nur derjenige wahrhaft kennt, der mit und unter dem Landvolk lebt. Zu allem kommen dann noch die fast unerschwinglichen und sich immer steigernden Amts- und Gemeindelasten. Es ist deshalb höchste Zeit, daß man durch geeignete Gesetze hier Abhilfe schafft, ehe man den Landmann nur als Proletarier findet und nicht mehr als das, was er sonst dem Staate war. (W. L.)
Brandfälle: In Beutelreusch, Gemeinde Obereichberg (Laupheim) am 12. März, Abends halb 8 Uhr, zwei Scheuern.
Baden-Baden, 17. März. Die amtliche Untersuchung wegen der Vergiftung des Fürsten Gvrtschakow nimmt ihren Fortgang. Gestern und heute fand die viele Stunden dauernde Vernehmung der Söhne des Verstorbene», der Fürsten Michael und Konstantin Gvrtschakow statt. Der Oberstaatsanwalt Frhr. v. Neubronn aus Karlsruhe leitet die Erhebungen.
Fr ei bürg, 19. März. (F. I.) Dem Vernehmen nach hat sich in den vom Professor v. Hahn untersuchten Eingeweide« des Fürsten Gortschakoff kein Anhaltspunkt für die Annahme einer Vergiftung ergeben.
München, 18. März. Am 17. wurde die 55jährige Oberkondukteurswittwe Therese Zirkelbach in ihrer Wohnung Abends durch zwei junge, anständig ausschende Männer, die sich zur Fortsetzung ihrer Studien als Künstler bei ihr einzumiethen erklärten, ermordet und beraubt, nachdem sie vorher die Tochter der Ermordeten durch einen gegebenen Auftrag aus dem Hause zu entfernen wußten. Ein anderes Jndividium suchte sich in der Weise Geld zu verschaffen, daß es an den Hausthüren klingelte, anfragte, ob der Mann zu Hause sei, verneinenden Falles in die Wohnung trat und hier der Frau oder Magd einen Revolver auf die Brust setzte und Geld verlangte. In mehreren Fällen wurde diesem Verlangen Folge geleistet, ein Offizier veranlaßte endlich die Festnahme des frechen Burschen.
Ein Gelehrter, Professor Sattler in München, hat herausgebracht, daß wir nicht 1883, sondern 1888 schreiben müßten. Er weist nämlich an alten römischen Kupfermünzen nach oder versucht es doch, daß Jesus, nach dessen Geburtsjahr wir die Zeit berechnen, nicht 754 nach der Erbauung Roms geboren ist, sondern 749. Die betr. Kupfermünzen hat Herodes Antipas, einer von den Söhnen Herodes des Großen prägen lassen und sie sind bis auf den heutigen Tag erhalten. Wer Näheres darüber wissen will, studire die Allgem. Zeitung Nr. 72 vom 13. März d. I. (Vrgl. auch Humboldts Kosmos.)
Die Münchener sagen, der März 1883 sei dem März 1865 zum Verwechseln ähnlich und werde ein gutes Jahr bringen. Auch im Jahre 1865 habe der März scharfen Nordostwind mit starker Kälte gebracht, die Kälte sei bis zum 19. März auf 18 Grad gestiegen, die Erde sei erstarrt und tiefer Schnee habe Wald und Flur bedeckt. In der Nacht vom 31. März auf 1. April kam aus Süd-Süd-West ein heißer Föhn, der mit seinem trockenen Athem der Erde ihr weißes Kleid nahm, so daß Abends keine Schneeflocke mehr zu finden war, ausgenommen da, wo in Hohlwegen, liefen Gräben, u. s. w. das zusammengewehte gelbgraue, krystallisirte Wasser guten Schutz gegen seinen grimmen Feind hatte. Auf diesen starken Nachwinter folgte ein herrliches Frühjahr, ein heißer Sommer und wurde das Jahr 1865 eines der gesegnetsten Jahre unseres Jahrhunderts; auch Bacchus beglückte seine Anhänger in ausgiebigem Maße mit einem guten Tropfen.
Eine Allerweltsstadt war jedenfalls bis zum Jahre 1866 Mainz. Bis dahin herrschten dort nämlich folgende Zustände: Hessische Landesherrlichkeit, französisches Recht, deutsche Bevölkerung, römische Kirche, preußischer Commandant, österreichischer Gouverneur, italienische Besatzung, Turn- und Taxissche Post, bayrische Telegraphie, badische Gasanstalt. Welche Stadt der Welt hätte wohl an bunterer Mannichfaltigkeit etwas Aehnliches aufzuweisen?
Zur Frage der Arbeitsbücher macht der Buchdrucker Lehmann in Dresden den Vorschlag eines auf alle Stände auszudehnenden Legitimationsbuchs, das er deutsches Heimoder Hausbuch nennt und das sämmtliche Einzcllcgitimationcn ersetzen soll. Dies Buch, so denkt er sich, wird den Eitern jedes Kindes bei dessen Namengebung vom Standesamt ansgehändigt, umfaßt neben dem Umschlag 32 Seiten Kleinoktav
nnd enthält: Umschlag: Deutsches Hcimbuch für.
1. Seite Geburtsschein, 2. Seite Taufschein, 3. Seite Impfschein. 4. Seite Schulbeginn, 5. Seite Schulentlassung, 6. Seite Kvnfirmationsschein, 7. Seite Fortbildungsschule, 8. Seite Lehr
zeit, 9. Seite Militärzeit, 10.—29. Seite Lebensstellungen, 30. Seite Vcrheirathung, 31. Seite Trauschein, letzte Seite Todten- schein. Auf Seite 10- 29 sind alle» Ständen die Stellungen zu bescheinigen: dem Studenten die Universität, dem Kommis das Engagement, dem Gesellen die Leistung, dem Hausmädchen der Dienst, der Fabrikarbeiterin die Thätigkeit, dem Pastor von der Gemeindebehörde die Seelsorge, dem Assessor sein Richtcramt, dem Prinzen Heinrich von Preußen von der Admiralität seine Weltreise rc. Kurz und gut, da ist der Höchste nicht zu hoch, der Geringste nicht zu gering dafür; jeder muß cs haben, und überall hat es als Legitimation zu genügen. So übel ist der Vorschlag nicht.
8. 0. Gotha, 20. März. Staatsrath Wangenheim wurde von einem Manne, welcher angeblich sich um eine Stelle bewarb, erschossen. Der Mörder entleibte sich. Beide sind todt.
Berlin, 17. März. Der Rücktritt des Hrn. v. Stosch gilt nunmehr als wahrscheinlich. Die „Liberale Korrespondenz" theilt mit, der Reichskanzler habe in einem an den Kaiser gerichteten Memorandum über die Verwaltung des Chefs der Admiralität v. Stosch zu erkennen gegeben, daß er für die Zukunft die Verantwortlichkeit für dieselbe ablehnen müsse. Die „Nordd. Allg. Ztg." registrirt die Nachrichten, daß der Kaiser Stosch's Entlassungsgesuch angenommen habe.
Berlin, 19. März. Die gestrige Bestattung des ermordeten Geldbriesträgers Kossäth gestaltete sich zu einer der größten Volksdemonstrationen, welche Berlin seit Jahren gesehen. Hunderttausende folgten dem Zuge von der Skalitzerstraße aus, über zwei Tausend Postbeamte in Galauniform folgten dem Sarge; ein kleines Heer von Schutzleuten war zur Aufrechterhaltung der Ordnung aufgeboten worden; die Bestattung nahm den feierlichsten würdigsten Verlauf.
8. 6. Berlin, 20. März. Das Abschiedsgesuch des Generals der Admiralität von Stosch wurde genehmigt und Generallieutenant Caprivi zum Chef der Admiralität ernannt.
Die Armenpflege Berlins verursacht eine jährliche Ausgabe von 4 300000 während noch vor 10 Jahren nur 2Vs Millionen Mark für den gleichen Zweck erforderlich waren. Zur Zeit erhalten 14 243 Personen laufende städtische Almosen.
Einem frappanten Bilde über die soziale Frage (zunächst) in Frankreich, begegnet man im Berliner Tageblatt. Es vergleicht die Zugeständnisse, welche Regierungen und Kammern seit vielen Jahren dem vierten Stande der Arbeiter machen, mit dem Manne, dem ein Bär nachsetzt, und der nacheinander Hut, Handschuhe, Mantel, Rock und Hemd dem Büren zuwirft, um ihn zu beschäftigen, bis er dann doch von ihm gefressen wird.
Barmen, 16. Mürz. Man schreibt der „Fr. Ztg.": Großes und berechtigtes Aufsehen erregt ein hier entdecktes weitverzweigtes Briefmarken-Fälschungs-Komplott. Vor einigen Tagen wurde in der Löwenstraße ein Lithograph verhaftet, in dessen Wohnung man eine ganze Werkstatt zur Anfertigung von falschen Fünfzigpfennigmarken der deutschen Reichspoft entdeckte. Nach und nach wurden zahlreiche andere Personen verhaftet und gestern wurden sogar drei angesehene Kaufleute, die Inhaber eines ziemlich bedeutenden Fabrikgeschäfts in dem benachbarten Langerfeld gefänglich eingezogen. Einer der verhafteten Kaufleute hat heute ein umfassendes Geständniß abgelegt. Es waren im Ganzen für ca. 150000 vkL falsche Marken er 50 L angefertigt worden. Davon hatte die Langerfelder Firma für 53000 cM übernommen. Mit den Marken wurden Waareneinkäufe in zahlreichen deutschen Fabrikstädten bezahlt. In Berlin und Kassel soll man zuerst Verdacht geschöpft und die Polizeibehörden auf die Marken, die übrigens so täuschend nachgemacht waren, daß selbst die Post nichts entdeckte, aufmerksam gemacht haben, was dann schließlich zur Entdeckung der Fälscherbande führte.
Oesterreich-Uugarn.
Prag, 15. März. Dem „Pokrok" zufolge liegt dem Prager Landesgerichte ein Gesuch um die Konkurseröffnung über das Vermögen des derzeit in Paris weilenden Prinzen Heinrich v. Hanau vor. Die Passiva erreichen an 400000 Gulden, während zur Schuldzahlung nur 70 000 Gulden aus dem testamentarischen Erbtheil vorhanden sind.
Frankreich.
Paris, 19. März. Die Nachmittags an meh-
B
reren Orten abgehaltencn öffentlichen Versammlungen Verliesen ohne Zwischenfall. Bei einer Versammlung in Lachappele hielt der Munizipalrath Josfrin eine Lobrede auf die Kommune und forderte die Arbeiter auf, sich der Demonstrationen zu enthalten, aber die sozialistische Propaganda fort- zusetzcn. In den Straßen ertönten an zwei oder drei Orten Hochrufe Einzelner, meist Betrunkener, auf die Anarchie oder den 18. März. Die Nacht verlief vollständig ruhig.
Paris, 19. März. Der Ministcrrath beschloß, daß angesichts der Stockung in der Möbelindustrie die Möblirung des Stadthauses, der Schulen , der Ministerien und der Staatsgcbäude sofort vervollständigt werde; ferner daß 4—5000 Wohnungen speziell iür Arbeiter gebaut werden sollen. Das betreffende Projekt wird vorbereitet.
England.
London, 18. März. Zwei als Frauen verkleidete Männer griffen gestern Abend in Windsor Lady Florence Dixie mit Dolchen an; die Dame kam jedoch unverwundet davon. Ein großer Bcrn- hardinerhund, welcher sie begleitete, scheint sie geschützt zu haben, nur an den Handflechsen hat sie einige Schnitte. Von den Attentätern keine Spur. Frau Dixie hat die Landliga wiederholt in der Presse angegriffen.
Rußland.
Petersburg, 20. März. Der Gouverneur von Moskau erhielt einen Brief, welcher besagt, weil der Kaiser keine Constitution gewährt, soll die Krönung verhindert werden, selbst wenn der ganze Kreml sammt allen Gästen in die Luft gesprengt werden müßte. In Petersburg ist ein Dynamitdepot entdeckt und sind vierzig Personen verhaftet worden.
Rumänien.
Bukarest, 19. März. Der König und die Königin haben heute die Reise nach Italien angetreten.
Amerika.
Newyork, 19. März. Most hielt anläßlich des Jahrestages der Commune eine Rede und sagte, die Pariser Commune sei viel zu human aufgetreten; die Commune der Zukunft werde ohne Rücksicht auf humanitäre Erregungen handeln. (F. I.)
Eine Anzahl hervorragender Geistlichen lutherischer Konfession in Amerika erließ an die in den Ver. Staaten lebenden Protestanten einen Aufruf zur Bildung eines Fonds für die Errichtung einer Bronze-Kolossal-Statue zum Andenken Martin Lu- ther's in Washington.
Handel K Verkehr.
Stuttgart, 19. März. (Mehlbörse.) Das Mehl- geschäft verlief in normaler Weise bei unveränderten Preisen. An heutiger Börse sind von inländischen Mehlen 826 Sack als verkauft zur Anzeige gekommen zu folgenden Preisen: Mehl
Nr. 0 34 4L bis 35 4L 50 4. Nr. 1 32 4L bis 33 4L 50 4,
Nr. 2 30 4L bis 31 4L 50 -1, Nr. 3 28 4L bis 29 50 4,
Nr. 4 23 4L bis 24 .«L 50 4 per Sack von 100 Kilo, Brutto
für Netto, bei Abnahme größerer Posten. In ausländischen Mehlen wurden 100 Sack verkauft in verschiedenen Sorten und zu verschiedenen Preisen.
Stuttgart, 19. März. sLandcsproduktcnbörse.s Auf unserer Börse, die stark besucht war, ging es im Handel sehr ruhig zu, jedoch war der Umsatz beträchtlich. Wir notiren Pr. 100 Kgr.: Waizcn, österreichischer 4L 22.15, bayerischer prima 4L 20—20.50, ungarischer ^ 22.90—23.50, russischer.^ 23 bis 4L 23.25, Dinkel 4L 12, Haber 4L 12.40.
(Preise der Lebensbedürfnisse in Stuttgart auf dem Wochenmarkt vom 17. Mürz j I Pfd. süße Butter 1 4L 20 4, saure Butter 1 .<L, Rindschmalz I 25 4, Schweineschmalz 80 4, 10 frische Eier 60 4, I Pfund Weitz- brod 14 4, Halbweißbrod 13 4, Hausbrod 10 4, 1 Paar Wecken wiegen 80 Gramm, 1 Pfd. Ochsenfleisch 70 4, Rindfleisch 60 4, Schweinefleisch 70 4, Kalbfleisch 60 4, Schaf- sleifch 70 4, 1 Ctr. Heu 4L 3.10—3.80, 1 Ctr. Stroh 4L 1.60 bis 4L 1.80.
Ulm a. D., 17. März. sLedermcsse.f Die Ledermesse war von Verkäufern und Käufern stark besucht, was auf den Verkehr einen sehr günstigen Einfluß hatte. Der Verkauf ging überaus rasch von statten und die Preise, welche denen auf der Herbstmesse ziemlich gleichkamen, erhielten sich mit Ausnahme des Kalbleders, welches einen Ausschlag von ca. IO«/, erzielte, fest. Der Messe wurden zugcführt 57 563 Kilo.
Ulm a. D., 17. März. (Tu chm esse.) Obgleich die Witterung bei Beginn der Tuchmcssc sehr ungünstig war, so hat dieselbe dennoch einen sehr guten Verlauf gehabt. Die Messe wurde zwar von Verkäufern nicht besonders stark besucht, dieselben machten aber um so bessere Geschäfte, weil Bedarf und große Kauflust vorhanden war. Der Messe wurden zugeführt 1286 Stück und hievon verkauft: 440 Stück an Inländer, 390 an Ausländer, zusammen 830 Stück mit einer Umsatzsumme von ca. 110 000 .4L Die nächste Herbsttuchmcsse findet am 8 ., 9. und 10. Oktober statt.