Berlin, 21. Jan. Prinz Karl von Preußen ist heute Mittag kurz vor 2 Uhr gestorben. Der Kaiser und die Kaiserin hatten sich gegen I V, Uhr zum zweiten Male zu dem Prinzen begeben, um mit demselben das heilige Abendmahl zu nehmen. In Folge zu großer Schwäche des Prinzen mußte die heilige Handlung unterbleiben. Generalsuperintendent Dr. Kögel betete mit den Anwesenden am Lager des Sterbenden. Während des Gebets verschied der Prinz. Mit dem Kaiser und den anderen Personen der Umgebung hatte sich der Prinz noch durch Geberden unterhalten. Um zwei Uhr erschienen der Kronprinz und die Kronprinzessin.
Berlin, 21. Jan. Da wegen des Ablebens des Prinzen Karl keinerlei Feierlichkeiten stattfinden, so ist sämmtlichen Fürstlichkeiten zur silbernen Hochzeit des Kronprinzenpaares abtelegraphirt worden. Ebenso erhielten die Deputationen, welche anläßlich der silbernen Hochzeit eintreffen sollten, hiervon Kenntniß (Fr. I.)
Berlin, 22. Jan. Die Leiche des Prinzen Karl ist heute Nachmittag zwischen 4 und 5 Uhr, bekleidet mit der Artillerie-Uniform, eingesargt worden. Zur Trauerfeier, welche morgen beginnt, wurde die Leiche im großen Saale des Palais aufgebahrt.
Berlin, 22. Jan. Der Kaiser, so hört man, der mit großem Antheil den Festvorbereitungen für die Silberhochzeit des Kronprinzenpaares gefolgt war, ist untröstlich über den materiellen Schaden, welcher den Verkehr, namentlich den Handel und die Industrie Berlins durch den Ausfall der Festlichkeit betrifft. Dieser Schaden ist allerdings sehr groß. Es stand ein enormer'Fremdenverkehr in Aussicht. Außerdem hatten alle Geschäfte, welche Artikel für Herren- und Damentoiletten vertreiben, große Aufträge übernommen und zum Theil ausgeführt. Dazu kommt der Verbrauch für die Festlichkeiten selbst seitens der Hofverwaltung und dergleichen; aus diesen Gründen und um die davon Betroffenen einigermaßen schadlos zu halten, hat der Kaiser angeord- net, daß am 28. Febr. die gesammten Festlichkeiten, welche zur silbernen Hochzeit des Kronprinzenpaares vorbereitet waren, im Weißen Saale des Schlosses stattfinden. Es war sogar davon die Rede, daß die Feier des kaiserlichen Geburtstages auch am 28. Februar vorweg vorgenommen werden sollte, weil der Geburtstag selbst, 22. März, in die Charwoche fällt. Doch ist darüber noch nichts endgiltig bestimmt.
Berlin, 22. Jan. Die Großmeister der vereinigten acht Großlogen der Freimaurer Deutschlands überreichten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin gestern Mittag einen anläßlich der Feier ihrer silbernen Hochzeit gesammelten Fonds zu einem Heimaths- haus für Frauen und Töchter verstorbener Freimaurer.
Berlin, 24. Januar. Der Reichstag ertheilte seinem Präsidium die Ermächtigung, Seiner Majestät dem Kaiser anläßlich des Todes des Prinzen Karl das herzlichste Beileid des Hauses auszusprcchen. Der Präsident theilt sodann den Eingang einer abermaligen Hilfsspende von 112000 Mark für die Ucberschwemmten aus Detroit und New York mit. Bei Fortsetzung der Etatsdebatte treten der Kriegsminister und Frhr. v. Maltzahn-Gültz den Klagen Schott's Voll- mar's und Richtcr's über die schlechte Behandlung der Mannschaften und die Bevorzugung des adeligen Elements in der Armee entgegen. Richter bczeichnete das Gardes-du- Korps-Rcgimcnt als eine kostspielige, überflüssige Paradetruppc. Der Kriegsminister protcstirt dagegen.
Aus Nordhausen, vom 14. ds. Mts., berichtet das „L. Tgbl.": Der Seiltänzer Ringleb aus Wcrnsleben hatte das hohe Seil, welches seine Frau" bestiegen, mit einem scharfen Messer durchschnitten, in der „Hoffnung", seine Frau würde den Hals brechen. Die Frau erlitt jedoch bei dem Sturze nur einen Armbruch. Der Uebelthätcr wollte sich der Lynchjustiz des aufgeregten Publikums durch die Flucht entziehen, wurde aber gerade noch ertappt, als er im Begriffe war, sich zu erschießen. Derselbe wurde dingfest gemacht.
Hagen, 13. Jan. Heute Abend ist die Kasse des hiesigen Hauptpostamtes um 4400 ^ bestohlen worden. Abends gegen 7 Uhr erschien am Schalter des Hauptpostamtes, an welchem auch die Postanweisungen ein- und ausgezahlt werden, ein anständig gekleideter Herr und verlangte einen postlagernden Brief. Während der Schaiterbeamte sich umwandte und nach dem Fache für postlagernde Briefe griff, schob der vor dem Schalterfenster stehende Fremde dasselbe in die Höhe, ergriff die dastehende Kasse u. stürzte zur Thüre des Hausflures hinab. Auf den Ruf des Beamten: „Kasse bestohlen!" setzte das anwesende Personal, der Beamte an der Spitze, dem Tavoneilenden nach, wobei dieser sich umdrehte und auf den Beamten einen Schuß abfeuerte, zum Gluck ohne zu treffen. In der Dunkelheit entkam der Ver
brecher. Es steht fest, daß zwei Personen bei dem Raub betheiligl sind, von denen die eine Wache stand.
Auf mancherlei Zustände und Stimmungen im Elsaß wirft ein Artikel Licht, welcher der „Straßburger Post" über kirchliche Verhältnisse zugegangen ist. „Die Thatsache, daß der kirchliche Sinn der neu eingewanderten deutschen Familie ein geringer ist, können wir ohne Bedenken zugeben. Wir erlauben uns nur die Frage dagegen : Können denn die deutschen Beamten in die Kirche gehen? und diese Frage müssen wir für manche Orte und für viele Verhältnisse mit einem unbedingten „Nein" beantworten. Den Frauen darf man es nicht zumuthen, denn sie sind selten vor Ungezogenheiten aller Art sicher. Und die Männer? Man wird kaum Drang fühlen, zu einem Herrn in die Kirche zu gehen, der seine Predigt am Himmelfahrtstage damit beginnt, daß Christus nicht gen Himmel gefahren ist, oder einem andern, der durch einen kraft- und saftlosen Sermon über ein Freiligrathsches Gedicht die Kanzel entweiht, oder einem dritten, den jedesmal ein Hustenreiz überfällt, wenn er den Namen des Kaisers nennen soll, oder einem vierten, der öffentlich mit sehr deutlicher Anspielung betet, daß der Herr das arme Elsaß von seinen Feinden befreien möge. Ihr Berichterstatter gibt nur Selbsterlebnisse und überläßt es Andern, die Liste derartiger Vorkommnisse zu vervollständigen. Er gehört zwar nicht zu denen, die aus irgend welchen Gründen ä tont xrix jeden Sonntag ihr Gesangbuch ostentativ zur Kirche tragen, aber auch er hält eine kräftige protestantische Kirche für einen wichtigen Factor unseres öffentlichen Lebens: auch er hat geglaubt, daß auf dem Boden der evangelischen Kirche eine Annäherung zwischen den Altelsässern und den Eingewanderten sich am naturgemäßesten vollziehen werde; aber auch er hat diesen Glauben als einen Wahn erkannt und steht den Expectorationen des Consistoriums Augs- burgischer Confession kopfschüttelnd gegenüber!" Frankreich.
Paris, 21. Jan. In der Kammer wird der Gesetzentwurf über eventuelle Maßregeln gegen Thronprätendenten verlesen. Derselbe ermächtigt den Präsidenten der Republik, durch ein im Ministerrathe festzustellendes Dekret jedes Mitglied früherer Herrscherfamilien Frankreichs auszuweisen, dessen Anwesenheit die Sicherheit des Staates gefährden könnte. Die Rückkehr nach Frankreich unter Verletzung des Dekrets zieht Verurtheilung zu ein- bis fünfjähriger Gefängnißstrafe nach sich. Prinzen, welche der Armee angehören, können in Disponibilität versetzt werden (Unterbrechungen, Unruhe.)
Paris, 22. Jan. Offiziös verlautet, die Regierung werde den Prinz Napoleon durch den Senat, welcher zu diesem Zweck den Charakter der Institution eines höchsten Gerichtshofes erhalten soll, aburtheilen lassen.
Paris, 23. Jan. Die Minister haben sich heute Morgen im Cabinetsrath nicht einigen können und dem Präsidenten der Republik ihre Demission übergeben. — Präsident Grevy hat die Demission der Minister nicht acceptirt. (Fr. I.)
Paris, 23. Jan. Die Kaiserin Eugenie ist in Paris eingetroffen und im Hotel Durhin am Vendomeplatz abgestiegen. „Ich bin nach Frankreich gekommen" — sagte sie den am Bahnhof zum Empfang Versammelten, worunter Rouher sich befand — „weil das mein Recht ist und weil ich einem Napoleon meine Sympathie beweisen will."
Die letzte Handelsbilanz Frankreichs zeigt trotz der Handelsverträge eine ungemeine Steigerung (von etwa 100 Millionen) der Einfuhr fabrizirter Gegenstände, während die entsprechende Ausfuhr keine Steigerung erfahren hat. Es ist dies ein beunruhigendes Zeichen. Die wirthschaftlichen und finanziellen Fragen dürften sich in nächster Zeit in den Vordergrund drängen.
Havre, 21. Jan. Der Dampfer „Picardie" von der Compagnie Generale Transatlantique ist auf der Fahrt von New-Aork nach Havre gesunken. Die ganze Besatzung wurde gerettet.
Lyon, 19. Jan. Bei der Publikation des Urtheils im Anarchistenprozeß, das neben den Ge- fängnißstrafen auch in solidarische Tragung der Kosten verurtheilt, wurden Rufe der Verzweiflung im Publikum laut. Die Weiber der Verurtheilten wollten auf ihre Männer losstürzen, aber die Soldaten stießen sie zurück. Der Kampf dauerte einige Augenblicke. Man unterschied die Stimme der Fürstin
Krapotkin. Die Angeklagten stiegen auf die Bänke. Nachdem der Tumult seinen Höhepunkt erreicht hatte, wurde der Saal ohne weiteren Zwischenfall geräumt. Man sah die Fürstin Krapotkin die Stufen des Justizpalastes am Arme der Louise Michel heruntersteigen.
„Voltaire" und „Lanterne" behaupten ferner, Prinz Napoleon habe sein Manifest nur deßhalb veröffentlicht, weil er die Nachricht erhalten habe, die Legitimisten gedächten am 21. Jan. (Ludwigs XVI. Todestag) einen Aufstand herbeizuführen. Charette sei seit mehreren Tagen in Paris gewesen, um den Befehl über eine schon bereitgestellte royali- stische Truppenschaar zu übernehmen. Soviel — bemerkt hiezu ein Correfp. der „K. Z." — ist allerdings wahr, daß die Legitimisten seit einiger Zeit in der Presse und mit der Einberufung öffentlicher und geheimer Versammlung sehr thätig waren, und es ist kein Zweifel, daß mehrere Heißsporne der Partei den Augenblick für günstig hielten, einen Aufstand zu versuchen. Ein Erfolg wäre indessen sehr unwahrscheinlich gewesen.
Rußland.
St. Petersburg, 20. Jan. Der Kaiser hat für die durch den Cirkusbrand in Berditscheff Geschädigten und die Familien der beim Brande ums Leben Gekommenen 4000 Rubel gespendet.
Amerika.
New - Uork, 20. Jan. Der gestrige von San Francisco kommende Expreßzug der Southern Pacific-Eisenbahn fuhr in Folge eines Bruches der Äremsketten unweit Los Angeles einen steilen Abhang von vier Meilen mit einer übermäßigen Schnelligkeit hinab und stürzte über die Einfriedigung. Die Trümmer des Zuges fingen Feuer und 15 Personen wurden getödtet; mehrere von denselben waren verbrannt und 14 andere wurden verletzt; 7 Leichname sind aufgefunden, dieselben sind aber unkenntlich. (N. T.)
New-Jork, 21. Jan. Bei dem Eisenbahnunglück bei Los Angeles verbrannten zwei Schlafwagen und drei andere Wagen. Die darin befindlichen Personen waren so fest in die Wagentrümmev eingepreßt, daß sie vor den Augen der Uebrigbleiben- den, ohne daß Hilfe möglich gewesen wäre, langsam verbrannten; bis jetzt sind 17 verbrannte Leichen aufgefunden worden.
Hamburg, 21. Jan. Die „Cimbria", auf der Reise von Hamburg nach New-Aork begriffen, ist am Freitag Morgens bei Borkum mit dem Dampfer „Sultan" zusammen gestoßen und bald darauf gesunken. Ein Boot mit 39 Personen von der Mannschaft des gesunkenen Schiffes ist in Cuxhafen gelandet. Es sind sechs Dampfer ausgesendet, um die anderen Boote zu suchen. Weitere Meldungen besagen noch: Der Hüller Dampfer „Sultan", welcher am Freitag Morgen mit dem Hamburger Postdampfer „Cimbria" zusammengestoßen war, ist stark beschädigt in der Elbe eingetroffen. Ueber den untergegangenen Dampfer „Cimbria" wird noch bekannt, daß derselbe am Donnerstag von Hamburg abgegangen und in der Elbe auf den Grund gerathen war. Mit der Fluth und unter Assistenz des Dampfers „Hansa" kam die „Cimbria" unbeschädigt ab und ging Nachmittags 2V, Uhr in See, worauf am Freitag Morgen bei dichtem Nebel der Zusammenstoß erfolgte. — Der Hüller Dampfer „Sultan" ist nach der Colision ohne Rettungsversuch weggedampft und gestern mit einem Loch hier angekommen. Die Offiziere desselben sind laut „Frkf. I." verhaftet. — Nach der im „Fr. I." veröffentlichten Passagierliste befanden sich auf der „Cimbria" mit den Kindern circa 350 Personen, darunter 13 aus Württemberg. Wenn nicht einzelne der Boote noch aufgefunden werden oder vielleicht von westwärts steuernden Schiffen angetroffen und nach England mitgenommen worden sind, ist zu fürchten, daß über 400 Menschen bei der Katastrophe zu Grunde gegangen sind.
Hamburg, 21. Jan. Die „Hamburger Börsenhalle" meldet: Unser Reporter, welcher an Bord des „Sultan" war, berichtet, daß die gesammte Mannschaft jedwede Aussage über die Kollision verweigert. Der Kapitän machte offiziell bei dem britischen Konsul Aussagen, über welche nichts zu erfahren ist.
Hamburg, 23. Jan. Die vom „Diamant" geretteten sechzehn „Cimbria"-Passagiere und Heizer