einen ungewöhnlichen H-all von Fanatismus wird demnächst vor dem Gericht in Malaga verhandelt werden. Vor einigen Monaten erklärte eine Frau aus dem Dorfe Torrox, daß die Jungfrau Maria ihr erschienen sei und ihr befohlen habe, ein neues Evangelium zur Rettung der Menschheit zu predigen, da der Untergang der Welt nahe sei. Sie fand bei den Dorfbewohnern Glauben. Auf ihren Befehl wurde ein großes Feuer angezündet, in welches die Fauatisierten alle ihre Wertsachen, Möbel und Kleider warfen, während Männer, Frauen und Kinder nackt um das Feuer tanzten. Die Behörden kamen noch zur rechten Zeit, um die wahnsinnigen Mütter zu verhindern, auch ihre Kinder ins Feuer zu werfen und ein Nicderbrenneu des ganzen Dorfes zu verhindern. Die Sache kommt jetzt vor Bericht. ^ ^
Ein Justizakt des Richter Lunch- Anfang Juli erschien in der Stadt Lalem (Indiana) Morgeiis gegen 2 Uhr eine Anzahl maskierter Männer, sperrten den stadtwach- ter ein und verlangten vom Sheriff dw Gefangiusichlustel. Der Sheriff verweigerte die Herausgabe. Die Menge schlug die Thüren des Gefängnisses ein und bahnte pch den Weg zur Zelle eines Mörders, Namens Delos Hastarau. Die,er hatte das Vordringen der Wüthcnden bemerkt und sich ans einen verzweifelten Widerstand vorbereitet. Die Männer, welche ihn kannten, wußten, daß der Erste, welcher die Zelle betrete, ein Kind des TodeS sei. Man kam auf eine Idee.