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wurden gestern verhaftet, weil sie angeklagt sind, an einer Versammlung Teil genommen zu haben, um den Frieden zu stören. Als ein Geheimpolizist bei Schenk vorsprach, war dieser auf das Aeußerste überrascht und erwiderte auf die Aufforderung des Detektives, ihn zum Inspektor zu begleiten: „Ich habe jetzt keine Zeit, werde aber später vorsprechen." Mit dieser Antwort durchaus nicht einverstanden, bemerkte der Polizeibeamte: „Sie müssen unter allen Umständen mit mir kommen, denn ich habe den Befehl, Sie tot oder lebendig nach dem Polizeihauptquartier zu bringen und, bei Gott, ich werde diesen Befehl ausführen. Machen Sie deshalb keinen Unsinn und kommen Sie ruhig mit." Dies imponierte Schenk offenbar, denn er erhob weiter keinen Einwand und ließ sich ruhig fortführen. Während noch Inspektor Byrnes mit ihm ein vorläufiges Verhör anstellte, wurde sein Genosse Braunschweig von einem andern Geheimpolizisten eingebracht. Als der Beamte bei diesem vorsprach, berief Braunschweig sich auf seine Rechte als Bürger einer Republik und verlangte, die Legitimation des Detektives zu sehen. Dieser ließ sich jedoch auf keine langen Auseinandersetzungen ein, sondern wies einfach auf seinen Knüppel und seine Pistolentasche und bemerkte: „Dies ist meine Legitimation und dieselbe verdient Anerkennung." Braunschweig fügte sich solchen Argumenten. Most selbst ließ sich in diesen Tagen auf seinem Bureau nicht mehr sehen. Aus dem Bureau sind alle früher darin befindlich gewesenen aufreizenden Plakate rc. sorgsam entfernt worden; nur eines mit der Aufschrift: „Arbeiter aller Länder vereinigt Euch!" mit auf blutrotem Grunde darunter stehendem Worte: „Freiheit", ist dort noch zu sehen.
Newyork, 15. Mai. Johann Most wurde nach Hinterlegung einer Caution von 1000 Dollars in Freiheit gesetzt. ,
Derges-Weuigkerten.
(Amtliches.) — Von der K. Negierung für den Schwarzwaldkreis wurde unterm 14. Mai ds. Js. der Gemeinderat Zimmermann Michael Schlecht von Martinsmoos zum Schultheißen dieser Gemeinde ernannt.
— In der Zeit vom 15. Mai bis 30. September d. I. werden unter den gleichen Bestimmungen wie im Vorjahr wieder Badeabonnements- f.ahrk arten ll. und HI. Wagenklasse für die Strecken Calw—Liebenzell und Pforzheim—Liebenzell, hin und zurück, ausgegeben.
Stuttgart, 14. Mai. Die >l. Strafkammer des Landgerichts ver' urteilte gestern den 18jährigen Taglöhnrr Friedrich Clauß von Eßlingen wegen eines vollendeten einfachen Diebstahls im Wert von 2 und wegen eines versuchten schweren Diebstahls zu 1 Jahr 6 Mon. Zuchthaus. Der Angeklagte ist rückfällig; er hatte im Jahre 1882 wegen 13 Ladendiebstählen, teilweise durch Emsteigen begangen, 7 Dion. Gefängnis erhalten. Diesmal wurde er morgens 6 Uhr im Laden des Buchbinders Zeh in Eßlingen ertappt , in den er mittels falschen Schlüssels gekommen war. Bei dieser Gelegenheit fand man eine Anzahl Nachschlüssel und einen Dietrich bei ihm versteckt, wodurch der Verdacht erregt wurde, er habe 4 weitere Ladendiebstähle in den Monaten Dezember-Februar begangen, bei denen stets falsche Schlüssel angewendet und über 90 gestohlen wurden. In der That paßten auch -»zwei der Schlüssel des Angeklagten zu Thürschlöffern der bestohlenen Lokale, aber Clauß leugnete beharrlich, der Dieb gewesen zu sein und so mußte er, da keine weiteren Beweise Vorlagen, von diesen Anschuldigungen freigesprochen werden.
— Die Geweihsammln n g im Ludwigsburger Favoriteschloß. Man schreibt aus Ludwigsburg: Die Geweihsammlung im Favoriteschlosse, welche der im Januar v. I. verstorbene Prinz August von Württemberg der Krone Württembergs testamentarisch vermacht hat und die einen Werl von nahezu einer Million Mark repräsentieren soll, erfreut sich gegenwärtig eines regen Besuches. Die Sammlung ist vorigen Sommer durch einen Berliner Künstler schön geordnet worden. In zwei großen Sälen
des Schlosses sind u. a. untergebracht: gegen 500 Rehgeweihe (meist Abnormitäten), über 150 Hirschgeweihe, darunter 50 Stück Damwildgeweih, eine größere Anzahl von ausgebälgtem Wild, wie Wölfe, Wildkatzen, Marder, Luchse, Vielfraße, Gemsen, Bären, Büffel, Steinböcke, Renntiere, Elche, Wildschweine; Köpfe und Felle von Bifamochsen, Muffalons, Auerochsen, Renntieren, Elchen, Gemsen, Wildschweinen, u. s. w. In einem halben Hundert von. Glaskästen sind die verschiedensten Vogelarten ausgebälgt vertreten. Man erblickt da Adler, Birkhüner, Rebhüner, Schneehühner, Auerhühner, Enten, Trappen, Fischreiher, Kraniche, Fasanen u. s. w., alles in schönster Weise zusammengestellt und geordnet. Eine Menge Zieraten, z. B. ein großer Kronleuchter mit 25 großen und kleineren Geweihen, Sofas mit Horngeländer, Fauteuils, Sessel mit Hirschgeweihen, Schreibzeugs, Jagdbestecke, Decken von weißen Wölfen erhöhen den Schmuck der ganzen Sammlung. Mit Dankbarkeit muß es anerkannt werden, daß das K. Hofjägermeisteramt den Eintritt zu dieser interessanten Sammlung für das gesammte Publikum freigegeben hat. Die Karten, welche zum Eintritt in das Favoriteschlößchen berechtigen, sind beim K. Hofjägermeisteramt zuvor in Empfang zu nehmen. Wer nicht im Besitze eines solchen Erlaubnisscheines ist, kann keinen Zutritt zu der Sammlung erhalten.
Mainz, 14. Mai. Maßregeln gegen den Branntweinkonsum. Von Seiten des Polizeiamtes werden soeben alle Branntweinverkäufer und die sonstigen Inhaber von Branntweinschänken aufgefordert, unbemittelten Personen keinen Kredit mehr beim Verkauf von Branntwein zu gewähren und würde bei weiteren Kreditgewährungen dieses die Entziehung der Concession zum Ausschank von Branntwein nach sich ziehen. Auf diese Weise soll dem übermäßigen Genüsse von Branntwein vorgebeugt werden, und weiter hat es sich herausgestellt, daß unbemittelte Personen, darunter sogar nicht wenig Frauen, durch den ihnen gewährten Kredit ganz bedeutende Quanta dieses, das Familienleben ruinierenden Giftes konsumieren; in einem ganz bestimmten Fall ist es sogar vorgekommen, daß eine Person binnen kurzer Frist für ca. 200 M. Branntwein in einer Schänke auf Kredit gekauft und auch selbst konsumiert hat. Es läßt sich nicht leugnen, daß durch leichtsinniges Kreditgeben bei dem Ausschank von Branntwein eine Verbreitung der Branntweinpest hervorgerufen wird.
Krossen, 15. Mai. Gestern Nachmittag wurden durch eine furchtbare Windhose hier große Verheerungen angerichtet. Häuser sind eingestürzt, fast sämmtliche Dächer und Scheiben sind beschädigt. Der Kirchturm ist herabgestürzt, er demolierte ein benachbartes Haus. Militär und Feuerwehr räumen die Trümmer weg. Einige Personen sind schwer verletzt hervorgezogen worden, mehrere sind tot. — Aus der Oder versanken zwei Schiffe, fünf Personen sind umgekommen, der Schaden ist bedeutend. (Krossen mit 7000 Einwohner im Reg.-Bez. Frankfurt a. O. liegt an der Einmündung des Bober in die Oder, an der Bahn von Frankfurt a. O. nach Posen.)
— Ein heftiger Wirbelwind richtete in Madrid und in der nächsten Umgebung große Verwüstungen an; zahlreiche Häuser wurden zerstört , der obere Teil des Turmes der Kirche San Jeronimo stürzte ein. Die Zahl der bei der Katastrophe Gelöteten wird auf 50, die der Verwundeten auf 400 geschätzt. Tausende von Bäumen wurden entwurzelt.
— Aus Kansas City, Missouri, kommt die Meldung, daß daselbst ein furchtbarer Sturm und Wolkenbruch am 11. Mai gehaust hat. Ein Schulhaus wurde teilweise umgeweht. Viels Schulkinder wurden unter den Trümmern begraben, einige wurden getötet, andere lebensgefährlich ver- lezt. Die Drahtseilbrücke über den Missourifluß wurde völlig zerstört und eine Anzahl Personen dabei getötet und verwundet. Auch aus dem umliegenden Gebiet werden Unglücksfälle in Folge von Einsturz von Gebäuden gemeldet. Im Ganzen büßten 20 Personen, einschl. 11 Schulkinder, in der Stadt ihr Leben ein. .
8. Kapitel.
Ein Kamps im Dunkeln.
In der „Fuchsbau" genannten Penne des Vater Christoph begann es sich mit Anbruch der Dunkelheit unheimlich zu regen und lebendig zu werden.
Aus Kammern, Nischen und Osenecken hervor krochen Diejenigen, deren unsauberes Gewerbe sie zwang, die Nacht zum Tage zu machen, während andererseits Die in den „Fuchsbau" Hinabstiegen, welche den Tag über sich unredlich geplagt und nun Anspruch hatten auf die Ruhe oder Unruhe des beliebtesten Stelldicheins der weltstädtischen Verbrecherwelt.
Bassermann'sche Gestalten, so weit man blickie! Und Alles bestrafte Menschen. Selbst Vater Christoph war ein alter Verbrecher, welcher sich in seiner gefängnisfreien Zeit genug zusammenge—stöhlen hatte, um nun als Pennvater auf seinen schwer verdienten Lorbeeren auszuruhen.
Der „Fuchsbau" entsprach durchaus seiner volkstümlichen Bezeichnung. Es war eine umfangreiche Höhle mit vielen Gängen und Kammern. Nur wenige klein brennende Gasflammen sorgten für eine spärliche Beleuchtung, welche noch beeinträchtigt wurde durch einen intensiven Qualm, der sich von kurzen Pfeisen und schlechten Cigarren der Gäste verbreitete, ohne irgendwo einen Abzug zu finden.
Zu diesem verrufenen Lokale begaben sich jetzt in später Nachtstunde Dupral und sein Freund, der Baron.
„Komm' nur, mein Freund," sagte Dryden ermunternd zu dem zögernden Duprat, in dessen Phantasie sich der „Fuchsbau" denn doch nicht ganz so elend und ekelerregend gemalt hatte. „Da Du bei mir bist, hast Du Nichts zu besorgen. Man kennt mich hier und keine Krähe hackt der anderen die Augen aus."
„O, ich fürchte auch Nichts von diesen Menschen; ich bin kein Schürzenheld", sagte Duprat pcalerisch. „Aber wenn ein Geheimer mich hier sehen sollte —" , ..
„Ohne Sorge! Die kommen selten mehr, seitdem sie wissen, daß sie hier
verlorenes Spiel haben. Der Christoph ist ihnen zu schlau; und was das Beste, sie können ihm Nichts anhaben."
Duprat schien trotz dieser Versicherungen wenig beruhigt.
Dryden führte ihn durch mehrere höhlenartige Gewölbe, welche sämtlich mit Menschen überfüllt waren, nach dem Platz, wo Riston beim Glase Schnaps saß.
Dies war in einem der kleineren Räume, welche nur durch eine einzige Gasflamme erhellt wurden und deren der „Fuchsbau" eine beschränkte Anzahl zur Verfügung hatte.
Es waren nur wenige Männer darin, und die nahmen von den Eintretenden keine Notiz. Unter ihnen befand sich auch ein Kahnfahrer, welcher schon stark angetrunken war.
Riston saß in der hintersten Ecke des Zimmers; in der anderen Ecke lag ein schwarzes Bündel, welches dem Schiffer zu gehören schien und das Duprat's Aufmerksamkeit nicht weiter erregte.
Er dachte nur noch an Riston, auf den sich seine Blicke jetzt forschend richteten.
Dies war ein Mann in vorgeschrittenen Jahren, mit einem verwilderten Aussehen und einer entsprechenden Unstätheit in seinem Blick und ganzen Wesen. Sein unrasiertes Gesicht war mit ungleichmäßig verteilten Bartstoppeln bewachsen. Markante Züge, tiefe Falten und ein gelber Teint vollen- beten das wenig einnehmende Antlitz.
Duprat wurde ihm von Dryden als ein gewisser Steiner vorgestellt, der in Amerika, wo Riston gewesen sein wollte, einen verschollenen Bruder hatte, über den er von Jenem etwas zu erfahren hoffte; er selbst gerierte sich als reicher Mann. Das Beste und Teuerste, was Küche und Keller des Vater Christoph hergaben, mußte heran. Riston schwelgte in einem Genuß, welchen er sehr, sehr lange entbehrt hatte. Er freute sich der gebildeten Gesellschaft, der reich besetzten Tafel, der feurigen Weine und guten Cigarren, welche Duprat aus seinem eigenen Vorrat ihm darbot, kurz, des ganzen vergnügten Beisammenseins. (Fortsetzung folgt.)