„Krüppel" heißen sie im täglichen Leben, von den Unverständigen oft verspottet, von den Einsichtigen tief bedauert, von dem größten aller Menschenfreunde Jesus Christus unserer Liebe so manchfach empfohlen. Sie sind unsers Mitleidens wert, wenn sie mit verstümmelten Gliedern zur Welt gekommen sind; sie verdienen unfern Dank, wo sie im Dienst fürs Vaterland ihren Schaden geholt haben; sie bedürfen unserer Mithilfe, ob sie nun durch Fahrlässigkeit ins Unglück geraten oder ohne ihre Schuld arbeitsunfähig geworden sind; sie sind auf unsere Fürsorge hauptsächlich darum angewiesen, weil ihr hilfloser Zustand sie leicht zum Müssiggang und der Müssiggang sie dazu lockt, das natürliche Mitgefühl der Menschen auszubeuten. Dadurch werden sie Krüppel nicht nur am Leib, sondern auch au der Seele, arme verdorbene Geschöpfe.
Wenn aber unser großer Meister mit beweglicher Sümme mahnt: „Führet die Krüppel herein in mein Haus!" so muß dieser Ruf bei allen denen einen Wiederhall finden, welche sich gesunder Glieder erfreuen. Es genügt nicht, daß wir diesen Leuten einen roten Pfennig in den Hut werfen und dann gleichgiltig vorübergehen. Solche Almosen tragen oft schlechte Frucht. Sondern es gilt, sie von den Straßen und Kreuzwegen, Jahrmärkten und Volksfesten, wo sie oft eine reiche und doch ungesegnete Ernte halten, hinwegzunehmen und in eine Herberge zu bringen, wo sie unter christlicher Leitung und in regelrechter Hausordnung den Segen der Arbeit und des eigenen Erwerbs erfahren könnten. Wir wissen auch, daß manche an den Lahmen und Gebrechlichen dieser Art nie vorübecgehen ohne den stillen Wunsch, es möchte ihnen ein besseres Brot geboten werden als Bettelbrot.
Wohl sind durch gesetzliche Ordnung eben jetzt manche über He dringendste Sorge hinweggehoben; denn wir hoffen, daß die Unfallversicherung vielen ein Trost wird. Allein die Schar derer, welche nicht in Fabriken, sondern durch Krankheit und von Geburt an zu Verkrüppelten geworden sind, ist groß genug. Man hat ihre Anzahl in unserem engeren Vaterlande auf 5000 geschätzt; sollte es nicht der Mühe wert sein, wenigstens einzelne derselben zu
einer angemessenen Arbeit zu bringen und sie zu brauchbaren Gliedern der menschlichen Gesellschaft zu machen?
Wiewohl nun ein Häuflein solcher Unglücklichen in den Werner'schen Anstalten zu Reutlingen Aufnahme gefunden hat, so ist hiemit doch dem Bedürfnis noch lange nicht Genüge geschehen. Die Unterzeichneten haben sich daher im Einverständnis mit Gustav Werner vereinigt in der Absicht, Mittel und Wege zu finden, um krüppelhaften Leuten eine Samariterherberge zu eröffnen und sonstige Fürsorge zu gewähren. Zunächst haben wir die Aussicht gewonnen, daß verkrüppelte Personen weiblichen Geschlechts in der neugegründeten Zweiganstalt der Fellbacher Dienstbotenheimat zu Stammheim Arbeit und Pflege finden können; und wir hoffen weiterhin, daß auch für die noch zahlreicheren Unglücklichen männlichen Geschlechts sich ein Weg der Hilfe zeigen werde. Da wir aber nur einem wirklich vorhandenen Bedürfnisse entsprechen und demselben nur nach Maßgabe der uns zu Gebot stehenden Mittel genügen möchten, so richten wir eine doppelte Bitte an alle Menschenfreunde :
1. Es wollen bei dem Unterzeichneten Vorsitzenden, Kaufmann Bö h ringer, diejenigen angezeigt werden, für welche Aufnahme in ein Samariterhaus gewünscht wird, mit Angabe des etwaigen Kostgelds, das sie oder andere für sie leisten könnten.
2. Es möchten dem Unterzeichneten Kassier, Kaufmann Otto Wanner-Rominger, milde Gaben, seien es einmalige, seien es jährliche Beiträge, zur Verfügung gestellt werden, ohne welche der Anfang einer solchen Fürsorge unmöglich wäre.
Den Erfolg dieses Aufrufs stellen wir in die Hand des Herrn, der für jedes Werk der Liebe und Barmherzigkeit Zeit und Stunde kennt und der auch auf unser Bemühen seinen Segen legen kann.
Stuttgart im Oktober 1885.
I. G. Vöhringer, Kaufmann, Vorstand; Stadtpfarrer Lauxmann, stcllvertr. Vorstand; Obersteuerrat Zoller, Schriftführer; Otto Wanner- Rominger, Kaufmann,Kassier; Eduard Elben; Pfarrer Falch; Revisor Oe hier; sämtlich in Stuttgart.
Allerlei.
— Gegen den Kornwurm werden als sicheres und bewährtes Mittel die Ameisen empfohlen. Man soll auf einem von demselben heimgesuchten Fruchtboden einen Ameisenhaufen ausschütten, alsbald werden die Ameisen über die Kornwürmer herfallen und diese aus Furcht vor ihrem gefährlichen Feind den Boden verlassen. Einen Fruchtboden, der mit dem Ungeziefer sehr stark behaftet war, hatten die Ameisen binnen zwei Tagen davon gesäubert.
Kület die Junge!
Es haben Hunger, Pest und Schwert Oft fürchterlich die Welt verheert Und ganze Völker fast vernichtet.
So manches Schiff verschlang das Meer,
So manche Stätte brannte leer,
Doch hat des Unheils noch viel mehr Die kleine Zunge angerichtet.
Man wahrt das Feuer, wahrt das Gift, Das Schwert mit seiner scharfen Schneide, Damit es nicht verletzend trifft,
Hält man's behutsam in der Scheide;
Jndeß man stündlich fast vergißt,
Wie scharf, wie spitz die Zunge ist.
Ein kleines Wort nur oft zerstörte Familienglück und Bölkerfrieden,
Was sich für immer angehörte,
Hat oft ein kleines Wort geschieden.
Was Jahre mühsam aufgerichtet,
Hat je ein kleines Wort vernichtet,
Und oft schon hat ein Frevelwort Verübt den größten Seelenmord.
D'rum achtet nicht nur, was ihr thut, Bedenket wohl auch, was ihr saget,
Seid mit der Zunge auf der Hut,
Auf daß ihr Keinem Wunden schlaget,
Macht diese Regeln euch zu eigen:
O sprechet nie zu And'rer Leid,
O sprechet nur zur rechten Zeit,
Sprecht da, wo Reden besser ist als Schweigen!
Verantwortlicher Redakteur Steinwandei in Nazold. — Druck und
Berka» der B. W. Aailer'schen Buchbandluna in Nagold.
Amtliche und ^rival-NekannLurackungen.
Stadtgemeinde Nagold.
Stamm- L Brennholz-Verkauf.
Am Samstag den 7. November kommt auf ^ hiesigem Rathause, nachmittags 1 Uhr,
Scheidholz aus den Distrikten Galgenberg, Mittlerbergle, Bühl, Bühlkopf, Wolfsberg, Lemberg, Teichelwald, Brun- nenhäule, Lache und Stellesbuckel zum Aufstreich und zwar:
1) Nutzholz in größeren und kleineren Losen: 116 Stück Nadel-Langholz II. bis V. Klasse und 4 St. Nadel- Sägholz I. bis III. Kl. mit zusammen 85 Fm.
2) Brennholz: 300 Rm. Nadelholz- Scheiter u. Prügel, 60 Rm. Nadelstockholz und 3500 Nadelholz-Wellen, sowie 3 Lose ungebundenes und nicht an die Abfuhrwege beigeschafftes hartes Laubholz-Astreis (vom Aufsägen jüngerer Nutzholzstämme) in den Abteilungen Obere und Untere Lache, Dachsbau und Oelmühle.
Die Waldschützen werden auf rechtzeitiges Verlangen das Holz im Laufe dieser Woche vorzeigen.
Mit'dem Stammholz-Verkauf wird begonnen.
Gemeinderat.
I — »ooto»'— I I dsi 81 «vs,
'E- s,rd«r«l L Ni«lI>rI»lll«»k»drtL.
Obcrkollwangen,
Gerichtsbezirks Calw.
iederhotter
Liegenschafts-Berkauf.
Aus der Konkurs-Masse des Matthäus Waidelich, Bauern von Oberkoll- wangen, kommt zu Folge Beschlusses des Gläubiger-Ausschusses die vorhandene Liegenschaft, nemlich:
Haus Nr. 6a:
2 a 52 gm Wohnhaus und Scheuer an der Straße nach Neuweiler,
Anschlag. 3750
angekauft zu 2000 ^
*/rte von Parz. Nr. 70:
3 da 81 a 15 gm im Neuweller Weg,
Anschlag. 1750
angekauft zu 1000 ^
Parz. Nr. 32/2:
1 da 19 a 48 gm Wiese und Laubgebüsch in Neuweilerwegwiesen,
Anschlag. 1500 ^
an gekauft zu 1400
Ferner auf Breitenberger Markung:
Parz. Nr. 398/1:
62 a 91 gm Wiese und Laubgebüsch im Thal,
Anschlag. 2000
angekauft zu 1000
Parz. Nr. 505:
26 a 49 gm Nadelwald in der Berghalde,
Anschlag. 275
angekauft zu 250
am Montag den 9. November ds. Js., vormittags 10/, Uhr,
auf dem Rathaus in Oberkollwangen im zweiten und letzten Aufstreich unfreier Hand zum Verkauf.
Der Kaufschilling ist baar am Tage des gerichtlichen Erkenntnisses zu entrichten.
Liebhaber werden hiezu eingeladen.
Den 27. Oktober 1885.
Konkurs-Verwalter:
Dipper.
Nagold.
Allen Denjenigen, bei welchen ich mich nicht persönlich verabschieden konnte, sage ich auf diesem Wege nachträglich ein herzliches
L. L. Lock.
W i l d b e r g.
Mv-M« M.
Pflegschaftsgeld können gegen gesetzliche Sicherheit bis Martini ausgeliehen werden von
G. Reichert, Schreiner.
850000 Mk.
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sind ä 4—5°/o in I. Hypothek auszuleihen. Zieler kauft billig. Informativ, scheine mit Rückporto erbitte. L. Wind, Kirchstraße 12, Stuttgart.
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