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zum Pflug in die unteren begeben, als er auf der Stiege einen Fehltritt that und nach rückwärts mit dem Kopfe so unglücklich ausfiel, daß er bewußtlos weggetragen werden mußte. Heute morgen nun ist er den Verletzungen erlegen, ohne vorher zum Bewußtsein gekommen zu sein. Seine Familie verliert in ihm einen sorgsamen Berater und Ernährer. Zwei seiner Brüder sind schon durch Sturz auf ähnliche Weise ums Leben gekommen. Fürwahr eine seltene Fülle von Unglück in einer Familie.

Ulm, 20. Juli. (XI. Württemberg. Landesschießen.) Der Eifer der Schützen im Weltkampf wie die Teilnahme des Publikums bleiben auf gleicher Höhe. Gestern war im Liedertafelgarten Schützentag. Es wurde beschlossen, das nächste Landesschießen 1888 in Heilbronn zu halten. Bei dem gemeinsamen Mahl im Gesellschaftshaus hielt A. Wechßler die Festrede. Ec stellte sich den Festgästen als ehemaliger Abgesandter Süd» deutschlands zum ersten deutschen Schützenfest in Gotha 1861 vor und brächte ein Hoch auf die glückliche Zukunft des deutschen Reichs, des deutschen und des schwäbischen Schützenbundes. Im Lauf des Nachmittags wurde in den Schießständen aufs lebhafteste geschossen. Nach Schluß des Schießens machten die Schützen einen Besuch im Garten der Teutonia. Um 9 Uhr wurde wieder ein großes Feuerwerk abgebrannt. Die Ulmer Schützen haben an den beiden ersten Tagen den Festgästen zu den Schießständen den Vortritt gelafien. Die finanziellen Ergebnisse des Schützenfestes scheinen günstig werden zu wollen. Die Schießgelver der beiden ersten Tage belaufen sich bereits auf über 6000 (Voranschlag 9000 ^.); hievon werden die Geldprämien für die besten Schüsse ausgeworfen, 20 Proz. der Gesamtsumme erhält statuten­gemäß die hiesige Schützengilde. Die Preisverteilung erfolgt erst morgen, da das Schießen wegen großen Andrangs um einen Tag verlängert werden mußte.

Cassel, 18. Juli. Auf den gestern nachmittag hier einlaufenden Frankfurt-Berliner Schnellzug wurde in der Nähe der Station Neustadt bei Marburg ein Attentat begangen. Der auf der Maschine stehende Lokomotivführer Seebach von Cassel faßte sich plötzlich mit den Worten Nun, was ist denn das!" an den Hinterkopf und sank zu Boden. Sofort untersucht, ergab sich, daß man einen Schuß auf ihn abgefeuert und die Kugel den Hinterkopf schwer verletzt habe. In Treysa wurde er verbunden und in ärztliche Behandlung genommen. Näheres ist über den geheimnisvollen Vorfall noch nicht bekannt. EM aus Westfalen kommender Reisender wurde im Wartesaal des hiesigen Bahnhofes plötzlich von einem Blutsturz heimgesucht und verstarb auf der Stelle. Die Personalien sind noch nicht festgestellt, doch soll es ein Lippspringer Kurgast gewesen sein.

Straßburg, 16. Juli. Im Juli 1885 hat der Kaiserliche Staats­sekretär für Elsaß-Lothringen ein Preis-Ausschreiben erlassen für Abfassung einer volkstümlichen Schrift, welche in Form einer Erzählung die schädlichen Folgen des Lasters der Trunksucht zu lebendiger Darstellung bringt. 91 Manuskripte sind eingesandt worden. Die Preise wurden zuerkannt: der erste Preis von 300 dtzr ErzählungDer Schlossermartel" von Lehrer Westenhöffer am Gymnasium in Weißenburg; der zweite Preis von 200 der ErzählungAuf abschüssigen Pfaden" von H. Buchen, in Eagle Cove, Texas, Vereinigte Staaten Nordamerikas; der dritte Preis von 100 der ErzählungDie neue Sündflut" von O. Brennekam, Pfarrer zu Kröchern bei Burgstall, Reg.-Bez. Magdeburg.

Bad Gastein, 21. Juli. Zum Empfange des deutschen Kaisers wurden dieselben Vorbereitungen getroffen, wie in früheren Jahren. Vor der evang. Kirche steht der bekannte Triumphbogen mit dem Willkommengruße. Von den Häusern herab wehen Fahnen in den deutschen Reichsfarben, und das Badeschloß am Balkon den typisch geworrenen Guirlandenschmuck mit dem in der Mitte sichtbaren großenVV" aus Edelweiß. Wiewohl die An­kunft des deutschen Kaisers erst für 6>/s Uhr abends anberaumt war, begann da» Ansammeln des Kurpublikums auf dem Straubingerplatze unmittelbar nach dem Diner. Sowohl Herren als Damen trugen zumeist die Kornblume.

zu mir steckte. Damals that ich es mechanisch, ohne einen Nachgedanken; heute ist dieses Stückchen roter Seide der Schlüssel geworden zu einem Verbrechen, welches sonst ewig unenthüllt geblieben wäre."

Und was beweist," rief der Kommerzienrat,daß jener rote Domino in der Ballnacht wirklich ermordet worden, respektive, daß er der Ermordete in der Schweden­gasse gewesen?"

Alle Anzeichen deuten darauf hin," erwiderte der Kommissar.

Alle Mutmaßungen," sagte korrigirend Etwold.Mit diesen und ohne meinen Sohn werden Sie jedenfalls nicht zu einer Verurteilung kommen."

Der Kommissar und Soltmann blickten einander betroffen an.

Sie sagen das in einem Ton," nahm Jener wieder das Wort,als wenn Ihnen das Verschwinden Ihres Sohnes in dem Augenblick feiner Inhaftnahme sehr willkommen wäre. Gestern ließen Sie mich etwas Anderes vermuten, oder ich würde Ihnen keine Zeit gelassen haben"

Wozu?" fragte scharf der Kommerzienrat.

Ihren Sohn zu warnen."

Herr Kommissar," brauste Etwold auf,ich verpflichte mich Ihnen für das Gegenteil mit meinem Ehrenwort. Ich denke, das genügt, um sofort jeden Zweifel in Ihrer Brust zu stillen. Zwar in Ihrer amtlichen Stellung kommt es Ihnen ja wohl zu, in jedem, auch dem anständigsten Menschen, den Verbrecher zu wittern."

Ich möchte nur wissen," sagte ausweichend der Kommissar,wer Herrn Eduard warnte. Das Telegramm ist noch Vormittags hier gewesen."

Ist es noch zu haben?" fragte der Kommerzienrat.

Nein," entgegnet« Soltmann.Ich habe mich gleich an Ort und Stelle er­kundigt. Der Beamte entfinNt sich zwar, daß eine Depesche vorhergegangen, welche einen Hinweis auf die Entzifferung der chiffririm Depesche enthielt, aber er entsann sich der Stellung der Zahlen nicht. Er hatte gerade selbst zu viel zu thun, um der Sache Mehr als eine ffSchUxe Bsachttmg widmet! zu könNen."

Gegen 6 Uhr abends fanden sich aus dem großen Plateau des Badeschlosses die hier weilenden Notabilitäten zur Begrüßung des Kaisers Wilhelm ein. Unter den anwesenden befanden sich Kardinal Landgraf Fürstenberg, Oberst­küchenmeister Graf Wolkenstein, der bayerische General Graf Karl Pappen­heim, der preußische General Czertwitz u. a. Vor der VillaSolilude" wurde der Kaiser vor der Gräfin und der Komtesse Lehndorff begrüßt. Kaiser Wilhelm nahm die ihm gereichten Blumenspenden lächelnd entgegen, stieg aus dem Wagen und begab sich in die Villa, wo er etwa 20 Minuten verweilte. Der Kaiser nahm hierauf wieder im Wagen Platz, und wenige Minuten später wurde er von dem zahlreich versammelten Publikum unter lautem Hochrufen und unter den Klängen der preußischen Volkshymne beim Gasteiner Badeschloß begrüßt. Als er, von der Reise etwas ermüdet, die bekannten Appartements betreten hatte, äußerte er zu dem Hotelier Weiß- mayer seine Freude,endlich wieder im lieben Gastein zu weilen." Als der Kaiser etwas später aus dem Balkone des Badeschloffes erschien, brachte ihm das auf dem Straubingerplatze versammelte Kurpublikum stürmische Ovatio­nen dar.

Wermifchtes.

Eine empfindsame Pflanze. Nicht jeder Leser weiß, daß es eine Pflanzenart gibt, welche sich, selbst schon bei der leisesten Be­rührung, empfindsam zeigt. Es ist dies die schamhafte Sinnpslanze (LIimosg puckiea) auch Rühr-mich-nicht-an genannt. Berührt man deren hüb­sche und zierliche Blättchen nur leise mit dem Finger oder einem anderen Ge­genstände, so ziehen sich diese sofort zusammen; bei etwas stärkerer Berührung aber läßt die Pflanze alle ihre Blätterzweige zur Erde sinken, doch um selbige nach einiger Zeit wieder empor zu richten und Blätter und Zweige wieder in ihre vorherige Stellung zu bringen. Diese höchst interessante Pflanze, welche zeigt, daß auch die Pflanzen zu empfinden vermögen und welche sich leicht im Zimmersenster ziehen läßt, ist bei dem Handelsgärtner Fried r. Huck in Erfurt das Stück für 50 Pf. zu bekommen.

KcrrröeL L Wevkehr?.

Stuttgart, 20. Juli. Die Berichte über den Stand der Hopfen lauten aus Württemberg durchweg ungünstig; nicht nur, daß die Pflanzen schwach sind und oft nur halbe Stangenhöhe erreicht haben, auch wenig Seitengeizen zeigen, sind dieselben unter der Loupe besehen voll Ungeziefer und dürften bei dem kranken Stand der Pflanzen die Dolden nicht sehr zahl­reich aufliegen. Auch sonst scheinen wir nur auf eine schwache Ernte rechnen zu dürfen und werden sich die Preise gegen das Vorjahr entschieden günstiger stellen, wenn auch die Masse alter Hopfen einen wirklich hohen Preis nicht zulassen wird. Vorsicht dürfte dem Produzenten dieses Jahr namentlich in der Pflücke und Trocknung sehr zu empfehlen sein.

Aas äem 8taätgarten.

Als am Pfingstfest die Alpenrose einer unerlaubten Lust zum Opfer fiel, da war allgemeine Entrüstung bei den vielen Freunden unseres Stadtgartens und mit Recht. Heute haben sie leider wiederum nicht weniger berechtigten Grund zum Unmuth, Venn jetzt ist es das Alpen- veil che n, das kaum 3 Blüthen erschlossen hatte und am Mittwoch abend oder Donnerstag früh zwei davon einer Frevlerhand lassen mußte. Wem dieselbe angehört, darüber Vermuthungen zu äußern, wäre wohl etwas gewagt; dem Stadtgärtner aber wird cs wohl Niemand verübeln, wenn ihm Angesichts solcher wiederholter Beraubungen von werthvollen, alle anständigen Besucher mit vielfach ausgesprochener Freude und Anerkennung erfüllenden Pflanzen grimmiger Aerger erfaßt, der ihn beinahe zu dem Entschlüsse bringt, statt solcher reizenden Blumen lieber nur Ginster und Disteln zu pflanzen, an denen sich keine zarte Hand vergreift. Vorerst will er sich aber bescheiden, zum

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Schade sagte der Kommerzienrat,sonst hätte man den Absender wohl ermit­teln können, der ich nicht bin."

Man müßte einmal bei dem Mädchen anfragen", meinte der Kommissar.

Soltmann zuckte die Achseln.Ich glaube nicht, daß sie es gewesen, die Herrrn Eduard warnte", sagte er.Dieser ist eben fort, spurlos verschwunden wie sein Intimus, der Herr Baron mit dem fremdländischen Namen. Es wird uns also doch Nichts weiter übrig bleiben, als nach Beiden zu forschen."

Oeffentlich!" fragte der Kommerzienrat zwischen Aerger und Furcht.

Nach dem Baron, gegen den noch jeder Beweis fehlt, nur unter der Hand", erwiderte Racheis.Ihr Sohn wird sich der Konsequenzen seiner Flucht wohl bewußt gewesen sein."

Er soll also keine Schonung genießen?"

Sie jede", sagte begütigend der Kommissar.Wir^werden so lange als möglich Ihren Namen verschweigen. In manchen schwierigen Fällen erscheint es so­gar geboten, etwelche Nachforschungen ganz gemein zu halten. Freilich, wenn das Interesse der Sache es verlangt."

Schon gut" brach der Kommerzienrat die Unterhaltung ab.Es genügt mir, wenn der Name vor der Hand nicht öffentlich genannt wird. Ein anderes Ver­sprechen verlange ich nicht. In das Unvermeidliche werde ich mich zu Meck wissen."

Etwold verließ hierauf die Wohnung seines Sohnes, um sich nach dem Geschäft zu begeben und dort noch weiter nach Eduard zu forschen."

Was sagen Sie dazu?" fragte der Kommissar jetzt dm Assessor.Erweckt Ihnen das Verhalten dieses Mannes nicht einen zweifelhaften Eindruck?"

Merkwürdig, in der That, gab SoltmaNn zu. Dian könnte fast geneigt sein zu glauben

Daß er seinen Sohn zur Flucht angestiftet hat und diese noch weiter begünstigt", fiel der Kommissar erregt ein.Wir werdm ihn im Auge behalten müssen."

UNb zwar unter dem Vorwände", ergänzte der Assessor,Herrn Düprckt zu bewachen." Forts, folgt.

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