wie daS ja natürlich ist, einigermaßen nachgelassen; dazu kommt, daß die Nacht zum Sonntag recht schlecht verlief, während wiederum die heutige Nacht vorzüglich gewesen ist. Als treue Pflegerin bewährt sich wiederum die Großherzogin von Baden, die glücklicherweise jetzt ihrer Sorge um den an den Masern erkrankten Erbgroßherzog von Baden enthoben ist, da dieser jetzt bei warmer Witterung schon wieder Spazierfahrten unternehmen kann. Die Germania, die direkte Nachrichten aus dem Palais zu haben scheint, schreibt: „Der Kaiser hat am Samstag den ganzen Tag im Bett zubringen müssen und ist am Abend nur aufgestanden, um eine Suppe zu sich zu nehmen. Neben dem Leibarzt des Kaisers, Herrn Generalstabsarzt Dr. v. Lauer, ist noch ein anderer Arzt zugezogen worden, dessen Assistenzarzt Tag und Nacht im Palais bleibt, ißt und trinkt. Die Großherzogin von Baden unterrichtet täglich die Kaiserin in schonendster Weise über das Befinden Seiner Majestät. Ueber das Leiden der Kaiserin sind die Blätter nicht gut unterrichtet. Die hohe Frau ist kränker, als man glaubt. Ein Bruchleiden ist aufgebrochen und verursacht der Kaiserin große Schmerzen, die durch Einspritzungen von Morphium gedämpft werden. Der Appetit ist sehr mangelhaft, so daß die hohe Patientin nur wenig Nahrung zu sich nehmen kann."
Berlin, 2. Juni. Das Befinden des Kaisers scheint sich nun wirklich zu bessern. Das Halsleiden ist fast ganz gehoben und die Kräfte nehmen zu.
Das „Berl. Tagbl." will wissen, daß seitens der preußischen Regierung die Einbringung des Antrages auf Erbauung des Nord-Ostsee-Kanals im Bundesrate vorbereitet werde. Die Kosten sollen auf 156000000 ^ veranschlagt sein, wovon etwa 50000 000 ^ von Preußen vorweg geleistet, die übrigen etwa 106 000 000 ^6 vom Reiche getragen werden sollen.
Der sozialdemokratische Abg. Bebel erläßt in der „Frkfrt. Ztg." eine fulminante Erklärung gegen seinen Kollegen Frohme, dem er Beschimpfung und Verdrehung vorwirft; Liebknecht nimmt gleichfalls Partei gegen Frohme. Ueberhaupt scheint unter den Führern der Sozialdemokratie ein gewaltiger Riß gekommen zu sein.
Das große Dorf Schmolsin in Pommern ist gestern von einer verheerenden Feuersbrunst heimgesucht worden. Heute liegen 30 Wohnhäuser und 37 Wirtschaftsgebäude in Trümmern und Asche.
Oesterreich-Ungarn.
Die deutsche Partei hat bei den Reichstagswahlen in Wien empfindliche Verluste erlitten. Der Ausfall der Wahlen in mehreren städtischen Bezirken war ein ungünstiger und berechtigt zu dem Schluffe, daß ein großer Teil der neuen Wähler, der sogen. Fünfguldenmänner, welche zum ersten Male zur Urne schritten, noch nicht in die tiefgehende Bedeutung der staatlichen und nationalen Kämpfe eingedrungen ist, welche während der letzten Jahre in Oesterreich entfesselt wurden. In vier Wiener Bezirken sind die deutschliberalen Kandidaten unterlegen; vier Mandate gingen den Deutschen verloren und fielen ausgesprochenen Gegnern derselben zu, welche Abg. verschiedener Schattierungen der Wiener Demokratie repräsentieren, die mit dem System des Grafen Taaffe stark liebäugelt.
(Ein ganzes Dorf niedergebrannt.) Das Dorf Liszko (im Liptaner Komitat) ist ganz niedergebrannt. Nahezu 400 Häuser wurden ein Raub der Flammen. Mehr als 1000 Menschen sind obdachlos. Das Feuer ist durch Unachtsamkeit einer Frau entstanden.
Frankreich.
Paris, 2. Juni. Die Kammer beginnt die zweite Lesung des Rekrutierungsgesetzes und verwirft den Antrag Gambon auf Abschaffung des stehenden Heeres mit 422 gegen 14 Stimmen.
Paris, 3. Juni. Der Minister Go bl et beantwortete den Protest des Erzbischofs Guibert gegen die Entkirchlichung des Pantheons mit einem Schreiben, worin es heißt, daß der Protest des Erzbischofs in der Form wie in der Sache über die Rechte des Erzbischofs entschieden hinausgehe. Die von dem Erzbischof an den Tag gelegten Gefühle könnten nicht die Sprache entschuldigen, die mit den Funktionen des Erzbischofs und mit den Pflichten, die er gegen die Regierung habe, sich nicht vertrage. Auch berechtigten ihn dieselben nicht, über die Handlungen der allgemeinen Politik der Regierung zu diskutieren. Eine derartige Haltung des Erzbischofs !
sei nicht geeignet, die Beziehungen zwischen Staat und Kirche friedlich zu gestalten.
In der Irrenanstalt von SanktPeter in Marseille hat sich ein schreckliches Ereignis zugetragen. Ein Aufwärter brachte zwei Kranke in die Badstube, und als er ihnen in die Wanne geholfen, entfernte er sich um zu frühstücken. Der eine Kranke benutzte die Abwesenheit des Wärters, öffnete über der Wanne des anderen den Hahn für das heiße Wasser, und da der dort Badende sich nicht aus der Wanne helfen konnte, wurde er elendiglich verbrüht, bis er seinen Geist aufgab.
Der „Figaro" widmet den Kränzen bei der Hugoseier einen Artikel. Bei Thiers Leiche seien für 80 000 Frks. Kränze hinter dem Sarg geführt worden, bei Gambettas Leiche für 200 0000 Frks. Diesmal seien es wenigstens für 1 Million Frks. Blumen gewesen. Es sind mindestens 6000 Kränze gewesen, darunter sehr teure (der von Brisson kostet 1000 Frks., der der „russischen Bewunderer" 800 Frks., die Departementspresse widmete einen vergoldeten Lorbeer mit 1200 Frks., das Lyco Fsnelon einen Kranz aus lauter Rosen Maröchal Niel 1000 Frks. u. s. w.).
Italien.
Rom, 2. Juni. Mehrere hundert Mitglieder demokratischer Vereine zogen heute abend nach dem Kapitol, um den Todestag Garibaldi's zu begehen. Auf dem Wege wurde indessen der Zug wegen aufrührerischer Rufe polizeilich aufgelöst.
Papst Leo XIII. feiert im Jahre 1887 sein 50jähriges Priesterjubiläum, „ein Fest, welches nach kirchlichem Sprachgebrauch den schönen Namen goldene Hochzeit trägt." Nach Mitteilungen, welche die Germania in einer besonderen Nummer veröffentlicht, soll das Jubiläum zu einer großartigen Kundgebung sämtlicher Katholiken nicht nur für die Person Leo's XIII., sondern auch für die allgemeinen Ansprüche des Papsttums benutzt werden.
England.
London, 2. Juni. Wie Depeschen aus Bombay melden, ist ein Teil der Provinz Kaschmir am Sonntag von einem heftigen Erdbeben heimgesucht worden. In Srinagar gab es 50 Tote und zahlreiche Verwundete.
London, 3. Juni. Aus Honghton Le Spring (Grafschaft Durham) wird eine Kohlengru- ben-ExPlosion durch schlagende Wetter gemeldet. Man befürchtet, daß die Mehrzahl der 350 im hintersten Schachte befindlichen Personen umgekommen ist. Nach neueren Nachrichten sind 300 in Sicherheit gebracht. Es werden nunmehr noch 22 vermißt.
Rußland.
So viel steht fest, in Rußland findet der Herzog von Cumberland, wenn er einen Protest gegen die „Vergewaltigung" durch Preußen erlassen sollte oder schon erlassen hat, keine Gegenliebe, denn die russischen Blätter sind nicht nur der Meinung, daß absolut kein Grund für Deutschland vorliege, seinem Feinde selbst die Thore aufzuschließen, sondern sie meinen bereits, Preußen solle kurzen Prozeß machen und Braunschweig einstecken. Die Russen sind schnell, bei uns aber geht's nicht so fix wie in Rußland und deshalb müssen wir zunächst einmal abwarten, was der Bundesrat sagen wird, der dieser Tage den Antrag Preußens zu beraten hat. Amerika.
New-York, 30. Mai. Wie die Voss. Ztg. meldet, ist dort ein Streik der Eisenarbeiter wegen einer 20proz. Lohnreduktion gestern ausgebrochen. In den Unionstaaten streiken gegenwärtig 100 000 Eisenarbeiter. Alle Eisen- und Stahlfabriken vom Alleghanygebirg westlich bis Chicago und St. Louis feiern.
Handel L Uerkehr.
(Konkurseröffnungen.) Josefa Jlg Witwe, Vor- käuflerin in Biberach.
Der Meg r«m Herze«.
Novelle von F. Stockerl.
Nachdruck nicht gestattet.
(Fortsetzung.)
„Sie war hier," schrieb sie. „Sie die reiche, schöne Glückliche, die von ihm geliebt wird. Warum gab ihr das Schicksal alles, was das Leben verschönt, und mir nichts? Ach es ist nicht die Krankheit allein, die meine Lebenskraft zerstört, ich weiß es jetzt. — Jede Blume, die im Dunklen wächst, auf die nicht ein einziger Sonnenstrahl fällt, muß sterben, vergehen,
ohne nur einen Blütetag gehabt zu haben. — Es ist immer gut, wenn der Blick einer Sterbenden eS ahnend steht, wie schön das Leben sein kann. O, nur einen Tag, nur einen einzigen des vollen reichen Lebens! — ehe der kalte, dunkle Tod kommt." Heiße Thränen strömten auS ihren Augen, als sie die letzten Worte geschrieben. Es waren unsäglich bittere Thrä» neu, wie sie nur die einsamen, ganz Verlaffenen weinen.
Es war am Abend des anderen Tages, Bergen stand zum Ausgehen gerüstet in dem traulichen Wohnzimmer daheim. In dem alten mit Leder überzogenen Lehnstuhl am Ofen saß die Frau Pastor Bergen, auf dem klugen, feinen Antlitz der alten Dame lag ein besorgter Ausdruck.
„Vielleicht wäre es doch besser, Du gingest nicht," sagte sie jetzt zu ihrem Sohn, dessen hohe Gestalt neben ihr am Ofen lehnte. „Die Mädchen können ganz gut allein gehen, sie finden Bekannte. Sie soll doch gar zu schön und bestrickend sein, die Melitta Bendelo." Bergen zuckte zusammen, eine dunkle Röte färbte sein Antlitz.
„O, Richard, ein Mutterauge sieht schärfer wie jedes andere in die Herzen ihrer Kinder," fuhr die alte Dame mit sanfter Stimme fort, „wenn sie auch schon große bärtige Männer sind. Ich habe es längst in deinem Antlitz gelesen, wie es da im Innern steht; als Du an jenem Donnerstag abend nach Hause kamst, und all' der Helle, frohe Glanz aus Deinem Antlitz geschwunden, da wußte ich, wenn Du auch schwiegst, daß ein Herzenskummer Dich betroffen."
„Du hast Dich nicht getäuscht, mein kluges Mütterchen; es mochte wohl ein Herzenskummer sein, aber ich habe ehrlich gekämpft gegen diese Schwäche und denke ihrer Herr geworden zu sein. Sie ist ja schön und bestrickend, die junge Dame, aber eine deutsche Hausfrau, wie ich sie Dir wohl zuführen möchte, würde sie nimmer werden. Ich denke, ich werde Melitta heute abend ohne alle Emotionen des Herzens bewundern können."
Louise und Jda, die beiden Schwestern Richards traten jetzl herein, um in des Bruders Begleitung nach der Reitbahn zu gehen. Mit stolzen Blicken schaute die Frau Pastorin ihren Kindern nach. Ganz wie sein seliger Vater, so stolz, so rechtschaffen und so wahr, murmelte sie, als ihr Sohn, ehe er die Thür hinter sich schloß, noch einmal den Kopf freundlich grüßend nach ihr zurück wandte. >
Es war ein bunt bewegtes Bild voll Glanz und Farbenpracht, welches in der Reitbahn sich den Blicken der Zuschauer entrollte. Man hatte weder Zeit, Geld noch Mühe gespart, etwas noch nicht Dagewesenes zu bieten. Künstlerische Hände hatten die Reitbahn auf das Geschmackvollste decoriert; man glaubte sich in einen glänzenden Cirkus versetzt. Auch die Leistungen der Reiter und Reiterinnen übertrafen alle Erwartungen. Der Glanzpunkt des Festes war die Quadrille im altspanischen Costüm, und der Preis der Eleganz und Schönheit wurde Melitta allgemein zuerkannt. Man huldigte ihr auf alle Weise, reiche Blumenspenden flogen ihr zu. Stolz strahlend schaute sie um sich, da traf ihr Blick die dunklen, ernsten Augen Bergcns. Sie wurde blaß, die Hand zitterte, welche die Zügel hielt, die Blumen sielen zur Erde. —
Bergen's Blicke hatten den abend unverwandt auf Melitta geruht, die Ruhe und Selbstbeherrschung, welche er seiner Mutter gezeigt, war nach und nach von ihm gewichen. Er mußte es sich gestehen, daß all' sein Kämpfen nutzlos, wenn er es nicht gänzlich vermied, Melitta zu sehen. Denn ein bethörcnder Zauber war es, der diese Mädchengestalt umgab. Lag er in der unbewußten Grazie ihrer Haltung, in der frischen Heiterkeit ihres Wesens, in den sprechenden blauen Augen? Bergen wußte es nicht zu sagen, aber daß er diesem Zauber entfliehen mußte, wenn er sich sein klares, ungetrübtes Denken bewahren und den ernsten Pflichten seines Berufs treu bleiben wollte, und daß diese holde, liebreizende Amazone nimmer seine treue Lebensgefährtin werden könne, das wurde ihm in dieser Stunde klar.
Wohl rebellierte eine Stimme in seinem Innern gegen diese Ansichten, sie sprach zu ihm von Jugend und erster Liebe Glück, was nimmer wiederkehre, wenn man ihr einmal den Rücken gewandt. O, hätte er auf diese Stimme gehört. Aber verletzter stolz, Eifersucht und jener feste Wille, der stets seinen Weg