anfangs ruhig von Statten; da plötzlich zwischen Coswig und Priestewitz macht sich ein Geräusch bemerkbar. Kaum, daß man es hört, so stürzt sich auch schon ein Wolf, welcher aus einem Käfig des Wagens ausgebrochen war, auf den schlafenden Mann los und beißt ihm die Kehle durch. Der Sohn rettete sich gerade noch auf die Lowry, ein Schaffner bemerkte es, läßt augenblicklich den Zug halten, und man bemerkt mit Entsetzen, daß sich die wütende Bestie fest verbissen hat. Ein Zufall fügte es, daß ein Gendarm in der Nähe war, welcher das Tier erschoß.
Vom 8. bis 11. Sept. tagt in Liegnitz in Schlesien die 30. Wanderversammlung deutscher und österreichischer Bienenzüchter. Dieselbe wird auch von Württemberg beschickt werden. Mit dieser Versammlung wird sich die Feier des 50jährigen Jmker- jubiläums des Pfarrers Dr. Dzierzon verbinden, der bekanntlich durch Wort, Lehren und Beispiel die neuere Bienenzucht angebahnt und den jetzigen großen Aufschwung derselben veranlaßt hat.
Berlin, 7. Sept. Man wird einst dem Lenker der deutschen Politik unter den zahlreichen Zeichen ehrender Anerkennung, die ihm von Mit- und Nachwelt sicher sind, seine Haltung in dem deutsch-spanischen Konflikt als besonderes Verdienst hoch anrechnen. Die unerschütterliche Ruhe und Besonnenheit, die weitgehende Mäßigung gegenüber den gewaltsamen Ausbrüchen der ungezügelten Leidenschaft — sie müssen auch auf die spanischen Hitzköpfe kalmie- rend einwirken. Freilich — gar leicht mag dem Reichskanzler diese Haltung anfänglich gerade nicht geworden sein. Wohl mag, bemerkt die N. N. Ztg., der eiserne Kanzler grimmig mit den Zähnen geknirscht haben, als er in Varzin die Nachricht von den Madrider Ausschreitungen erhielt. Daß er seinen gewiß nicht geringen Aerger niedcrkämpfte und nach solchen Vorgängen die Sprache der Mäßigung und des Entgegenkommens weiterführt, macht seinem Charakter die größte Ehre. Wie würde Napoleon I. in einem ähnlichen Falle getobt haben! Wenn Bismarck sich bezwang und seinem bekanntlich nicht allzu sanftmütigen und geduldigen Temperament einen schweren Sieg abrang, so ist das ein Beweis, daß er dem Herzen nicht mit dem Kopf durchzugehen erlaubt. unwiderleglich scheint dadurch dargethan zu werden, daß Deutschland einen Krieg mit Spanien nicht will und, um ihn zu vermeiden, bis an die äußerste Grenze der Nachgiebigkeit zu gehen geneigt ist. An und für sich könnte uns ja ein Seekrieg mit Spanien lockende Aussichten eröffnen. Unsere junge Flotte hätte Gelegenheit, ihre Feuerprobe zu bestehen und an ihrer Ueberlegenheit über die spanische Marine zweifelt niemand.
Berlin, 7. Sept. Dem Kaiser haben, wie die „Schl. Ztg." constatiert, die in Münster versammelten deutschen Katholiken im ganzen Verlauf der Verhandlungen, in denen man mit derartigen Ovationen wahrlich nicht gegeizt, durch ein Hoch ihre Huldigung nicht dargebracht.
Berlin, 8. Sept. Die englische Presse empfiehlt, Deutschland und Spanien die Vermittlung Englands anzubieten. Die Aufregung in Spanien dauert fort. In Valencia wurde der Wappenschild des deutschen Konsulats abgerissen.
Sechsundfünfzig Bewerber, darunter viele Reserve- und Landwehroffiziere, (?) hatten sich für die vakant gewesene Stelle des Tooengräbers auf dem Berliner Sophienkirchhos gemeldet. Den vielbegehrten Posten hat nun ein Wachtmeister.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 6. Sept. Dem Versuchen einzelner russischer Blätter, namentlich der „Petersburger Zeitung" gegenüber, der Monarchenzusammenkunft in Kremsier eine feindliche Spitze gegen eine einzelne Macht zu importieren, erklärt das hiesige „Fremdenblatt": Die Argumentation des gedachten Blattes sei eine vollständig unbegründete, das Drei- Kaiser-Verhältnis sei kein Komplott gegen irgend eine dritte Macht, sondern ein Bündnis, das den Frieden wolle.
Wenn's so ist, ist es schlimm genug. Der Prager „Prokrok", ein echtes Czechenblatt, bringt die Meldung, daß in der Nähe von Landeskron deutsche Arbeiter über zwei czechische Arbeiter mit dem Ruf: „Schlagt die Czechen tot, sie haben in Königinhof Deutsche geprügelt", hergefallen seien und einen derselben erschlagen Hütten. Auch aus den österreichischen Manöverterrains, besonders aus Pilsen, kommen
Meldungen, daß deutsche und czechische Soldaten an einander geraten und sich mit den Waffen in der Hand bekämpft hätten. Das sind die Früchte der „Versöhnungs-Politik."
Frankreich.
Paris, 5. Sept. Nachfolgende zur Teilnahme an den Manövern hierher kommandierte deutsche Offiziere sind heute eingetroffen und im „Hotel de Lond- res", Rue Castiglione, einem von Deutschen viel besuchten Gasthof, abgestiegen: General v. Alvensleben, Oberstlieutenant v. Lütcken, Major v. Kleist, Major v. Malachowsky.
Paris, 5. Sept. Die „Köln. Ztg." erfährt: Die Errichtung eines deutschen Konsulats in Paris ist beschlossene Thatsache; die Ernennung des ersten Konsuls, eines Beamten, der bisher der Justizverwaltung angehörte, steht allernächstens bevor.
Paris, 5. Sept. „Telegraphe" beklagt die spanischen Patrioten, sie hätten blos Bismarck in die Hände gearbeitet, weil dieser nun einen Vorwand habe, die Karolinen als Pfand für Genugthuung zu behalten. Das Blatt leitet aus dem Konflikt die Warnung für die französische Regierung ab, keine , ehrgeizige Kolonialpolitik zu treiben. „Soir" nimmt ! durchaus für Spanien Partei, Bismarck habe eine ! Duplizität bewiesen, indem er Spanien ein Schieds- ! gericht vorspiegelte und unterdessen das streitige Ob- ! jekt gewaltsam in Besitz genommen. Ganz Europa werde ihn verantwortlich machen.
Paris, 5. Sept. Der ehemalige spanische Minister-Präsident Salmeron sagte zu einem Redakteur der Ligue: „Unsere Rechte auf die Karolinen sind unbestreitbar. Der König ist verloren, wenn er, ein Schiedsgericht acceptiert. Kein Spanier wird ihm auf dieses Gebiet folgen."
Paris, 5. Sept. Infolge mehrfachen Depe- schen-Austausches zwischen Madrid und Berlin, der kein befriedigendes Ergebnis hatte, wurden die beiderseitigen Botschafter heimbeordert. (Ist eine Ente.)
Paris, 6. Sept. Die republikanischen Blätter der Mehrheit fahren fort, die öffentliche Meinung in Betreff des deutsch-spanischen Konfliktes zu beruhigen und die strengste Neutralität Frankreichs zu empfehlen.
Paris, 7. Sept. Dem „Figaro" schreibt man aus Madrid unterm 6.: Heute morgen um 10 Uhr traten die Minister von neuem zusammen unter Vorsitz des Königs. Sie haben beschlossen, von Deutschland zu verlangen, daß es sich von der Insel Jap zurückziehe; im Weigerungsfall wird Spanien alle Beziehungen zu Deutschland abbrechen. Nachmittags fand wieder Ministerrat statt, welcher den ganzen Abend sortdauern wird. Drei Tage sind Deutschland Zeit gegeben zur Antwort, betr. die Räumung der Insel Jap. Ein Koalitionsministerium ist in der Bildung begriffen; es wird den General Lopez Do- minguez und den Admiral Beranger inbegreifen; es ist noch zweifelhaft, ob Canovas den Vorsitz behalten wird, oder ob derselbe an Sagasta fallen wird. Viele wünschen den General Lopez Dominguez an der Spitze des Koalitionsministeriums. Sagasta erklärt, daß er Canovas oder jeden anderen Parteiführer in einer für das Land und die Monarchie so gefährlichen Lage unterstützen werde.
Paris, 8. Sept. In Italien werden bedeutende Truppenmassen zusammengezogen. Die in den Häfen Siciliens liegenden Flotten und Transportschiffe erhielten Befehl, so schnell als möglich nach Palermo abzugehen. Der Zweck dieser Maßregel ist unbekannt.
In Toulon hat man die Beobachtung gemacht, daß den Tag, ehe die Cholera ausbrach, plötzlich sämtliche Schwalben verschwunden waren.
Spanien.
Madrid, 5. Sept. Die deutsche Gesandtschaft wird von 50 Gendarmen bewacht. Militärische und politische Klubs verlangen Revanche gegen Deutschland. Die liberalen Blätter fordern einstimmig die Kriegserklärung.
Madrid, 5. Sept. Der Marineminister hat telegraphisch den Gouverneur von Jap, Caprilles, sowie den Kommandanten der spanischen Kriegsschiffe abgesetzt und den Prozeß gegen sie angeordnet.
Madrid, 7. Sept. Der Polizeioffizier, welchem der Schutz der deutschen Gesandtschaft oblag und der seines Verhaltens wegen verhaftet wurde, wird vor Gericht gestellt. Madrid ist ruhig.
Madrid, 7. Sept. Gestern abend wurden an 200 Schreier verhaftet.
Madrid, 7. Sept. Eine Note des spanischen Gesandten Benomars aus Berlin vom 5. ds., nachmittags , welche eine Unterredung mit den Vertretern des deutschen auswärtigen Amts mittcilt, sowie eine gestern hier abgegebene Erklärung des deutschen Gesandten Graf Solms besagen, daß Deutschland durch den Zwischenfall von Jap weder den Gang der Verhandlung beeinflußt, noch das gute Ergebnis verhindert zu sehen wünscht. Die Rechtsfrage sei dadurch in keiner Weise präjudiziert. Deutschland würde, wenn es die Ansprüche Spaniens gekannt hätte, die Okkupation bis nach erfolgter Verständigung unterlassen haben.
Die Unglücksbotschaft von Aap hat zunächst den beteiligten Seeoffizieren ihre Patente gekostet. Sie scheinen ihre Aufgabe mit einer Gemütlichkeit aufgefaßt zu haben, die in seltsamem Kontrast zu der Hitze ihrer Landsleute steht. Das spanische Schiff war zuerst da, und nur der Bummelei des spanischen Kommandanten hatten die Deutschen es zu verdanken, daß sie bei ihrem Erscheinen nicht eine fremde Flagge aufgepflanzt und die Insel in fremdem Besitz antrafen. Was aber der spanische Nationalstolz den Offizieren noch weniger verzeiht als ihre Langsamkeit, das ist ihr Zurückweichen ohne Kampf. Schon am Dienstag (1. Sept.) lief in Madrid das Gerücht um, die Schiffe, „Quintin", „Manila" und „Bclasco" hätten bei ihrem Erscheinen die deutsche Flagge auf Jap aufgezogen gefunden. Der Kommandant des „Belasco", Capriles habe darauf Entfernung des fremden Banners verlangt, und da dem Begehren nicht entsprochen worden, habe er die Feindseligkeiten eröffnet. Der Kampf war kurz und das Schlachtenglück den Spaniern ungünstig. Der Belasco wurde in den Grund gebohrt, Capriles kam um; die beiden andern Schiffe zogen sich zurück. So dachten sich die Spanier den Verlauf der Affaire. Daß sie nun weniger unglücklich, aber noch viel weniger ruhmvoll verlaufen ist, können sie ihren Seeleuten nicht verzeihen.
Bei der Thatsache, daß die spanischen Revolutionäre die gegenwärtige mißliche Lage ausnützen, steht die Monarchie in dem unglücklichen Lande auf dem Spiel. Aus dem Lande rühren sich bereits die Banden der Sozialisten und auf das Militär, das in Spanien viel zu viel Politik treibt, ist kein sicherer Verlaß. So mag es leicht sein, daß die Krone dem Haupt des vielgeprüften Alfonso entfällt und die Republik mit ihren unseligen Parteiränken und Kämpfen das arme Land in Beschlag nimmt, bis wieder eine stärkere Hand dem Wirrwarr ein Ende macht. Wenn die Dinge in solcher Weise sich ausgestalten — Deutschland trägt in Wahrheit keine Schuld daran.
England.
London, 7. Sept. Die Morgenblätter beklagen sämtlich die jüngste Wendung der Frage wegen der Karolineninseln und sprechen einstimmig die Ansicht aus, daß Spanien Deutschland die vollste Genugthuung schulde. Times betont, Spanien müsse namentlich die Behauptung fallen lassen, daß seine unzweifelhaften Rechte frevelhaft angetastet worden seien. Das Ministerium bedürfe dazu nur etwas moralischen Mut. Sei dasselbe zu schwach, gegenüber dem von Unwissenden und Eigennützigen erhobenen Geschrei für die wirklichen Landesinteressen einzutreten, so könnten ernste Folgen nicht ausbleiben. Daily News meinen, es könne keine Demütigung für Deutschland sein, die Empfindlichkeit Spaniens zu schonen. Morning Post vergleicht die Vorgänge in Madrid mit denen in Paris im Jahr 1870 und glaubt, die revolutionäre Partei in Spanien werde, wenn sie die Oberhand erhalte, dem Land ein Sedan bereiten. Der Standard plaidiert für Ueberweisung der Streitfrage an ein Schiedsgericht. Daily Telegraph spricht sich in ähnlichem Sinne aus und empfiehlt Lord Salisbury, Deutschland und Spanien die Vermittlung Englands anzubieten.
Rußland.
Riga, 3. Sept. Zahlreiche Lehrer deutscher Schulen in den Ostprovinzen wurden entlassen und durch aus Petersburg gesendete ersetzt. In den deutschen Schulen in Mitau, Jacobstadt und anderen größeren Städten ist bereits die vollständige Russifi- zierung durchgeführt. Die hiesigen deutschen Real- und Gewerbeschulen werden bereits mit beginnendem Schuljahre in russische verwandelt.