Paris, 31. Juli. Ueber die Neubesetzung des hiesigen deutschen Botschafterpostens ist sicheren Informationen zufolge noch keine bestimmte Entschei­dung getroffen. Es scheint aber, daß nur Gras Münster oder Graf Hatzfeldt in Aussicht ge­nommen sind.

Das Telephon als Lebensretter. In Aix (Frankreich) erschienen am 24. d. M. in der Wohnung des Kaufmanns B. zwei als Ladendiener gekleidete Männer, welche eine kleine Kiste überbrach­ten. Sie verlangten von Frau B., die allein zu Hause war, eine Empfangsbestätigung. Um diesem Verlangen nachzukommen, begab sich Frau B. ins Comptoir, bemerkte jedoch, daß die Männer die Kiste öffneten und aus derselben Stricke und Einbruchs­werkzeuge entnahmen. Frau B. stürzte, Böses ahnend, zum Singnalapparate des Telephons, und kaum hatte sie auf den Tastrr desselben gedrückt, als die Männer sie überfielen und zu erdrosseln suchten. Der Beamte der Zentralstation eilte auf das gege­bene Singnal znm Apparate und hörte verworrene Hilferufe. Er verständigte hievon seine Kollegen, welche sofort zum Hause des B. eilten. Sie fanden die Wohnungsthür verschlossen, klopften mehrere Male und sahen plötzlich einen der Räuber vom zweiten Stockwerke in den Hof springen, wo er besinnungs­los liegen blieb. Der zweite Räuber öffnete plötz­lich die Thür und wollte mit Gewalt durchbrechen, wurde jedoch festgenommeu. Im Bureau fand man Brau B. mit Schnüren erdrosselt auf dem Boden liegen. Der Arzt, der sogleich zur Stelle war, kon­statierte, daß, wenn sich nicht sofortige Hilfe einge­funden hätte, Frau B. nach wenigen Minuten ge­storben wäre.

Die Franzosen scheinen ohne überseeische Aben­teuer nicht leben zu können. Kaum sind sie die Sorge um Anam wenigstens teilweise los, da gehen sie auch schon daran, sich neue Colonialsorgen aufzubürden. Das Ministerium Freycinet wird sich von den Kam­mern 12 Millionen Franken geben lassen, um die Aktion auf Madagaskar wieder aufzunehmen. Na­türlich soll es auch hier sich wieder nicht um eine Eroberung" , sondern nur um dieVerteidigung" der Rechte Frankreichs handeln. Das ist die alte Geschichte, es wird genommen und erobert, man sagt aber, es werde nur verteidigt und erhalten, was Frankreich schon lange gehöre.

In dem Pariser St. Louis-Hospital sind, wie wir demDaily-Telcgr." entnehmen, durch ein Versehen eines Apo- thekcrgchilsen zwei Patienten vergiftet worden. Der Arzt hatte für zwei Männer, von denen der Eine an Tuberkulose und der Andere an der Bright'schen Krankheit litt, eine Medizin verschrieben und der erwähnte Apothckergehiife aus Versehen zwei Dosen tödlichen Gifts der Krankcnwärterin gesandt. Die Kranken fielen sofort tot in ihre Kissen zurück, nachdem sie die Medizin genommen hatten. Es wurde sogleich eine Un­tersuchung eingcleitet, und als der unglückliche Gehilfe, welcher ein ausgezeichnetes Examen bestanden hatte und erst vor 3 Monaten in das Hosspital getreten war, seinen Jrrtnm er­kannte , wollte er sich ebenfalls vergiften, wurde daran aber durch seine Kollegen verhindert.

England.

London, 30. Juli. Gutem Vernehmen nach sind in London allein nahezu 100 Millionen Pfund auf die egyptische Anleihe gezeichnet.

London, 30. Juli. Die afghanische Grenz­frage versumpft vorläufig; denn Lord Salisbury verfügt über kein Mittel, durch welches er einen be­sonderen Druck ausüben könnte, es sei denn, daß er gleich zu kriegerischen Drohungen überginge, während Rußland daran gelegen sein muß, wegen der augen­blicklichen furchtbaren Hitze in Mittelasien die Frage in die kühlere Jahreszeit, etwa bis Ende September, hinauszuschieben. Die englische Regierung hat diese Taktik vorläufig durch die Ernennung des Generals Robert zum obersten Befehlshaber in Indien beant­wortet, der die Möglichkeit eines russischen Vorstoßes gegen Herat auf Herbst berechnet.

London, 31. Juli. Lord Salisbury empfing gestern aus Petersburg eine Depesche Thornton's über die Zulfikarfrage. DieMorning Post" will wissen, Giers habe Thornton versichert, der Kaiser von Rußland sei der Meinung, daß eine schleunige Lösung der afghanischen Grenzfrage von größter Wichtigkeit und im Jntersfe des Friedens sei, der ihm ebenso sehr am Herzen liege, wie den übrigen euro­päischen Mächten.

London, 31. Juli. Auf Grund guter Autorität wird berichtet, daß China sofort Rußland den Krieg erklären würde, falls dasselbe in Korea eindringe. Rußland.

Moskau, 28 Juli. Der Generalgouverueur

Fürst Dolgorukow erließ eine Verordnung, wonach die Moskauer Waffenhändler Schießgewehre, Patronen­büchsen, desgleichen Revolver und Revolverpatronen nur Denjenigen verkaufen sollen, die einen Erlaubnis­schein vorweisen. Zuwiderhandelnde werden mit 500 Rubel oder 3monatlichem Arrest bestraft.

Amerika.

(Eine merkwürdige Hochzeit.) In Philadelphia fand vor Kurzem die Trauung des armlosen Wundermannes John Hubert mit einem 2ljährigen. völlig normalen, schönen Mädchen, Fräu­lein Sadie Bonstein statt. Während der Trauung nahm Hubert den Verlobungsring mit den Zehen aus der Hand des Priesters; dann erfaßte er mit dem Fuße die Hand der Braut und steckte ihr den Ring an. Er selbst plazierte den goldenen Reifen an der vierten Zehe seines linken Fußes. Nach der Trauung schlang der glückliche Neuvermählte den linken Fuß um die Taille seiner Braut, drückte sie an sich und gab ihr einen Kuß auf die Stirne.

Egypten.

Die Subscription für die neue ägyptische Anleihe in Höhe von 9 Millionen Pfund ist am 30. Juli in London, Paris und Berlin eröffnet wor­den. Die ägyptische Notabelnversammlung wird das Nähere über die Verwendung des Geldes zu bestim­men haben. Ob dem unglücklichen Land nun endlich geholfen werden wird? wer weiß es!

Afrika.

Endlich ist auch die Herstellung einer tele­graphischen Verbindung zwischen Europa und der ganzen afrikanischen Westküste end- giltig gesichert. DieSpanische National-Telegraphen- Kompagnie" hat das Recht erworben, ihr Kabel vom Senegal bis zu den portugiesischen Besitzungen Bengue- la, Mosfamedes und bis zur Kapkolonie zu verlängern; das Kabel soll, wie dasMouv. geogr." mitteilt, alle englischen, französischen und portugiesischen Kolo­nien der Westküste Afrikas verbinden. Auch die Regierung des Kongostaates wird mit der Gesell­schaft in Verbindung treten. Es ist wohl kaum da­ran zu zweifeln, daß auch die westasrikanischen Be­sitzungen Deutschlands, wenigstens Kamerun, Anschluß au das Kabel erhalten werden.

Allerlei.

Gereimte Verhaltungsmaßregeln. DerSporn" bringt einen nicht neuen, doch immer beherzigenswerten Reim, welcher in England in vie­len Ställen angeschlagen sein soll:

Bergauf treibe mich nicht,

Bergab überjage mich nicht,

Auf der Ebene schone mich nicht,

Im Stalle vergiß mich nicht,

Des Heu's und Hafers beraube mich nicht,

Mit gutem Wasser geize nicht,

Schwamm und Bürste schone nicht,

Weiches, trockenes Lager entzieh mir nicht,

Wenn müde und im Schweiß vergiß mich nicht, Wenn krank oder naß vor Zugluft schütze mich, Mit den Zügeln reiß mich nicht,

Bist Du verärgert dann hau mich nicht."

Ein Mittel gegen die Cholera hat Dr. Godefroy in Delhi erfunden. Von 14 mit die­sem Mittel behandelten Cholerakranken starben nur zwek. Man giebt keine Medizin, sondern läßt die Natur allein handeln und sorgt nur für eine gute Cirkulation des Blutes. Sobald die Pulsschläge des Patienten schwächer werden, macht man eine Haut­einspritzung von warmem Wasser, dem Salz zugefügt wird. Eine Viertelstunde nach der Einspritzung be­lebt sich der Puls und die Choleraerscheinungen tre­ten wieder auf. So oft der Puls nachläßt, wieder­holt man dieselbe Einspritzung. Sobald der Kranke wieder zur Besinnung kommt, ist das Gift zerstört; man giebt ihm dann zur Kräftigung Portwein und andere stärkende Nahrung.

Folgende von einem biedern Sachsen her­stammende Briefadresse ist kürzlich bei einem Berliner Postamte eingegangen:

an Harn

Eischen Kehler,

autz dräsen, alleweile aber mit seine Frau in

Berlin.

im hodell te Rom under de Lindenbeeme, 's zimmer wees ich nich, aber der gällner.

de briefmarge is uf de andre seide, indem, weil se hier nich mähr hingink."

Der Brief kam aus Dresden Altstadt 1. Auf

der Rückseite war zu lesen:absänder Karl Fogge. geht niemanden nischt an!"

Hausfrauen-Rezepte. Gegen rauhe Hände gebrauche Citronensaft. Mit warmer Milch und Wasser kannst Du Oeltuch ohne Seife reinigen. Eine heiße Schaukel über Möbel gehalten, nimmt weiße Flecken davon weg. Streue Saffafrasrinde unter getrocknete Früchte, um die Würmer davon zu halten. Eine Hand voll Heu mit Wasser in einen neuen Eimer gethan, nimmt den Geruch der Farbe fort. Tintenflecke auf Seiden-, Wollen- und Baumwollenstoffen lassen sich mit Terpentin ent­fernen. Thue nie saure Gurken in einen Topf, worin Schmalz gewesen ist. Eine Mischung von Bienenwachs und Salz macht alle Bügeleisen so glatt wie Glas. Fische lassen sich viel besser abschuppen, wenn man sie einen Augenblick in heißes Wasser hält. Zähes Fleisch kocht ebenso weich wie anderes, wenn man dem Wasser ein we­nig Essig zufügt. Um das Weiße von Eiern schnell zu schlagen, thue eine Messerspitze voll Salz hinein; je kühler die Eier sind, desto schneller geben sie Schaum. Alte Butter wird wieder wohl­schmeckend, wenn man dieselbe mit frischem Wasser gut auswäscht und dieselbe Prozedur nachher mit Milch wiederholt. Dann knetet man in die Butter ein wenig Puderzucker, streut Salz darauf und die Butter ist wieder gut.

Das Lachen. Ein älterer englischer Philosoph sagt in einer Abhandlung über das La­chen: Der Offene und der Freimütige läßt, wenn er lacht, den Selbstlauter a ertönen, der Phlegmati­ker e und i. A mit o verbunden beizeichnet Frei­gebigkeit und Dreistigkeit. E und u giebt den Geiz­hals und Heuchler zu erkennen. Personen, von de­nen die eine a und o, die andere a und i beim La­chen hören lassen, sympathisieren mit einander, und können, falls sie zweierlei Geschlechts sind, gute Ehe­leute werden. Dicke Leute lachen mehr als magere. Dem Nielachenden gehe man aus dem Wege. In­neres Lachen bezeichnet Bosheit. Wüstes Lachen ver­rät den Thoren, stilles Lächeln zeigt den Weisen an.

Einfaches Mittel gegen Insekten auf Zim­mer- und Fensterpflanzen. Man sammle Zigar­renreste, thue sie in eine Flasche und gieße Regen­wasser darauf. Nach einigen Tagen ist die Flüssig­keit zum Gebrauche fertig, je länger sie aber gestan­den hat, desto besser ist sie. Man wendet sie mit einem Pinsel oder Schwamm an. Der Flasche setzt man neue Tabaksabfälle und neues Wasser zu. Natürlich läßt sich dieses Mittel auch in ausgedehn­tem Maßstab anwenden, wenn man sich größere Vor­räte an Tabakswasser bereitet, wozu man schlechten Tabak mit siedendem Wasser übergießt. Diese Flüs­sigkeit hat sich als ein vorzügliches Vertilgungsmittel gegen Blattläuse bewährt. Nach einigen Stunden werden die Pflanzen mit reinem Wasser gewaschen oder gespritzt.

Ein Sprach-Curiosum. Folgendes Curiosum erwähnt die Festzeitung des sechsten deut­schen Turnfestes in ihrer letzten Nummer. Es lebte zu Zeiten Gutsmut's ein tüchtiger Vorturner Namens Redel, welcher gegen die damalige Sitte, beim Tur­nen Ledergurte um den Leib zu tragen, als die Be­wegung der Bauchmuskeln hindernd, lebhaft eiferte. Er selbst trug nie einen solchen Ledergurt und man sagte von ihm:Ein' Ledergurt trug Redel nie." Liest man nun diesen Satz von hinten nach vorn, Buchstabe für Buchstabe, so lautet derselbe eigen­tümlicher Weise wieder:Ein' Ledergun trug Redel nie."

Scherrratfel.

Willst löschen Du des Durstes Brand,

Im Bretspicl nicht verlieren,

Und willst erobern Leut' und Land,

So lern' mich thun und führen.

Doch wer da Neigung hat und Lust,

Daß er ein Weib erküre,

Der forsch' erst tief in seiner Brust,

Ob ihn zu ihr ich führe.

Und ohne mich wird manches Kleid Gar schlecht am Leibe sitzen

Und ach, was würden weit und breit Die Eisenbahnen nützen!

Wer sprechend, brav in mich gerät,

Dem wird das Wort geraten,

Der, wer in mir viel sitzt und steht,

Dem wirds am Le ibe s chaden._

Bkrankwörllicher Redakteur Skeinwandel in Nagold. DruL und

Berla, der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung iu Nagold.