Ulm, 30. Juli. Die allgemeine württcmb. Spenglerversammlung, welche gestern hier nach dem Vormittagsgottesdienst auf der Wilhelmshöhe stattfand, war von auswärts schwach besucht. Es war etwa ein Dutzend aus dem gesammten Land Württemberg zu dieser Versammlung gekommen. Man sprach davon, wie wünschenswert!) es wäre, wenn man die Häuser mit Blech bedeckte, weil ein solches Dach einmal die fortwährenden Reparaturen des sog. Dachübergehens ersparen, weniger den Dachstuhl und das Haus belasten, das Einregnen besser verhüten und bei Feuersbrünsten großen Schutz gewähren würde.
Aalen, 28. Juli. Der durch die Hagelwetter am 26. Juni und 10. Juli im Oberamt Aalen an den Feldern verursachte Schaden ist amtlich auf 700000 ^ taxirt worden. Dabei ist der an den Bäumen u. s. w. angerichtete Schaden, welcher ebenfalls sehr groß ist und noch viele Jahre fühlbar sein wird, nicht mitgerechnet.
Brandfälle: In Jettkofen (Saulgau) am 31. Juli die Scheuer des Wirths Karl Müller und die beiden je aus Wohn- und Oekonomiegebäu- den bestehenden Anwesen des Gemeindepflegers Krug und der Josef Lutz Wittwe: in Schömberg (Rottweil) am 31. Juli das Hauptgebäude der Koch'schen Mühle.
Aus Bayern. Se. Maj. der König haben sich, wie wir vernehmen, unmittelbar nach dem Eintreffen des Fürsten Bismarck in Bad Kissingen auf telegraphischem Wege nach dem Befinden des Reichskanzlers erkunden lassen.
Kissingen, 31. Juli. Der N. Fr. Pr. wird von hier geschrieben: Fürst Bismarck sieht recht leidend aus, die früher kraftstrotzende Gestalt ist niedergebeugt, und trotz aller Beschönigungen der Aerzte erscheint der Kanzler als ein sehr kranker Mann.
Eine ungewaschene Braut. Aus dem Mainzer Standesamtc erschien vor einigen Tagen ein Pärchen, um sich trauen zu lassen. Der Standesbeamte sah sich indessen veranlaßt, die Braut hinwegzuschicken, damit diese sich erst umkleiden möge. Dieselbe war nämlich ungewaschen und ungekämmt und in vollständig schmutzigem Arbeitsanzug auf das Standesamt gekommen, um sich mit dem Manne ihrer Wahl verbinden zu lassen. Dem Frauenzimmer wurde bedeutet, daß sie in reiner Kleidung erscheinen müsse.
Berlin, 30. Juli. Mit einer Abänderung der Maß- und Gewichtsordnung von 1868 wird es nun wirklich ernst werden. Das Gesetz hat sich von vornherein als unzureichend erwiesen, namentlich bezüglich der technischen Ausführungen. Die Normal- Eichungskommiffion hat das Verdienst, auf die Mängel des Gesetzes von vornherein hingewiesen und eine Abänderung der Maß- und Gewichtsordnung empfohlen zu haben.
Berlin, 30. Juli. Die Militärverwaltung beschäftigt sich seit einiger Zeit mit der Frage einer ausreichenderen Bewaffnung der Offiziere, Feldwebel und sonstiger Personen der Unteroffizicrcharge. Die Offiziere der Infanterie sollen im Kriege einen Schleppsäbel und Revolver tragen. Eine gleiche Bewaffnung soll für die Feldwebel und die angeführten Stellen erfolgen. Es hängt der Beschluß indessen, wie man in militärischen Kreisen hört, noch von dem Ausfall eingeforderter Gutachten ab.
Berlin, 31. Juli. Die „Voss. Ztg." meldet, der kommandirende General des XIV. Armeekorps, v. Obernitz, habe seinen Abschied erbeten.
Berlin, 31. Juli. Den Abendblättern zufolge wird der Taufe des jüngsten Sohnes des Prinzen Wilhelm der Kronprinz von Oesterreich beiwohnen.
Berlin, 31. Juli. Wie der Nat.-Z. berichtet wird, soll die Reste des Königs von Spanien etwa fünf Wochen dauern. Von München aus besucht der König Wien: eine Begegnung mit dem König Humbert von Italien könnte sich an den Aufenthalt des Königs in Oesterreich anschließen. Das scheint indessen noch zweifelhaft. Den Schluß der Reise bildet der Aufenthalt des Königs in Berlin. Die Regentschaft führt während der Abwesenheit des Königs die Königin Christine, die heute in Madrid wieder eintrifft.
In Folge einer Vergiftung durch Aconit verstarb in Berlin am 30. v. Mts. ein Kind im Alter von einem Jahre. Das Kind erkrankte am 27. v. Mts. und ans Anrathen einer Frau machte die Mutter eine Mischung, bestehend ans einem Glase Wasser und fünf Tropfen Aconit, von der sie dem Kinde stündlich sechsmal einen Theclvffel voll eingab. Es trat auch darauf eine Besserung des Krankheitsznstandes ein, doch schon in der Nacht wurde das Kind von heftigen Krämpfen befallen und ein schnell hcrbcigcrusencr Arzt der nächsten Sani- IntSwache konnte nur noch den durch Vergiftung durch Aconit Lrsolgtcu Tod des Kindes cvnstatiren.
(Die Koste» der deutsche» Parlamente.) Die Frage, was dem deutschen Volke seine parlamentarischen Vertretungen kosten, findet ihre Beantwortung in dem im Verlage von Belhagcn und Klasing (Bielefeld und Leipzig) erschienenen „Staatshandbuch des Reiches und der Einzelstaatcn". Rach den offenbar auf amtlichen Mittheilungen beruhenden Angaben desselben betragen u. a. (wohl im Durchschnitt pro Jahr berechnet) die Ausgaben für: den Reichstag 407 670, das preußische Herrenhaus 188 510, das preußische Haus der Abgeordneten 1200520, den bayerischen Landtag Mark 397 325, die Ständcversammlung des Königreichs Sachsen 126 400, die Landstände in Württemberg 342 886, die badischen Landstände ^ 97 220 u. s. w. Die Gesammtaufwcn« düng wurde sich auf die Summe von 3 039 200 Herausstellen. Schätzt man die Bevölkerung des deutschen Reiches auf rund 45 240000 Einwohner, so würde» auf je 14 Personen nahezu eine Mark jährlich an Ausgaben für die parlamentarischen Vertretungen kommen. Die Diäten für die Abgeordneten sind in den Einzelstaatcn (an die Reichstagsmitglieder werden Diäten bekanntlich nicht gezahlt, sie haben nur freie Fahrt auf den Eisenbahnen) sehr verschieden normirt; sie stufen sich ab von 15 (Preußen) bis 5 (Braunschweig). Am freigebigsten ist --in Bezug auf die Allgemeinheit der Diätcn- zahlung — Württemberg, wo die Mitglieder beider Kammern Diäten beziehen (9 ^ 43 4 pro Person und pro Tag) und wo für den Präsidenten besondere Gehälter ausgeworfen sind, für den der Kammer der Standeshcrren 12 807 für den der Kammer der Abgeordnete» dagegen mir 8571
Die „Bad. Landpost" schreibt: Die „Bolks- zeitung", das Organ des äußersten linken Flügels der Fortschrittspartei, das nun schon recht lange — schon seit zwanzig Jahren — an dem Sturz des Kanzlers arbeitet, glaubt endlich, daß seine Stunde geschlagen: Fürst Bismarck habe ans dem Gebiete der auswärtigen Politik, nämlich im Kampfe mit Rom, eine Niederlage erlitten und diese Niederlage müsse nun endlich dem Volke über den Unwerth und die Unzulänglichkeit des Kanzlers die Augen öffnen; denn gerade ans dem Gebiete der auswärtigen Politik sei er bis zuletzt und auch dann noch, wo man über seine „freiheitsfeindliche" innere Politik schon längst den Stab gebrochen, für unfehlbar gehalten worden, und nun sehe das Volk, daß es mit seiner auswärtigen Politik — auch nichts sei. Das Blatt erhofft, daß dem deutschen Volk aus jener Niederlage noch recht viel Segen erwachse werde: denn es werde sich nunmehr ganz von ihm abwenden, und dann könne das Volk — ohne Rücksicht auf ihn — an der Sicherung seines Rechtes der Selbstbestimmung arbeiten. — Das deutsche Volk hat in seiner Mehrheit bisher nicht auf die Stimme der Volkszeitung und ihrer Hintermänner gehört und auch jetzt ist nicht die geringste Gefahr vorhanden, daß es auf das fortschrittliche Orakel — trotz der von ihm versuchten Beweisführung — hören wird.
Einer Korrespondenz der „Allg. Schw. Ztg." zufolge soll unter dem Kardinalskollegium, das eben noch eine entschieden prenßenfeindliche Politik verfolgte, der Wind plötzlich umgeschlagen haben. Man mache dem Papst sogar Vorwürfe darüber, daß er sich von Ledochowski, dem Haupte der „Unversöhnlichen" , und der Zentrumspartei in Deutschland zu sehr beeinflussen lasse. Die Bestätigung dieser Nachricht dürfte erst noch abzuwarten sein.
„Siehe da, Bruder Studium!" hätte Bismarck auf seiner Reise über Göttingen rufen können, wie einst der sächsische Kurfürst in Jena; denn alle Studenten hatten sich auf dem Bahnhofe versammelt. Der Fürst hat in Göttingen studirt und ist Ehrenbürger der Stadt. Einen Studenten des Corps „Hannovera", dem er einst angehört hatte und der viele Schnitte im Gesicht zeigte, rief er heran und sagte: „Eine brillante Quart, Sie haben nicht gut parirt." Auch des alten Carcers in der Nähe des Bahnhofes gedachte er.
In Kiel sollen Gerüchte zirkuliren, der Chef der Admiralität Caprivi wolle demissioniren; man bringt diesen Schritt mit der zur Dispositionsstellung des Admirals Bätsch und Berger in Zusammenhang.
Trübe Aussichten in Bezug aus die Witterung des eben begonnenen Monats eröffnet dis August- Wetterprognose des Dr. L. Overzier, Lehrer der Meteorologie an der Gartenbau-Lehranstalt „Flora" in Köln. Dr. Overzier sieht für den ganzen Monat August keine wesentliche Besserung des Wetters voraus, vielmehr sogar theilweise noch eine Verschlechterung desselben durch anhaltenden Regen, Sturm n. kühle Temperatur. Kein einziger dauernd schöner Tag ist in der August-Prognose zu finden. Das sind schöne Aussichten. Einige Beruhigung mag gewähren, daß von den bisherigen Wetterprognosen des Hrn. Dr. Overzier, namentlich auch im Monat Juli, für welchen derselbe meist schönes und warmes
Wetter vorhergesagt hatte, sehr häufig das Gegen-- theil eingetroffen ist.
Saarbrücken, 30. Juli. Ein Bergmannsfest, das gestern in Neunkirchen gefeiert wurde, ist durch eine furchtbare Katastrophe gestört worden. Einige Bergleute wollten ihren Frauen die Einrichtungen der Gruben zeigen und fuhren mit ihnen in die Grube „v. d. Heydt." Hier wurden sie von schlagenden Wettern betroffen, deren Wirkung eine derartige war, daß von der 24 Personen zählenden Gesellschaft achtzehn verunglückten. Einige blieben sofort todt, die Mehrzahl ist schwer verletzt. Oesterreich-Ungarn.
Nyirepyhaza, 31. Juli. Der Präsident läßt eine Zuschrift des Vizegespans verlesen des Inhalts, daß er den Koinitatsanwalt angewiesen habe, gegen Hey mann wegen Vcrläumdung der Beamten des Comitats (Anwerbung falscher Zeuge») Klage zu erheben. Heymann bemerkt, dieses Recht stehe selbst nicht dem Minister zu. „Ich bin ein Faktor der Gerichtsbarkeit hier. Diese sichert mir Rechte zu, die ich gebrauche." Staatsanwalt Szeysfcrt glaubt, daß die Zuschrift nicht zu verlesen, sondern nur den Akten beiznschließen gewesen wäre. - Hierauf kommt Eötvös zum Wort. Den Glauben an einen rituellen Mord hält er für eine Dummheit, die aus der Welt zu schaffen nicht den Richtern, sondern nur den Schullehrern und Puestern gelingen könne. In die Schlußverkand- lnng habe er wider seine juridischen Grundsätze gewilligt, statt den Rekurs zu ergreifen. Aber sein Klient Scharf habe ihm gesagt: „Nein, ich appellirc nicht, ich will die Schlußverhandlung. Ich will es vor der ganzen Welt hören, wie so man mich anklagt. Ich will hören, ob mir mein Sohn die Anklage ins Gesicht zu sagen wagt!." Als ich mich mit dem Falle befaßte, stellte ich mir die Frage: Was ist die Thal? Wo sind die Thüter? Welches sind die Motive? Doch war nirgends eine That und ein Thätcr und noch weniger ein Motiv zu finden. Esther ist todt; daß aber diese hier sitzenden unglücklichen Angeklagten sie ermordet Hütten, ist mit keinem Jota erwiesen. Warum fragt man den Fürst-Primas von Ungarn nicht, warum den Obergespa» dieses Comitatcs nicht: Wo ist Esther? Diesen stehen doch mehr Mittel zu Gebote, die Beantwortung zu geben, als diesen schwachen Angeklagten. In dcr Hand des Gerichtes und dcr Polizei war allein die Macht, die Frage nach dem Verbleib Esthers zu beantworten, wenn ihre Unfähigkeit dem nicht im Wege gestanden hätte. Eötvös kritisirt nun die Untersuchung, bespricht die Unlauterkeiten, an denen er die Hauptschuld dem früheren Staatsanwalt zumißt, und wird vom Präsidenten unterbrochen. Eötvös bleibt aber dabei, seine Ansicht aussprechen zu dürfen. Er sagt, die Zeugen seien abgerichtet, bedroht und zu falschen Anssagen gezwungen worden. Am Schluß sagte er: Der Privatankläger hat auf den Gott der Christen sich berufen. Auch ich biu Christ, ich hörte aber nicht die Stimme Gottes aus seinem Munde, weder die des Gottes der Juden, noch dcr Christen. Ich börte nur die Stimme des Hasses, dcr den Tod jener verlangt, deren Schuld er nicht bewiesen hat, nicht beweisen kann. Wir sahen das Kind sich gegen seinen Vater empören, wir hörten Eltern ihr Kind eines falschen Eides anklagen, wir sahen Uunatürlichkeiten die Fülle. Mögen diese Prozeßakten im Archive des Gerichtshofes verschlossen werden und bis in alle Ewigkeit verschlossen bleiben. Privatankläger Szalay erklärt, daß er morgen repliziren wird. (Eötvös' Rede währte bei dreimaliger Pause von halb neun Uhr Vormittags bis vier Uhr Nachmittags.)
Nyiregyhaza, 31. Juli. (Tisza-Eszlarer- Prozeß.) Der Privatankläger Szalay begann in der heutigen Sitzung seine Replik vor ziemlich leerem Saale, meldet die Fr. Z. Szalay schließt: der Antisemitismus sei kein Angriff, sondern eine Vertheidi- gung; eine Thräne dieser Wittwe wiege mehr als alle Schätze, welche man zu Gunsten dieser Mörder aufbringt. — Der Präsident: Ich muß den Ausdruck „Mörder" entschieden zurückweisen, diese Angeklagten sind nicht vcrurtheilt, es ist nicht gestattet, diesen Ausdruck zu gebrauchen. — Eötvös duplicirt in scharfer Weise. Die Angaben des Privatklägers erklärt er für unwahr. — Der Präsident schließt die Verhandlung, nachdem er erklärt hat, daß das llrtheil am Freitag um 11 Uhr Vormittags verkündet wird.
Olmütz, 30. Juli. Die Stadtvertretung lehnte heute die Petition um Errichtung einer czechi- schen Volksschule in Olmütz ab. In ihrer Eingabe hatten die Gesuchsteller die Besorgniß ausgesprochen, die czechischen Kinder würden in deutschen Schulen „geistig verkümmern." Die Verlesung dieser Stelle der Eingabe rief große Heiterkeit hervor.
Schweiz.
Genf, 30. Juli. Um halb 3 Uhr fand ein Aufruhr der Arbeiter statt, welche Arbeit verlangen. 50 Landjäger bewachen das Rathhaus und das Ge- fänguiß. 6 Verhaftungen wurden vorgenommen. Der Genevois thcilt mit, daß die Arbeiter, welche Erdarbeiten haben wollten, solche diese Woche erhalten würden.
Italien.
Rom, 29. Juli. Bei Trabia, in der Nähe von Caltanisetta (Sizilien), hat in einer Schwefelmine eine Explosion stattgefunden, wodurch 35 Personen getödtet wurden.
Rom, 31. Juli. Eine heftige Eruption des