61. Jahrgang.
Wro. 46.
Amts- unä IntekkigenMatt für äen Aezir^.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äea 20. Äprik 1886.
Abonnementspreis halbjährlich 1 >-K 80 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
'Mokitifche WcrcHvictzten.
Deutsches Reich.
— Der Bund es rat hat in seiner Sitzung am Donnerstag den Gesetzentwürfen wegen Abänderung des Militärpensionsgesetzes und des Reichs- beamten-Gesetzes,, sowie über die Rechtspflege in den deutschen Schutzgebieten seine Zustimmung erteilt. Die Abstimmung über den vom Reichstag abgeänderten Entwurf eines Gesetzes über die Besteuerung des Zuckers wurde ausgesetzt. Ueber den Gesetzentwurf, betreffend die Unfall, und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen wird in einer der nächsten Sitzungen Beschluß gefaßt werden.
— Fürst Bismarck wird sich in den nächsten Tagen nach Fried- r i ch s r u h e begeben, wo er über Ostern bleibt, und wird zum Beginn der Landtagsarbeiten am 4. Mai wieder in Berlin eintreffen.
— Im Laufe des Septembers und Oktobers 1885 sind bekanntlich mit mehreren Häuptlingen süd w e st a frika n is ch er Volksstämme, deren Gebiet sich östlich von den Erwerbungen des Herrn Lüderitz bis weit in das Innere der Kalahariwüste erstreckt, Schutz- und Freundschaftsverträge abgeschlossen worden, welche kürzlich dem Reichstage vorgelegt wurden. Me bisherigen Karten sind unzureichend, einen Begriff von der Ausdehnung der durch diese Verträge unter den Schutz des deutschen Reiches gestellten Gebiete .^^verschaffen. Das Gebiet der Hereros umfaßt einm-Hnst quadratischen M mLenraum zwilchen dem 19. und 23. Grad südl. BMe und dem 15. und 19. Grad östl. Lunge (von Greenwich). ,T^.RpEk- ruu r bestellt aus den eigentlichen Hereros, welche den ziemlich ebenen südöstliches Teil des Gebietes bewohnen, und den Berg-Damaras oder, wie sie sich WHDnnen, Jhaukoin, welche den gebirgigen nordwestlichen Teil innehaben. KMe Hauptstadt Oka- handya, Residenz des Maherero, in welcher der deutsAeMeichstomnEär für das füdwestafrikanische Schutzgebiet, Dr. Goering, den Vertrag scher abschloß, liegt in dem eigentlichen Hererogebiete, ziemlich der
Grenze des bereits längst unter deutschem Schutze stehenden Namäisua-Landes, an den Ausläufern des Gebirges. Südlich vom Herervlande liegt das bedeutend kleinere Gebiet der Bastards von Rehoboth, zu beiden Seiten des Wendekreises des Steinbocks, von welchem es ungefähr in der Mitte durchschnitten wird, etwa zwischen dem 16. und 18. Grade ö. L. und dem 24. und 26. Grade s. Br. Noch weiter südlich liegen die Gebiete der Rain a q u a in Gibeon (24.-25. Grad s. Br. und 18. Grad ö. L.), deren Häuptling sich Moses Witboi nennt, und der Namaqua von Berseba (23.-25. Grad s. Br. und 17.—18. Grad ö. L). Das Oberhaupt des
letzteren Stammes, Jakobus Jzaak, hat sich bereits am 28. Juli 1885 unter deutsches Protektorat gestellt. Das umfangreichste aller dieser Gebiete ist dasjenige des roten Volkes, dessen Häuptling, der Kapitän Maua s s e, zu Hoachanas residiert. Das rote Volk hat die Landstriche inne, welche die vier oben beschriebenen Gebiete im Osten in einem großen Bogen umfassen, und welche sich etwa als ein nach Westen gebogenes Horn darstellen, dessen Basis auf dem Namoqualande ruht, während seine Spitze das Hereroland umschließend, bis an das Opamboland heranreicht. Seine östliche Grenze läuft von der nördlichsten Biegung (zu West) des Oranjefluffes, sich bis über den 22. Grad ö. L. hinaus in die Kalahariwüste hineinziehend und den 20. Grad ö. L. ungefähr unter dem 19. Grad s. Br. schneidend bis etwa zum 17. Grad ö. L., nördlich vom Ovamboflusse. Allerdings liegt dieses Gebiet zu einem Teile in der englischen Interessensphäre; es werden also dort, wie es auch der 7. Punkt des Vertrages vorsieht, noch genauere Grenzbestimmungen notwendig werden, wie überhaupt die Gebiete aller dieser, zum größten Teile nomatisierenden Stämme bisher durchaus nicht feste Grenzen aufwiesen. Mit diesen Schutz- und Freundschaftsverträgen ist also das ausgedehnte Hinterland des bisherigen südwestafrikanischen Schutzgebietes unter deutsches Protektorat gestellt und die deutsche Flagge weht nunmehr auf einem Gebiete, das sich vom Oranjefluß bis zum Kap Frio und von der Küste bis circa 800 Km. in das Innere des Kontinents erstreckt.
England.
London, 16. April. Der Times zufolge haben die Angestellten der Pserde - Eisenbahn in Baltimore gestreikt. Der Verkehr ist '' faß -g-ä n z l ich eingestellt. — Der durch den Äirbelstukm "in ' Minnesota verursachte Schaden wird auf 500,000 Dollars geschätzt. Die von dem Sturm betroffenen Personen sind aller Mittel entblößt, da alles zerstört worden ist. Die Leichen der Getöteten sind schrecklich verstümmelt.
Gcrges-Weuigkeiten.
* Calw, 19. April. Am Samstag, nachmittags 4 Uhr, passierte in Hirsau ein schweres Unglück. Schultheiß Rentschler von Maisenbach wollte mit seinem Sohne ein Quantum Knochenmehl auf dem Bahnhof irr Hirsau abholen. Auf der Nagoldbrücke scheuten plötzlich die Pferde und rannten in rasender Eile in den sog. Viehhof, wodurch die b-ideu Insassen mit solcher Wucht aus dem Wagen geschleudert wurden, daß Schult- heiß R. schon 4 Stunden später infolge der erhaltenen Gehirnerschütterung den^
(Nachdruck verboten.)
Die Falschmünzer.
Kriminal-Roman von Gustav Lössel.
^ . ,. , . (Fortsetzung.)
„Es rst ia gleichgültig, wann", fuhr Jda fort. „Und zu diesem erschienen auch — es war ein toller Einfall — Eduard und Hedwig maskiert. Und um nun jede Möglichkeit einer Entdeckung auszuschließen, steckte sich Eduard in Damenkleider — er ging als Polin —, während Hedwig einen Jäger darstellte. Du weißt, ihr ist das Verkleiden von der Bühne her geläufig, und sie versteht sich sehr gut zu benehmen."
„Wie alle Damen vom Theater."
„In ihres Vaters Haus kleideten sie sich heimlich an, und dort auch fand, natürlich vor der Demaskierung die Wiederverwandlung in ihre natürliche Erscheinung statt."
„Und was hatte die ganze Komödie für einen Zweck?"
„Ein toller Streich, an denen Eduard so reich ist, weiter nichts. Aber was machst Du denn für ein Gesicht? Gefällt Dir das nicht?"
„Nein, Jda", entgegnete Wilhelm, die Geschichte gefällt mir ganz und gar nicht. Das junge Mädchen, das Du Deine Freundin nennst, scheint mir dieser Benennung nicht würdig zu sein."
„Warum nicht?"
„Weil — nun, findest Du es paffend, daß Eduard und seine Braut in ihres Vaters Haus allein —"
„Du vergißt, daß Hedwigs Mutter dabei war, die, wenn sie auch dem jungen Etwold sehr geneigt ist, sehr auf strenge Sittsamkeit hält. Immer wenn Hedwig spielt, begleitet sie sie nach dem Theater und holt sie nach der Vorstellung von dort wieder ab."
„Mag also hingehen, aber Deine Freundin begleitet Eduard zu Extravaganzen, zum Geldvergeuden. Auch sollte Ihre Mutter anders denken, edler und sagen: „Nein, Herr Etwold, Sie sind nicht für meine Tochter. Ohne Mitwissen Ihres Herrn Vaters —"
„Also ohne Mitwiffen meines Herrn Vaters", spottete Jda, „werde ich mir mit Ihnen, Herr Ebers, kein Rendezvous mehr geben. Nun, wie gefällt Dir das?"
„Du schlägst mich mit meinen eigenen Waffen," lachte Ebers. „Um Gründe seit Ihr Weiber seit Evas Zeiten ja auch noch nie in Verlegenheit gewesen."
Jda lachte.
„Nun, und wenn Du noch ein Paar sympathische Gestalten haben willst," scherzte sie, „nimm uns beide mit unserem heimlichen Wünschen, Hoffen und Lieben, mit Deinem heißen Streben nach Höherem und Deiner Gefangenschaft in der Alltäglichkeit."
„Und dann würde demnach der Roman, ist dessen Mittelpunkt wir momentan stehen, noch während seiner Entwickelung von mir geschrieben werden und gewissermaßen ein Roman im Roman sein. Höre, Jda, Deine Ideen sind wirklich gut; und daher auch wohl Dein Name, den Dir eine überschlaue Muhme in Vorahnung Deiner zukünftigen Bestimmung gegeben."
„O, o, Wilhelm I" remonstrierte das junge Mädchen. Jener lachte.
Damit war der Heiterkeit noch einmal die Bahn gebrochen, und bald nachher gingen die beiden jungen Leute in angenehmster Stimmung hinaus, dabei gewiß die Einrichtung der Wiener Cafes segnend, welche ihnen gestattete, auf dem Nachhausewege noch ein halbes Stündchen „unter sich" zu sein.
In Sollmanns Brust hatte der zweite Teil der Unterhaltung natürlich eine mächtige Wallung und Wandlung hervorgebracht. Er machte sich jetzt, als jene hinaus waren, mehrere Notizen.
Hierbei überraschte ihn Neubert. welcher ebenfalls in großer Erregung hereinkam.