Beilage zum „Calwer Wochenblatt
Nr. 36.
- Wevrnifchtes.
— Panik. Ein plötzlich c usgebrochenes Feuer könnte unter den Theaterbesuchern kaum größere Panik Hervorrufen, als jüngst das plötzliche Erscheinen einer riesigen Ratte auf der Bühne des Opernhauses in Richmond in Virginien dort unter den Sängern, Musikern und dem Publikum des Parketts Entsetzen und allgemeines Flüchten hervorgerufen hat. Es war gerade während einer rührenden Liebesscene, der erste Tenor versicherte in den höchsten Tönen der angebeteten Primadonna, daß Tod und Hölle ihn nicht von der Seite seiner Geliebten treiben würden, als plötzlich das Factum in Gestalt einer großen Ratte auftrat, welche die Klänge der Musik wahrscheinlich aus den Tiefen des Kellers hervorgelockt hatte und welche nun auf die Liebenden losrannte. Die Primadonna fiel natürlich in Ohnmacht, der Tenor vergaß seine Eidschwüre und lief, statt den Degen zu ziehen, davon. Die Ratte, ebenso erschrocken, wie er, sprang von der Bühne herab ins Orchester, dem Schläger der großen Trommel gradwegs in den Schoß. Der schlug wie ein Unsinniger mit dem Paukenstock um sich, worauf die Ratte flüchtend den übrigen Musikern zwischen die Beine lief; diese warfen nun ihrerseits die Instrumente von sich und kletterten auf die Stühle, der schwarze Störenfried aber sprang über die Orchesterbrüstung ins Parkett, unter die — Damen. Die nun folgende Scene spottet jeder Beschreibung. Der eine Teil des Publikums bekam Lachkrämpfe, der andere Weinkrämpfe, die Damen, die nicht in Ohnmacht fielen, sprangen auf, hielten ihre Kleider fest an den Leib gepreßt oder flüchteten auf die Sitze hinauf. Zur Unehre der Herren sei es
gesagt, sie benahmen sich nicht'viel besser. Manche von ihnen nahmen vor der Ratte Reißaus; so groß wurde die Panik, daß man sich schließlich gezwungen sah, die Notthüren aufzureißen. Einer der anwesenden Offiziere zog endlich den Degen und machte dem Urheber all des Unheils mit einem wohlgezielten Hiebe den Garaus, worauf sich nach und nach alles beruhigte und der Tenor wieder seine Heldentöne ausstoßen konnte.
— Ein Unmensch. Eine That fast unglaublicher Rohheit fand in diesen Tagen vor dem Schwurgericht in Saarbrücken ihre Aburteilung.
' Bei dem Ackerer und Schuster Becker in dem benachbarten Reitscheidt erschien am 18. Oktober v. I. ein früherer Knecht desselben, um den rückständigen Lohn von 1 ^ 90 L zu fordern. Statt dieses Betrages erhielt der Knecht die Antwort, wenn er sich nicht sofort zum Hause hinausmache, werde er (der Dienstherr) ihn zusammenschießen. Der Knecht hielt diese Drohung für Scherz nnd blieb bei seiner Forderung. Jetzt ergriff der Unmensch in der That ein an der Wand hängendes, mit Schrot geladenes Jagdgewehr und feuerte dasselbe auf den Knecht ab, der, in Brust, Hals und Kopf getroffen, besinnungslos zusammenstürzte. Der Unglücklliche hat mehrere Wochen krank zu Bett gelegen; auch in das rechte Auge war ein Schrotkorn gedrungen, so daß die Sehkraft dieses Auges vollständig verloren ging. Der Thäter ergriff unmittelbar nach der That die Flucht und entkam nach Luxemburg. wurde aber bald darauf doch gefaßt und gefänglich eingebracht. Das Schwurgericht in Saarbrücken hat ihn zu einer Zuchthausstrafe von 4>/s Jahren verurteilt.
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