Volk die Zeche bezahlen, dann folgt die Bevormundung in Form der Reaction, die wir Alle vermeiden wollen. Diese nothwcndige Folge des Vorgebens der Demokratie haben ge­wiß Viele noch nicht ins Auge gefaßt, daher ist es an der Zeit zu warnen. Unthätigkeit schützt nicht vor der bezeichneten Gefahr, sondern nur opferwilliges Anfbieten aller Kräfte, der Kräfte eines Jeden, der nicht gewillt ist, einzelner Mängel wegen ein Haus einzureißen, ohne ein anderes gebaut zu ha­ben, um dann obdachlos zu werden, während durch kluge Ar­beit und Verbesserungen das alte Haus immer wohnlicher ge­macht, auf festem Fundament sicher ruht. Das große Vater­land ist unser Schutz und unsere Stärke, dem wollen wir an- hängcn. Heute, da Alles wuchtig und massenhaft aufeinander stößt, der von Einzelnen gefaßte Gedanke schnell Eigenthum aller wird und die Menschen sich nahe gerückt sind durch die Verkehrsmittel, bedürfen die Nationen eines starken Kittes, um bestehen zu können. Als Glied der deutschen Nation und unter ihrem Schutz wird es uns auch im engeren Batcrlandc mehr und mehr heimisch werden. (Fr. I.)

Stuttgart, 16. Novbr. (Landgericht.) Gestern waren 11 l junge Männer vor die Gerichtsschrankcn geladen, die alle in den Landgerichtssprengcl Stuttgart gehören und der Verletzung der Wehrpflicht angeklagt waren. Erschienen war nur Einer, da die andern alle sich in Amerika befinden. Die K. Staatsanwaltschaft Tübingen erläßt in ähn­licher Weise an 77 Militärpflichtige eine Vorladung auf den 29. Dezember. Das im deutsche Reiche befindliche Vermögen der Angeklagten wurde bis zum Betrag von 3060 ^ mit Be­schlag belegt.

Der große Komet hat in der Entwickelung seines Schweifes noch nicht abgenommen. Da der Kern sehr tief steht, so ist er am besten zur Zeit seines höchsten Standes vor K Uhr Morgens zu be­obachten, gerade gegen Süden. Mitte Dezember steht er am tiiefften : dann hebt er sich wieder. Anfangs Dezember steht er um 4 Uhr Morgens, Anfangs Januar um Mitternacht am höchsten und wird bis dahin immer noch eine schöne Erscheinung darbieten.

Wie derSt.-A." heute meldet, hat Se. Kgl. Mas. vermöge Höchster Entschließung vom 14. d. M. den Professor Dr. v. Kuhn an der katholisch-ideologischen Fakultät der Universität Tübingen auf sein Ansuchen wegen durch Alter herbeigcsührter Dicnstuntüchtigkeit, unter Anerkennung der von ihm während eines Zeitraums von mehr als 45 Jahren der Universität Tübingen geleisteten treuen und ausgezeichneten Dienste, in den Ruhestand versetzt.

Kirchheim u. T., 13. Novbr. DerT.-B." erzählt: Heute Nachmittag hat ein sonderbarer Handel auf dem Kraut­markt stattgcfunden. Ein hiesiger Bürger erklärte nämlich einem Bauern, daß er ihm für eine Traglast 2 zahle, wor­aus letzterer cinging in dem guten Glauben, daß der Käufer nur einen Sack mit sich nehmen werde. Doch wer beschreibt das Erstaunen des Bauern, als der Käufer drei Säcke auf sei­nem Rücken von dannen trug und an den bestimmten Platz brachte. Die Bürde hatte ein Gewicht von 501 Pfund.

Bei Pleidelsheim wurde im Neckar der Leichnam eines erwachsene» Mannes gefunden, dem der Kops und auch die beiden Arme fehlten. Wie lange der Leichnam im Wasser gelegen, woher er gekommen, und auf welche Weise er dorthin gerathcn, mag die eingclcitcte Nachforschung ergeben.

Von der Donau, 15. Nov. Als gestern Abend zu Sigmarin gen ein lOjährigcr Knabe an der Donau spielte, fiel er in das stark angelaufene Wasser. Auf seinen Hilferuf eilte ein in der Nähe wohnender Musiker des Theater-Drehe- sters herbei, stürzte sich in das Wasser und hätte den Knaben, welcher ans dem Rücken des Musikers sich anklammerre, auch gerettet, wenn nicht beide von den hochgchenden Wogen ver­schlungen worden wären. Der Musiker wurde an der Eisenbah- brückc ausgcfangcn, scheinbar leblos in das Landesspital ver­bracht und ist daselbst heute Nacht gestorben. Der Knabe wurde am Mnhlwchr bei der Eisenbahnbrücke aufgefundcn.

München, 14. Nov. Professor Chr. Roth wurde vom Kriegsministerium beauftragt, die Kolos­salbüsten der beiden Feldherren v. d. Tann und v. Hartmann für das Kriegsmuseum in carrarischem Marmor auszuführen. (St.-A.)

In Hanau hatte ein Arbeiter in betrunkenem Zustande seine Frau, die ihm wegen Bummelei Vor­halt machte, mit einer Axt erschlagen.

Berlin, 14. Nov. Der in hiesigen Offiziers- kreisen alsWechselmacher" bekannte Agent Max Meyer ist von der Kriminalpolizei verhaftet worden. Er steht unter der Anklage, einem schlesischen Offizier für demselben nach und nach geliehene 15 000 ^ schließlich Accepte in der enormen Höhe von 86 000 Mark ausgenommen zu haben. Die Verhaftung er­folgte aus Veranlassung des Vaters des Offiziers.

Berlin, 16. Nov. Nach einer positiven Pe­tersburger Meldung beabsichtigt Rußland, sämmtliche Legationen in den deutschen Einzelstaaten aufzuheben, Stuttgart ausgenommen. (N. T.)

Die von dem deutschen Kaiser persönlich verlesene Thronrede bei Eröffnung des preußi­schen Landtages ist ein weiterer Schritt eine That zur Verwirklichung der berühmten Kaiserbotschaft vom November v. I. Der Kaiser verlangt positiv die sofortige Entlastung der ärmeren Volksklassen von dein Steuerdruck. Zu dieser Forderung muß der Preußische Landtag Stellung nehmen und ab- lehneu kann er sie nicht; denn sonst ist der Parla­mentarismus gerichtet. Nimmt er aber diese kaiser­

liche Forderung an, so muß er anderweitig die Mittel zur Deckung des hiedurch entstehenden Ein­nahmeausfalles bewilligen. Diese Ausfälle muß ent­schieden das Großkapital decken; man spricht auch schon allgemein von einer Kapitalrentensteuer, welche speziell die Großkapitalisten in scharf erhöhtem Maße zu tragen haben werden. Die famosen Artikel derProv.-Korresp." zu Gunsten derKapitalbil­dung" sind also von höchster Stelle verurtheilt. Auch andere Forderungen der konservativen Sozial­reformer sind durch die Thronrede aceeptirt. Die Mängel und Härten der Zwangsvollstreckung in un­bewegliches Vermögen sollen beseitigt werden. Hie­durch erhält der Bauer wenigstens einigen Schutz gegen die Wucherer und Gütcrschlächter. Auch der Passus der Thronrede, welcher über die Beilegung des Kulturkampfes sich ausspricht, ist von hoher Wichtigkeit, lieber die Köpfe des Zentrums hinweg weist der Kaiser auf den Papst hin, an dem es nun ist, auch seinerseits solche versöhnliche Gesinnungen gegen den preußischen Staat zu bethätigen, wie die­ser letztere eine solche Gesinnung nicht nur schon be­wiesen hat, sondern auch fernerhin beweisen wird. Aber die Gesammtinteressen des Staates und der Nation dürfen nicht verletzt werden, das ist die Grenzlinie, welche die römische Kurie nicht überschrei­ten darf, das ist das non xossuirius des Kaisers, das, was vor einein Gange nach Canossa schützt!

Das Abgeordnetenhaus in Berlin wählte v. Köller zum Präsidenten, v. Heeremann zum 1. Vicepräsidenten.

Der Reichstag tritt am 30. ds. wieder seine Sitzungen an. Die erste Tagesordnung umfaßt: 1) Dritte Berathung des Antrages der elsaß-lothringi­schen Abgeordneten wegen Abänderung des Sprachen­gesetzes, 2) Petitionen (u. a. betr. Abänderung der Militärstrafprozeßordnung, Einwechselung der Cou­pons der Reichsanlehen auch bei allen Klassen der indirekten Steuern, Zuschuß zum Körner-Museum in Dresden, anderweitige Tarifiirung der Anguilotti), 3) Interpellation Lasker-Hänel, betreffend die Vor­gänge bei der Danziger Reichstagswahl, 4) Inter­pellation Schulze-Delitzsch, betreffend Abänderung des Genoffenschaftsgesetzes. Wie verlautet, werden dem Reichstag die Novellen zum Militärpensions­und Reichsbeamtengejetz beim Zusammentritt zugehen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 14. Novbr. Ein Wunderwerk der Rhinoplastik (Bildung künstlicher Nasen) hat Prof. Billroth zu Wien an dem Infanteristen Kwapil vollbracht, den die Kriwoscianer der Nase beraubt hatten. Der geniale Chirurg hat dem Pa­tienten eine complete neue Nase von der denkbar schönsten Vollendung zurückgegcben. In drei Monaten etwa wird Bill­roth durch eine kleine Operation dem jungen Gesichtsvorsprung Kwapil's auch noch jene Vertiefungen an den Nasenflügeln, ohne die man sich eine stylvolle Nase nicht zu denken vermag, anfügen. Billroth hat seinen Patienten den Aerzten auf der Klinik vorgcstcllt und sie waren alle von Bewunderung erfüllt über diese glänzende rhinoplastische Leistung des Meisters.

Wien, 15. Nov. Der Setzerstrike nimmt bedenkliche Dimensionen an. Die Zahl der Sinken­den beträgt über elfhundert. Die Werksetzer verlan­gen von den Zeitungsietzern, trotzdem letzteren ein neuer Tarif bewilligt wurde, daß sie die Arbeit ein- stellen. Heute wurden über vierzig vor den Magist­rat geladen. Ein Versuch zur Wiederaufnahme der Arbeit war resultatlos. Eine Massenverhaftung und Massenabschiebung sind wahrscheinlich. (Sch. B.)

In Wien hatte ein Taglöhner sich von seiner Ehehälfte wegen vieler Zwiste getrennt. Beide mach­ten Anspruch auf das Kind, einen Knaben.Wenn du nicht willst, daß der Knabe zu mir kommt, so soll ihn niemand haben" , sagte der Mann und spaltete dem Kinde mit einer Hacke den Kopf. Als er den Knaben sterben sah, brachte er sich und seiner Frau ebenfalls schwere Verletzungen bei, in Folge dessen letztere in kurzer Zeit darauf auch den Geist aufgab.

(Eine Frau ohne Milz.) Im Rochusspitale zu Budapest starb jüngst eine 70jährige Tagelöhnerin Namens Katharina Hart; gelegentlich der Obduktion ihres Leichnams fand Professor Scheuthauer, daß die Frau keine Milz hatte. Die Anzeichen deuteten darauf hin, daß die Milz nicht etwa durch eine Krankheit vernichtet wurde, sondern daß sie niemals im Körper vorhanden gewesen. Professor Scheu­thauer, der berühmte pathologische Anatom, hat über dieses anatomische Kuriosum sehr interessante Vor­träge gehalten.

Auch in Ungarn ist die Kartoffelernteunter mittel" ausgefallen. Besonders in den nördlichen Comitatcn herrscht starke Fäulnis).

Schweiz.

Gottfried Kinkel ist in der Nacht vom 13.jl4. ds. in Zürich gestorben. Vor einigen Wochen hatte ihn ein Schlag­anfall betroffen und ihn seiner 16 Jahre lang geübte» Lehr- thätigkeit am cidgen. Polytechnikum entrissen. Er hat ein Alter von 67 Jahren erreicht. Kinkel ist von Haus aus Theologe, er habilitirte sich 1836 in Bonn als Privatdozcnt für Exegese, wandte sich aber mehr und mehr dem Gebiete der Kunst zu. Als Dichte.r hat ihn seinOtto der Schütz" zuerst berühmt gemacht. Seine Theilnahmc an der politischen Bewegung von t848, insbesondere an den politischen Aufstän­den des folgenden Jahres, seine Gefangenschaft, Verurthcilung zu lebenslänglicher Festungshaft und seine Befreiung durch seine Gattin und den Studenten (späteren amerikanischen Minister) Schurz sind bekannt. Bis 1866 war darauf England, von diesem Jahre an die Schweiz seine Heimath. Ir? den letzten Jahren trat Kinkel durch Wandcrvorirüge in den Großstädten auch seinem deutschen Baterlande wieder persönlich nahe.

Man schreibt derN. Züricher Zeitung": Die Nach­richt, daß Sigerist Hartmann-Kellcr in Glattsclden sammt Frau und der Magd ans dein Psarrhanse als des Mordes verdächtig am letzten Freitag Abend verhaftet morden seien, bestätigt sich. Nach der Aussage des llftz-jährigcn Töch- tcrchcnS von Pfarrer Jäggli befand sich Hartmann-Kellcr in der Nacht, da der Mord begangen wurde, im Zimmer der Frau Pfarrer,auf dem Bett der Mama", wie das Kind aus- sagtc. Auch wurde schon einige Male beobachtet, daß Hart­mann zu ganz ungewöhnlichen Zeiten, z. B. Nachmittags 2 Uhr und Abends 8 Uhr in die Kirche schlich, vielleicht um die geraubten Gegenstände zu verstecken. Hartmann-Keller ist ein finsterer, verschlossener Mensch, dem eine solche That wohl zu- zutraucn ist und die geschäftige Fama bezeichnete ihn lange vor Verhaftung als den Thätcr. Wir wir hören, hat die Magd zugestanden, daß sie nicht zum Fenster hinausgesprungen, son­dern mit dem Kinde zur Thürc hinausgcgangen sei.

Das Statthalteramt Bülach telegraphirt derN. Zürich. Ztg": Die Magd Auguste Leh­mann ist des Mordes in Glattfelden überführt. Sigerist Keller wurde entlassen.

Frankreich.

Paris, 13. Nov. Im Elysoe Montmartre fand gestern unter dem Vorsitze Clömenceau's ein Meeting statt, um gegen den Weiterbau der Zaoro- ooour-Kirche zu protestiren. Einem neuen Losungs­worte gehorchend, erschienen einige hundert Legiti- misten, deren Redner versuchten, sich an der Debatte zu betheiligen. Schließlich erfolgte eine große Prü­gelei, wobei die Legitimisten hinausgeworfen wurden.

Paris, 14. Nov. Ein Projekt, in Algerien 410 Dorfgemeinden mit einem Aufwands von 110 Mill. Frs. zu gründen, wovon 37 Mill. schon im nächsten Jahre zur Verwendung kommen sollen, wurde vom Budgetausschuß günstig ausgenommen.

Paris, 14. Nov. Aus Kairo wird gemeldet, daß das Einvernehmen zwischen Frankreich und England hergestellt ist. England bot Frankreich als Ersatz für die Aufhebung der Kontrole den Vor­sitz in der Schuldenkommission. Duclere acceptirte dies. Den betreffenden Posten erhält Bredif.

Paris, 15. Novbr. Leon Sah sprach sich gegen einen ihn interviewenden Redakteur des Gau- lois in folgender Weise aus : Frankreich hat seit 6 Jahren viel Capital eingebüßt und viel Geld in fruchtlosen Unternehmungen verloren. Schlechte Ern­ten ließen Milliarden französischen Geldes ins Aus­land gehen. Frankreich bedarf, um sich zu erholen, einer verständigeren Finanzpolitik. Grevy, den ein Börsengerücht ernstlich erkrankt sein läßt, leidet nur an einer leichten gastrischen Beschwerde. (F. I.) Spanien.

M adrid, 14. Nov. Nachrichten aus Manilla zufolge griffen Eingeborene von den Suluinseln am 11. November das spanische Fort an, wurden aber mit Verlust von 70 Todten zurückgeworfen. Spani- scherseits wurden 15 Mann getödtet und mehrere verwundet. Die Ruhe ist wieder hergcstellt.

Madrid, 14. Nov. Die Taufe der Infantin ist auf Sonnabend festgesetzt. Der Papst wird die Pathenstelle übernebmen. (St.-A.)

Griechenland.

Ein 13jährigcr Knabe vornehmer Eitern in Athen spielte mit einer Pistole und zielte auf seine 10 jährige Schwester. Die scharf geladene Waffe ging los und tras die Kugel den Hals der Schwester, die sofort zu Boden sank. Sie suchte den entsetzt hinzuspringenden Knaben zu beruhigen.Fürchte nichts", sagte sie mit matter Stimme,ich werde zwar sterben, aber nicht sagen, daß Du mich getödtet hast, damit man Dir nicht zürne." Die Kleine starb nach sechs Tagen. Die Mut­ter ist dem Wahnsinn nahe und ruft einmal über das andere: Ich habe keine Kinder mehr, meine beiden Kinder sind ge­storben."

England.

London, 14. Nov.Times" veröffentlicht einen Brief Ara bis, worin dieser erklärt: Der Krieg wurde gemäß einem Dekret des Kabinetsraths unter dem Vorsitze des Khcdive und im Beisein Derwisch Paschas, des Abgesandten der Pforte, be­schlossen.