Stuttgart, 21. Scpt. In der gestrigen, zum Zweck -er Besprechung der Jnnungsfragc veranstalteten öffentlichen Versammlung im Schützenhose sprach Herr Reichstagsabgeord- nctcr Kayscr gegen die von den Sozialreformern angcstrebteu Zwangsinnungcn. Redner will nicht die Organisation der Meister, sondern der Arbeit, er hofft von den Zwangsinnungen nichts für das Handwerk. Der soziale Zukunstsstaat allein könne den Kampf zwischen Arbeit und Kapital enden. Herr- Redakteur Treiber entgegnet, seine Partei gehe von dem Grundsatz ans, die menschliche Gesellschaft habe die Pflicht, Jedem der Arbeit suche, auch solche zuzuweisen, und zwar gegen einen Lohn, mit welchem derselbe cxistiren könne. Das Groß­kapital und die Finanzaristokratie seien der Feind der Arbeiter. Redner verteidigt alsdann das Programm seiner Partei und tritt für Zwaiigsinmuigcn ein. Die Idee des sozialen Staates sei nicht ausführbar. Herr Kayser hält in seiner Schluffent- ocanunq den sozialen Staat für erreichbar, mindestens sei der­selbe aiizustreben. (W. L.)

Cannstatt, 20. Scpt. Die Ueberschwem- mung des Neckarthales ist eine furchtbare. Bon Obertürkheim an gleicht die ganze Ebene einem See. Der ganze Rennplatz ist gleichfalls unter Was­ser gesetzt, ebenso die sogenannte Insel. Vielfach Hort man die Meinung aussprechen, daß unter den Umständen das Volksfest wohl nicht wird abgehal­ten werden können. (W. L.)

Die Nachricht, daß der Leichnam des ertrun­kenen Lieutenants von Marchtaler (nicht Marstaller) bei Cannstatt ans Land geschwemmt worden sei, hat sich nicht bestätigt. Derselbe ist bis heute früh noch nicht aufgefunden worden, v. Marchtaler ist der Sohn des i Stadtschultheißen v. Marchtaler in Eßlingen.

In Cannstatt schossen am Montag Nach­mittag einige junge Leute in der Brückenstraße mit einer Zimmerstinte nach Spatzen. Die Flinte ging unversehens los und der Schütze traf seinen eigenen Bruder mit der für die Spatzen berechneten Ladung in das linke Auge. Die Sehkraft des Auges wird wohl für immer verloren sein. (W. L.)

Eßlingen, 19. Sept. In den vom Hagel­schlag betroffenen Gemeinden des Bezirks ist die Noth groß, weil neben den Brodfrüchten re. auch noch die Kartoffeln, das unentbehrlichste Nahrungs­mittel. namentlich für die ärmere Volksklasse, fehlen. Von Herrn Kaufmann Banzhas in Köngen wurde nun der Anfang gemacht, der Noth einigermaßen zu steuern. Er bestellte gestern hier bei einem Kartof­felhändler zwei Eisenbahnwagen gute Kartoffeln, die er ohne Zuschlag an die Einwohner seiner. Gemeinde abgeben will. Auch der betreffende Kartoffelhändler hat versprochen, die Waare um den Selbstkostenpreis zu liefern. (N. T.)

(Schwurgericht Tübingen.) Tagesordnung sür die Sitzungen des III. Quartals 1882. 1) Donnerstag

den 28. Scpt.: Strafsache gegen den Küfer Jvhs. Lampar- ter von Grnorn wegen gewinnsüchtiger Fälschung eüur öffent­lichen Urkunde. 2) Am gleichen Tage: Strafsache gegen den Schuhmacher Joseph Ottmar von Ebhausen wegen Meineids. 8) Freitag den 29 Sept.: Strafsache gegen den Bauern Jvhs. Bcchtle von Möhringen wegen vorsätzl. Körperverletzung und dadurch verursachter Tödtnng. 4) Samstag den 30. Seplbr.: Strassache gegen die ledige Dicnstmagd Luise Ivos von Bern- stadk, wegen Kindstödtung. ö) Montag den 2. Okt. und den folgeichen Tagen: Strafsache gegen den Schäftemacher JohS. Knapp von Reutlingen, wegen zweier Verbrechen des Mords und eines Verbrechens des schweren Rands. 6) Mittwoch den 4. Okt.: Strafsache gegen den Viehhändler Jul. Regensbur­ger von Göppingen, wegen Meineids. 7) Donnerstag den 5. Okt.: Strafsache gegen den Bauern Jvhs. Ulmer von Schwall- dorf, wegen versuchten Mords. 8) Freitag den 6. Okt.: Straf­sache gegen den Schuhmacher Johs. Will). Lutz von^Hagclloch, wegen versuchten Mords. (T. Ehr.)

Vom untern Kocher, 18. Sept. In den Weinbergen, besonders denen von Neuenstadt, sieht es trostlos ans,- die Beeren sind noch so hart, daß cs ein wahres Wnnder wäre, wenn noch ein trink­barer Wein entstände. Dagegen hat der Bauer an Zuckerrüben einen reichen Ertrag zu hoffen; das anhaltende Regenwetter war ihnen zu ihrem Wachs­thum sehr zuträglich.

Epsendorf, 19. Sept. (Sch. B.) In Böh­ringen, SA. Rottweil, kam heute Morgen ein be­dauerlicher Unglücksfall vor. In Folge des an­haltenden Regenwetters schwoll die Schlichen: 'sehr rasch und so stark an, daß die Brücke fortgeschwemmt wurde. Aus dem Stege, der den Ort verbindet, hatte sich eine Anzahl Kinder versammelt, um dem Wasser znznschen. Ans einmal, Morgens 7 Uhr, stürzte auch dieser zusammen und 2 Brüderchen im Alter von 68 Jahren sielen in das reißende Was­ser, wo sie alsbald ihren Tod fanden. Bis jetzt konnten die Leichen noch nicht gesunden werden.

Brandfälle: In B u rgstall ^Mergentheim) am 20. Scpt. die Scheuer des Bauern Joh. Klein.

Dem Salomou Weil von Oberdorf, welcher im Jnhre 1S7I wegen eines cm der Dieustmogd im Gasthaus zum

Roßte" in Neresheim verübten Mordes zum Tode verur­teilt, jedoch zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden war, wurde durch höchste Entschließung Sr. Kgt. Majestät vom 8. Sept. d. I. der Rest seiner Strafe unter der Bedingung der Auswanderung in eines der überseeischen Länder nach­gelassen.

Mannheim, 15. Sept. (Wucherprozeß.) Heute Vormittag fand vor der hiesigen Strafkammer eine Gerichts­verhandlung ihren Abschluß, welche besonders chic bäuerlichen Kreise der Umgegend stark erregte. Die Anklage richtet sich gegen Salomon Kaufmann aus Viernheim, einen Halsab­schneider der schlimmsten Sorte, deren unheilvolle Wirksamkeit allerdings durch die Einführung des Wnchergesetzes stark beein­trächtigt ist. Was aber Kaufmann vvr Einführung jenes Ge­setzes in seinem Metier geleistet hat, wofür er leider straflos ausgehcn mutz, geht in das Unglaubliche. Nur einen der vie­len Fälle will ich yerausgreifeii, um das Treiben dieses Vam­pyrs zu charakteristren. Ein Bauer, welcher früher in guten Vermögensverhültnissen lebte, geriet!) in die Hände Kaufmanns, der eine Schuldforderung zu erwerben wußte und auf deren Rückzahlung stets drang, wenn er wußte, daß sein Schuldner kein Geld hatte, so daß dieser durch Prolongation, Zinsen re. immer tiefer bei Kaufmann in die Kreide kam. Der Bauer brauchtc nun einst die kleine Summe von 30 ^ und wendete sich wieder an Kaufmann. DieHülse", die ihm dieser ange- dcihen ließ, setzte sich wie folgt zusammen: zuerst mußte der Bauer eine schlechte Kuh von Kaufmann für 3004t kaufen, diesem zwei Rinder sür 160 verkaufen, hiernach einen Schuld­schein über 140 ^ ausstellen und einen weiteren über 16 -L, da Kaufmann sagte, unter 20 Provision könne er dieses Kaufgeschäft" nicht abschlicßen. Kaufmann behielt nun beide Schuldscheine und dann erst erhielt der Bauer seine 30 wofür er wiederum einen Schuldschein über 50 »4t ausstellen mußte. Der edle Wucherer war somit durch eine Baaranslagc von 30 «4tl eine schlechte Kuh los geworden, hatte sich in den Besitz von zwei guten Rindern gesetzt, besaß ferner zwei Schuld­scheine über zusammen 300 -4r und außerdem noch einen svi- chen über 50 uL Solcher Manöver weist die Anklage viel nach. Der Gerichtshof erkannte unter 40 Füllen 12 ans Freispre­chung und verurlhcilte den Angeklagten zu 8 Jahren 3 Mo­naten Gcfängniß, 8000 Geldstrafe und Tragung aller Ko­sten. Der Staatsanwalt bedauerte,nach Lage der Sache" nicht Zuchthausstrafe beantragen zu können."

Mannheim, 18. Sept. Das Urtheil der Strafkammer in Sachen der Heidelberger Eisenbahn- Katastrophe lautet nach demBad. Beob." für Wei­chensteller Philipp Berger auf 4 Jahre Gefangniß, Stativnsassistent Eckerlin 4 Wochen Gcfängniß; Signalwärter Leibrecht dagegen wurde freigesprochcn.

M annhei m, 20. Sept. Gestern Abend fuhr, wie man derF. Z." schreibt, der um 8 Uhr 36 Min. hier abgchende Schnellzug der Riedbahn auf dem sog. Neckaraner Ucbergang in ein mit Sprit beladenes Fuhrwerk. Wagen und Ladung wurden zertrümmert, der Fuhrmann Gevrg Rieger blieb lobt. Der Sprit gcrieth durch das Fcner der Lokomotive in Flam­men, wodurch der Heizer des Zuges schwer verletzt wurde. Dieser neue, die badische Bahn betreffende Unglücksfall muß leider wiederum auf grobe Fahrlässigkeit znrückgeführt werden.

Dresden, 19. Scpt. Man meldet derA. Z.": Im Gespräch mit dem Oberbürgermeister Dr. Stübel sagte Kaiser Wilhelm: Diese Tage (seines Aufenthaltes in Sachsen) erinnerten ihn an die Aeu- ßerung seines verstorbenen Bruders, daß Deutschlands Einheit sich sehr wohl mit der historischen Vielheit vertrage.

Güttingen, 19. Septbr. Nach einer soeben ans dcr hiesigen Sternwarte eingegangenen Nachricht wurde am 13. d. M. von Mr. Eruls in 3tio Janeiro ein neuer Komet entdeckt, welcher wahrscheinlich mit dem Kometen Pons ans dem Jahre 1812 identisch ist und voraussichtlich sür das bloße Auge sichtbar werden wird. Der Komet steht im Bilde deS S'extaniea." Auch vom Observatorium in Nizza wird gemel­det, daß gestern ein sehr glänzender Komet etwa 3 Grade westlich von der Svnne beobachtet wurde.

Frankfurt. (Riesenhecht.) HerrGastwirth Alex. Kühn fing gestern im Main einen Hecht von 27 Pfund. Das Niesenthier, welches das Staunen aller Gäste erregt, mißt vom Kopf bis zum Schwanz über einen Meter. (Fr. I.)

Berlin, 20. Septbr. Dem Vernehmen nach ist der flüchtige Bankier Max Lev enstein gestern Abend in Liverpool, als er sich eben nach Amerika Anschissen wollte, verhaftet worden; es sollen be. demselben gegen 180,000 alL vorgefunden sein.

In Berlin hat sich dieser Tage etwas ereignet, was meist nur in Romanen vorkommt. Eine arme 20jührigc Nähterin in einer Fabrik, Emma P., die Tochter eines Handwerkers in Charlottenburg, wurde vor Gericht geladen und ibr eröffnet, daß sie Mela­nie heiße, die Tochter einer Freifrau von H. sei, und, was die Hauptsache, ein Vermögen von 200,000 Mark erhalte, sobald sie mündig sei oder sich vcrhei- raihe, wozu sie große Luft zeigt. Die Geschichte ihrer Geburt in einem Badeorte (Rehme), ihre Ver­tauschung und ihre llcbergabe an eine Haudwerker- familie zur Erziehung, die dafür 7000 Thlr. erhielt, licSi sich wie ein Roman, ist aber volle Wahrheit. Sie wird seitdem die verwunschene Prinzessin genannt.

Der frühere Direktor des preußischen statisti­schen Bureaus, Geh. Rath Dr. Engel, will sich

jetzt dem parlamentarischen Leben widmen, er kandi- dirt für den Wahlkreis Calbe-Aschersleben. Er ist Freihändler und Manchestermann.

Prinz Heinrich von Preußen wird dem Ver­nehmen nach im Herbst d. I. mit der Korvette Olga eine auf 1Ur Jahre berechnete Reise nach Westin­dien antretcn.

Die bekanntlich seit einigen Jahren bestehende und namentlich von den Ultramontanen eifrig geför­derte Agitation gegen den Impfzwang wird in letz­ter Zeit besonders lebhaft betrieben und die Peti­tionskommission des Reichstags wird sich vielfach mit Petitionen um Aufhebung des Jmpfgesetzes zu beschäftigen haben. Jedenfalls wird die Angelegen­heit im Reichstage zur Sprache kommen und die Re­gierung Gelegenheit finden, sich über ihre Stellung dazu von Neuem auszusprechen.

Eugen Richter, der Führer der Fortschrittspartei, ist nicht sehr für ein Zusammengehen mit den gemäßigten li­beralen Parteien eingenommen und hat dies in einer großen Wahlversammlung in Berlin seinen Wählern nicht verschwiegen. Er sagte, im Volke habe sich in den letzten Jahren eine ent­schiedene Linksströmung vollzogen), man sei der Vermittlung, Compromittircns w. müde.Im tlebergang nach Links voll­zieht sich in der Bolksstimmung ein Klärnvgsprvzeß und die­sen darf man nicht stören." Bon den Klagen seiner Gegner und vieler eigenen Parteigenossen sagt er:Man sage mir nach, daß ich zu scharf, zu schneidig, nicht mäßig genug sei : nun, ich kann mich nicht anders geben, als ich bin und will es auch nicht, ich möchte sogar heutzutage nvch schärfer und schneidiger sei». Man sagt, ich sei kein Diplomat und habe staatSmamiischc Ader; ich habe aber viele Männer kennen ge­lernt, die sich für große Diplomaten und Staatsmänner hiel­ten und auch von Andern dafür gehalten wurden, und habe­gefunden, daß grade diese Herren dem Fürsten Bismarck ge­genüber immer den Kürzer» zogen. Gerade Bismarck gegenüber kommt man mit einer einfachen Politik am weiteste!:." Von den Antisemiten sagt er,sie suchen sich augenblicklich von vr. Henriei loszuschälen, ich aber habe für denselben immer eine gewisse Schwäche gehabt, weil ich ihn sür den ansrichtig­sten unter der Gesellschaft halte."

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 19. Sept. Oberkürnten, namentlich das Drauthal, ist schrecklich verheert; mehrfache Ei­senbahnunterbrechungen fanden statt, viele Brücken sind sortgerissen, andere gefährdet; Oberdrau- burg steht anderthalb Meter unter Wasser. Die Verheerungen im oberen Drauthal sind unge­heuer; gegen 20,000 Merkantilhölzer sind fortge­schwemmt. Der Kaiser spendete 5000 Gulden; der Landesprüsident erließ einen Aufruf zu Sammlungen. Die Witterung ist fortdauernd trübe und regnerisch. Das sonst so üppige Etschthal ist auf mcilenlange Strecken in einen See nmgewandelt und wird lange ein Sumpf bleiben. Straßen, Eisenbah­nen, Telegraphcnlinien, Schutzdämme, Brü­cken und Wege sind zerstört. Der Schaden ist ein ungeheurer und wird nach Millionen geschätzt.

Wien, 21. Septbr. (Fr. I.) Bei Moscon entgleiste heute ein Eisenbahnzug, welcher von Mili­tär besetzt war; mehrere Soldaten wurden getödtet.

Innsbruck, 18. Sept. Der Kaiser hat laut Mittheilung der Kabinetskanzlei aus Triest zur Lin­derung der Nothlage der durch Wasserschäden Ver­unglückten in Tirol den Betrag von 10,000 st. aus a. h. Privatmitteln gespendet.

Cattaro, 15. Scpt. Bei einem heftigen Ge­witter, daS gestern Abends in den Bocche sich ent­lud, wurden am Goli Vrh in der Krivoschije durch Blitzschlag zwei Feldwachen von Alemann-Jnsan- terie getödtet; 22 andere Personen, Soldaten und Arbeiter, wurden verletzt.

Der glücklicherweise vereitelte neueste Atten­tatsversuch der Jrredentcn machte in Wien den peinlichsten Eindruck und beweist wieder, daß der Ursprung aller derartigen Anschläge auf Italien zurückzuführen ist. Die Bvmbe vom 2. August kam von dort, die zweite Bombensendung bald hernach wurde ans Venedig herübergebracht und jetzt wieder ist der Attentäter Oberdank mit seinen Orsinibomben und seinem Nitroglycerin auS Italien gekommen. Er ist wohl ein Tricster von Geburt, aber er lebte seit 3 Jahren in Italien, wohin er von Oesterreich aus desertirte, und man weiß bereits, daß er im Auf­träge seiner Spießgesellen in Italien nach Triest gehen wollte. Wie es heißt, fanden anläßlich des Ättentatöversuches diplomatische Verhandlungen zwi­schen Wien und Rom statt. Italien erklärte sich bereit, eine Untersuchung bereitwilligst unterstützen zu wollen und entsendete sofort einen Staatsanwalt nach dem österreichischen Grcnzorte Nossa. Durch dieses Entgegenkommen Italiens ist eine jede Trübung der guten Beziehungen zwischen Oesterreich und Ita­lien verhütet worden. Obcrdank wurde bei der

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