Schweiz.

Fr ei bürg (Schweiz), 22. April. Letzte Nacht brach in dem Lehrerseminar Altenryf, einem ehe­maligen Bernhardinerkloster, gegen Mitternacht bei den Schlafsälen Feuer aus. Der zweite Stock ist ringsum abgebrannt, dagegen die Kirche größtenteils erhalten. Das Feuer ist zur Stunde (11 Uhr vor­mittags) noch nicht ganz gelöscht. Viele arme Se­minaristen verloren ihre ganze Habe. Menschenleben wurde keines gefährdet.

Frankreich.

Einem Telegramm aus Macon (Südfrank­reich) zufolge wurden die Weinberge des Maconnais Dienstag morgen von einem so harten Froste be­troffen, daß der Schaden auf mehrere Millionen ge­schätzt wird.

England.

London, 22. April. Heute früh fand in Ipswich und mehreren anderen östlich gelegenen Or­ten eine ziemlich starke Erderschüttcrung statt. Er­heblich heftiger war dieselbe in Colchester, wo auch ein starkes unterirdisches Getöse hörbar war. Alle Gebäude waren in zitternder Bewegung, eine große Anzahl Schornsteine ist eingestürzt und ein 150 Fuß hoher Kirchthurm zusammengebrochen. Die Erder­schütterung dauerte 30 Sekunden. Die Bevölkerung, welche äußerst beunruhigt war, eilte auf die Straßen ins Freie. Menschenleben sind nicht verloren ge­gangen.

London, 22. April. Die allgemeine Geschäfts­lage in England ist traurig. Fast alle Industrie­zweige liegen darnieder und Tausende von Arbeitern sind ohne Beschäftigung. Am meisten leiden wohl die Schiffsbauer, von denen in North- und South- Shields etwa 15 000, am Tyne 10 000 und in Sun­derland eine gleiche Anzahl ohne Beschäftigung sind. Zahlreiche Eisenwerke stehen ebenfalls still, und wo noch Arbeit vorhanden ist, suchen die Arbeitgeber, den Ueberfluß au unbeschäftigten Arbeitern benutzend, die Löhne herabzusetzen. In Sunderland striken die Maschinenbauer seit 10 Monaten, in den ClhdeSdale Works haben etwa 600 Eisen- und Stahlarbeiter wegen Lohnherabsetzung ihre Werkstätten verlassen, in London striken die Schuhmacher, in Newport und Preston die Maurer, in Nottingham die Weber, kurz in fast allen Industriezweigen sieht es so schlecht wie möglich aus. Bei den Kohlenbergwerken sind die Arbeitsverhältnisse ebenfalls sehr unbefriedigend, da durch das Stillstehen so vieler Fabriken die Nach­frage nach Kohlen sehr beschränkt ist.

England hat also, wie jetzt von allen Seiten bestätigt wird, die Großmächte zu einer Conferenz behufs Regelung der eghptischen Angelegenheiten ein­geladen. Die englische Regierung beabsichtigte an­fänglich, dieser Conferenz nicht nur die Finanzlage Egyptens, sondern auch die politischen Zustände die­ses Landes zur Erörterung zu unterbreiten. Diese Absicht wurde indcß nach der Versicherung der Allg. Corr. durch das Vorgehen der deutschen Regierung vereitelt. Fürst Bismarck lehnte es ab, sich an irgend einem Congresse zu beteiligen, dem eine solch' weit­gehende Frage unterbreitet werden sollte und zwar aus dem Grunde, daß es unmöglich sein würde, den Verhandlungen einer solchen Körperschaft irgend ein vernünftiges Ziel zu setzen. Unter diesen Um­ständen werden sich die Arbeiten des Congrcsses aus­schließlich auf die Frage betreffs einer solchen Ab­änderung des Liqnidationsgesetzes beschränken, welche Egypten in den Stand setzen wird, eine Anleihe von 45 Millionen Pfund aufzunchmeu, eine Summe, die banptsüchlich zur Zahlung der internationalen Entschädignngsforverungen Verwendung finden wird. Wie der Standard vernimmt, haben sich fast sämt­liche Großmächte bereit erklärt, an der Conferenz teilzunehmcn. Der Nachdruck ist hierbei auf dasfast" zu legen und diejenige Macht, deren Zustimmung noch aussteht, ist Frankreich. An der Seine hegt man den entgegengesetzten Wunsch wie in Berlin. Mau hat die Zeit, da Frankreich gleichen Einfluß wie England in Egypten entfaltete, noch nicht ver­gessen und wünscht dringend, daß die Thäiigkeit der Conferenz auch auf Fragen allgemeinerer Art aus­gedehnt werde. Die Folge davon wäre eine Anf- rollung der ganzen orientalischen Frage, wobei auch die anscheinend von Rußland unterstützten Ansprüche der Türkei bezüglich der Neugestaltungen in Egyp­ten sich geltend machen würden. Das will der Lei­ter der deutschen Politik vermeiden und fast sämt­liche Großmächte stimmen ihm darin bei.

Rußland.

In Krakau schleuderte gestern ein gewisser Malankiewitz eine Petarde gegen das dortige Poli­zeidirektionsgebäude und wurde darauf verhaftet. Derselbe ist zweifellos das Werkzeug einer geheimen Sozialistengesellschaft; er gab an, daß er den Poli­zeikommissar Kostrzewski töten wollte, weil dieser die Socialistcn verfolge.

In Cronstadt wurden am 18. ds. drei Ma­rineoffiziere unter der Anklage, der Umsturzpartci anzugchörcn, verhaftet und in der Peter-Pauls-Fe­stung eingekerkcrt. In Saratvff wurden in voriger Woche neun höhere Regierungsbeamte aus der glei­chen Ursache verhaftet und nach Petersburg trans­portiert.

Ein dreijähriger Kain. In Großwardein erdrosselte dieser Tage ein dreijähriger Knabe sein sechs Monate altes Brüderchen, gegen das er schon von Beginn an einen unüberwindlichen Haß an den Tag gelegt. Während der Osterfeiertage ließ die Mutter die beiden Kinder allein zu Hause und als sie kam, lief ihr das dreijährige Kind entgegen und erzählte ihr mit Schadenfreude, daß es seinen Bru­der erdrosselt habe. (Fast unbegreiflich.)

Amerika.

Nachgerade beginnt man in New-Dort die längst nahe genug gelegene Frage in Erwägung zu ziehen, ob es nicht ratsam sei, der engherzigen Geld­gier gewisser amerikanischer Kapitalisten einen gesetz­lichen Damm zu setzen, welche Mietskasernen von acht, zehn, ja fünfzehn Stockwerken Höhe erbauen, um von einem Bangrund die möglichst hohe Miets­ziffer zu erzielen. In den zwei letztverflosseucn Jah­ren wurden in der nordamerikanischen Metropole 105 Gebäude aufgcführt, die sich 80145 Fuß über den Erdboden erheben und 66 dieser Thürme dienen bereits von unten bis oben ihren Bestimmungen als Familienwohnungen. Vor kurzem aber wurde dem Bauamt von New-Uork der Plan eines Gebäudes vorgclegt, welches nicht weniger als 182 Fuß hoch werden und überdies noch von einer diese Höhe um 40 Fuß überragenden Kuppel gekrönt sein soll. Nun haben die amerikanischen Feuerwehren schon wieder­holt erklärt, über 55 Fuß Höhe hinaus für keine wirksame Feuerlöschung haften zu können und trotz­dem werden fort und fort Häuser gebaut und bezo­gen, wo die Menschen 25 Fuß hoch außer dem Ge­biete möglichster Hilfe von Seiten des Feuerwehr­mannes leben. Da ist es wahrlich hohe Zeit, sol­chem Unwesen durch die Kraft des Gesetzes ein Ziel zu setzen.

Die Arbeiten am Durchstich des Isthmus von Panama werden mit aller Macht gefördert. Durch­schnittlich sind täglich 15 000 Arbeiter dabei beschäf­tigt, welche sich per Tag bis auf 5 FrcS. stellen, während sonst in den dortigen Gegenden der Taglohn 1 Frcs. ist. Man hofft mit den Durchsticharbcitcn bis 1887 nahezu fertig zu werden.

Handel K Verkehr.

* Nagold, 25. April. Dir gestrigen Bahnzüge brachten viele auswärtige Marktbesuchcr, oie Züge enthielte» bedeutende Wagcnverstärknng und waren voll besetzt. Schon von vormittags 10 Uhr an lieferten die Verkäufer den meist jüdischen Händlern das verkaufte Vieh auf den Bahnhof ab, so das; um die Mit­tagszeit der Güterbahnhof ein Bild wie dasjenige eines förm­lichen BiehmarkteS zeigte, so viele Stücke Vieh harrten der Ein­ladung in die Eisenbahnwagen, deren auch 12 nach beiden Rich­tungen abgcgangen sind. Der Handel auf dem Vichmarkt selbst war etwas flau und klagten Verkäufer über zu niedere Preise. Der Krämermarkt war gleich Null.

Lin Kind der Mrmuih.

Erzählung von M. Gerbrandt. (L. Calm.)

(Fortsetzung.)

Die Ankunft neuer Gäste unterbrach das Braut­paar in seinen Liebenswürdigkeiten. Eugenie, deren Zähren versiegt waren, seit sie ihrem Aerger durch Worte Luit gemacht, war wieder ganz die bezaubernde Gesellschaftsdame, Adolf der verbindliche Kavalier.

Aber als er hinansging und die Thür sich hinter ihm geschlossen hatte, ballte er die Hände und sprach zähneknirschend:Es scheint wirklich, der Gimpel Bar­newitz ist in's Netz gegangen, sonst Hütte sie die Bak­terie ihrer Liebenswürdigkeit ans mich wirken lassen, um mich zu ihren Füßen zurückzuzwingen. Ha ha ha! Läßt man mich für meine Sünden büßen, so wird Dir diese Kur auch dienlich sein, mein schönes Lieb, und so lange es mir genehm ist, den öräutigam zu spielen, sollen Dir die Hunderttausende des Cousin Hans ein leeres Luftschloß bleiben."

Cr mischte sich unter die mittterweile eingetrof­

fenen Gäste und diesen wollte es scheinen, als sei er nie so ausgelassen, nie so hinreißend liebenswürdig gewesen, wie eben heute. Sogar ein Schein von Rot färbte seine bleichen Wangen, und toller Uebermut sprühte aus den dunklen Augen. Und doch, wenn er in Gemeinschaft mit den lachenden, plaudernden Kame­raden den roten Wein Glas auf Glas hinunterstürzte, war ihm plötzlich, als schlage eine flehende Stimme an sein Ohr, wenn er sich in seiner verführerischen Art über den Stuhl einer Dame beugte, sah er neben ihrem rosigen Antlitz plötzlich das bleiche Frauengesicht, das ihn diese ganze Nacht verfolgt, und wie Wahnsinn wandelte ihn dann der Gedanke an, diese lächelnde, kokettierende, heuchelnde Gesellschaft hier im Stich zu lassen und hinauszusprengen in die dunkle Nacht bis vor ihr Haus.Liebst Du mich wirklich nicht? Ja oder nein? Du sollst es mir sagen, Du selbst! Ja oder nein?" Hahaha! Fort, fort damit mit diesem Bilde, lieber hier scherzen, lachen, trinken . . ." Sein Blut wallte wie im Fieberrausch.

Laß Dir raten, mein Lieber," sagte Comtesse Malten, als er an sie herantrat, holdselig zu ihm em­porlächelnd,halte Deine anerkannte Liebenswürdigkeit ein wenig in Schranken, sonst erstickst Du morgen unter der Flut anonymer Liebesbriefe. Zn Backfisch- Herzen zünden auch weniger feurige Blicke."

Ich bin Dir unendlich verbunden, daß Du Deine Aufmerksamkeit auf mein Betragen ausdehnst," entgegnete Adolf, indem er verbindlich ihre Hand an seine Lippen zog,indessen darf auch ich Dir einen kleinen Rat geben? Verdrehe nicht dem dicken Ritt­meister den Kopf, er prahlt mit seinen Erfolgen und hat von seinem Einflüsse eine starke Meinung."

Man hat so seinen kleinen Zeitvertreib," spot­tete Eugenie.

Natürlich, mein Lieb, oliaoun a sou Avut allein bedenke, daß Du damit die jungen Leute vor den Kopf stützest, und da der Rittmeister nicht tanzt"

So fürchtest Du für mein Sitzenbleiben? Sehr liebenswürdig! Aber wer sagt Dir denn, daß ich über­haupt tanzen will? Ich habe mir den Fuß verletzt."

Ei, was höre ich, Schatz, das ist ja ein Mal­heur, das Dir früher nie vor einem Tanztest passtet ist. Sollte Cousin Barnewitz daran Verdienst haben, so ist er schlauer, als mau nach seinem ehrlichen Ge­sicht glauben sollte. Richte das dem guten Jungen doch nebst einem ergebensten Grnß von mir ans. Du wünschest, Langfeld?" Er trat an einen jungen Mann heran, der ihn mit den Augen zu sich gewinkt hatte.

Eine große Gefälligkeit, ein Opfer, wenn Du. willst," sagte dieser.Wir haben eine Cousine mit hergebracht, die trotz ihrer 17 Jahre wenig Aussichten

hat, zu tanzen-Du pflegst freilich zu sagen:

Häßliche Mädchen sollen nicht zu Bällen gehen" aber wir haben Verpflichtungen gegen ihre Familie, und das kleine Ding ist vergnügungssüchtig wie der Teufel."

Baron Adolf hatte sein Glas vor die Augen genommen.

Die Dame in Gelb, rechts von der Baronin," belehrt der Andere.

Hm, hm," sagte Baron Adolf. Haltung passabel, Nase etwas kühn, Mund nein, aber Mensch, da hörte ja alle Gemütlichkeit auf. Du ver­langst doch nicht, daß ich sie protegieren soll?"

Wenn Du nur zwei Mal nach einander mit ihr tanzen wolltest," bat Langfeld,hernach ist mir nicht mehr bange für sie."

Baron Adolf lorgnettierte noch immer, ließ dann kopfschüttelnd sein Glas fallen, sagte aber doch, denn er war, wie er selbst einsah, eine gutmütige Natur: Ihr soll geholfen werden."

So war selbst für die Häßlichste gesorgt, und nur Eine hatte keine Aussichten, diesen Abend ihre Rechnung zu finden. Und doch war sie eine der rei­zendsten 'Erscheinungen und hatte sich heute manch gold- gcrändertes Lorgnon nach ihr gerichtet, auch hatte sie, als sie vorhin im blauen Tarlatankleide, mit dem Ver- gißmeinnichtstrauß im lichtbraunen Haar vor dem Spie­gel ihres Zimmers gestanden, selbst gemeint, sie sehe nicht übel ans, und ihre Schülerin hatte es ihr voll Enthusiasmus bestätigt. Aber kein freundlicher Blick, kein beifälliges Wort war ihr geworden. Was galt Adele, die kleine Gouvernante, in dem vornehmen AdelSkreise! Nicht alle dachten tolerant wie die Baronin.

Adele fühlte sich vereinsamt, wie auf einer wü­sten Insel, alles Leid, das ihre Vergangenheit barg, fiel ihr erdrückend aufs schwere Herz, und der ver-