31. Jahrgang.

Wro. 29.

Amts- und IntekkigenMatt jur den Aezirkr.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die EinrückungSgebühr beträgt S H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen N. Mörz 1886.

! Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

! die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

! ganz Württemberg 2 ^ 70 -S,.

Amtliche Wekcrnntmachungen.

Calw.

Bekanntmachung, betr. das Wujterungs- geschäst 1888.

Das Musterungsgeschäst im Bezirk Calw findet in diesem Jahre in nachstehender Weise statt:

Freitag, den 2. April: in Liebenzell,

Samstag, den 3. April: in Neuweiler,

Montag, den 5. April: in Gechingen,

Dienstag, de« 6. April: in Calw.

Die Loosziehnng in Calw ist auf Mittwoch, den 7. April , fest­gesetzt.

Dies wird hiemit vorläufig zur öffentlichen Kenntniß gebracht.

Den 10. März 1886. K. Oberamt.

F l a x l a n d.

Calw.

Bekanntmachung.

Unter den Schafen des Friedrich Lutz in Sommenhardt ist die Scha f« räude yusg>>brochen.

Den 9. Mürz 1886. K. Oberamt.

F l a x l a n d.

'Dotitifche Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Karlsruhe, 8. März. Auch heute zeigt dieKarlsruher Ztg." das Befinden des Erbgroßherzogs durch Extrablatt an. Das Bulletin lautet: Seit gestern in der Frühe trat eine Beklemmung nicht mehr ein und verlief sowohl der gestrige Tag als die heutige Nacht befriedigend. Auch in den inneren Veränderungen zeigt sich eine Besserung, nur deuten Fieber und das Wiederanschwellen des rechten Handgelenkes an, daß der rheumatische Prozeß noch anhält. Dr. Tenner."

Kiel, 5. März. Infolge einer Depesche des Reichsanwalts zu Leipzig

ist die in der Sache Sarauw-Prohl inhaftierte Ehefrau Böckel aus der Haft entlassen worden.

Frankreich.

Paris, 6. März. Der Mensch, welcher gestern auf die Börsen- besucher schoß, hatte sich in dem Hotel, in welchem er vor einigen Tagen ein Zimmer gemietet hatte, fälschlich unter dem Namen Petrowitsch einge­schrieben und für einen Badener ausgegeben. Beim Verhör gestand der Mann, daß er Gallo heißt, aus der Bretagne gebürtig ist und erst vor 2 Monaten das Gefängnis verlassen hat, in welchem er eine 5jährige Strafe wegen Falschmünzerei verbüßte. Die Flasche mit Säure, derenthalben zuerst ein Unschuldiger vom Publikum unsanft behandelt und in Haft gebracht wurde, ist ebenfalls von Gallo in den Saal geworfen worden. Er erklärte dem Polizeipräfekten und dem Untersuchungsrichter mit größter Ruhe, er sei Che­miker und habe die Säure so zusammengesetzt, daß nach seiner Erwartung beim Zerspringen der Flasche eine Menge Leute sofort ersticken mußten. Er selbst sei bei der Zubereitung beinahe erstickt. Er habe geschaffen, als er bemerkt, daß die Säure wirkungslos blieb. Gestern hätte er auch 10 Kilo Eis bestellt, um Dynamit zu bereiten. Seine Aeußerungen verraten keine Spur von Reue, sondern vielmehr die Hoffnung, Andere würden sein Vor­gehen nachahmen. Er wollte zuerst die Kammer sprengen; befürchtete jedoch, man möchte glauben, er habe dabei politische Beweggründe gehabt; er sei politisch ganz gleichgiltig, sein Ziel sei die soziale 'Revolution. Gallo hat, seitdem er in Paris ist, auch in mehreren Verlammlungen, in welchen Louise Michel und die Gemeinderäte Chabert und Vaillant sprachen, aufrührerische Reden gehalten. (Der Gaz. des Tribunaux zufolge soll der Mensch nicht den Namen Gallo führen, sondern polnischen Ursprungs sein.)

England.

London, 7. März. Heute mittag fand auf dem Clerkenwellplatze, im nördlichen Teile von London, eine von den sozialistischen Führern Unberufene öffentliche Versammlung statt, welcher einige' Hundert Per­sonen beiwohnten. Letztere beschränkten sich darauf, die Reden der Sozialisten anzuhören. Oeffentliche Kundgebungen fanden nicht statt.

Aus öern Weichstcrg.

Unsere Leser wissen bereits, daß der Branntwein-Monopol- Entwurf am Sonnabend, dem dritten Tag, welcher der Beratung dieser Vorlage vom Reichstag gewidmet worden war, an eine Kommission von 28 Mitglieder zur Vorberatung verwiesen worden ist. Diese Verweisung ist mit

Feuilleton.

Die Falschmünzer.

Kriminal-Roman von Gustav Lössel.

(Fortsetzung.)

3. Kapitel.

Eine wichtige Entdeckung.

Die Feststellung der Person des Ermordeten hatte auch mit Hülfe des gesamten Etwoldffchen Hauspersonals nicht bewerkstelligt werden können. Man hatte sie Alle an Jenen herantreten lassen, aber Keiner gab ein Erkennungs­zeichen.

Jetzt war es Neubert, welcher darauf aufmerksam machte, daß unter Denjenigen, die dem Fräulein gefolgt waren, sich auch eine Persönlichkeit befunden hatte, von der man mit einigem Recht sagen könne, daß sie von Gott gezeichnet sei. Dieser Fleisch und Blut gewordene Franz von Moor habe bei seiner zufälligen Besichtigung des Leichnams durch eine zuckende Bewegung ein unzweideutiges Erkennungszeichen gegeben, diese Bewegung aber sogleich wieder unterdrückt und sich scheu umgesehen, ob man sie irgendwo bemerkt habe.

Schlauer Weise", vollendete Neubert seinen Bericht,schlug ich sofort mein Auge zu Boden, sah aber unter den verschleiernden Wimpern hervor, wie Jener, der von dem Ergebnis seines Umblicks sehr befriedigt schien. Er ent­fernte sich von dem -rchatort und ließ sich hier nun nicht mehr blicken. Ich forschte so unter der Hand nach ihm und erfuhr, daß er allgemein unter dem Spitznamender rote Mathies" bekannt sei und Herrn Etwold als Kutscher gedient habe. Wegen seiner anarchistischen Prinzipien von diesem entlasten, will er heute noch j's Ausland gehen."

Das wäre!" sagte der Kommissar.Ich glaube, das sind Verdachts­momente genug, um dem Burschen einen Besuch auf seinem Zimmer abzu-

statten. Er wird jetzt gerade mir dem Packen seines Koffers beschäftigt sein. Was meinen Sie, Soltmann?"

Ganz Ihrer Meinung. Herr Kommissar", erwiderte dieser.Gehen wir aber nur Einer hinauf, um es recht unauffällig zu machen. Der Bursche darf durch Niemanden von unserem Kommen avisiert werden. Man tritt ohne anzuklopfen herein und thut, als wenn man sich in der Thüre geirrt habe. Sein erneuertes Eischrecken oder seine Gleichgültigkeit sprechen dann schon genug für oder gegen ihn, um ihn uns zu verraten."

Neubert, als der erste Entdecker der neuen Spur, erhielt den Auftrag hierzu, und die unauffällige Weise, in der er sich derselben entledigte, machte ihm alle Ehre. Man hätte ihn überhaupt einen ebenbürtigen Rivalen Solt- manns nennen können, wenn nicht schon ihr Altersunterschied einen solchen Vergleich unmöglich gemacht hätte.

Jener war ein Mann in den Zwanzigern, und Neubert zählte bereits fünfzig Jahre. Klein, schmächtig, grauköpfig, mit einem spitzen Gesicht, er­innerte ihn nichts an den schlanken, schön gewachsenen Sollmann mit dem blühenden Gesicht, den lebhaften dunklen Äugen und dem wohlgepflegten Schnurrbart. Neubert war bartlos, wenigstens glatt rasiert, und statt der flotten Kravatte s Is ll^rvn, welche dem ausdrucksvollen Kopfe seines jüngeren Kollegen einen idealen Anstrich verlieh, trug er eine weiße Binde, was ihm bei seiner sonstigen Unschembarkeit das Ansehen eines Kirchendieners gab.

Soviel zur Charakteristik der beiden Männer, welchen m unserem Roman noch große Aufgaben Vorbehalten sind. Sollmann stand am Anfänge seiner Karrier, Neubert am Ende derselben. Zwischen Beiden herrschte das schönste Einverständnis, weshalb man sie auch meistens gemeinschaftlich operieren ließ.

Während Neubert noch nach den Räumlichkeiten des Hauses und auch ganz nebenher nach dem Zimmer des roten Mathies forschte, befand sich Etwold schon auf dem Wege nach demselben. Er blickte scheu um sich, wie um von Niemand gesehen zu werden. Nach einem solchen Auftritt und einer solchen Behandlung des roten Matlhies konnte dies auch wohl kaum anders sein, wußte der Kommerzienrat doch nicht, ob nicht Jemand sie belauscht oder