Freilassung Köchlins zu erlangen. Die Polizei hat den Auftrag, mit den schärfsten Maßregeln vorzu­gehen, sobald Unordnungen stattfinden.

Paris, 25. Juni. Die meisten Blätter tadeln die gestrige Versammlung der Patriotenliga, und er­klären. deren Kundgebungen seien nicht nur unfrucht­bar, sondern selbst schädlich.

Belgien.

Brüssel, 24. Juni. Die chinesische Re­gierung übertrug definitiv einem belgischen Syndi­kat den Arsenalbau in Shangkai, dessen Kosten sich auf 60 Mill. Fr. belaufen.

England.

London, 23. Juni. Nach einer Mitteilung derTimes" aus St. Petersburg gilt es für beinahe sicher, daß das russische Kaiserpaar in Kürze Kopenhagen besuchen wird. Von dort werde sich der Zar wahrscheinlich zu einer Zusammenkunft mit dem Kaiser von Deutschland und möglicherweise auch mit dem Kaiser von Oesterreich begeben.

London, 23. Juni. Gestern fand in Aldershot bei herrlichem Wetter eine Truppenschau statt, an welchem 12 000 Mann Infanterie, 2500 Mann Ka­vallerie und eine starke Abteilung Artillerie (50 Ge­schütze) teilnahmen. Die Kronprinzen von Deutsch­land und Schweden, Prinz Wilhelm von Preußen und Prinz Ludwig von Battenberg wohnten der Truppenschau bei.

London, 23. Juni. In Irland ist die Feier des Jubiläums der Königin nicht ohne Ruhe­störungen abgelaufen. In Cork machte der Pöbel den Versuch, die Fenster des glänzend illuminierten Gebäudes der konservativen Union einzuwerfen. Die Polizei schritt jedoch mit ihrenKnüppeln" höchst energisch ein. In dem Handgemenge wurden über 100 Personen verletzt. Einem Constabler wurden zwei Rippen zerbrochen. Von den Munizipalgebäu­den wehten schwarze Fahnen und viele Nationalisten trugen Trauerflor am Arm. Gruppen von Loyalisten und Nationalisten zogen abends durch die Straßen. Erstere sangenGott schütze die Königin" , letztere Gott schütze Irland". In anderen Städten im Sü­den Irlands veranlaßte die Jubiläumsfeier ebenfalls antiloyale Kundgebungen, wie das Ausstecken schwar­zer Fahnen u. s. w.

Dr. Mackenzie hat nach Berlin berichtet, daß das Befinden des Kronprinzen dauernde Besse­rung zeige. Eine Operation scheine nicht nötig. Rußland.

Petersburg, 23. Juni. DerKöln. Ztg." telegraphiert man:Bon 21 nihilistischen Angeklag­ten sind 15 zum Tode verurteilt, für 8 suchte das Gericht Gnade nach. Bei der Verhandlung über die Ermordung von Polizeioberst Sudeikin stellte es sich heraus, daß dieser die Nihilisten im Solde der Po­lizei zu eigenen ehrgeizigen Plänen benutzte. So war mit seinem Wissen, wie die Verhandlung zwei­fellos nachwies, die Ermordung des Großfürsten Wladimir und des Ministers Tolstoi beschlossen. Sudeikin rechnete darauf, daß hierdurch eine Panik entstehen, der Gendarmeriechef Orschewski seiner Stel­lung entsetzt werden und er sich dann dem Kaiser als Retter in der Not anbieten würde. Er würde dann, da er durch seine nihilistischen > Spione die Fä­den der Bewegung in der Hand hatte, am nächsten Tage sämtliche Schuldigen mit einem Male festge­nommen haben. Kurz vor Ausführung dieses Planes errieten aber die Nihilisten dieses Doppelspiel und ! ermordeten Sudeikin. Dieser Teil der Verhandlung ^ war das Wichtigste im ganzen Prozesse; das übrige ^ war verhältnismäßig bedeutungslos. Die Nihilisten ! verraten übrigens erneute Thätigkeit. Einige hoch- i gestellte Persönlichkeiten haben Briefe mit Spreng- vorrichtung erhalten, nahmen aber keinen Schaden. !

Warschau, 24. Juni. Dieser Tage wurde j auf einen Kurierzug, worin der Generalgouverneur! Gurko sich befand, ein Attentat unternommen. Meh- ! rere Personen haben Kontusionen erlitten.

Ten aus Rußland ausgewiesenen deut­schen Beamten und Gewerbetreibenden wird ge­stattet, in ihren Verhältnissen zu bleiben, wenn sie sich naturalisieren lassen. Dazu wird aber gegen­wärtig nicht nur die bürgerliche Aufnahme in den russischen Unterthanenverband, sondern bei Christen auch der Uebertritt zur griechischen Kirche gefordert. Angehörige des Judentums müssen gleichfalls aus diesem ausschciden und, wenn sie nicht Christen wer- den wollen, sich der Sekte der Deisten anschließen Solche, welche ein kaufmännisches Gewerbe treiben,

müssen außerdem noch um Aufnahme in die erste Kaufmannsgilde nachsuchen, in welcher jährlich 1000 Rubel Steuer zu entrichten sind.

Türkei.

In K o n st a n ti n o p e l ist wieder einmal guter Rat teuer. Frankreich und Rußland sollen so­gar mit Krieg gedroht haben für den Fall, daß die Pforte mit England das Uebereinkommen wegen Aegyptens abschließen werde. Nichts genaues weiß man indeß nicht.

Amerika.

Newyork, 23. Juni. In der hies. katholischen Kirche zu den unschuldigen Kindlein wurde eine Messe gefeiert für die Ruhe derer. welche während der Regierungszeit der Königin Viktoria als Märty­rer gestorben sind.

In grellem Gegensatz zu dem Jubiläums- festjubel steht der grimmige Haß, mit dem sich die Irländer zu dem Ehrentag der Königin von England verhalten. Die in Newyork ansäs­sigen Irländer ließen im Cooper Institut tausende von schwarz geränderten Zetteln verteilen:I-ox laliouia (Gesetz der Wiedervergeltung). Aug' um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brand um Brand, Wunde um Wunde, Kampf um Kampf. Den Hungertod gestorben 1500000; von Grund und Boden vertrieben 3 668000; expa­triiert 4 200 000; am Fieber gestorbene Auswanderer 57 000; auf Grund der Zwangsakte eingesperrt 3000; niedergemetzelt bei gewaltsamer Auflösung von Meetings 517; hingerichtet 75; unterdrückte Zei­tungen 12."

Kleinere Mitteilungen.

In Ettenhausen (Gerabronn) kam ein Kalb zur Welt, dessen Vorderteil ein Kalb, dessen Hinterteil ein voll­ständiges Reh ist.

Der Schriftsteller Eduard Baltzer, langjähriger Pre­diger der freireligiösen Gemeinde Nordhausens, Mitglied des Frankfurter Parlaments in 1848149, Begründer des Vegeta­riervereins Deutschlands, ist am 24. ds. zu Grötzingen bei Durlach im Alter von 82 Jahren gestorben.

(Gegen den Heilmittel-Unfug.) Das Berliner Polizeipräsidium erläßt folgende, vom 16. d. Mts. datierte Bekanntmachung:Der ehemalige Bildhauer Franz Otto Hierselbst, Bülowstraße Nr. 68 wohnhaft, verkauft mit seinem sogenannten Lebenswecker, einem von einem gewissen Baun­scheidt vor Jahrzehnten schon marktschreierisch zur Beseitigung aller denkbaren Krankheiten angepriesenen Schneppergerät, so­genanntes Lcbensöl. Letzteres besteht nach amtlich veranlag­ter chemischer Untersuchung ans einem fetten Oel, welchem Krotonöl beigemischt ist. Die zum Preise von 3 abgege­bene Flasche Oel hat einen reellen Wert von etwa 30 Pfg. Der Gebrauch des Lebensweckers und des zugehörigen Oels haben wiederholt üble Folgen gehabt. Das Publikum wird daher vor den genannten Mitteln gewarnt.

Wie die Alten sungen .... Der Name des Fabrikanten Köchlin, eines der Hauptbeteiligtcn im letzten Hochverrratsprozeß, ist bei uns noch vom Jahre 1887 her in gutem Andenken. Der Vater des Verurteilten gehörte nämlich zu jenen französischen Heißspornen, die unausgesetzt Revanche für Sadowa" schrieen; derKladderadatsch" sah sich infolge dessen veranlaßt, demPatrioten von Mülhausen" seiner Zeit folgende Strophe zu widmen:

Köchli, Köchli,

Kriech' in's Löchli,

Sonst verklopft man Dir die Knöchli."

Als sich die Franzosen drei Jahre später nach den Schlachten von Weißenburg und Wörth tapfer rückwärts konzentrierten, offerierte dann Köchlin noch dem Kaiser Napoleon 5000 Freischärler.

Unmenschliche Bestialität. Aus Wanne, 16. Juni, wird mitgeteilt: Kürzlich ist auf ZechePluto" von einem 17jährigen Burschen eine Tierquälerei verübt worden, welche alles übertrifft, was je in dieser Beziehung verübt worden ist. Der rohe Mensch, welchem in der Grube ein Zugpferd anvertraut worden war, hackte man lese und staune --- seine Grubenlampe in die Zunge des Pferdes. Man kann sich die entsetzlichen Qualen des armen Tieres den­ken, welches außer der schmerzenden Wunde noch das blen­dende Licht und den Qualm der Lampe zu ertragen hatte. Der Unmensch ist verhaftet worden.

Wien, 19. Juni. Ein seltener Rausch wurde dieser Tage in Wien beobachtet; sein Inhaber war kein Geringerer als Joly, der Elefant in der Ehlbcck'schen Menagerie im Prater. Ein Abschiedsfest sollte Abends von den Bedienste­ten der Menagerie gefeiert werden, die sich zu diesem Zwecke mit einem Faß Bier vorgesehen hatten. Als sie daran gin­gen, das Faß anzustechen, entdeckten sie erst, daß Joly dieses Geschäft schon besorgt hatte. Er hatte es nicht unterlassen könqeil, das in seiner Nähe liegende Faß in einem unbewach­ten Momente cmporzuziehen, einzudrücken und dessen ganzen Inhalt 29 Liter auszutrinken. Bald that der Gersten- ! fast seine Wirkung. Joly wurde übermütig, machte tolle ^ Streiche und trompetete einige heitere Elcphantenlieder aus seiner Heimat. Dann wurde er ruhig, legte sich nieder und war nicht mehr zu bewegen, bei der folgenden Vorstellung mitzuwirken. Am andern Tage war Joly wieder vernünftig und klug, wie alle Elephauten sind.

Wien, 20. Juni. Ein Cölibaisstreit eigener Art ist in Oesterreich ausgebrochen ein Streit um's Cölibat der Lehrerinnen. Die Schnlinspektorcn sind bestrebt, verheiratete Lehrerinnen womöglich vom Lehrfach gesetzlich auszuschlietzeu.

Dagegen wehren sich nun alle weiblichen Lehrkräfte. Kürzlich hielt der Verein der Lehrerinnen und Erzieherinnen in Wien eine bewegte Sitzung ab. Ein Fräulein Borschitzky wagte es, für die Ehelosigkeit der Lehrerinnen einzutreten. Sic sagte: Man stellt uns vor die Wahl: Lehrerin-oder Gattin! Und ich glaube mit Recht. Ich haste die Lehrerin für ein über kleinliche menschliche Gefühle so erhabenes Wesen, daß sie den Freuden der Ehe entsagen kann, um der Schule zu leben. Ich sehe nicht ein, warum wir der Schule dieses Opfer nicht bringen könnten. Meine Damen, ich frage Sie, ist es denn gar so schwer, zu verzichten? Ich will nicht über die Ehe überhaupt den Stab brechen, ich sage mit Karoline Pichler: Man soll die Ehe ehren, aber man soll sie auch entbehren können!" Das Fräulein kam aber schlecht an. Lehrerin Lang (verheiratet) antwortete:Ich glaube, die Lehrerinnen sind Menschen gewesen vor der Lehrbefähigungsprüfung, sind es nach derselben und werden immer nur Menschen sein. Unter 100 jungen Damen, denen man die Wahl läßt: Leh­rerin oder Gattin, werden 90 sein, welche den Gatten der Schule vorziehen. Der Stand der Lehrerinnen wird dann allmählich schwinden, und bald wird man sagen können: Seht, das ist die letzte Lehrerin. Will man es dahin bringen, daß jede junge Dame bei ihrem Eintritt in die Lehrcrinnen- Bildungsanstalt der Welt entsagt, so, als wenn sie in ein Kloster einträte? . . ." (Lebhafter Beifall). Lehrerin Grä­fin v. Reauguer (verheiratet) wendet sich hauptsächlich gegen die Ansicht, daß die Verheiratung der Lehrerin vom morali­schen Standpunkte nicht zulässig sei. Moralische Bedenken müsse man vielmehr bei der unverheirateten Lehrerin haben rc. Nachdem noch eine Anzahl Rednerinncngegen das Cölibat" gesprochen hatten, wurde beschlossen, den Antrag auf Einbringung einer Petition gegen die Ehelosigkeit der Lehre­rinnen einer allgemeinen Lehrerinnen-Versammlung vorzule­gen. Das kann ja recht nett werden.

Wenn man Frauen beleidigt! In Fiume wurde der Korrespondent eines ungarischen Blattes, welcher sich darin über die Frauen seiner Stadt nicht gerade günstig aus­gesprochen hatte, von der aufgebrachten weiblichen Bevölke­rung auf der Straße attaquiert und furchtbar durchgeprügelt. Er entging dem Zorn der Schönen von Fiume nur durch den Schutz der Wachen.

Zwei Millionen Franken auf einmal unterschla­gen, das ist viel. Die Staatsanwaltschaft in Paris fahndet auf einen Mann, der dies Kunststück zu Stande gebracht hat. Der Mann, ein gewisser Momvet, wurde gegen Ende des vorigen Monats aus Paris mit seiner Gattin und seinen 3 Kindern flüchtig.

Dem Zaren ist ein neues Unglück widerfahren. In seinem HauS dient eine Kinderfrau, deren Mutter in ihrer Heimat als große Wahrsagerin gilt. Als diese ihre Toch­ter kürzlich besuchte, hörte die Zarin davon, ließ sie vor sich kommen und befahl, ihr die Zukunft vorherzusagen. Die Bauernfrau zögerte, besah ihr dann die Hände und sagte langsam:Ihr werdet eure ganze Familie, Mann und Kinder überleben". Bald darauf trat der Zar in j das Zimmer und fand seine Gemahlin in Thränen gebadet.

^ Als er hörte, was geschehen, ließ er die Alte aus dem Hause peitschen und schickte ihr die Tochter nach, l Die deutsche BarkeHermann" kam am 18. d. von ! Mexiko in Queenstown an, unter der Führung des l ersten Stencrmann's, welcher berichtete, der Kapitän habe sich bald nach der Abreise von Mexiko eine Kugel durch den Kopf ^ gejagt. _

Handel «L Berkehr.

Konknrseröfnungen. Nachlaß des Christian Gott­lob Schlagenhauf, gewcs. Schuhfabrikant in Ebingen; Fried- i rich Wachtler, Bauer in Bronnholzheim, Gde. Gröningen;

? Christian Klumpp, Rotgerber in Großbottwar; Johannes ^ Sautter, Schuhmacher in Hundersingen; Ernst Nutzer, Email- > fabrikant in Schramberg; Johannes Spahr,. Ausdinger in j Tiefensall, Gde. Zweiflingen; Nachlaß des s- Metzgers und i Wirts Hermann Schmöhl von Echterdingen; Albert Vogel,

! Schuhmachermeister in Tübingen; Heinrich Gundelsinger, Kauf- ^ mann in Ulm. _

Gin Matador. LS?

Erzählung und Sittenbild ans Peru,

i (Fortsetzung.)

! Aus seinen holden Zukunftsträumen empor­fahrend . die ihn als Kapitän derRedcliffe" und Ellen als seine teuere Gattin ihm vorgegaukclt, blickte er erstaunt auf, erhob sich und trat in das von dem ^ Neger angedeutete Zimmer. Wie aber erschrack er,

^ als ihm totenbleich und thränenüberströmt die Ge­liebte selbst entgegenstürzte und händeringend unzu­sammenhängende Worte stotterte. Im nächsten Augen­blicke hing sie, Alles um sich her vergessend, an sei­nem Halse und schluchzte herzbrechend; erst nach einigen Minuten gelang es Henry, sie soweit zu be­ruhigen, daß er auf seine Fragen einen zusammen- ^ hängenden Bericht bekommen konnte. Daß etwas ganz außerordentliches passiert sein mußte, erriet er schon daraus, daß Ellen, die sonst so streng zurück­gezogen lebte,, sich in den belebten Gasthof wagte, um einen ledigen Gast zu erfragen, worüber der dicke Pedro sein Erstaunen nicht verhehlen konnte. Anfangs brachte das Mädchen nichts hervor, als den jammernden Ruf:Mein Vater! O Gott, mein Vater!" Doch konnte Henry immerhin nicht ahnen, welche Art von Unfall dem alten Herrn zugestoßen sein sollte; endlich aber erfuhr er den Sachverhalt. Herr Blackbird hatte gewohnheitsmäßig seinen Mor­genspaziergang in die Berge gemacht, wie der junge Seemann "bereits wußte, er hatte dabei den schon