Berlin, 12. Okt. (W. L.) Die Freilassung des Banquier Sternberg aus der Untersuchungs­haft ist verfügt, weil die Denunziation als unbegrün­det erwiesen wurde.

Berlin, 13. Okt. Den eindringlichen Vor­stellungen des Reichskanzlers ist es gelungen, Bücher zum Verbleiben in seiner bisherigen Stellung zu be­wegen. Auf die Frage des Herrn Bücher, ob er denn im Dienste zur Ruine werden solle, habe Fürst Bismarck erwidert, es sei dies ihr gemeinsames Schicksal, dem sich keiner von ihnen entziehen könne. Die Gesundheit des Herrn Bücher hat sich in Folge des Gebrauches der Bäder von Bormio in erfreu­licher Weise gebessert.

Berlin, 14. Okt. Den Morgenblättern zu­folge wäre die Ernennung des Grafen Hatzfeld zum Staatssekretär des Auswärtigen erfolgt.

Ein Mann, der jährlich eine Million Rubel zu verzehren hat, ist immerhin eine inte­ressante Persönlichkeit. Eine solche weilt zur Zeit in Berlin; es ist der Russe Koppeloff, früher Gouverneur von Wolhynien, dem das halbe ehe­malige Tscherkessenland gehört. Da die Nihilisten ihn auch mit einer Kugel bedachten, die er noch mit sich herumträgt, so hat hat Herr v. Koppeloff es vorgezogen, sich einstweilen ins Ausland zu begeben, und lebt jetzt abwechselnd in Paris, Berlin und Wien. Auf einen Posten wechselte er sich am Mitt­woch bei der Berliner Wechselbank 60,000 Frs., rund 40,000 -M in Coupons in deutsches Geld ein, die er, wie es scheint, in Berlin zu lassen beabsichtigt.

Die Geschichte der deutschen Schmerzens­kinder ist um ein Blatt reicher geworden, und zwar gebührt Rumänien das traurige Verdienst, durch behördliche Bedrückungen aller Art auf die Auswanderung einer Kolonie deutscher Frei­bauern hingewirkt zu haben, welche zu Anfang der vierziger Jahre von der türkischen Regierung in der Drobudscha angesiedelt und unter türkischer Herr­schaft zu einem nicht geringen Grade von Wohl­habenheit gelangt, nunmehr zum Wanderstabe zu greifen entschlossen sind, weil sie nur auf diese Weise dem bitteren Loose zu entrinnen vermögen, dem sie unter dem Sccpter des Königreichs Rumä­nien verfielen. Die betreffende deutsche Gemeinde im Bezirk Tultscha wurde zweimal durch die Fürsprache der deutschen Reichsregierung von schwe­rer Unbill bewahrt; zuletzt wurde sie trotzdem vor die Nothwcndigkeit gestellt, ihre Eigenart in Sprache, Kirche und Schule aufzugeben und sich zu romani- sireu. Sie zog es vor, den Boden zu verlassen, den sie mit ihrem Schweiße für die Kultur erobert hatte.

Aus Handelskreisen vermehren sich täglich die Nachrichten über die mächtigen Wirkungen der Gott­hard-Eisenbahn auf die Einfuhr von Lebensmit­teln aus dem Süden Europas und aus Asien und Afrika. Alan steht damit neuen Zuständen gegenüber, welche schon als Anhalt für die mehrfach erwähnten Petitionen an die Reichsregierung auf Erhöhung der Zölle für verschiedene Lebensmittel benutzt werden. Man darf darauf vorbereitet sein, an der Hand die­ser Petitionen, welche auf ein oder dem andern Wege doch auch ihren Weg in den Reichstag finden wer­den, eingehende Erörterungen über diese Dinge sich entwickeln zu sehen.

In Nord ha usen hat eine Bierbrauerei aus freien Stücken für 20,000 Bier auslaufen las­sen, das in Folge Eismangels ungenießbar gewor­den war.

Hoyerswerda, 10. Okt. Der Ritterschafts­rath v. d. Marwitz, Besitzer des Eisenwerks Berns­dorf, lag seit längerer Zeit im Prozeß mit seinem früheren Eisenwerksdirektor Schlägel, einem allge­mein geachteten Manne, der Jenen wegen plötzlicher Amtsentlassnng ans Entschädigung verklagt und eine solche auch im Betrage von 70,000 im Wege Rechtens siegreich erstritten hatte. Hierüber war der v. d. Marwitz ohnehin schon im höchsten Grade er­bost und dazu kam nun noch, daß er gerade heute vom hiesigen Schöffengericht wegen einer anderwei­tigen Privatklage des Direktors Schlägel gegen ihn verurtheilt war. Gegen Mittag gingen beide Män­ner in den GasthofZum schwarzen Bären"; Schlä­gel saß am Fenster und blickte auf den Marktplatz hin, während v. d. Marwitz einige Male im Zimmer auf und ab ging, dann Plötzlich einen Revolver her­vorzog und aus nächster Nähe zwei Schüsse auf den Hinterkopf Schlägels abfenerte. Dieser sank ohne einen Laut todt vom Sessel. Noch ehe die wenigen

Anwesenden eigentlich recht begriffen hatten» was vorgegangen, setzte v. d. Marwitz den Revolver an den Mund, drückte ab und stürzte ebenfalls todt zu Boden. Man kann sich denken, in welcher Aufregung die ganze Bevölkerung ist. Die Leichen sind einst­weilen in das Kreiskrankenhaus überführt worden. Der ermordete Schlägel war Wittwer und hinter­läßt vier unversorgte Kinder. (W. L.)

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 13. Okt. Der Gemeinderath beschloß, die nächstjährige hygienische Ausstellung in Berlin wieder zu beschicken und bewilligte einen Credit bis zu 5000 Gulden; außerdem sollen die bei der letzten Ausstellung verbrannten Aquarelle der Hochquellen­leitung und die Pläne des Centralfriedhofs dies- zwecklich ersetzt werden. (Fr. I.)

Wien, 13. Oktbr. DerFr. Ztg." wird ge­meldet: Im Prager deutschen Theater brach gestern bei derFaust"-Aufführung an der Stelle: Nein, er gefällt mir nicht, der neue Bürgermeister! ein mehrere Minuten dauernder Beifall aus. Ge­gen einen hiesigen Kaufmann wurde, weil er es eine Rücksichtslosigkeit nannte, daß ihm das Königgrätzer Bezirksgericht eine czechische Zuschrift geschickt habe, von diesem die Ehrenbeleidigungsklage erhoben.

Prag, 14. Oktbr. (Fr. I.) In der Stadt­verordnetenversammlung hielt Bürgermeister Czerny eine längere Rede, worin er sein Bedauern über die Resignation der deutschen Stadtverordneten ausdrückte und unter Hinweis auf seine Vergangenheit den Ge­danken zurückwies, als hätte er in jenem feierlichen Momente irgendwie ein Mitglied des Collegiums, an dessen Spitze er berufen sei, beleidigen wollen. Redner wollte und konnte seiner Ansicht nach Nie­mand beleidigen und würde es bedauern, wenn eine irrige Voraussetzung die deutschen Mitglieder zu der Mandatsniederlegung veranlaßt.

Italien.

Nach derNazione" bewerben sich um die ver­gebenden 508 Deputirten-Mandate nicht weniger als fünftausend Candidaten.

Schweiz.

Luzern, 11. Okt. Der große Rath hat heute die Wiedereinführung der Todsstrafe und den Erlaß eines bezüglichen Gesetzes mit Mehrheit beschlossen.

Frankreich.

Das Kabinet Duclerc übt eine weitgehende Toleranz. Die Sozialisten, Kollektivisten, Revolutio­näre und Anarchisten dürfen Kongresse berufen, Mee­tings und Versammlungen abhalten, in denen sie offen den Bürgerkrieg predigen und zu Mord und Brand auffordern. Andererseits ist es den Roya­listen gestattet, in den allerdings nur wenigen Pro­vinzen, wo die legitime Monarchie noch ihre Getreuen besitzt, Volksversammlungen und Bankets zu organi- siren, auf welchen sie der Republik denKrieg bis auf's Messer" erklären und die baldige Rückkehr des königlichenRetters" verkünden. Den revolutionären Kongressen von St. Etienne und Roane sind die le- gitimistischen Bankets im südlichen Frankreich zur Geburtstagsfeier desRoy" gefolgt, über welche die Organe der Partei enthusiastische Berichte veröffent­lichen. Das Hauptbanket hat in der Nähe von Arles auf der Insel Cawargue stattgefunden, und es haben an demselben nach den legitimistischen Berichten über 6000 (nach den republikanischen Angaben etwa die Hälfte) Getreue aus Marseille, Avignon, Nimes, Ar­les nnd Umgegend theilgenommen. Einer der ein­flußreichsten Chefs der legitimistischen Partei im Sü­den Frankreichs, Marquis de Foresta, führte bei der Feier den Vorsitz. In seiner Anrede an die versam­melten Getreuen versicherte derselbe, daß der König in nächster Zeit den Thron seiner Väter wieder be­steigen werde. Es sei das ganz unzweifelhaft, denn Zo Uoi 1'a äit." Der Marquis stellte sodann den Grafen Albert de Man, den bekannten Depu­taten und wirklich sehr beredten Wanderprediger der Royalisten, der Versammlung vor. Der Redner machte der Republik den Prozeß und entwarf ein düsteres Bild von der gegenwärtigen Lage Frank­reichs. Die republikanische Negierung sei eine Ne­gierung des Bankerottes, die Ehre Frankreichs sei in Egypten geopfert worden, aber das teuflische neue Schulgesetz werde der Republik Verderben bringen. Das Fest schloß nach provinzalischem Gebrauch mit einem Sticrrenncn. Wie nun die Republikaner ver­sichern, kann die Republik diese royalistischen Kund­gebungen eben so wie die revolutionären Hetzereien ohne jede Gefahr ertragen. Jedenfalls wollen sie

dasExperiment der unbegrenzten Freiheit" noch weiter verfolgen und erst einschreiten, wenn die Feinde der Republik von Worten zu Thaten übergehen soll­ten. Es fragt sich nur, ob es bei der Uneinigkeit im eigenen Lager dann nicht zu spät sein kann.

England.

London, 13. Okt. Aus Kairo wird gemel­det, daß Baker Pascha die Kosten einer Armee von im Ganzen 10,900 Mann auf 360,000 Pfund Ster­ling anschlügt. Es ist die Absicht, als Offiziere nur Engländer anzustellen, während zu Unteroffizieren Egypter, Bosnier und Bulgaren verwandt werden könnten. (Fr. I.)

London, 13. Okt. DieTimes" veröffent­licht ein offiziöses Communiquö daß ein Plan be­steht, einen neuen Kanal Alexandrien-Kairo-Suez zu bauen. Die Länge würde 240 Meilen, die Ko­sten würden 10 Millionen Pfd. betragen.

London, 14. Okt. (Fr. I.) General Have­lock, welcher der Schlacht von Tel-el-Kebir als Zu­schauer beigewohnt hat, erklärte in einem Briefe an die Times die Behauptungen der Zeitungs-Corre­spondenten von der Niedermetzelung der egyptischen Verwundeten und Ausplünderung des Gepäckes des Generals durch englische Soldaten für unwahr. Zwei dieser Berichterstatter seien bei Tel-el-Kebir gar nicht zugegen gewesen, während zwei andere als im höch­sten Grade unzuverlässig bezeichnet werden müßten. Allerdings muß der General zugestehen, daß die Dis- ciplin der englischen Truppen während des Kampfes eine sehr lockere gewesen ist.

Rußland.

Warschau, 13. Okt. Das Kriegsministerium beabsichtigt, an der russisch-preußischen Grenze Befe­stigungen aufzuführen. In der Nähe von Grodo sind 5000 Arbeiterhütten errichtet; Hunderte von Arbeitern aus den russischen Gouvernements treffen daselbst ein. Tücki.

Koustantinopel, 12. Okt. Der Sultan hat den Befehl erlassen, allen fremden Schiffen, die mit Dynamit beladen sind, in Zukunft den Eintritt in die Meerengen zu'untersagen.

Amerika.

New York, 12. Okt. Der DampferHerder" ist gänzlich zerschmettert. Die Ladung kommt, stück­weise durch die Wellen getragen, ans Ufer. Wenig davon kann gerettet werden. Die Passagiere sind in Saint Johns eingetroffen. (W. L.)

Ein Beispiel von wahrhaft fürstlicher Libe­ralität, wie sie außerhalb Amerikas kaum angetrof­fen werden dürfte, hat Enoch Pratt, ein Geschäfts­mann in Baltimore, gegeben. Derselbe hat sich für Gründung einer Stadt-Bibliothek zu einer Gabe von einer Million Dollars (4 000 000 erboten. Der liberale Mann hat auch bereits ein feuerfestes Gebäude in Auftrag gegeben, welches im Sommer des näch­sten Jahres fertig sein soll, 225000 Dollars kosten nnd Raum zur Aufnahme von 200000 Bänden bie­ten wird. In dem der Stadtverwaltung gemachten Anerbieten hat jedoch der praktische Amerikaner aus­drücklich bemerkt, daß er die noch übrig bleibende Summe erst dann zahleu werde, wenn die Bibliothek durch die Stadt mit einer jährlichen Summe von 50000 Doll, unterstützt wird.

Handel S Ueekehe.

Stuttgart, 13. Okt. Der Fahrplan für den Winter­dienst 188283, giltig vom 15. d. M. an, ist soeben in Pta- katfvrm ansgcgcben worden.

Stuttgart, 12. Okt. sKartoffel-, Obst- und Krautmarkt.s Leonhardsplatz: 400 Säcke Kartoffeln ü 3 60 -l bis 4 30 -! per Ztr. Wilhelmsplatz: 3000 Säcke

Mostobst ä 7 .16 80 -k bis 7 80 -0 per Ztr. Markt­

platz: 3000 Stück Filderkrant L 8 ^6 bis 14 per 100 Stück.

Fellbach, 12. Okt. Gestern hat ein hiesiger Wirst, von einem hiesigen Weingartner dessen Wein gekauft zum Preis von 100 pro 3 Hektoliter.

Ans Stetten a. H. wird unterm 10. geschrieben: Bon Weinbergen in Habcrschlacht gestern gelesener Portugieser Wein hat 77 Grad gewogen.

Tübingen, 14. Okt. (Hopfen.) Auf die Sladt- waage kamen gestern kaum 20 Ballen zum Abwägen, welche ca. 16 Ztr. ergaben. Die Preise bewegen sich zwischen 220 bis 250 .16 per Ztr.

Nürnberg, 11. Okt. (Hopfen.) In Württemberg bewegte sich der Einkauf in den letzten Tagen in engeren Gren­zen. Allshausen hat beste Waare von 300325 .16 , mittlere 280300 .16 abgegeben. Am Hopsenmarkt in Stuttgart wa­ren größere Znfnhren als seither ansgeboten und wnrdcn für Mlttelwaare 300 .L erzielt. Der Bezirk Herrcnbcrg hat von seinem Ertrage von 5000 Ztr. noch nicht den vierten Thell verkauft; lebte Preise zwischen 300 nnd 330 in Ulm Prima 300 .16, ganz mißfarbige zu 150 Die heutigen Notirnngcn lauten: Württembergcr la. 315320 ^16, II. desgl. 285 bis 305 .16, Badische 300315 .16