erhob sich und ging in der Stube auf und ab. Plötzlich stürzte sie hin und schien abermals gestorben. Nunmehr erst wurde ein Arzt herbeigerufen, welcher durch Oeffnen der Adern re. den wirklich eingetretenen Tod feststellte.
Metz, 20. Juni. Die vorgestrige Nacht hat den Gartenfrüchten, wenn auch nicht empfindlichen, so doch einigen Schaden gebracht. Die jungen Bohnenblätter und Kartoffeln waren in der Umgegend der Stadt erfroren und ganz schwarz. Auch aus den angrenzenden Bezirken werden ähnliche Klagen laut.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 22. Juni. Eine Frau Böheim ist einem Lustmorde zum Opfer gefallen. Der Mörder befindet sich in den Händen der Polizei und hat das Verbrechen bereits eingestanden. Es ist der ehemalige Schriftsetzer Zb ornik. Er gestand, am 17. ds. Vormittags Frau Böheim im Keller umgebracht und das beabsichtigte unsittliche Attentat ausgeführt zu haben.
Wien, 22. Juni. In Lemberg wurde eine Sammlung zur Beschaffung der Kaution für Kras- zewski eingeleitet. Zwei polnische Aristokraten gaben 2 0000 Francs.
Schweiz.
St. Gallen. Letzten Dienstag Abend war laut „St. G. Tagbl." die Stadt St. Gallen der Schauplatz ebenso lärmender als bedauerlicher Tumulte. Einige Artikel, welche ein Herr Bamberger im „Stadtanzeiger" über die Landesausstellung in Zürich veröffentlicht, hatten durch abschätzige Uriheile über schweizerische Verhältnisse und provozirende Auslassungen über soziale Zustände einen weitverbreiteten Unwillen hervorgerufen. — Mittwoch Abend wurde das Geschäftslokal des Israeliten Bamberger gestürmt, peplündert und Möbel hinausgeworfen. Oberst Jakob und Andere, die zur Ruhe mahnten, wurden verhöhnt, die Polizei mit Steinen empfangen, Ammann Gsell zu Boden geworfen. Als einige verhaftet waren, wurden beim Rathhaus die Scheiben eingeworfen und Redakteur Wirth eine Katzenmusik gebracht. Mit Erlaubniß von Bern stellte die Rekrutenschule um IVr Uhr die Ordnung wieder her. Das Gestohlene wurde in den Wirthschaften versteigert. Das Militär ist auf's Piquet gestellt. Unter den Vernünftigen herrscht große Entrüstung über diese Pöbelherrschaft.
Frankreich.
Paris, 22. Juni. Der „Voltaire" schreibt, der König Radamalo sei durch die Kriegspartei ermordet worden, als er sich angeschickt habe, den Vertrag mit Frankreich zur Ausführung zu bringen, und die Wittwe des Ermordeten sei dann als Rana- valo II. auf den Thron erhoben und gezwungen worden, den Mörder ihres Gatten, den jetzigen ersten Minister, zu heirathen. Ihr Tod sei deßhalb verheimlicht worden, um die Thronbesteigung des Thronerben zu Hintertreiben, welcher den jetzigen Beralhern, auf die er nicht gut zu sprechen sei, übel mitspielen werde.
Herr Quentin, Direktor der Assistance Publique in Paris hat den ferneren Gebrauch von Bier in den Pariser städtischen Krankenhäusern untersagt. Da das Bier, und zwar das deutsche, in Paris einen großen Absatz findet, so beschloß man, eine nationale Brauindustrie ins Leben zu rufen und brachte es denn auch glücklich dahin, ein Schandgebräu zu fabriciren, das in der entsetzten Bevölkerung allenthalben die gräßlichsten Erscheinungen hervorrief und das jetzt — ein guter Gedanke! — behufs Bekämpfung der »Pavillons noirs" nach Tonkin verschifft werden soll. Inzwischen trinken die Pariser deutsches Bier und befinden sich dabei sehr wohl, mit Ausnahme der vereidigten geschäftsmäßigen Chauvinisten, die zwar auch persönlich deutsches Bier trinken, es aber anderen aus patriotischen Gründen nicht gestatten.
Rußland.
St. Petersburg, 22. Juni. Heute empfing der Kaiser in Peterhof eine Deputation der Moskauer Deutschen, welche eine Ergebenheitsadresse überreichte. Der Kaiser unterhielt sich huldvollst in deutscher Sprache mit den Deputaten, dankte denselben für die ausgesprochenen Gesinnungen und gab seine Bewunderung über die kunstvolle, von Prof. Skarbina gemalte Adresse Ausdruck. Nach der Audienz wurde ein Dejeuner für die Deputation servirt.
Die Nihilisten erließen ein neues Manifest
worin sie erklären, trotz des Verlustes der besten Führer und trotz Geldmangels den Kampf für Land und Freiheit fortzusetzen. Die russ. Regierung wird beschuldigt, in einen Krieg mit Deutschland hineinzutreiben, der mit einer schmachvollen Niederlage für Rußland enden werde.
Türkei.
Die Stimmung der egyptischen Bevölkerung gegen die Engländer ist eine in hohem Grade erbitterte. So sagt ein arabisches Blatt: „Die englische Regierung möge wissen: wenn der Schwache schweigt, so geschieht dies, weil er nicht anders kann. Wir bitten die englische Regierung, die Okkupationskosten zu bezahlen und die Truppen, welche das größte Unglück für das Land sind, bald heimzube- rufen. Diese bewohnen die Paläste unseres Herrschers, verzehren die Einkünfte des Landes u. glauben, daß wir noch ihre Schuldner sind."
Amerika.
New-Aork, 17. Juni. Die katholische Geistlichkeit bestätigt das Gewicht, daß die amerikanischen Erzbischöfe aufgefordert worden seien, sich im Oktober in Rom einzufinden, um sich über das Programm eines großen Concils der amerikanischen Kirche zu verständigen.
New-Jork, 18. Juni. Im Mai langten in den Vereinigten Staaten 99 601 Einwanderer an.
Den größten Bienenstand der Welt hat Mstr. Jones auf einer Farm bei dem Dorfe Bentvne in Canada. In 4 Gehegen, deren jedes ca. 23 Ar umfaßt, stehen 620 Stöcke, jeder mit ca. 30000 Bienen bevölkert. Der Genannte hatte Ende Juli 1880 — einem für die europäischen Verhältnisse ungünstigen Bienenjahre — 25000 ÜA. Honig geerntet und hofft von der ganzen 20000000 starken Arbeiterzahl noch 10000 lrx. Honig zu erlangen. Der Reinertrag war nach amerikanischen Berichten auf 10000 Dollar geschützt worden, wobei der Erlös für verkaufte Schwärme und Königinnen nicht eingerechnet wurde. Es ist dies ein neuer Beweis dafür, daß die im Ganzen noch zu wenig beachtete Bienenzucht glänzende Resultate zu liefern vermag. China.
Wie der Times von hier gemeldet wird, fährt China fort, in den Vereinigten Staaten große Ankäufe von Kriegsmaterial, namentlich Gewehre und Patronen, zu machen. 8000 Gewehre und 2000 Kisten Patronen gingen in der vorigen Woche direckt nach Shanghai ab. Die Rheder beobachteten die größte Vers chwiegenheit. _
Handel K Uerkehr.
Tübingen, 22. Juni. Auf dem heutigen Schwcine- markt waren ca. 250 Stück Milchschweine zugeführt. Die Preise bewegten sich zwischen 24—36 per Paar. Verlauf langsam.
Kirchhc im u. T., 22. Juni. (Wollmarkt.i Zweiter Markttag. Bereits ist des Lagers verkauft, feine Wolle zu 180— 205 mittclfcine zu 160—175 rauhe zu 125 bis 150
Kirchhcim u. T., 23. Juni. sWollmarkt.s Dritter Markttag. Die Lager sind bis auf wenige Partien geräumt, Preise zuletzt sehr fest. _
Aer Milchmann.
Eine Erzählung von A. v. Rothenburg.
(Fortsetzung.)
„Die beiden Burschen," fuhr die Tante fort, „sind schon in dem ganzen Thiergarten umhergelaufen, und jetzt suchen sie in den belebtesten Straßen der Stadt."
Rasch entschlossen, lenkte der Hauptmann sein Pferd um.
„Wo willst Du hin, Fritz?"
„Nach dem Polizeibüreau; Eile thut noth, denn es wird schon dunkel."
Unsägliche Angst schnürte sein Herz zusammen. Auf dem Lande und selbst in einer kleinen Stadt hat es mit dem Verschwinden eines Kindes nicht so viel auf sich, in Berlin aber, wo bei Nachtzeit allerhand schlechtes Gesindel wie Nanbthier der Wildniß aus seinen Höhlen kriecht, wo wahre Abgründe des Lasters sich öffnen, vor deren Anblick die reinen Sterne sich verbergen und der Mond sein silberglänzendes Angesicht verhüllen möchte, — in Berlin ist es etwas schreckliches, wenn ein Kind nicht nach Hause zurückkehrt, und eine schreckliche Aufgabe ist es, rath- und thatlos daheim zu sitzen und das Ticken der Uhr an seinem Herzschlag zu zählen, und bei jedem Knarren der Hausthür zusammenzufahren. Aber so oft auch die Tante ihr blasses Gesicht mit der bangen Frage erhob: „Ist er gekommen ?" so erhielt sie immer die nämliche traurige Antwort: „Ach nein, gnädiges Fräulein."
Herr v. Herburg war von seinem Ritt zur
Polizei zurückgekchrt. Die Beamten hatterr ihm versprochen, ihr Möglichstes zu thun. Er saß nun in seinem geschmackvoll eingerichteten Speisezimmer und sollte sich erquicken. Die Tante schob ihm den Teller zu, aber sie mußte sich abwenden, um ihre Thronen zu verbergen; auch Herr v. Herburg mußte sich Gewalt anthmz, um einige Bissen znm Munde zu führen.
Plötzlich schob er den Teller zurück, sprang auf und griff nach seiner Mütze.
„Willst Du noch einmal fort, Fritz?" fragte die Tante.
,,Ja," sprach er; „ich habe etwas vergessen. Geld thnt viel bei solcher Gelegenheit; ich will eine Belohnung aussetzen."
Mit hastigen Schritten stürmte Herr o. Herburg nach dem Polizeibüreau. Die Beamten waren in voller Thätigkeit. Der Telegraph hatte nach allen Richtungen hin seine Botschaften getragen; in allen westlichen Stadttheilen Berlins forschte man bereits nach Walther.
„Ich will eine Belohnung aussetzen," sagte Herr v. Herburg, indem er keuchend in das Büreau trat.
„Sehr wohl," erwiderte der Beamte; „welche Summe darf ich angeben, Herr Hanptmann?"
„Schreiben Sie dreitausend Mark," erwiderte
dieser.
„Dreitausend Mark?" wiederholte der Beamte verwundert über die hohe Summe; aber es blieb dabei.
Der unglückliche Mann kehrte ruhelos in seine Wohnung zurück. Die Tante bat ihn, sich in den Kleidern auf's Bett zu legen; aber nachdem sie selbst in ihr Zimmer hinauf gegangen war, begab er sich in den Gartensaal.
Dort war Alles so kostbar. Schön geschnitzte Möbel schmückten den Raum, seidene Vorhänge wallten hernieder, Oelgemälde in breiten, goldenen Rahmen hingen an den Wänden. Der Mond schien in das Fenster und seine sanften Strahlen sielen hell auf das lebensgroße Porträt der verstorbenen Mutter und der Herrin des Hauses. Herr v. Herburg zog einen Sessel heran, und setzte sich gerade vor dem Bilde nieder; wie im Traum sah er die lieben Augen über sich, die ihn so oft beruhigend angeblickt hatten.
Früher war das ihm immer ein Trost gewesen, jetzt thaten sie ihm wehe; es schien ihm, als schauten sie ihn vorwurfsvoll an, als fragten sic ihn: „Wo ist f unser Kind, unser theurer geliebter Sohn?"
„Ich habe auch Schuld daran," murmelte er,
— und verfiel in trauriges Sinnen. Er dachte jener Stunde, da sie ihm den Knaben geschenkt, und er mit einem Schrei der Freude auf die Botschaft geantwortet, mit dem Schrei: „Ein Kind, ein lebendes Kind, o Gott ich danke Dir." —
Und nun, und nun!
Draußen siel der Thau; Mitternacht senkte sich schwer auf die dunkle, ach, so dunkle Erde, und dies Kind irrte heimathlos umher, umgeben vom Verderben. Würde er es je wieder erhalten? Wäre es nicht leichter gewesen, ihn neben der Mutter in sein Grab zu betten, als ihn sich schutzlos in der Welt umher wandernd zu denken? Eine lange, ernste Einkehr hielt Herr v. Herburg diese Nacht in seinem Innern. Und wie es allmählich auf den Straßen der Großstadt stille und immer stiller wurde, so kam auch in das geplagte Vaterherz Ruhe vor den quälenden Gedanken und Sorgen. Als der Morgen grau heraufdämmerte, hatte er sein Haupt in den Sessel zürückgelehnt; er schlief. —
Walther war unterdessen immer weiter mar- schirt. Der Schatten der Kastanien schützte ihn vor der Hitze; an Geld fehlte es ihm für's erste nicht; hatte er d och schon am Morgen den Beschluß zur Auswanderung gefaßt und demgemäß über Mittag seine wohlgefüllte Sparbüchse zu sich gesteckt. Er kehrte auch ganz dreist in einem dicht an der Straße gelegenen Wirthshaus ein, trank ein Glas Bier, verzehrte ein belegtes Butterbrot dazu, und fühlte sich dadurch .
so ermuthigt, daß er seinen Weg mit keckem Muth ^
fortsetzte. Auf der Karte war Hamburg gar nicht so weit ab von Berlin, und von Hamburg aus gehen die großen Dampfschiffe nach Amerika ab; das wußte er recht gut; dahin wollte er eben.
Nun aber vernahm er plötzlich Militärmusik; er warf einen forschenden Blick die Chaussee hinunter. Richtig, da kam ein ganzes Bataillon gerade auf ihn los marschirt, und, o Schrecken, noch dazu eines von dem Regiment, bei dem sein Vater stand. Wie leicht konnte einer der Offiziere ihn erkennen! Mit einem Satz sprang er in das Nächstliegende Kornfeld, kroch q die Furche entlang, bis er auf einen schmalen Weg