übrigen Fabriken beschäftigten Glasarbeiter am Sonntag frei sein möchten. Was bei dem Einen ginge, müsse doch bei den Anderen ebenfalls möglich sein. Auch das Zeitungswesen könne eine Einschränkung erfahren, die Montagsblätter könnten gänz­lich wegfallen und eine gesetzliche Regelung sei auch hier dringend zu wünschen, da ohne eine solche die einzelnen Ver­leger der Konkurrenz wegen es nicht thun könnten, selbst wenn sie wollten; ebenso sei es mit dem Branntweinbrennbetrieb, den der Kanzler so sehr in Schutz genommen habe. Nach Schluß des Vortrags verlas Redner, da Niemand zur Dis­kussion sich meldete, die oben erwähnte Resolution. Mit ei­nem Hoch auf den Abgeordneten Psannkuch, dem ein zweites auf die Sozialdemokratie folgte, ging die Versammlung unter fortgesetzten Rufen und schwachem Zischen von Seiten der Gegner auseinander.

Baden, 7. Juni. Der deutsche Kronprinz ist soeben 7 Uhr abends nebst hohem Gefolge zum Besuche der Kaiserin eingetroffen und hat im Eng­lischen Hofe Absteigequartier genommen. Derselbe wird morgen die Reise nach Berlin fortsetzen.

Bei dem Bierpantscherprozeß in Neuburg wurde konstatiert, daß die Herren Brauer, welche ihr Publikum mit geschmiertem Bier betrogen, selbst wieder von den biederen Fabrikanten mit gefälschten Schmiermitteln betrogen wurden. Die Herren sind also einander vollkommen wert. Einer der Pani­scher redete sich in Neuburg damit aus, daß er das gepantschte Bier janur" seinen Dienstboten und den Bauern gegeben habe.

Bayreuth, 6. Juni. DerBismarckattentäter Kullmann wurde heute wegen Beleidigung der Mi­nister Dr. Frhr. v. Lutz und Dr. v. Fäustle, des Zuchthausdirektors Herzinger in St. Georgen, des Zuchthausarztes Dr. Haumich und des Aufsehers Fahrmberger zu einer Gesamtgefängnisstrafe von 5 Jahren verurteilt.

Regensburg, 6. Juni. Die Beerdigung des Fürsten von Thurn und Taxis findet heute statt. Die Beisetzung hat vormittags 11 Uhr gemäß dem Programm stattgefunden. Die Stadt war beflaggt, meist in den Taxis'schen Farben blau und rot mit Trauerschleifen. Vom Rathause wehte eine mächtige schwarze Flagge. Sämtlicher Verkehr war einge­stellt, alle Läden geschlossen. Auch in Stadtamhof wehten Taxis'sche Flaggen. Ein Bataillon des 11. Infanterie-Regiments war ausgerückt, um während der Trauerzeremonien die gebührenden Ehrenbezei­gungen zu leisten. Die Einsegnungen nahm Bischof Senestrey unter Assistenz zahlreicher Geistlichkeit vor, worauf die Beisetzung in der unter der fürstlichen Hauskapelle befindlichen Gruft erfolgte. An der Leichenfeier konnten nur die fürstlichen Personen, die Taxis'schen Beamten und speziell geladene Gäste aus der Stadt teilnehmen.

Gießen, 7. Juni. Der Geograph und Ethno­graph Professor Robert v. Schlagintweit ist gestern gestorben. Derselbe wurde am 27. Oktober 1833 geboren als einer der jüngeren Söhne der bayeri­schen Naturforscherfamilie.

Die Zahl der sämmtlichen Taubstummen der Welt beträgt nach den Ermittlungen des Dr. Moufang in Mainz ungefähr 800000 und von ih­nen sind 63"/ taub geboren, 37°/» später taub ge­worden. In 397 Taubstummenanstalten werden zur Zeit 26 473 Taubstumme von 2000 Lehrern unter­richtet. Derartige Anstalten besitzen: Deutschland 90, Oesterreich-Ungarn 17, Schweiz 1l, Frankreich 67, Großbritannien und Irland 46, Italien 35, Ruß­land 10 und die Vereinigten Staaten 65.

Berlin, 4. Juni. Heute wurden dem Kaiser die Seeleute von der Olga im Palais vorgestcllt. Es sind das die Braven, welche in Kamerun das Leben und Gut unserer dortigen Landsleute beschütz­te» und zum Teil für Deutschlands Ehre im fernen Auslande geblutet haben. Sie find seit einigen Tagen auf Befehl des Kaisers, welcher der Flotte einen besonderen Beweis seiner Achtung und Zu­friedenheit geben wollte, in Berlin, um vor dem kais. Hause Wache z» stehen. Berlin beschäftigt sich in großer Teilnahme und Neugierde mit dem selte­nen Anblick der Marineuniform vor dem Palais und der männlichen wctterbraunen Gesichter der Leute. Der Kaiser richtete an alle zusammen das Wort des Lobes und der Anerkennung und reichte dann zum Abschied Jedem die Hand. Die Audienz dauerte bei­nahe eine Stunde. Es find im ganzen 8 Mann, außer dem Obermaat. Davon sind 3 Brandenbur­ger, 3 Württemberger, 1 Bayer und 1 Snch'e.

Berlin. 6. Juni. DerReichsauzeiger" ver­öffentlicht eine Bekanntmachung betreffend die Anmel­dung der i, n fa llvcrjich eru » gsp flich tig en Betriebe. DasRcichsgesetzblatt" veröffentlicht >

das Gesetz über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung.

Berlin, 6. Juni. Der Kaiser ist nunmehr völlig genesen. Für den 13. Juni ist die Ab­reise Sr. Majestät nach Bad Ems in Aussicht ge­nommen. Heute abend 7 Uhr hat der Kaiser die erste Ausfahrt nach dem Tiergarten unternommen.

Berlin, 8. Juni. An der Dampfschiffstation Taberts Waldschlößchen" (Spreevergnügungsort) brach in vergangener Nacht in Folge zu starken Menschenandrangs die Einsteigebrücke zusammen; etwa 40 Personen stürzten in ein vier Fuß tiefes Wasser, wobei zwei Erwachsene und ein Kind um­kamen.

Herr Eugen Richter macht im Reichsfreund bekannt, daß sein neues Blatt unter dem Namen Freisinnige Zeitung vom 1. September d. I. ab als Morgenblatt sechsmal wöchentlich erscheint. Nach anderweiten Nachrichten wird der Abgeordnete Parisius die Redaktion übernehmen.

Ein Monstre-Sozialistenprozeß wird sich demnächst vor dem Landgericht in Chemnitz abspielen. Angeklagt sind neun Teilnehmer an dem im März 1883 in Kopenhagen stattgehabten Sozia- listen-Kongreß, darunter die Reichstags-Abgeordneten Auer, Bebel, Dietz, Frohme, Viereck und v. Vollmar, ferner der Geraer Landtagsabgeordnete Ulrich. Die 108 Bogenseiten lange Anklage beschuldigt die ge­nannten Herren der Teilnahme an einer geheimen Verbindung in der Organisation der sozialdemokrati­schen Partei selbst. Für die Dauer der Reichstags- Session war die Klagesache sistiert worden. In der von dem Abg. Viereck eingereichten Klage-Beantwor­tung wird bestritten, daß die Organisation der sozial­demokratischen Partei den Charaktee einer geheimen Verbindug trage, und zum Beweise die zeugeneidliche Vernehmung der Preußischen Minister v. Puttkammer und, v. Bötticher, des bayerischen Ministers v. Fei- litzsch rc., sowie aller derjenigen Verwaltungschefs in den Einzelstaaten bis zu den Landräten, Bürger­meistern und Polizeidirektoren herab vorgeschlagen, in deren Bezirken eine sozialdemokratische Bewegung von Bedeutung vorhanden ist. Außerdem wird noch auf das Zeugnis des Herren Dr. Windthorst, v. Bennigsen, Stöcker, Svnnemann rekurriert, welche bekunden sollen, daß auch andere Parteien dieselbe Organisation haben, wie die Sozialdemokratie.

Schweiz.

Basel, 8. Juni. Gestern abend prallte ein 15 Personen enthaltendes kleines Schiff an ein Joch der alten Rheinbrücke: das Schiff kenterte und acht Personen ertranken.

Frankreich.

Paris, 5. Juni. DasKathol. Missions­blatt" veröffentlicht einen Brief des Bischofs von Tongking, Msgr. Paginier, nach welchem die Banden der Aufständischen und die Schwarzflaggen wieder anfangen, die christlichen Dörfer der Provinzen Son- Tay, Hong-Hoa und Tuyen-Quang zu verwüsten. Die Einwohner sind, um de» Niedermetzelungen zu entgehen, gezwungen, sich nach den von den franzö­sischen Truppen besetzten Orten zu flüchten. Am 13. April waren 30 christliche Niederlassungen zerstört.

Wie man derPolit. Korresp." aus Paris unter dem 6. ds. meldet, wird gleichzeitig mit den Beratungen über die Neutralisierung des Suezkanals auch der Plan einer Neutralisierung ganz Egyptens in Erwägung gezogen. Man glaubt in diplomatischen Kreisen, daß die Pforte demselben keinen ernstlichen Widerstand entgegensetzen werde, vorausgesetzt, daß tziefür eine Form gefunden werde, welche den Souveränetätsrechtcn des Sultans keinen Eintrag thut. Zur Stunde werden türkischerseits in Betreff der Formulierung der auf die Ueberwachung des Suezkanals bezüglichen Bestimmungen Schwierig­keiten erhoben. Das französische Kabinet halte jedoch keineswegs unnachgiebig an seinem Standpunkte fest, sondern wünsche durch eine Transaktion zwischen den divergierenden Anschauungen eine Verständigung in dieser Frage herbcigeführt zu sehen.

Paris, 8. Juni. (Bonapartistische Kundge­bung auf Korsika.) DasParis" erhält fol­gende Mitteilung aus Kprsika : Bastia 3. Juni. In Folge der abscheulichen Kundgebungen der städtischen Musik von Bastia, deren Mitglieder bei der Nach­richt vom Tode Victor Hugo's die Straßen durch­zogen, gefolgt von einer Menge, die begeistertVivo l'empsreur!" rief, hat der Präfcct von Korsika die Auflösung dieses MnsikvcrcinS verfügt. Sofort trat

der Gemeinderat von Bastia auf Einberufung deS Bürgermeisters zusammen. Das ganze Aufgebot der bonapartistischen Partei wohnte dieser Sitzung bei. Der erste Adjunct des Bürgermeisters bean­tragte, der Gemeinderat solle dem Präfecten einen Tadel erteilen, wenn derselbe nicht innerhalb 24 Stunden seine Verfügung zurücknehme. (Langer Beifall unter den Rufen:Es lebe der Kaiser!") Die Sitzung wurde auf morgen vertagt. Eine leb­hafte Aufregung herrscht in der Stadt. Unter den­jenigen, welche oem Antrag am eifrigsten Beifall ge­spendet , befanden sich alle Polizeidiener. Ernste Conflikte sind zu befürchten, wenn die Regierung nicht einschreitet.

Paris, 8. Juni. Der Schneider-Strike hat heute vormittag sein Ende erreicht, die Mehrzahl der Schneider hat die Arbeit wieder ausgenommen. Spanien.

Die von Madrid nach Valencia abgesandte Sanitätskommission hat festgestellt, daß in Valencia und ungefähr 20 Städten und Dörfern die wirkliche asiatische Cholera herrscht. Die Zahl der in Behandlung befindlichen Kranken wird auf mehrere hundert angegeben.

England.

London, 9. Juni. Das Unterhaus verwarf mit 264 gegen 252 Stimmen in zweiter Lesung die Annahme der Budgetbill; mithin ist die Regierung geschlagen, die aus dem Votum eine Kabinetsfrage gemacht. Auf Gladstones Antrag wurde das Haus sofort vertagt.

Endlich haben sie einmal einen erwischt, einen englischen Fischerkutter nämlich in der Nord­see. Alljährlich wiederholt es sich, daß die Engländer in ganzen Flotillen in die Nordsee kommen und in dieser nach Herzenslust fischen, wozu sie nicht berech­tigt sind. Sie liefern auch den deutschen Fischern regelrechte Seegefechte oder nehmen denselben, wenn diese in der Minderzahl sind, ihre gefangene Beute ab. Um die Engländer zu verjagen, wird stets ein kleineres deutsches Kriegsschiff in die Nordsee geschickt und dieses, der AvisoPommerania", hat jetzt einen englischen Fischerkutter im Schlepp nach Wilhelms­haven gebracht.

Rußland.

Rußland hat mit großer Präzision auf die Zollerhöhungen Deutschlands geantwortet. Es hat eine lange Reihe namhafter Zollerhöhungen auf sämtliche metallische und mineralische Erze, auf Eisen, Kupfer, Blech und sämtliche daraus hergestellte Halb- und Ganzfabrikate die Sanktion des Kaisers erhalten und ist amtlich publiziert worden, wird also auch unmittelbar in Wirksamkeit treten. Für unsere heimische Metallindustrie, die schon längst nur noch mit den äußersten Schwierigkeiten in Rußland Absatz finden konnte, ist das ein harter Schlag. Denn es scheint fast, daß die neuen Zölle hoch genug sind, um geradezu prohibitiv zu wirken. Das ist die Kehr­seite der Medaille von dem Schutz der nationalen Arbeit. Und was Rußland thut, wird auch anders­wo Nachahmung finden. Denn nicht blos in der Schweiz rüstet man sich zu Retorsionsmaßregeln, auch in Oesterreich-Ungarn tritt die Tendenz immer entschiedener in den Vordergrund, den Zoll­krieg energisch aufzunehmen.

Türkei.

Konstantinopel, 8. Juni. Samstag abend ist in Stambul eine Feuersbrunst ausgebrochcn, wobei gegen dreihundert Gebäude verbrannten, dar­unter fünfzig Kaufläden und drei Moscheen. Eine Person ist tot, mehrere verletzt.

Die türkische Regierung beabsichtigt, durch Vermittlung des preußischen Ministeriums der Medi­zinalangelegenheiten zwei tüchtige, mit der französi­schen Sprache einigermaßen vertraute deutsche Apo­theker gegen einen Monatsgehalt von 370 und einen Zweimonatsgehaltsbetrag als Reisevorschuß, der durch die türkische Botschaft in Berlin ausge­zahlt werden wird, anzunehmen. Die betreffenden müßten sich, wie dieAugsb. Abdztg." schreibt, einstweilen zu einer zweijährigen Dienstzeit verpflich­ten, stehen dem Namen nach uncer einem Direktor, sind übrigens aber selbständig.

Amerika.

Newyork, 9. Juni. Nachrichten aus Mexiko zufolge wurden bei Lagos durch eine Wasserhose gegen 100 Personen getötet.

Afrika.

Italienische Blätter brachten die Meldung ans