ohne Unterschied der Partei eine Adresse an den König Ludwig zu unterzeichnen, in welchem Se. Majestät gebeten werden solle, sein zurückgezogenes Leben aufzugcben und sich nach dem Beispiele seiner Vorfahren wenigstens 'an festlichen Tagen seinem getreuen Volke zu zeigen." Zur Erklärung fügt das Vaterland hinzu, „daß das königl. Hoslagcr den größten Thcil des Jahres sich außerhalb der Hauptstadt befinde, daß Hoffestlichkeiten seit Jahren nicht mehr stattfindcn, in Folge dessen auch der hohe Adel fast das ganze Jahr über von der Hauptstadt fern bleibt" u. s. w.
Frankfurt, 11. Scptbr. Der Verein süd- und westdeutscher Leder-Industriellen hält am 12. d. M. iu Frankfurt a. M., während der Messe, die für die Leder-Industrie von besonderer Bedeutung ist, seine Generalversammlung ab. Aus den Bcrathungsgegcnständcn ist hcrvorzuhcbcn: Maßregeln für Ausbesserung des'Gerbe reigewcrbes, das seit längerer Zeit stark leidet. Bor allem möchte man der Sohlleder- Industrie aufhclfcn. Obwohl das deutsche Sohlleder hinsichtlich seiner Qualität gegenüber allen Fabrikaten anderer Länder noch immer die erste Stelle cininmnit, so ist doch die amerikanische Konkurrenz wegen der Billigkeit ihrer Preise eine kaum zu überwindende. Wenn man bei uns vielfach über die geringe Haltbarkeit des Schuhwcrkcs klagt, so ist dies allein auf Rechnung der amerikanischen Gerberciprodultc zu setzen; dieselben werden nicht, wie das deutsche Sohlleder, nach langjähriger Währung, sondern in kürzester Frist auf rein mechanischem Wege hcrgestellt.
Vom 14. bis 20. ds. wird das Königreich Sachsen den Kaiser gelegentlich der Manöver des sächsischen Armeekorps (Nr. 12) auf seinem Boden sehen. Der 17. ist der Stadt Dresden gewidmet.
Der Antisemiten-Congreß in Dresden tagt, wenn man so sagen darf, meist vertraulich d. h. nicht öffentlich. Der Theilnehmer sind etwa 400, unter Ihnen auffallend viele Russen und Ungarn; an der Wand des Sitzungssaales hängt das Bild der ge- heimnißvoll ermordeten ungarischen Jüdin Esther So- lymvssy. Stöcker lehnte den Vorsitz ab; der österreichische Ritter von Zerboni brachte einen Trinkspruch aus auf Fürst Bismarck, den ersten Reformer und geistigen Vater der antisemischen Bewegung, wie er sagte.
Breslau, 13. Sept. Die „Breslauer Ztg." ist ermächtigt, die Behauptung der Blätter über die Abwesenheit des Großfürsten Wladimir beider Ankunft des Kronprinzen Rudolf als jeder Begründung entbehrend zu erklären. Es sei nicht Sitte, daß ein fremder Fürst einen Gast des Landesherren empfange. Trotzdem habe der Großfürst beabsichtigt, den Kronprinzen zu empfangen; es habe ihm aber im Augenblick, wo er zur Bahn sich begeben wollte, eine österreichische Uniform nicht zu Gebote gestanden. Die russischen Offiziere seien jedoch zum Empfang des Kronprinzen erschienen, namentlich der General Scalon. Von politischen Motiven des Fernbleibens des Großfürsten könne demnach gar keine Rede sein. (Schw. M.)
Breslau, 13. Sept. Der Oberpräsidcnt von Schlesien veröffentlicht eine herzliche Danksagung des Kaisers an die Provinz „für die zahlreiche Beweise der Liebe, Treue und Anhänglichkeit, welche Mir auf Schritt und Tritt aus allen Kreisen der Einwohner entgegengebracht wurde." — Das Feldmanöver des 5. und 6. Armeekorps bei Groß- und Klein- Naake nahm einen glänzenden Verlauf. Der Kaiser folgte den Bewegungen bis zum entscheidenden Momente mit der größten Spannung. Das Manöver endigte mit dem Siege des 6. (schlesischen) Armeekorps unter General v. Blumenthal, der für seine Führung das allgemeine Lob des Kronprinzen als des obersten Schiedsrichters erntete.
Von dem deutschen Juristentage in Cassel ist noch nicht viel zu melden. Es haben sich etwa 300 Juristen eingestellt, die meisten mit ihren Juristinnen.
Kassel, 12. Sept. Die dritte Abtheilung des Juristentagcs hat die wichtige Frage: „Soll der Staat verpflichtet sein, Entschädigung dann zu gewähren, wenn ein Verurtheilter im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens freigesprochen wird?" nach eingehender Debatte, an der sich Dr. Jaques (Wien) und Professor Dr. Rubo (Berlin) betheilig- tcn, einstimmig bejaht. Entschädigungspflicht durch den Staat soll nur auf solche Fälle nicht auszudehnen sein, in denen der Berurtheilte durch eigenes Geständnis; oder durch Verschweigen von Thatsachen, welche zu seiner Freisprechung hätten führen können, seine Vermtheilung herbeigeführt habe.
Berlin, 11. Sept. Der „Neichsanz." macht bekannt, daß die neue Ausgabe der Pharmacopvea Germanica erschienen ist. DaS neue Arzneibuch tritt mit dem 1. Jan. 1883 innerhalb des ganzen deutschen Reichsgebiets an Stelle der zur Zeit in Geltung befindlichen Ausgabe aus dem Jahre 1872 in Kraft, so i-R von jenem Zeitpunkte ab die darin
verzeichneten Arzneimittel seitens der Apotheken ausschließlich in der dort vorgeschriebenen Beschaffenheit und Zusammensetzung feilgehalten und verwendet werden müssen. Das Werk ist das Ergebniß mehrjähriger sorgsamer Arbeit, an welcher sich die hervorragendsten Fachmänner Deutschlands betheiligt haben. Die 1872er Ausgabe konnte nach Lage der Verhältnisse hauptsächlich nur eine Zusammenstellung der in den damals geltenden, zum Theil schon veralteten Pharmacopöen der verschiedenen Bundesstaaten enthaltenen Arzneimittel geben, die neue Ausgabe beruht dagegen auf einer völlig selbstständigen kritischen Durchmusterung des gegenwärtigen Arzneischatzes. Sie weicht daher auch von der alten Ausgabe dem Inhalte nach sehr erheblich ab, namentlich ist eine große Anzahl veralteter Mittel gestrichen, andererseits aber auch durch Aufnahme bewährter neuer Mittel den Entdeckungen der letzten Jahre Rechnung getragen worden.
Am Sedantage hatte eine französische Brigg im Hamburger Hafen eine zerrissene französische Nationalflagge zu halbem Stock aufgehißt. Die Hamburger wußten, daß Flaggen am halben Stock Zeichen der Trauer sind und daß eine zerrissene Flagge eine Unhöflichkeit bedeutet. Sie bauschten aber die Sache nicht auf, sondern lachten über die Demonstration.
Der Kalender für 1883 weist die Seltenheit nach, daß der Fastnachtsonntag schon auf den 4. Februar fällt, was sich seit 1742 nicht wiederholt hat und erst 1894 und 1940 wieder eintresien wird. Oesterreich-Uugarn.
Wien, 13. Sept. Der Sieg der Engländer wird hier als ein entscheidender aufgefaßt und der Krieg in der Hauptsache als beendet angesehen, so daß jetzt die diplomatische Seite der egyptischen Frage in den Vordergrund tritt. (Fr. I.)
Auch in Oesterreich haben jetzt die Bischöfe Stellung zu dem Proklama des Fürstbischofs von Breslau bezüglich der Mischehen genommen. In Nro. 12 des Diöcesanblattes von Linz, dem offiziellen Organe der unter Oberleitung des bekannten Bischofs Rüdinger stehenden Diöcese, heißt es wörtlich: „Gar manche Ketzerei hat nicht so lange gedauert, wie der Protestantismus; es wird auch dieser ein Ende nehmen und glücklich sind die Priester und Laien, welche dieses Ende erleben, ganz glücklich diejenigen, die zur Herbeiführung dieses Endes beigetragen haben." Ferner wird ein Erlaß mitgetheikt, welchen der Bischof Rüdinger jüngst anläßlich der Ehe einer Katholikin mit einem Protestanten an das betreffende katholische Pfarramt richtete. Dieser Erlaß lautet wörtlich: „Der Dispens vom Hindernisse der gemischten Religion (bei der bevorstehenden Ehe) wird dann ertheikt werden, wenn das Brautpaar vor dem katholischen Seelsorger mit Vermeidung der Vor- oder Nachtranung durch den protestantischen Pastor die Ehe eingeht. Sollte dasselbe bei dem unglücklichen Gedanken verharren, sich von dem Pastor ehelichen oder von demselben nachtrauen zu lassen, so hört von Seiten des katholischen Pfarramtes jede Mitwirkung auf. Doch hat dasselbe die Braut aus die große, schwere Sünde, die sie begehen würde, auf die Ungültigkeit einer solchen Ehe vor Gott, der Kirche und dem Gewissen und auch auf die kirchliche Strafe der Exkommunikation, welche dem unglücklichen Schritte folgen müßte, aufmerksam zu machen. Dem Vater und bezw. auch der Mutter ist auch aufzutragen, daß sie ihren ganzen Einfluß aufzubieten verpflichtet sind, um einen so sündhaften Schritt der Tochter zu verhindern. Es wolle über den Verlauf des Falles berichtet werden." (T. Chr.)
Das Pester Regierungsblatt meldet: „Oberstaatsanwalt Kozma und Gerichtspräsident Kornis überzeugten sich gestern in Tiszla-Eszlar davon, daß der 14jährige Schächterknabe Moriz Lehars durch das Schlüsselloch in der Shnagoge das, was er aussagt, nicht gesehen haben konnte. Die Synagoge ist ganz verwüstet. Die beiden Obengenannten versicherten den wehklagenden Juden, daß die Affaire baldigst erledigt sein werde. Heute beginnt der neue iLtaats- anwalt Havas mit der Vernehmung der Angeklagten; dieselben" erklären, von dem früheren Untersuchungsrichter Vary behufs Erpreßuug von Geständnissen mißhandelt worden zu sein. Der Staatsanwalt wird wahrscheinlich gezwungen sein, deßhalb Klage gegen den Untersuchungsrichter von Amtswegen zu erheben."
Schweiz.
In der soloihurnischen Gemeinde Trimbach
hat sich die Mehrheit der Bürger der christkatholischen Kirche der Schweiz angeschlossen und ein christkatholischer Geistlicher amtet daselbst seit längerer Zeit. Nun fordern 76 Einwohner der Minderheit vom Gemeinderath die Einberufung einer außerordentlichen Gemeindeversammlung behufs Ausschrei- bung einer römisch-katholischen Pfarrstelle Z-FFKfL Trimbach. Vom Gemeinderath und im Rekurswcg I.Z.Z.8S > vom Negierungsrath und vom Kantonsrath von Solothurn abgewiesen, sind sie in letzter Instanz auch vom Bundesrath abgewiesen worden. (Sch. M.)
England.
London, 12. Sept. Aus Jsmailia wird gemeldet: Lieutenant Norcock stieg den Frischwasser- r« ^ kanal hinauf und sprengte die vom Feinde gc-d»sE§^« zogenen Dämme vermittelst Schießbaumwolle in die Luft. Die Hochländerbrigade kam in Kas- sasin an und ist die Konzentration der Armee nun- mehr bewerkstelligt.^ Die Anzahl der Geschütze beträgt ^ ^
60. Im Generalstabe des Hauptquartiers spricht man aus, daß man in einer Woche in Kairo sein werde. (Sch. B.)
London, 13. Sept. Die Verluste der Egifp- ter bei Tel-el-Khebir werden auf 2000, diejenigen der Engländer auf 200 einschließlich vieler Offiziere ge- -§ .2 ^ ^
schätzt. Die Demoralisation der Armee Arabi's ist §. 's D
eine vollständige. Die Infanterie flieht nach der ^ x '
Wüste zu, wirksam verfolgt von der englischen Ca- K ^
vallcrie. (Fr. I.) ^ ?
London, 13. Sept. (Fr. I.) Aus Jsmailia wird gemeldet, daß heute Morgen nach einer starken Beschießung der Erdwerke von Tel-el-Khebir Krs-Nrss durch die englische Artillerie, welche die Egypter »DZ-HD vollständig überraschte, die englische Infanterie um 9 Uhr zum Attaque überging. Der Feind cröffnete sein Kleingewehrfeucr schon auf eine sehr weite Di- stanz, während die englischen Truppen nur spärlich AZZDZ- feuernd vorrückten. General Wolselcy hatte den -A3 LHZ- Befehl gegeben, die feindliche Position mit dem Bajonnet zu erstürmen, in den Laufgräben entstand ein blutiges Gemetzel, doch wurden dieselben schließ- lich von den Eghptern gesäubert; der Feind zieht AZ sich fliehend iu nördlicher Richtung zurück. Einer Dg K großen Anzahl Egypter wurde der Rückzug abqeschnitten. § Z - -f -
London, 13. Sept. General Wolscley hat heute Morgen-vel-el-Khebir mit 40 Geschützen einge- nommen und hierbei zahlreiche Gefangene gemacht; die Truppen Arabi's scheinen vollständig zersprengt 3«' zu sein. Cavallerie verfolgt die Flüchtlinge. -
London, 14. Septbr. Generalmajor Sir Evelyne Wood meldet offiziell aus Alexandrien, daß sämmtliche höheren egyptischen Offiziere in Kasr-el- Douwar sich dem Khcdive unterworfen hätten. Die 8 V ^ Hemmung des Süßwasserznflusfes im Mahmudieh- - ^
Canal ist beseitigt und alle Feindseligkeiten sind ein-
gestellt worden. (Fr. I.) --"
Türkei. ^
„Wir gehen nach Egypten, mit der Fahne der «
Milde und Verzeihung in der einen, mit dem § E ^ Schwerte des Heiligen Gesetzes in der andern Hand." ZAAZ 3* ^ Mit diesen Worten begrüßte der Konstantinopeler «
Vakit die Proklamation, in welcher Arabi Pascha ?! ? SI ^ vom Sultan als Rebell erklärt wurde. Seitdem "
hat sich aber die Situation bereits wieder geändert.
England hat die Proklamation als ungenügend be- OFOAZ funden, und nach Egypten gehen die Türken, wie es Z Z scheint, noch nicht; denn auch die Militär-Kouven- ZZ-DZ tiou ist nicht nach dem Geschmacks der Engländer, welche jeden Tag einen neuen Vorwand haben, um den Türken gegenüber das „Hand weg!" zu prakti- ziren. Es schien, daß die Hauptdifferenz beglichen g g DE sei, als die Pforte sich bereit erklärte, ihre Truppen in Port-Said und nicht in Alexandrien landen zu lassen; aber die Engländer wußten sofort dieses Zu- gestandniß durch eine Interpretation illusorisch zu machen, die wunderlich genug ist; sie muthet den Türken zu, nach Port-Said zu gehen, aber in Port- Said nicht zu landen, sondern zu warten, bis ihnen von dem englischen Kommandanten ein Landungsort angewiesen wird. Auf diese Weise können die Türken auf der Rhede von Poct-Said bis zum jüngsten Tage warten. Solches Vorgehen mag recht geschickt und nützlich sein, aber sehr honett ist es nicht. Die Türken sollen erst dann Egypten betreten, wenn dort alles fertig ist.
Der in Konstautinopcl erscheinende „Stanibul" erzählt:
„Zahlreiche Mädchen ans dem hiesigen, durch di^ Schönheit seiner Töchter bekannten Judcnviertcl Haskoi lassen sich Abends aus ilireu Spaziergängen von christlichen Galans die Cour machen und bis zur Thür ihrer Häuser begleiten. Vergebens