das redliche Bestreben des Ministers des Innern, v. Hölder, aus der von seinem Vorgänger Sick verschuldeten Stockung der Gesetzgebungsarbeit heraus­zukommen. Die Hauptaufgabe des Landtags wird übrigens zunächst die Etatsberathung sein. Bei einer Eisenbahnschuld von 374 Millionen, die durch den Ertrag der Bahnen sich nicht verzinst, so daß die Tilgungsraten immer aufs neue durch Anleihen aus­gebracht werden müssen, gibt es harte Nüsse zu kna­cken. Daß diesmal keine neuen Steuererhöhungen nöthig sind, ist wesentlich dem Antheil an den immer reichlicher fließenden Reichssteuern und dem Umstande zu danken, daß man beim letzten Etatsabschluß schon dem Brauereigewerbe eine Steuerlast aufgehalst hat, die auf längere Zeit Vorhalten wird.

Ueber den Beschluß der demokratischen Partei, ein demokratisches Wochen- und Sonntagsblatt ins Leben zu rufen, das namentlich in bäuerlichen Krei­sen verbreitet und demEvangelischen Sonntags­blatt" und demChristenboten" Konkurrenz machen soll, sagt derJpf": Karl Mayer meinte, man werdedabei sicher Entgegenkommen bei dem Volke finden, denn der Ungeschmack der ihm bisher gebo­tenen Lektüre habe in gar vielen den Wunsch nach einer besseren geistigen Nahrung rege gemacht." Wenn das Blatt im Lande gehörig verbreitet werde, werde die Wirkung nicht ausbleiben, meinte Karl Mayer.

Reutlingen, 15. Jan. Samstag Abend spielte sich in der äußeren Albvorstadt eine eigen- thümliche Scene ab. Zwischen 6 und 7 Uhr ent­kleidete sich dort der Kr. Ztg. zufolge am Kanal bei dem Bobrzyk'schen Anwesen ein fremder Mann, warf seine Kleider, Ueberzieher, Rock ic., eine silberne Uhr mit goldener Kette, sowie sämmtliches Geld, wie er angibt, gegen 90 Mark, ins Wasser und wollte allem Anscheine nach selbst Nachfolgen. Er wurde jedoch von Leuten, denen sein Benehmen ausgefallen war, daran verhindert und zur Polizei verbracht. Dort ergab sich, daß der Mann geisteskrank war. Der Unglückliche ist der etwa 28 Jahre alte Bierbrauer Müller von Kirchberg und war längere Zeit Ober­brauer bei Bierbrauer Weidle in Rottenburg. Am Sonntag Morgen wurde der Kanal abgelassen und fand man die Uhr mit goldener Kette und etwa 16 Mark Geld.

Oberamtspfleger Egelhaaf von Gerabronn feiert morgen, den 14. Jan. 1883, sein 40jähriges Jubiläum als Abgeordneter des Bezirks Gerabronn. Seit 14. Jan. 1843 hat derselbe diesen Bezirk unun­terbrochen in der Kammer vertreten, eine Amtsdauer, welche einzig dasteht in der Geschichte der württem- bergischen Volksvertretung. Er ist seither zum Zweit­ältesten der Abg. (neben Mohl) vorgerückt. Seine ruhige, leidenschaftslose Art, seine klare Einsicht in die Verhältnisse des Volkslebens, sein zuverlässiger Charakter, seine liebenswürdige freundliche Erschei­nung haben ihm in der Kammer bei allen Parteien warme Freunde gewonnen.

In Ravensburg hat der Gesellenvcrein den Beschluß gefaßt, den üblichen Faschingsball Heuer aussallen zu las­sen und die hiedurch erzielten Ersparnisse den Uebcrschwemmten zu üvermiltcln.

Aus Baden, 12. Jan. Die Mörder der Müllheimer Israeliten sind lautSchw. M." entdeckt worden. Es sind die Holzfäller Liedemer, Vater und Sohn, aus Marzell am Blauen. Der Vater wurde auf dem Heimweg verhaftet; er trug Spuren des Mords an seiner Kleidung. Der Sohn, ein 30jähriger roher Gesell, ist am Abend des fol­genden Tages in einer Wirthschaft in Basel dingfest gemacht worden. Bis jetzt leugnen beide Mörder.

Würz bürg, 13, Jan. Ein grauenerregender Anblick bot sich heute Nachmittag 2 Uhr den Passanten der Glacisan­lagen in nächster Nähe des Bahnhofes. Ein mit einem Jau- chesaß beladener Wagen zur Düngung der Anlagen bestimmt, konnte nicht vollständig entleert werden, da sich vor dem Spundloch ein Stückchen Tuch und nach dessen Wegschaffung der Arm eines Kindes zeigte, das anscheinend nur kurze Zeit gelebt hat und von seiner unnatürlichen Mutter am Mor­gen in das noch leere Faß durch die obere Ocfsnung geworfen wurde. Nachdem eine Kommission den Thatbestand ausgenom­men hatte, wurde der Wagen von den Leuten zur Anatomie geschafft. Bis jetzt wurde die Thälcrin noch nicht ermittelt.

München, 13. Jan. Prinz Ludwig Ferdi­nand wird morgen einer Einladung des Königs von Spanien folgend, nach Madrid reisen, wo vermuth- lich im Lause der nächsten Woche die Verlobung Sr. k. Hoheit mit der Schwester des Königs von Spa­nien, der Infantin Maria de la Paz stattsinden wird.

Frankenthal, 12. Jan. Die Zahl der ein­gestürzten Gebäude in den überschwemmten Ortschaf­en des Bezirksamtes Frankentyal beträgt nach amt­

licher genauer Ermittlung: In Oppau 185, Edig­heim 120, Studernheim 20, Frankenthal 6, Mörsch 60, Roxheim 154, Bobenheim 132, zusammen 677 Gebäude. Unter den eingestürzten Gebäuden sind die nicht mitgezählt, welche jetzt schon baufällig sind. Mit denen, die nach Verlausen des Hochwassers noch niedergelegt werden müssen, dürfte die Zahl 1000 erreicht werden.

Nach einer Meldung desFr. I." aus Lud- migshafen beträgt der durch die Ueberschwemmung verursachte Schaden mindestens 7 Mill. Mark.

Berlin, l3. Jan. Präsident von Levetzow theilt dem Hause mit, daß der Kaiser eine Abordnung des Reichs­tages empfangen habe, welche demselben den Dank für die den Uebcrschwemmten gewährte Unterstützung überbrachte. Der Kaiser war sehr erfreut und überaus huldreich. Abg. Dietz (Sozialist) begründet den Antrag Kayser auf Mittheilung der auf seine (Redners) in Stuttgart erfolgte Verhaftung be­züglichen Aktenstücke. Paper tritt entschieden für Vorlegung der Akten ein. Der Antrag wird mit erheblicher Majorität angenommen.

Berlin, 14. Jan. Das Krönungs- und Ordensfest fand heute in gewohnter Weise statt. Der Kaiser begab sich um halb 12 Uhr in das kö­nigliche Schloß, wo fämmtliche Prinzen und Prin­zessinnen des Königshauses bereits versammelt waren, hielt die Cour der neuernannten Ordensinhaber ab, wohnte dann dem Gottesdienst in der Schloßkapelle und darauf dem Galadiner im Weißen Saale bei, an welchem gegen 750 Personen theilnahmen. Die Kaiserin wohnte dem Ordensfeste nicht bei.

Dem Reichstage ist eiu Entwurf für den Kaiserpa­last iu Straßburg mit ausführlichen Erläuterungen und Kostenanschlägen zugegangen. Die Gesammtkostcn betragen 2,600,000 4L, von denen auf den Bau 154,000 4L kommen. Die Größe des Baues beträgt 68 m Länge und 48 in Tiefe.

Ob die Einfuhr amerikanischen Schweineflei­sches in Deutschland verboten wird, ist noch un­gewiß. Als dieser Tage im Reichstage darüber ver­handelt wurde, sprachen sich eben so viele Redner gegen das Verbot aus als für dasselbe. Die Geg­ner des Verbotes behaupteten, der Trichinenkrankhei­ten in Folge des Genusses amerikanischen Fleisches seien sehr wenige nachgewiesen, die meisten Erkran­kungen und Todesfälle würden durch den Genuß rohen Fleisches herbeigeführt. Auch die Revanche wurde ins Feld geführt, welche die Amerikaner im Falle eines Verbotes an der deutschen Industrie neh­men würden. Im Bundesrathe steht die entschei­dende Abstimmung noch bevor und der Regierungs- commissar konnte nicht sagen, wie sie aussallen werde.

(Reicher Kindersegen.) Eine Frau in Rostarschewo (Prov. Posen) gebar in dem einen Jahre 1882 sechs Kinder. Drei nämlich, zwei Kna­ben und ein Mädchen, im Monate Februar 1882 und Ende Dezember drei muntere Mädchen. Die ersten drei sind nach und nach gestorben; die in die­sen Wochen geborenen erfreuten sich indeß bis jetzt des besten Wohlseins.

Der folgende Unglücksfall wird aus Dirschau gemeldet: Am 8. d. Mts., Nachmittags, hatten sich die Eisbrechdampfer der Weichseldrücke auf einige hundert Meter genähert und es hatte sich eine große Menge von Zuschauern eingefunden; nur wenige am sicheren Ufer, die meisten auf der Eisdecke des Flus­ses. Unter den Letzteren wagte sich ein großer Theil unverantwortlich weit vor und bewegte sich in un­mittelbarer Nähe der arbeitenden Dampfer, ja sogar zwischen denselben. Die Leute ließen sich auch da­durch nicht warnen, daß an der linken Seite des Flusses, wo die Eisdecke wegen des dort einfließen­den Zuckerfabrikwasfers und Mühlengrabens nicht bis an's Ufer reicht, plötzlich unmittelbar vor den Füßen der Vorstehenden sich eine große Scholle loslöste. Es sollte aber noch anders kommen. Auf einmal ertönte ein entsetzliches Schreien und Jammern aus Hunderten von Kehlen. Es hatte sich bei er­neutem Anrennen eines Dampfers eine mächtige Eis­scholle losgelöst und auf ihr trieben wohl über 200 Personen weichselabwärts. Man rannte hierhin, man rannte dorthin, auf allen Seiten Wasser. Einige wagten in ihrer Verzweiflung den Sprung in's Wasser, wurden aber sofort durch den starken Strom hinabgetrieben. Die Dampfer ließen sogleich die Rettungsboote herab, andere Boote nahten sich von den hier liegenden Kähnen, man fischte die vom Strome Forrgerissenen auf und befreite nach und nach auch die auf der Scholle aus ihrer gefährlichen Lage. Während einige Zuschauer am Ufer bebaup- teten, es seien Mehrere verunglückt, meinten die zu­rückkehrenden Schiffer, Alle seien dieses Mal mit der bloßen Angst davongekommen. Mit Sicherheit

wird es sich wohl erst später feststellen lassen, ob Je­mand vermißt wird. (Sch. B.)

Oesterreich-Ungarn.

Die Czechen müssen verrückt sein. Sie ver­langen die Theilung des großen Krankenhauses in Prag nach der Nationalität. Die czechischen Kran­ken sollen nur von czechischen Aerzten, die deutschen nur von den deutschen Aerzten behandelt werden. Gerade den Czechen aber wäre der rechte deutsche Arzt dringend zu wünschen.

Frankreich.

Paris, 16. Jan. DerFigaro" veröffent­licht ein Manifest von Jsrome Napoleon, worin er die gegenwärtige Situation erörtert und die na- poleonische Erbschaft für sich in Anspruch nimmt.

Paris, 14. Jan. DerTemps" bringt heute Gambetta's Plan, in Afrika das französische Re- krutirungsgesetz einzuführen, in neue Anregung: es wäre leichtfertig, wollte Frankreich diese Macht­quelle, aus der es bisher nur vorsichtig geschöpft, nicht in voller Ausgiebigkeit benutzen. DerTemps" kündigt dabei auch bereits an, daß das Kabiuet sich beeilen werde, mittelst der Rekrutirung in Französisch- Afrika 60- bis 80 000 Eingeborene zu bewaffnen: lauter ausgezeichnete Soldaten!" setzt derTemps" hinzu. DerTemps" schätzt die Stärke, welche Frankreich daraus gewinnen werde, auf mindestens 23 Armeekorps. Die deutschen Soldaten könnten es also beim nächsten Kriege statt mit 8000, mit der zehnfachen Anzahl Turkos zu thun bekommen!

Paris, 16. Jan. Das Manifest des Prin­zen Jerome Napoleon ist echt; in diesem Augen­blick wird es in vielen Straßen an den Mauern an­geschlagen, die Polizei reißt es vielfach ab. Es wird eben ein Ministerconseil abgehalten. (Fr. I.)

Paris, 16. Jan. Prinz Jerome Na­poleon ist heute Nachmittag 2 Uhr verhaftet worden. (Fr. I.)

England.

London, 13. Januar. In Woolwich wurde heute die Bildsäule des Prinzen Louis Napoleon enthüllt. Sie ist das Werk des Grafen Gleichen u. stellt den Prinzen in englischer Militäruniform dar. 25 000 Offiziere und Soldaten der englischen Armee steuerten zu den 4310 L. (86 200 ZL), welche für die Errichtung des Denkmals einliefen, bei; es war der Zoll der Dankbarkeit für die ritterliche Theil- nahme des Prinzen an einem englischen Kriege. Der Prinz von Wales, welcher die Bildsäule enthüllte, machte in einer bewegten Ansprache besonders auf das unpolitische Gepräge des Festes aufmerksam.

RußlüLL.

Berditscheff, 16. Jan. Der Cirkusbrand brach beim Schluß der Vorstellung durch Abbrennung, eines Feuerwerks aus, wobei ein Vorhang abbrannte. 800 Zuschauer preßten sich beim Herausstürzen gegen die nur nach innen (!) sich öffnende Ausgangsthür: die zwei Seitenthüren waren vernagelt (!). Die Löschversuche waren vergeblich, da das Wasser in den Schläuchen gefror. Beim endlichen Oeffnen der Thüre sah man einen ganzen Haufen brennender Menschen. Die Gesammtzahl der Tobten ist noch nicht ermittelt. Viele retteten sich durch Heraus­springen aus den Fenstern. Die Cirkuspferde und die Garderobe sind vollständig verbrannt. (St.-A.)

Amerika.

New York, 14. Jan. Die Zahl der bei dem Hotelvrand in Milwaukee ums Leben gekommenen Personen beträgt nach den vorgenommenen weiteren Ermittelungen 82. _ (St.-A.)

Handel S Uerkehr.

* Nagold. In den Monaten Oktober, November u. Dezember 1882 wurden geschlachtet: im Oktober 1 Farren,

5 Ochsen, 8 Kühe, 21 Rinder, 78 Kälber, 74 Schweine, 14 Schase. Im November: l Farren, 1 Ochse, 8 Kühe, 20 Rinder, 63 Kälber, 63 Schweine, 16 Schafe. Im Dezember:

5 Ochsen, 11 Kühe, 13 Rinder, 57 Kälber, 55 Schweine und 4 Schafe.

Stuttgart, 15. Jan. (Landesproduktenbörse.) Das Geschäft ging heute sehr schleppend und der Umsatz ist nicht von Belang. Wir notiren per 100 Kilogr.: Walzen, österr. 21 4L 75 4, daher. 19 4L bis 20 4L 95 4, Ungar. 22 4L 50 -i bis 23 4L 25 4, Kernen 19 4L 25 4 bis 20 4L 25 4, Haber 13 4L 50 4 bis 13 70 4.

Stuttgart, 15. Jan. (Mehlbörse.) Das Mehl­geschäft war heute ziemlich belangreich bei unveränderten Prei­sen. An heutiger Börse kamen von inländischen Mehlen 905 Sack als verkauft zur Anzeige bei folgenden Preisen: pro 100 Kilo: Nr. 0 34 4L bis 35 4L 50 4, Nr. 1 32 4L bis 33 4L

50 4, Nr. 2 30 4L bis 31 4L 50 4. Nr. 3 28 4L bis 29 4L

50 4, Nr. 4 24 4L bis 24 4L 50 4. Außerdem wurden 1100

Sack ausländisches Mehl verkauft in verschiedenen Sorten zu

verschiedenen Preisen.