schehen sei. Die „France" nimmt den Exkriegsmi- nister heute gegen den Borwurf, jene Abgeordneten nicht angezeigt zu haben, in Schutz und bemerkt, Boulanger sei eben zu großmütig, um etwas derartiges zu thun. Auf das Verlangen, die Namen der monarchistischen Abgeordneten zu erfahren, welche den General Boulanger ersucht haben sollen, einen Staatsstreich zu machen, antwortete heute der Gewährsmann der „France" in Clermont-Ferrand, indem er den jetzigen Kriegsminister ersucht, dem General Boulanger die Erlaubnis zum Reden zu erteilen.
Paris, 22. Juli. Die Enthüllungen der „France" über die Versuchungen, welche von monarchistischer Seite an de» General Boulanger dieses Frühjahr herangetreten sein sollen, um ihn zu einem Staatsstreich auszufordern, werden von den Blättern der Rechten als erlogen bezeichnet. Die „France" hat behauptet, eine Deputation der Rechten sei zu Boulanger gekommen und habe ihm vorgestellt, es könne mit der Republik nicht länger so sortgeheu, das republikanische Regiment sei dazu verurteilt, von Stufe zu Stufe zur Anarchie herabzusinken, das könne nicht dauern, Boulanger solle Frankreich vor der Republik retten. „Mit einem Blick übersah der General, welche Falle man ihm, der sich loyal an die Republik angeschlossen hatte, und dessen einziges Ziel der Zweikampf mit Deutschland war, stellte." Er gab daher, nachdem er bis dahin, ausweichend geantwortet hatte, die Erklärung, es scheine ihm Thorheit und zugleich ein Verbrechen gegen das Vaterland, in einem Moment, wo sich die Armee aus den unabweis- licheu Kampf mit dem Feinde vorbereite, an eine gewaltsame Politische Umwälzung zu denken. So zogen die Versucher mit langer Nase ab. Die „France" zieht daraus den Schluß, daß Boulanger ein besserer Republikaner sei, als Rouvier, denn er habe die Allianz mit der Rechten zurückgewiesen, das Ministerium Rouvier dagegen habe sie seither angenommen. Auch ein besserer Patriot sei Boulanger, denn er habe das Haupt vor Deutschland erheben wollen, die jetzige Regierung habe sich vor Bismarck gede- mütigt, indem sie ihn, Boulanger, proskribierte.
Präsident Grevy, Rouvier und Flourens haben dem in Paris anwesenden Kaiser von Brasilien Besuche abgestattct, nachdem dieser dem Präsidenten der Republick seine Aufwartung gemacht.
Paris, 25. Juli. Einer Meldung aus Rouen zufolge hielt der Minister Spuller bei der gestrigen Enthüllung der Statue Armand Carrcls eine Rede, worin er die Notwendigkeit der Einigung aller Republikaner betonte und wiederholt erklärte, die gegenwärtige Regierung sei nicht eine Regierung des Kampfes , sondern der Reformen und der Beruhigung. Die Rede fand vereinzelten Widerspruch, von der überwiegenden Mehrzahl wurde sie jedoch beifällig ausgenommen. Der Minister Heredia hielt in Senlis eine ähnliche Rede.
In Paris wird's immer toller. Die Zeitung „Pays" ruft uns Deutschen zu: „Liebe Teutonen! Vergesst den Weg nach Frankreich, wie wir den Weg zu Euren Kursälen und Universitäten vergessen haben. Und seid ruhig: wenn der Tag gekommen sein wird, werdet Ihr einen Trompetenstoß hören, daß Euer Deutschland darob erbleichen soll. Dann werden wir wieder Bekanntschaft machen und eine Unterredung mit einander führen, wovon die Erde zittern soll und woran die Jahrhunderte denken werden. Bis dahin bleibt zu Hause." Werden denn die Provinzen, die keinen Krieg wollen und schon einmal hineingesührt worden sind, nicht endlich einmal den Pariser Schreiern und Hetzern das Maul stopfen?
Belgien.
Brüsse l, 23. Juli. König Leopold richtete an das Pariser Nedaktionsbureau des „Newyork Herald" , welches bei dem König über das Schicksal Stanley's anfragte, eine Depesche, worin er die Nachricht von der Ermordung Stanley's formell dementiert.
Italien.
Rom, 23. Juli. Eine Räuberbande, welche die Furcht vor der Cholera der Bevölkerung von Andorne» in Sizilien zur Terrorisierung ausnutzte, wurde nach heftigem Kampfe mit dem Militär vernichtet.
Portugal. ^
Der bekannte Brauch desHohenzollcrn- hauses, nach welchem jeder Prinz ein Handwerk lernen muß, hat auch in Portugal Eingang gefunden. Die Königin Maria Pia selbst kann ein Haud- wer! ausübcn, sie ist Töpferin. Der König Dom .
> Luiz ist Bildhauer, der Kronprinz Don Carlos ist ! Schmied.
England.
^ Portsmouth, 23 . Juli. Die Jubiläumsfestlichkeiten wurden mit einer großen Flottenrevue in Spitheat heute abgeschlossen. 130 engl. Kriegs- ! schiffe nahmen daran teil.
Türkei.
Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, hat der deutsche Kronprinz dem Sultan ein Dankestelegramm zugehen lassen für das vielfache Interesse,
^ welches dieser aus Anlaß der Erkrankung des Kronprinzen an den Tag gelegt hatte.
Bulgarien.
In Sofia betrachtet man auch die Kandidatur des Prinzen schon völlig als abgethan. Die Regentschaft ist entschlossen, sofort nach der definitiven Absage des Prinzen Ferdinand den Fürsten Alexander wieder zum Herrscher von Bulgarien zu proklamieren und in dessen Namen soll die Regierung dann weiter geführt werden. An eine Aussöhnung mit Rußland ist bei der im Lande herrschenden Stimmung jetzt ebenso wenig wie früher zu denken.
! Sofia. In Paris eingetroffene Nachrichten von hier besagen, daß die Regentschaft den Thron dem Herzog von Alenyon antragen wolle. Amerika.
Aus Newyork, 21. Juli, wird telegraphisch berichtet: Während 100 italienische Arbeiter beschäftigt waren, den. Damm der Eri-Eisenbahn bei Hshocus aufzufüllen, gingen sie auf das östliche Geleise hinüber, um einen vom Westen kommenden Zug zu vermeiden. Ohne ein Warnungssignal zu geben, raste plötzlich der nach dem Osten fahrende Zug mit voller Geschwindigkeit durch die Schar hindurch. 11 Arbeiter wurden auf der Stelle getötet und ihre Ueberreste lagen längs dem Geleise zerstreut. Andere erlitten furchtbare Verletzungen. Die Ueberlebenden waren so erbittert, daß sie in wilder Leidenschaft den Zug angriffen. Der Maschinist mußte sich flüchten, um sein Leben zu retten. Andere Italiener liefen in die Wälder und schrieen wie Wahnsinnige. _
Kleinere Mitteilungen.
In Baisingen stahl ein vagierender Ungar dem Kirchenvorsteher die goldene Uhr nnd Kette von der Wand.
Der „Remsthalbote teilt den Brief eines Schiffsjungen aus Waiblingen mit, der gegenwärtig an Bord S. Maj.
! Schiff „Ariadne" ans seiner ersten großen Seereise begriffen ! ist. Daraus wird die nachfolgende Stelle unsere Leser we- j nigstens deshalb vergnügen, weil sie zeigt, daß unsere junge j Schiffsmannschaft aus handfesten Leuten besteht. Der Waiblinger also schreibt aus Vigo in Spanien vom 6. Juli: „Als wir hier ankamen, waren auch französische Torpedo- boole hier und als wir 30 Schiffsjungen, welche Frciwache hatten, am ersten Tage ans Land kamen, waren auch beinahe alle französischen Matrosen beisammen in einer großen Gartenwirtschaft; wir gingen auch dorthin und sofort verließen die schönen Spanierinnen die Franzosen und kamen zu uns, wodurch die französischen Gemüter schon in Gährung kamen; wir sangen die „Wacht am Rhein" und „Marschall Vorwärts", hatten aber unfern Gesang kaum beendet, so flog schon ein Stuhl und ein Glas von den Franzosen zu uns herüber. Dies war für uns eine nicht mißznvcrstehende „Aufforderung zum Tanze" und obwohl die Franzosen sämtlich Seitengewehre hatten und wir nicht, gingen wir sofort auf sie los und j traktierten sie mit der bloßen Faust mit Hieben, daß sic sich in aller Eile davonmachten, zum Teil ohne Mützen und Seitengewehre, so daß unser Kommandant noch am gleichen
- Abend an den französischen Vizeadmiral 14 Mützen und 9 Seitengewehre senden konnte. Das war eine Freude bei uns an Bord; der erste Offizier gab uns 30 Schiffsjungen Wein, soviel wir wollten. Der Franzosen waren es bedeutend mehr, . auch waren wir nur Schiffsjungen, denn unsere Matrosen kamen erst abends ans Land, als wir wieder an Bord mußten, und ärgerten sich sehr, daß sic nicht auch dabei waren."
Eigenartig c Krankheit. Ein merkwürdiger Krankheitsfall hat in Karlsruhe seine Heilung gefunden. Vor j ungefähr 4 Wochen kam aus Philadelphia bei hiesigen Verwandten ein Mann an, der seit 7 Jahren nicht imstande war, — vorwärts zu gehen, sich aber mir ziemlich viel Grazie ' und Geschwindigkeit rückwärts bewegen konnte. Nachdem er vergeblich bei den amerikanischen Aerzten Heilung gesucht hatte, begab er sich auf Anraten seiner Verwandten nach Deutschland, wo er seine Gesundheit wieder erlangt hat.
Die Unteroffiziere und Mannschaften des Infanterie-Regiments Wrede in Würz bürg haben sich 190 Laibe Brod vom Mund abgespart und den unglücklichen Abgebrannten in Oberclsbach
geschickt. .
Der 11jährige Sohn eines-Majors in Münster schoß am 21. ds. beim Spielen mit einem geladenen Gewehr dem
- Dienstmädchen des Hauses eine Kugel durch die Brust. Das
Mädchen sank sogleich tot zu Boden. - ^ ,
Ein bedenkliches Zeichen ist die Zunahme der Schwindsucht in Berlin. Im Jahr 1884 starben 4365 Berliner an dieser Krankheit, im Jahr 1885 schon 4507 und im Jahr 1886 noch mehr. Das männliche Geschlecht weist ein Viertel Srerbefälle mehr auf als das weibliche.
Seit Jahren war den Berlinern, die bekanntlich die » Würze des Lebens lieben, nichts, was auf den Tisch kam, stark genug gepfeffert. Bei einer chemischen Untersuchung kam's endlich heraus, daß der billige Pfeffer mit Palmkernmehl stark versetzt war. Von dem chemischen kam's zur gerichtlichen Untersuchung und diese ergab, daß ein Hauptpfeffer-Fabrikant durch den Zusatz von Palmkernmehl in den letzten 2 Jahren allein 700000 verdient hatte. Hoffentlich enthält seine Strafe reinen Pfeffer.
In Schöncberg bei Berlin hat sich einer der dortigen Bauern-Millioickre erhängt. Er hatte ein armes Mädchen geheiratet, worüber ihm seine Verwandten unaufhörliche Vorwürfe machten. Um den ewigen Nörgeleien zu entgehen, beförderte er sich mittels des Strickes selbst in das Jenseits. Alle Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.
(Glücksffnud). In Potsdam hatte ein Trompeter im 1. Gard.-Rg. bei der Versteigerung des Nachlasses eines Regiecungsrates vor einigen Jahren ein altes Schreibpult erstanden und in Benutzung genommen. Da der Trompeter sich verheiraten wollte, beauftragte er einige Ulanen dasselbe zu reinigen. Bei dieser Reinigung sprang'ein geheimes Fach auf, worin sich Wertpapiere befanden. Der Betrag derselben beläuft sich auf ca. 160000 Dem Bruder und Erben des Regierungsrats wurde Mitteilung von dem Funde gemacht.
An einem Stück Fleisch erstickt. In Barmen starb dieser Tage plötzlich ein Erdarbeiter. Darauf wurde die Frau desselben verhaftet und auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft eine Leichenschau vorgenommcn. Dieselbe ergab, daß dem Manne ein Stück Fleisch in der Gurgel stecken geblieben war, infolge dessen der Unglückliche erstickte. Die Frau wurde sofort auf freien Fuß gesetzt.
Zwei gefoppte Lebensmüde. Aus Alt-Rup- j Pin wird ein schrecklich geplanter, aber sehr drollig verlaufener Selbstmordversuch erzählt. Ein Liebespaar, des Lebens j müde, faßte den Entschluß, den Tod durch Ueberfahrenlassen ! auf der Eisenbahn zu suchen. Sie gingen an eine einsame ^ Stelle der Bahn. Dunkel war der Abend. Blntigrot leuchteten die Augen der heranbransenden Maschine. Die Lebensmüden legten sich mit den Köpfen auf die Schienen und im ' Nu saust der Zug vorüber. Aber zwei Menschen — lebten noch. Sie hatten sich auf das falsche Geleis gelegt.
Eine gelungene Wette machte ein genialer Gast- j wirt in einem bekannten Bade. Er besitzt einen seinem Bänch- ! lein entsprechend bevölkerten Ententeich. Mit einein Kurgast ! wettete er, zehn Enten auf einen Sitz zu verzehren. Was i that er? Er schlachtete die erste, bereitete sie zu nnd setzte ' sie den übrigen neun vor, die mit gewohnter Gier ihren Kameraden verschlangen. Das gleiche Schicksal erlebte die zweite,
^ dritte und so fort, bis nur noch eine blieb, die nun von ihm ^ verzehrt wurde. Die Wette war' gewonnen, der Verlierer lächelte und die anderen Kurgäste schüttelten sich die Bäuche ^ vor Lachen.
Mutterliebe. Die Grnndbcsitzcrsgattin Pantine Zo- , bcl in Neugatschken bei Ausig saß dieser Tage an dem Bettchen ihres drei Jahre alten Söhnchcns, um es einzn- schläfern. Da vernahm sie plötzlich an der Zimmerdecke ein Knistern und Krachen nnd als sie emporblickte, gewahrte sic, daß die Decke geborsten und einzustürzen drohe. Da nicht mehr Zeit zur Flucht war, beugte sich die Mutter schnell über das Bett des Kindes, de» Liebling mit ihrem Leibe schützend. Fast im selben Augenblicke stürzte aber auch schon die Decke zu'ammen, Mutter und Kind unter den Trümmern begrabend.
^ Was nur immer sich im Zimmer befand, wurde zertrümmert und vernichtet. Die Hausbewohner, durch den Lärm aufmerksam gemacht, eilten sofort herbei nnd arbeiteten nun rüstig, um die Verschütteten ans der schrecklichen Lage zu befreien. Nach ungefähr halbstündiger Arbeit gelang es glücklicherweise, Mutter und Kind unter dem Schutte hervorzuzichcn. Das Kind war völlig unversehrt geblieben, während die Mutter lebensgefährliche Verletzungen erlitten hatte.
Ein Dickkops. Ein junger Emmenthaler hatte Kuhglocken gestohlen und wurde auf der Flucht von zwei Revolvcrschüsscn getroffen, die aber an dem harten Emmen- thaler-Schüdcl abgeprallt sind, ohne ihn ernstlich zu verletzen. So meldet die N. Z. Z. wenigstens.
Ein entsetzlicher Selbstmord wird voll Low ' Moor bei Bradfort gemeldet. Der Arbeiter Josef Norming- , ton, der den Schmelzofen zu bedienen hatte, sprang in Gegenwart eines anderen Arbeiters in den Schmelzofen. Das Feuer wurde sofort ausgclöscht, aber eine Stunde verging, bis man den völlig verkohlten Leichnam herausziehen konnte.
Während der Beerdigung einer Negerin auf dem Fried- . Hofe in Mount Pleasant, 60 Meilen südlich von Nashville m Tennessee, entlud sich am Dienstag ein Gewitter und die Menschenmenge suchte ein Obdach unter den Bäumen. Nenn Personen standen unter einer großen Eiche, in welche der Blitz einschlug, wodurch alle auf der Stelle getötet wurden. Es befanden sich unter ihnen drei Geistliche und die Mutter sowie zwei Schwestern des Mädchens, welches beerdigt worden war. _ _
"" Handel Verkehr.
Stuttg art, 25. Juli. (Landesprodnktcnbörse). Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen, russischer 19.80, amerikanischer Rä 19.40, Haber 13.40, Kohlreps, Württemberg i- schcr -L 23, bayerischer ^ 22.70.
Stuttgart, 25. Juli. (Mehlbörse). An heutiger Börse sind von inländischen Mehlen 855 Sack als verkauft zur Anzeige gekommen zu folgenden Preisen: Nr. 0-4t 32.50, Nr. 1 -L 30 31, Nr. 2 -E 28-29, Nr. 3 26 2 c, Nr. 4
22 23.
Konkurseröffnungen. Wilhelm kobs Sohn, Rotgerber in Backnang. Wilhelm Branchle, Rotgerber in Backnang. Johann Georg Schlumbergcr ^ Leber und Taglöhner in Gerstettcu (Heidcnhemi). Anton schiebet, Ferd. Sohn, Wcingärtner in Rottenburg. ,
Anwendung von Kantschnkstein p e l n. 4-ie vielfach verbreiteten .Kautschuk-Namensstempel werden zuweilen auch zur Vollziehung von Quittungen über Waren ee. verwendet Es ist hierbei zu beachten, daß bei öffentlichen Kaffen