leihe sollen bereits geheime Verhandlungen mit einer Gruppe französischer Finanzmänner angeknüpft sein, aber noch gar keine Gegenliebe gefunden haben. Denn die Herren an der Seine forderten, wie die Kreuz-Ztg." weiter mitteilt, als Vorbedingung zur Realisation einer solchen Anleihe eine garantierte Beschränkung in den auswärtigen Unternehmungen Rußlands, welche Beschränkung jedoch nicht auf eine Auxiliar-Aktion gegen Deutschland ausgedehnt werden sein soll.

DieKreuz-Ztg." berichtet, daß einige Tage vor Schluß des Reichstags mehrere Abgeordnete unter sich über die Notwendigkeit gesetzgeberischer Maßregeln gegen die Ueberflutung des deutschen Marktes mit fremdländischen Papieren übereingekommen seien und beschlossen haben, bei Wiederzusammentritt des Par­laments mit geeigneten Anträgen behufs Einführung einer sehr hohen Emissionsabgabe und starker Be­steuerung der bereits im Umlauf befindlichen auslän­dischen Effekten vorzugehen.

Die Donnerstag beschlossene Aufhebung des deutschen Pferdeausfuhrverbotes gilt als friedliches Zeichen!

IHM- Ein Advokat da Costa Pinta in Rio hat sich gegen die Regierung in Brasilien verpflichtet, 5000 europäische Auswanderer dort einzuführen. Es scheint hauptsächlich auf Anlockung Deutscher ab­gesehen zu sein. Es ergehen daher amtliche War­nungen vor der Auswanderung dorthin.

Schweiz.

Zug. Der Wert der versunkenen Häuser, meist ältere Bauten, soll sich auf 2300000 Frks. belaufen. Gefährdet ist, auch wenn man die Zone nicht weit zieht, ein höherer Wert. Die Leute sind mit einemmale arm geworden. Keine Versicherung ersetzt ihnen den Schaden! Und welche Folgen die Entwertung vieler Häuser und Grundstücke in der Nähe nach sich zieht, wer will es Voraussagen? Den Gesamtverlust schätzt man auf eine Million; genau feststellen läßt er sich heute noch nicht. Rührende Szenen bringt jede Stunde. Ein Schütze kehrte vom Frankfurter Schützenfest zurück und fand sein Haus nicht wieder. Ein Sappeurwachtmeister kehrte aus Bern beurlaubt zurück und fand von feinem Heim nichts mehr als Trümmer im Sec.

Frankreich.

Paris, 7. Juli. In derFrance militaire" gibt General Mensy, nachdem er in letzter Zeit Lothringen bereist hat, folgenden Rat zum besten: In ganz Frankreich muß man verlangen, daß jeder Inhaber eines deutschen Hauses und jede Person, welche einen oder mehrere Deutsche beschäftigt, dieses auf der Bürgermeisterei erklärt, wo ein Register zu diesem Zwecke eröffnet sein wird; das alphabethische Verzeichnis dieser Leute muß an der besuchtesten Stelle der Bürgermeisterei angeschlagen werden. Jene Leute müssen gezwungen werden, auf der Vorderseite ihres Ladens, der Thür ihrer Wohnungen und auf ihren Rechnungen ein sichtbares Zeichen anzubringen. Auf diese Weise werden die Personen, die sich an diese Leute wenden, sich nicht mehr mit ihrer Unwis­senheit entschuldigen können, und ihre Mitbürger werden nicht verfehlen, ihnen die verdiente Verachtung zu zollen. Im Falle einer Kriegserklärung müssen alle Deutschen, die man infolge dieser Maßregeln genau kennt, sofort verhaftet werden, damit sie nicht nach Deutschland entfliehen und dort unsere Geheim­nisse verraten" u. s. w. Solche täglich sich wieder­holenden Proben zeigen, daß in jedem Franzosen ein St. Just, Danton oder Robespierre steckt. Wenn Generale derartiges schreiben, was soll man von dem Pariser Straßenpöbel erwarten?

Paris, 8. Juli. Der Ministerrat beschloß die Absetzung der Bürgermeister, welche sich an den royalisrischen Kundgebungen in Jersey beteiligt haben.

Paris, 8. Juli. Rouvier begab sich in den Budgetausschuß, um diesem mitzuteilen, daß die Ober­leitung der Eisenbahnen sich einstimmig in ungünsti­gem Sinne über den Plan einer probeweise» Mobil­machung ausgesprochen habe. Es sei besonders gel­tend gemacht worden, daß die Frist für Ausführung der Bewegungen zu kurz bemessen worden sei. Man glaubt, daß man den Plan wird fallen lassen.

Paris, 8. Juli. Der Minister des Innern Unterzeichnete gestern einen Erlaß, durch welchen Herr Schnäbcle, der ehemalige Polizcikommissär von Pagny an der Mosel, zum Zentral Kommissär von Laon mit einem Gehalt von 6500 Fr. ernannt wird. Schnäbcle wird sofort sein Amt aulretcn.

> Paris, 8. Juli. Da es so gut wie sicher jist, daß Rußland die Wahl des Prinzen von Co- ^ bürg zum Fürsten von Bulgarien nicht anerkennen ^ wird, so wird auch die französische Regierung sich i dieser Nichtanerkennung anschließen. Rußland macht ! geltend, daß es die gegenwärtige Sobranje nicht als

gesetzlich ansehen könne. Frankreich kann diesen Stand­punkt nicht behaupten, es ist lediglich die Gefällig­keit gegen Rußland, welche das Kabinet Rouvier veranlaßt, eine solche, dem republikanischen Grund- , satz der Selbstbestimmung der Völker schnurstraks zuwider laufende Haltung einzunehmen.

Paris, 9. Juli Die Abreise des Generals Boulanger nach Clermond-Ferrand gab gestern abend zu aufruhrähnlichen Scenen Anlaß. Ueber 50000 Personen zogen lärmend nnd demonstrierend dem Bahnhof zu. Die Kasernen wurden alarmiert. Man ließ die Absicht laut werden, die Schienen aufzurei­ßen, um die Abfahrt des Generals zu hindern. Doch konnte die Abreise desselben schließlich ohne weiteres Hindernis stattfinden.

Der Plan, die in Frankreich lebenden Aus­länder einer besonderen Steuer zu unterwerfen, weil sie nicht Soldat zu spielen brauchen, wird wohl ! nicht so schnell ausgeführt werden. Dagegen sollen ^ aber die Ausländer strenger überwacht werden. Der ' Minister des Innern wird sofort die nötigen Ordres erlassen.

Der Graf von Paris soll sich in Jersey zu seinen Anhängern dahin ausgesprochen haben, daß die Wiedererrichtung der Monarchie in Frankreich nahe bevorstehe. Etwas wird sich der Herr Graf wohl doch noch gedulden müssen.

Es unterliegt, wie aus Paris gemeldet wird, keinem Zweifel, daß Frankreich zum Danke für die russische Unterstützung in der ägyptischen Angelegen­heit in Sofia sich vollständig auf Rußland's Seite ^ stellen wird. Das wird der bulgarischen Regierung i ziemlichWurst" sein. Ob nun einer grollt oder zwei, ist egal!

Pariser Meldungen berichten von einer bevor- steyendcn Versöhnung der serbischen Majestäten, welche den freundschaftlichen Ratschlägen der Kaiser von Rußland und Oesterreich, sowie den Bemüh­ungen Ristics zu danken sei.

England.

London, 5. Juli. Der Kapitän des gestern ! von Island in Granton angekommenen Dampfers !Thyra" berichtet, daß in Skajefjord, im Norden der ^ Insel, Mitte Juni eine furchtbare Hungersnot ge- ^ herrscht habe. Sieben Personen starben aus Mangel ! an Nahrung, 11000 Schafe, 300 Pferde und 120 ^ Stück Rindvieh kamen um, weil kein Futter da war ^ und alle Felder mit Schnee bedeckt waren. Die An­kunft derThyra" mit Nahrungsmitteln wurde von ! den Bewohnern wie eine Erlösung begrüßt. Bei Cap Nord hatte eine Anzahl Leute wegen des quä­lenden Hungers eine Art Haifisch roh verspeist. Nicht weniger als 19 Personen starben an den Folgen.

; In England dauert der Regenmangel fort und rich- ! tet überall großen Schaden an. In Kumberland und West­moreland verdorrt die Ernte. Das Korn wird zn früh reif, und der Heuertrag ist 2030 Prozent unter dem Durchschnitt. In Glamorgansbirn sind während der letzten zwei Monate nur etwas über zwei Zoll Regen gefallen und überall sind

> die Brunnen fast leer. In Barry wird der Eimer Wasser zu einem halben Penny verkauft.

London, 5. Juli. Heute morgen ist end­lich der ersehnte Regen eingetreten, das erste Mal j seit etwa einem Monat. Auch im Norden und Westen Englands und in Nord-Wales hat es heute morgen i geregnet, während die Hitze im Süden unverändert fortdaucrt.

London, 8. Juli. Der deutsche Kron­prinz hat seine Stimme wieder erlangt und darf täglich eine Viertelstunde lang laut sprechen.

' Der deutsche Kronprinz und die Kron­prinzessin empfingen in London eine Deputation der englisch-jüdischen Körperschaften, welche mit einer Willkommen-Adresse ihren Dank aussprachen, daß das kronprinzliche Paar so entschieden für die Religions­duldung in der Zeit der Antisemitenbewegung einge­treten sei.

London. Die Kosten der Gastfreundschaft, welche die Königin während der Feier ihres Jubiläums den nach London gekommenen ausländischen Fürstlichkeiten erwiesen hat, sollen sich auf über Lst. 100000 (2 Mill. belaufen.

Rußland.

Katkow ist bedenklich krank. Er ist schon seit einiger Zeit leidend und sein Zustand soll sich plötz­lich so bedenklich verschlimmert haben, daß sein Sohn

und sein Schwiegersohn telegraphisch an sein Kranken- ^ lager nach Moskau berufen worden sind.

! Donau-Fürstentümer.

? Es macht sich! Bisher standen sich Serbien i und Montenegro, da letzteres ganz von Rußland ab- ^ hängig ist, wie Hund und Katze einander gegenüber.

! Kaum ist aber in Belgrad Ristics warm geworden, so werden auch mit Montenegrofreundliche Bezie­hungen" angebahnt. Dagegen ist von Freundschaft mit Bulgarien kaum noch die Rede.

In der Donnerstagssitzung der großen Sob­ranje in Tirnowa wurde ans Vorschlag des Präsi­denten Tantschow einstimmig Prinz Ferdinand von l Koburg durch Erhebung der Versammlung von den ! Sitzen und unter langanhaltendem Bravo und Hände­klatschen zum Fürsten von Bulgarien gewählt. Ein anderer Kandidat kam nicht in Betracht. Eine De­putation wird s. Z. zu dem Prinzen gehen. Die Stadt ist festlich geschmückt.

Tirnowa, 7. Juli. Während früher der Prinz Ferdinand von Koburg die Annahme der Fürstenwahl von der vorherigen Zustimmung der Mächte abhängig machte, liegt jetzt seine bestimmte ^ Erklärung vor, daß er die Wahl annehmen wird. Eine neuerliche Verhandlung mit dem Prinzen Ale­xander von Battenberg war gescheitert. Prinz Fer- ! dinand wird nicht sofort nach Bulgarien kommen, sondern nachdem er sich für die Annahme der Krone erklärt haben wird, auf diplomatischem Wege die Zustimmung sämtlicher Mächte zu erlangen suchen. ^ Daß mehrere Mächte dieselbe, erteilen werden, ist sicher. Rußlands Weigerung wird den Prinzen schließlich nicht abhaltcn, nach Bulgarien zu kommen,

! was in etwa drei Wochen erfolgen dürfte. Prinz ^ Ferdinand weilt augenblicklich in Pest, i Tirnowa, 8. Juli. Prinz Ferdinand von Koburg ist am 5. Juli von Wien nach einem englischen Seebad abgereist. Die Zustimmung der Mächte zu seiner Wahl mit Ausnahme Rußlands scheint sicher, wenn die Sobranje die Unabhängigkeits- proklamierung Bulgariens unterläßt.

Tirnowa, 9. Juli. Prinz Ferdinand von Koburg hat auf die Anzeige von seiner Er­wählung folgendes geantwortet:Empfangen Sie meinen Dank für die erhabenen Worte, die Sie an mich gerichtet haben bei der Anzeige von dem Be- ! schluß der großen Nationalversammlung und von meiner Erwählung auf den Thron von Bulgarien. Ich bin bereit, dem bulgarischen Volke meine Dank­barkeit zu bezeugen, indem ich ihm mein Leben weihe. Ich rechne auf Euren Eifer, Eure Umsicht, Eure Er­gebenheit, mich in dem Bestreben zu unterstützen, daS Glück des Landes zu sichern. Sobald meine Erwäh­lung durch die hohe Pforte bestätigt und von den Mächten anerkannt ist, werde ich dem Rufe des bul­garischen Volkes entsprechen, indem ich mich in seine Mitte begebe. Prinz Ferdinand von Sachsen-Koburg."

Kleinere Mitteilungen.

Eine teuere Ohrfeige. Bei einer Verhandlung vor der Nürnberger Strafkammer hatte ein wegen Dieb­stahlversuchs Angeklagter die Frechheit, einem Zeugen eine ? Ohrfeige zu versetzen. Der Staatsanwalt erhob sofort wegen i Körperverletzung Anklage; auch der Geschlagene stellte Straf- ! antrag. Der Gerichtshof erkannte, abgesehen von der übri- . gen Strafe, lediglich wegen der Ohrfeige auf 6 Monate Gc- ! fängnis.

Irrsinniger Muttermörder. Der Bauerssohn ' Mieseder in Gangkofen wurde plötzlich vom Wahnsinn ! befallen, erstach seine Mutter und lief dann ganz nackt im ! Markt Gangkofen herum und in die Kirche, über und über mit Blut bedeckt. Inder Kirche schrie er, er sei Herrgott nnd möchte Pfarrer werden, deshalb müsse der dortige Pfarrer auch abgestochen werden. Der Vater des Unglücklichen hat sich vor mehreren Jahren in einem derartigen Anfalle er­schossen.

Ein junger Wiener Arzt, Dr. Kolffcher, hat ein Mittel erfunden, die tuberkulöse Entartung der Knochen, den Markschwamm, durch Einspritzung einer verdünnten Lösung von phosphorsaurem Kalk zu heilen. Der Markschwamm gehörte bisher zu je­nen Leiden, die für die erhaltende Chirurgie eine der peinlichsten Aufgaben bildeten. Eine direkte Heilung war nicht zu erzielen und die Entfernung der er­krankten Gelenke und Knochenpartien brachte nur äußerst selten eine dauernde Beseitigung des Uebels. Durch das van Dr. Kolischer bereits in einer Reihe von Fällen angewendete Verfahren gewinnt in weni­gen Wochen der durch den Kränkheitsprozeß schwam­mig gewordene Knochen wieder die frühere Festigkeit; er wird geheilt. Ob diese Heilung eine radikale ist, müssen weitere Beobachtungen in einem längeren > Zeitraum zeigen; die bisher erzielten Resultate sind