Der Gesellschafter

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 -ch in dem Bezirk 1 außerhalb des Bezirks 1 20 Monats­

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Donnerstag den 13. Mai.

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1886

Amtliches.

Nagold.

Bekanntmachung.

Die in Gemäßheit des Art. 8 des Gesetzes über die Farrenhaltung vom 16. Juni 1882 gewählte Schaubehörde für die Zeit 1. Mai 1886 bis 30. April 1889 besteht aus den Herren: Oberamtstierarzt Wallraff in Nagold als Vor­sitzender,

Gemeinderat und Oekonomen Guoth in Effringcn als Mitglied und Stellvertreter des Vorsitzen­den und

Gemeinderat und Oekonomen Rueff in Spielberg als Mitglied.

Als Stellvertreter der Mitglieder der Schaube­hörde sind berufen worden die Herren:

Rapp Gemeinderat und Privatier in Nagold und Schill, Mühlebesitzer in Altensteig Stadt.

Den 11. Mai 1886.

K. Oberamt. Güntner.

Nagold.

Die Ortsvorsteher

werden aufgefordert, für den Staats-Anzeiger pr. I. Juli 1886/87

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an die Oberamtspflege hier einzusenden.

Den 7. Mai 1886.

K. Oberamt. Güntner.

Gestorben: De» 8. Mai zu Stuttgart Obersteucr- rat und Kollcgialmitglied beim Stcuerkollegium, Schosser, Ritter 2. Kl. d. Ord. d. württ. Krone, 54 I. alt. _

Demonstration der Großmächte oder Krieg zwischen Griechenland und der Türkei.

Der türkisch-griechische Konflikt hat sich nun leider doch in einer Weise entwickelt, die für die friedliche Beilegung desselben nur wenig Hoffnungen, aber für die kriegerische Entscheidung desto mehr Be­fürchtungen Raum läßt. Da die Zusicherungen Griechenlands bezüglich feiner Abrüstung für unge­nügend erachtet wurden, so hat die Türkei ihren Ge­sandten in Athen mit dem gesamten Personal abbe­rufen, auch haben die Gesandten der Großmächte Athen verlassen. Die griechische Regierung hat ihren Ge­sandten aus Konstantinopel ebenfalls abberufen und ihn mit dem gesamten Personal durch ein Kriegs­schiff abholen lassen. Gleichzeitig kursiert in Athen das Gerücht, daß die Türken die Griechen in Thes­salien anzugreifen beabsichtigten, und die griechische Regierung hat die Truppen der Hauptstadt schleu­nigst nach dem Norden gesandt.

Der Angelpunkt der auf das äußerste gespann­ten Lage im Orient besteht nun offenbar darin, in wie weit die Großmächte, welche bereits seit Monaten gegen einen Angriff Griechenlands auf die Türkei protestiert haben, ihre Drohungen wahr machen und die griechischen Streitkräfte lahm legen werden. Nach einer Depesche aus London würden sich die Groß­mächte darauf beschränken, die Hafenstädte Griechen­lands zu blokieren und die griechische Flotte zu ka­pern. Wie der Landkrieg zwischen Türken und Grie­chen ausfallen werde, werde man ja dann bald sehen und dem voraussichtlich kurzen Kriege bald ein Ende bereiten.

Ganz bedenklich für den Frieden des Orients wie Europas überhaupt muß es übrigens erscheinen, wenn es sich bewahrheiten sollte, was im jetzigen Stadium bald geschehen müßte, daß hinter Griechen­land eine Großmacht stecke und diesem Unterstützung

zugesagt habe. Es könnte dies nur Rußland oder Frankreich sein. Diese Vermutung hat aber viel Un­wahrscheinliches an sich, da nicht anzunehmen ist, daß Deutschland, England und Oesterreich sich von Ruß­land oder Frankreich in der griechischen Frage haben düpieren lassen.

In Hinblick auf die Haltung der Großmächte, zumal derjenigen Englands, welches sowohl vertrags­mäßig als auch nach der Lage seiner Politik den jetzigen Bestand der Türkei schützen, also unter Um­stünden Griechenland selbst angreifen muß, wird viel­leicht auch letzteres noch einlenken und kein waghal­siges Unternehmen beginnen. Die nationale Eitelkeit der Griechen ist allerdings bis zum Größenwahne aufgeblüht und die Neuhellenen müssen wahrscheinlich von derselben erst auf die Art kuriert werden, wie es bei den Serben der Fall war. Diese orientali­schen Gernegroße verstehen sich noch nicht auf das politische Rechenexempel, daß im Kriege nur derjenige Eroberungen machen kann, der auch die Macht dazu wirklich besitzt. Mit dem heißen Wunsche allein treibt man keine Großmachtpolitik. Eitel Spiegel­fechterei ist offenbar auch die angebliche Geneigtheit Griechenlands gewesen, abrüsten zu wollen, aber es nun nicht mehr zu können, weil es von den Groß­mächten in einer, seine Unabhängigkeit beeinträchtigen­den Weise dazu aufgefordert worden sei. Man darf daher wirklich gespannt sein, ob sich die Großmächte von Griechenland, resp. seinem famosen Ministerprä­sidenten Delyannis Trotz bieten und verspotten lassen werden.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

ff Nagold, 12. Mai. Gestern fand zum Sfmesterschlus; und zugleich zu Ehren der in diesen Tagen beim ersten Dienstexamen hier anwesenden Herren Oberkonsistorialräte v. Burk und v. Binder ein Seminarkonzert statt, bei dem diesmal auf die Mitwirkung der Damen mit Rücksicht auf ihre gro­ßen Anstrengungen bei der Aufführung desSam­son" Umgang genommen wurde. Von letzterem Werk wurde uns in dankenswerter Weise noch einmal die schöneOuvertüre" für Orchester und Orgel vorge- sührt, die im Seminarsestsaal so recht zu ihrer vollen Geltung und Wirkung kam. Eine andere, wirk­lich hübsche instrumentale Leistung war die Auffüh­rung eines von E. Hegele für Streichquartett, Orgel und Klavier arrangierten Chors aus Richard Wag- ner'sLohengrin"; es war dies der ursprünglich auch für Gesang eingerichteteBrautchor", dessen wirklich anmutig liebliche Weisen jeden bezaubern und für den ebenso viel gepriesenen als vielgeschmäh­ten Begründer und Bahnbrecher der neuesten Kunst­richtung einnehmen mußten. Im übrigen heben wir aus dem instrumentalen Teil noch ein von Seminar­lehrern gewandt vorgetragenes Haydu'sches Trio für Violine, Cello und Klavier, sowie die von zwei Seminaristen mit Fertigkeit gespielte Jubelouvertüre v. Weber und eine von einem abgehenden Seminari­sten gut vorgetragene Orgelfuge hervor. Der vokale Teil bestand wie schon angedeutet aus Männerchören, die ohne Ausnahme sehr schön gesungen wurden. Neu war E. Grells Ps. 43:Sende dein Licht rc.", eine sehr schöne und wirkungsvolle Komposition; geradezu überraschend wirkte aber Hegar's:Die beiden Särge". Der Gedankengang dieses Chors ist kurz folgender: König Othmar und der Sänger, je­ner mit dem Schwert, dieser mit der Harfe in der

Hand, liegen nebeneinander in der Totenhalle. Der Dichter stellt demEinst" dasJetzt" gegenüber: Die Bürgendes gewaltigen Königs sind zerfallen; die Zeit, als der wilde Schlachtruf durch das Land schallte, ist vorüber, still ruht das Schwert in des Toten Hand, während des Sängers Gesänge noch immer durch das Land schallen und seine Harfe ewig durch die Lüfte tönt. In diesem Lied tritt uns die aus He­gar's MännerchorAus den Alpen" schon bekannte groteske Tonmalerei wieder in dem Maße entgegen, daß sich die innige Vermählung zwischen Dichtung und Komposition nicht verkennen läßt. Von anderer Natur waren die beiden andern Männerchöre, die noch zur Vorführung gelangten: das alte, wahr­scheinlich unfern alten Sängern noch bekannte, aber ewige junge Lied:Regst du, o Lenz, die jungen Glieder" v. Lindpaintner, Satz von Silcher, mit sei­ner angenehm einschmeichelnden Melodie, und das ebenfalls früher vielgesungene, später in Vergessen­heit geratene, jetzt von E. Hegele für Männerchöre arrangierteWürttemberger Lied", ebenfalls v. Lind­paintner :Von dir, o Vaterland, zu singen" , das, in angenehmer Abwechslung zwischen Solo, Quartett und Chor vorgetragen, die speziell schwäbisch-patrioti­schen Saiten anschlägt und in dem alten Ruf aus­klingt:Allzeit hie gut Württemberg!" Wir sind dem H. Oberlehrer Hegele für diesen neuerdings ge­botenen Genuß sehr oankbar und wünschen nament­lich, daß die hingebende Begeisterung, die sich bei den ausführenden Seminaristen aussprach, auch in ihnen nachklingen möge, namentlich bei den 34 Seminaristen des ältesten Kurses, die in diesen Tagen das I. Dienst­examen gemacht haben und uns in den nächsten Ta­gen verlassen werden, um, allerdings nach einer län­geren oder kürzeren Wartezeit, draußen in den Ge­meinden zu wirken und auch dort wieder ideale Güter zu Pflegen.

Stuttgart, 10. Mai. Der kommandierende General, General der Infanterie v. Schachtmeyer, verläßt heute mittag Stuttgart, um, einer Einladung Sr. Kais. Hoh. des deutschen Kronprinzen folgend, sich nach Homburg v. d. H. zu begeben, wo der Kronprinz derzeit Frühlingsaufenthalt genommen. Oberhofprediger Prälat Dr. v. Gerok hat die Reise nach Nizza heute angetreten.

Stuttgart, 10. Mai. Königin Olga, welche heute abend mittels Sonderzugs von Nizza wieder hier eintraf, ward auf dem Bahnhof von sämtlichen Mitgliedern der Königsfamilie und den Hofstaaten empfangen und auf der Fahrt ins Resi­denzschloß von der Menge lebhaft begrüßt.

Stuttgart, 10. Mai. Am Samstag nach­mittag fand auf dem Platze an der Garnisonskirche eine Feuerprobe statt, welche die Unverbrcnnlichkeit des Superator, eines pappdeckelartigen Filzes mit Asbest darthun sollte. Das Resultat war überra­schend, denn ein mit diesem Filz ausgeschlagenes und überzogenes Holzkistchen, in welches rohe Eier, Ci­garren, Papier, Lichter, Zündhölzer, eine goldene Uhr rc. gelegt worden waren, und das dem intensi­ven großen Feuer eine halbe Stunde ausgesetzt war, verbrannte nicht nur nicht, sondern der Jnnenraum war nicht im mindesten erhitzt; die Eier waren kalt, die Zündhölzer im alten Zustande, die Ubr gieng richtig rc. Der Superator, ein Würzburger Fabrikat, dürfte somit bald große Verwendung finden. Der Probe hatten hervorragende Persönlichkeiten des Feuerlösch- und Versicherungswesens beigewohnt.

Reutlingen, 10. Mai Das Jahresfest des