beweisen die verschiedenen Erklärungen von Partei­führern, welche aussprachen, daß sie mit dieser Vor­lage die Branntweinsteuerfrage als abgeschlossen be­trachten. Herr von Hüne sprach das Namens des Teiles der Zentrumspartei aus, welcher die jetzige Vorlage angenommen, Herr Miguel Namens der Nationalliberalen, Herr von Kardorff, Namens der Freikonservativen. Nach diesen Erklärungen könnte also die Reichsregierung auf eine abermalige Erhöh­ung der Branntweinsteuer nur sehr schwer rechnen, und eine neue Steuervorlage würde, ohne furchtbar zwingende Gründe, keine Sympathieen im Reiche finden, denn es ist eine alte Sache, daß allzu scharf schartig macht. Indessen ist auch kein Anlaß vor­handen, angesichts des bevorstehenden Hochsommers und der Hundstage mit Gewalt über die Frage der Möglichkeit neuer Lasten die Köpfe sich zu zerbrechen, warten wir ab, was die Zeit bringt. Zur Brannt­weinsteuer kommt noch die Vermehrung der Zucker­steuer, aus welcher eine Erhöhung der Reichseinnah­men um 4550 Millionen erhofft wird. Das Reich wird immer erweiterte Bedürfnisse erhalten, im Hin­tergründe erscheint immer deutlicher das Projekt der Alters- und Jnvalidenversorgung für Arbeiter, aber die mindestens 150 Millionen neu bewilligten Steu­ern, resp. noch zu bewilligender Steuern, sind auch eine gewaltige Summe, über deren Verbrauch zuletzt doch immer wieder der Reichstag gelbst zu bestimmen hat, und diese Bestimmungen können nächsten Herbst erst kommen. _

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Tübingen. (Tagesordnung zu den Schwur­gerichtsitzungen des II. Quartals.) Den 17. Juni: 1) Strafsache gegen den verheir. Maurer Aug. Hahn von Liebenzell wegen Fälschung einer öffentl. Urkunde. 2) Straf­sache gegen Christine Marg. Beßler, Küferstochter von Nufringen, wegen Kindstötung. Den 18. Juni: 3) Strafsache gegen den verheir. Flaschner Fr. Meuz von Dettingen (Urach), wegen vorsätzl. Körperverletzung und dadurch verur­sachter Tötung. Den 20. Juni: 4) Strafsache gegen den verheir. Weber und vorm. Polizeidiener I. G. Schmid von Qfterdingen, wegen Verbrechens wider die Sittlichkeit. 8)

gegen Blech 3 Jahre, Schiffmacher 2 Jahre 6 Monate und gegen Trapp und Reybel je 2 Jahre Zuchthaus.

Schnebele soll mm doch noch vor dem Reichsge­richte figurieren. Wie man demBerl. Tagebl." aus Leip­zig schreibt, beginnt vor dem Reichsgericht am 4. Juli die Verhandlung gegen Klein und Genossen, die angeklagt sind, landesverräterische Handlungen auf Anstiftung von Schnebele begangen zu haben.

Leipzig. Die Grundsteinlegung des Reichs- gerichtsgebäudes wird anfangs September statt­finden. Kaiser Wilhelm hat dem Vernehmen nach die Absicht, an der Feierlichkeit teilzunehmen.

Frankfurt a. M., 15. Juni. Die Franks. Ztg. meldet aus Budapest: Offiziös wird gemel­det, daß von einer Zusammenkunft Franz Josephs mit dem Zaren nichts bekannt ist; der Kaiser von Oesterreich wird hingegen zweifellos den Kaiser Wilhelm in Ga st ein besuchen. Dieser Zusammen­kunft wird eine Besprechung Kalnokys mit dem Fürsten Bismarck vorausgehen.

Berlin, 13. Juni. In namentlicher Abstimmung wird tz 1 des Branntweinsteuergesetzes mit 212 gegen 78 Stimmen in der Fassung der Kommission angenommen. Derselbe lautet demnach: §1. Der im Gebiete der Brannt­weinsteuergemeinschaft hergestellte Branntwein unterliegt vom 1. Oktober 1887 ab einer Verbrauchsabgabe und zu diesem Zwecke der steuerlichen Kontrole. Die Verbranchsabgabe be­trägt von einer Gesamt-Jahresmenge, welche 4,5 Liter reinen Alkohols auf den Kopf der bei der jedesmaligen letzten Volkszählung ermittelten Bevölkerung des Gebietes der Branntweinsteuergemeinschaft gleichkommt, 0,50 «« für das ! Liter reinen Alkohols, von der darüber hinaus hergestellten I Menge 0,70 für das Liter reinen Alkohols. Die Gesamt- Jahresmenge, von welcher der niedrigere Abgabesatz zu ent- ! richten ist, sowie der Betrag des niedrigeren Abgabesatzes selbst sollen alle 3 Jahre einer Revision unterliegen. Von der Verbrauchsabgabe befreit und bei Feststellung der nach dem Vorstehenden maßgebenden Jahresmenge außer Ansatz bleibt: 1) Branntwein, welcher ausgeführt wird; 2) Brannt­wein, welcher zu gewerblichen Zwecken, einschließlich der Essig­bereitung, zu Heil-, zu wissenschaftlichen oder zu Putz-, Hei- zungs-, Koch- öder Beleuchtnngszwecken verwendet wird, nach näherer Bestimmung des Bundesrats. Die Brennereibesitzer sind gegen Uebernahme der Kosten berechtigt, die amtliche Denaturierung ihres Branntweins in ihren Brennereien zu verlangen.

^ ^ m ! Berlin, 13. Juni. Die Vertreter von

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Strafsache gegen den verheir. Musiker und Bauern Jak. Fr. ten Sitzung der Branntwein steuer^ Kommission

Merkle von Pfinzweiler, Gcmde. Feldrennach (Neuenbürg), wegen Widerstands gegen einen Forstbeamten. Den 22. Juni: 7) Strafsache gegen den verheir. Holzhändler und Sägmühle- bcsitzer Ehr. Gottl. Barth von Calmbach, wegen Meineids. Den 23. Juni: 8) Strafsache gegen den verheir. Bauern Matth. Mayer von Bronnen (Reutlingen) und dessen Ehe­frau Anna Maria Mayer, geb. Acker, wegen Brandstiftung. Den 24. Juni: 9) Strafsache gegen den verheir. Ehr. Goller von Pstummern (Riedlingen), wohnhaft in Mägerkingen, wegen Brandstiftung. Den 25. Juni: 10) Strafsache gegen den verheir. Buchbinder Wilh. Aug. Ed. Bönig von Han­nover, in Reutlingen wohnhaft, wegen Fälschung einer öffentl. Urkunde in gewinnsüchtiger Absicht.

Stuttgart, 15. Juni. Es steht jetzt defini­tiv fest, daß S. M. der König am Samstag Vor­mittag nach Friedrichs Hafen abreist. Ihre Maj. die Königin bleibt indessen noch bis Anfang des nächsten Monats hier auf der Billa Berg. Dann erst wird die Königin dem königl. Gemahl folgen.

Die des Hochverrats angeklagten Elsässer in Leipzig scheinen sich das alte bedenkliche Sprüch­lein zu Gemüt gezogen zu haben: 8i Loisti, noZu, das heißt, wenn Dn's gethan hast, leugne. Der hvch- intelligente Fabrikdirektor Köchlin giebt zwar zu, in Paris zur Patriotenliga getreten, seine Beiträge

erklärt, daß ihre Staaten, von deren Entschließung es bekanntlich infolge ihres Reservatrechts abhüngt, ob sie in die Branntweinsteuergemeinschaft eintreten und sich unter das neue Gestz wollen oder nicht, kaum in der Lage sein werden, schon zum 1. Oktober d. I. den Beginn der Giltigkeit des neuen Gesetzes zu bewirken. Man kann sich das denken; es sind Ausführungsbestimmungen zu erlassen, Baulichkeiten ^ zu errichten rc. und vorweg die Landtage um ihre Zustimmung zu befragen. Man wird also mit einem , späteren Eintritt der drei Südstaalen zu rechnen haben. Der württembergische Landtag wird ungefähr im September zusammentreten, um sich in der Brannt­weinfrage schlüssig zu machen.

Berlin, 16. Juni. Staatssekretär v. Bötti­cher stellte für die Wintersession die Vorlegung eines Gesetzes über Alters- und Jnvalidenversorgung in Aussicht.

Berlin, 16. Juni. Dr. Morcll Mackenzie untersuchte den deutschen Kronprinzen unmittelbar nach dessen Ankunft in Norwood und fand den Hals in höchst befriedigendem Zustand; die Wucherung ist

gezahlt und die verschiedenen Zeitungen der Liga be- j seit letzter Untersuchung Mackenzies nicht gewachsen

zogen und gelesen und für die Zwecke derselben in ^ .^ ^

Mühlhausen geworben zu haben, beteuert aber, an eine gewaltsame Losreißung des Elsaß von Deutsch­land habe er nicht geglaubt, eher daran, daß Deutsch­land in Geldverlegenheit komme und Elsaß-Lothrin­gen Frankreich verkaufen werde. Auch der reiche Angeklagte Blech meinte, die Patriotenliga habe bloß den Elsässer Patriotismus heben wollen und Elsaß durch friedlichen Vertrag zurückgewinnen wollen; wie? das wußte er selber nicht. Gambetta sei er sehr befreun­det gewesen und habe zur Errichtung eines Denkmals für denselben 10 000 Frks. und zur Gründung von Pariser Zeitungen 40000 Frks. hergegeben. Ein Arg hätten sie nicht dabei gehabt, obwohl sie gewußt, daß die betreffenden Zeitungen verboten waren.

Leipzig, 16. Juni. Oberreichsanwalt Tessen- dors beginnt sein Plaidoyer, indem er zunächst die Anklage gegen Humbert und Freund zurückzieht.

Die übrigen Angeklagten bittet er wegen Hochver­rats zu bestrafen und zwar beantragt er unter Ausschluß mildernder Umstände gegen Köchlin 2 Jahre und gegen Jordan IVr Jahre Festung;

Die Krankheit des Reichskanzlers ist zwar schmerz­haft, aber durchaus unbedenklich.

Berlin, 16. Juni. Der Reichskanzler ist nach Friedrichsruh abgereist.

Eine umfassende Armenstatistik desDeut- schen Reiches ist vom kaiserlichen statistischen Amte jetzt zum ersten Male ausgenommen worden. Die Statistik stellt die Zahl der Verpflegten nach Pro­vinzen und Ländern und die Summen dar, welche in der öffentlichen Armenpflege von Staat und Kom­munen also mit Ausschluß der zahlreichen priva­ten Wohlthätigkeits- und Armenunterstützungsvereine ausgegeben worden sind. Die Bearbeitung des Materials ist beendigt und demnächst eine Veröf­fentlichung des Ergebnisses zu erwarten.

Die Stadt Gelsenkirchen bot am vergangenen Freitag einen sehr ernsten Anblick; von allen Häusern wehten schwarze Fahnen, alle Läden waren geschlossen. Es wurden die auf der ZecheHibernia" verunglückten Bergleute beerdigt. Vou den 52 Toten wurden 39 in einem Massengrab auf dem katholischen und 12 in einem solchen auf dem evangelischen Friedhof beerdigt, eine Leiche kam nach Wattenscheidt. Im Gefolge befanden, sich wenigstens 10000 Personen. Durch

das Unglück sind 43 Frauen zu Witwen geworden, 89 Kinder unter 14 Jahren beklagen den Verlust ihrer Väter.

Oesterreich-Ungarn,

Wien, 14. Juni. Ueber das tragische Geschick der Herzogin von Alengon verlautet, daß der Irrsinn der 40jähri- gen Frau heilbar sei. Das Gemütlcidcn soll nach dem Selbst­morde des Königs Ludwig von Bayern, mit dem die Herzo­gin kurze Zeit verlobt gewesen, ausgebrochcn sein.

Aus Temesvar wird unterm 13. ds. gemeldet: Im Dorfe Ligcl im Temeser Komitat schlug während eines fürch­terlichen Gewitters der Blitz in ein Wohnhaus und tötete 4 Personen.

Frankreich.

Paris, 13. Juni. DieLanterne" veröffent­licht wie es heiß, vom General Boulanger her­rührende Mitteilungen über die Opfer an Geld und Menschen. die Tonkin gekostet hat. Die Ver­luste an Toten und dienstunfähig gewordenen wer­den auf mehr als 30 000 beziffert. Für 1885, 1886 und die vier ersten Monate des laufenden Jahres betrugen die vom Kriegsministerium allein geleisteten Mehrausgaben 95 Mill. Frks. (in 28 Monaten). Für Truppenbeförderungen wurden 43 Millionen gezahlt. Die Beschädigungen der Panzerschiffe rc. rc. sind mit einem Gesamtbeträge von 50172 364 Fr. aufgeführt. Der Minderwert der Flotte (nach Ab­zug der Neubauten) von 18841886 beläuft sich auf 46 289 744 Frks.

Der Kriegsminister Ferron beabsichtigt, den ! dreijährigen Militärdienst durch ein Spezialgesetz ! schon für Neujahr 1888 einzuführen.

! Ein ander Städtchen, ein ander Mädchen, singt ! Goethe in seinem Husarenlied. Aehnlich scheints den ! Pariser Offizieren mit Boulanger zu ergehen.

^ Kaum war er aus dem Sattel oder doch vom Mi- ! nisterstuhl gefallen, so haben sie sein Bild aus dem

> Militär-Kasino entfernt; ein Zeichen, daß er ihnen nicht ans Herz gewachsen war. Freilich, es müßte eine ganze Gemäldegallerie werden, wenn sie jeden

! Kriegsminister seit 1871 aufhängen würden.

^ Zwischen Paris und Brüssel, also auf eine Entfernung von 328 Kilometern, sind Versuche mit meinem neuen Telephon gemacht worden, welches ! von dem Deutsch-Amerikaner Dr. Kornelius Herz er- l funden ist. Der neue Apparat zeichnet sich durch ! seine kompendiöse Einfachheit aus. Obgleich kaum ! größer als ein gewöhnlicher elektrischer Tasiknopf, i übermittelt er die menschliche Stimme auf diese weite ! Entfernung so deutlich , wie das beste der jetzt ge- ! bräuchlichen Mikrophone. Die Ingenieure des fran- ^ zösischen und belgischen Telegraphen, welche den neuen , Apparat probierten, der mikroskopisches Telephonsystem

- benannt wird, haben ihn für eine bedeutende Verbes- sernng der bisherigen erklärt. Jedes Wort des Ge-

! spräches, welches auf die weite Entfernung über eine j Stunde lang geführt wurde. wurde mit bemerkens- ! werter Deutlichkeit vernommen, und es fand keine

> einzige Unterbrechung statt. Der Apparat soll für ' vier Franks herzustellen sein.

! Belgien.

! In Brüssel wird jetzt ziemlich allgemein ! angenommen, König Leopold werde direkt das Mini- ! sterium veranlassen, den Kammern eine Vorlage we- ! gen Einführung der allgemeinen Militärpflicht zu ^ unterbreiten. Will die Kammer nicht darauf ein- gehen, soll Auflösung erfolgen.

! Brüssel, 15. Juni Anläßlich der Debatte ! über die Maasbefestigung brach gestern in der Kam- ! mer ein unerhörter Skandal aus. Abg. Frore-Or- ! ban und Ministerpräsident Bernaert beschuldigten ^ sich gegenseitig, wichtige, die Landesverteidigung be- j treffende Aktenstücke aus den Staatsarchiven entwen- ^ det und andere gefälscht zu haben. EL entstand ein ^ fürchterlicher Tumult. Die Linke erhob sich von den j Sitzen und rief: Löst diese Kammer auf. (Die ! Maasbefestigung wurde bekanntlich mit 81 Stimmen

- gegen 41 Stimmen der Linken angenommen.)

' England.

London, 16. Juni. Das deutsche Kron­prinzenpaar ist hier wohlbehalten eingetroffen. Dem Kronprinzen ist die Reise gut bekommen. Die Besuche unterbleiben einstweilen. Die Teilnahme an den Festen hängt von einer späteren ärztlichen Entschei­dung ab.

Rumänien.

Bukarest, 16. Juni. Nach den hier einge­gangenen amtlichen Meldungen über die große Feuers- brunlt in der Stadt Botschani beträgt die Zahl der eingeäscherten Häuser 800. Sieben Personen sollen umgekommen sein. Das Feuer ist noch nicht völlig bewältigt.