Liebenswürdigkeit der Verkäufer und Verkäuferinnen trägt dazu bei, den guten Eindruck zu erhöhen. Man gewinnt hier ordentlich Respekt, vor dem männernährenden Handwerk; daß es einen goldenen Boden hat, wußte man schon längst, daß es aber mit solcher Eleganz solchem raffinirten Geschmack und unter Anwendung aller Finessen der Maschinenkunde ausgeübt wird, davon haben wohl die Wenigsten eine Ahnung. Auch eine Festzeitung, eine Festnummer der wöchentlich erscheinenden „Allg. Bäcker- und Konditorzeitung" ist herausgekommen.
Reutlingen, 2. Sept. Gestern Vormittag 10 Uhr fand laut „Schw. Kztg." im Sitzungssaale der Kgl. Kreisregierung die feierliche Einführung und Beeidigung des neuernannten Direktors der Kgl. Kreisregierung, v. Lutz, durch Se. Exz. den Herrn Staatsminister des Innern, v. Hölder, im Beisein sämmtlicher Räthe und Beamten der Kgl. Kreisregierung statt. Herr v. Hölder nahm dabei Veranlassung, sich über unsere deutschen Verhältnisse, die gegenwärtig vielfach verbreitete Mißstimmung, deren theils berechtigte, theils unberechtigte Ursachen, seine Stellung zu unseren inneren Fragen rc. in eingehender Weise auszusprechen und dankend erkannten die Anwesenden an, daß Herr v. Hölder auch in seiner hohen Stellung seinen von ihm seit Jahrzehnten vertretenen liberalen Ansichten treu geblieben ist, daß er neben seiner Liebe zum neu erstandenen Deutschen Reiche ein warmes Herz für unser württembcrgisches Vaterland hat und daß ihm das Wohlergehen und die Förderung der wirthschaftlichen und geistigen Interessen des württembergischen Volkes und Landes treu am Herzen liegt. Ueberhaupt hat der Herr Minister während seiner mehrtägigen Anwesenheit in hiesiger Stadt es verstanden, sich in allen Kreisen der Bevölkerung warme Sympathien zn verschaffen. Seine Liebenswürdigkeit im persönlichen Umgang, sein reges Bestreben, sich von den Wünschen und Bedürfnissen des Volkes selbst zu unterrichten, haben ihm überall rasch die Herzen gewonnen. Jeder, mit dem der Herr Minister verkehrte, mußte die Ueber- zeugung erhalten : dieser Mann, der aus dem Volke entsprossen ist, gehört zum Volke und meint es gut und ehrlich mit demselben und verdient voll und ganz das Vertrauen Aller, welche es, wie er selbst, gut mit unserem württembergischen und deutschen Vaterlande meinen.
In Deggingen, OA. Geislingen, hat eine Dienstmagd, die von ihrer Herrschaft Abends in einen Kaufladen geschickt wurde, in Folge eines unsittlichen Angriffs von Seiten zweier l 8jährigen Burschen, gegen welche sie sich wehrte und schließlich in eine Hecke geworfen wurde, ein Auge verloren. In einem solchen Fall ist nur die Prügelstrafe neben ausgiebigem Geldstrafansatz am Platze.
Am Montag den 28. August wurde bei dem Gemeinde- Pfleger in Möglingen dnrch den mit den lokalen Verhältnissen genau bekannten Ghpser Gottlob Gutckunst von Hai- terbach, O.-A. Nagold, derzeit in Oßweil wohnhaft, ein Diebstahl verübt; er entwendete hiebei etwa 400 ^ Gelder der Gemcindcpflege »nd gegen 200 Privatgelder. Bei seiner am 31. Ang. vorgenommenen Verhaftung fand sich noch der gcsammte gestohlene Betrag bei ihm vor. (St.-A.)
In der Jaxtgegend grassirt seit ungefähr 14 Tagen der Milzbrand unter den Schweinen in solcher Heftigkeit, daß der Tod bei einem erkrankten Thier oft schon nach 6 Stunden eintritt. In Kirch- bcrg sind innerhalb der genannten Zeit mindestens 50 Stuck zu Grunde gegangen.
Ju Wiblingen ist in der Dragoncrschmiedc, während die Schwadron im Manöver ist, ans dem Stock des Schmied- amboßcs ein Prachtexemplar von Kculenpilz, und zwar der eßbare Korallcnpilz, in herrlicher goldgelber Färbung her- ausgewachsen.
Brand fälle: In Ehingen a. D. am 2. Sept., Nachts 12 Uhr, die dem Schützenwirth gehörige Scheuer und Stallung mit angebautcr Mälzerei und Darre; in Heilbronn am 3. Sept., Nachts 9Lr Uhr, durch Blitzschlag ein in der Metzgcrgasse mit Frucht gefüllter Dachstuhl.
Frei bürg i. B., 4. Sept. Ein gräßliches Eisenbahnunglück hat sich gestern Nacht ereignet. Der von hier nach Colmar zurückgehende Extrazug entgleiste vor der Einfahrt in Hugstetten, der ersten Station von hier. Bis jetzt sind 46 Todte und an 80 Verwundete hervorgezogen. Ein Waggon ist noch nicht gehoben. In demselben sind fernere 8 Todte. Die Entgleisung fand im MooSwald, 4 Minuten vor der Station Hugstetten und zwar um '/s9 Uhr Abends statt. Der entgleisende Zug riß den Telegraph mit sich, so daß daS Depeschiren nach
Freiburg unmöglich war. Erst um 12 Uhr Nachts wurde allarmirt. Von 26 Waggons sind 4 unverletzt, die anderen förmlich zerstückelt. Die Locomo- tive ist bis auf mehrere Meter vom Geleise, einige Waggons über dieselbe hinausgeschleudert. Als Grund der Entgleisung wird ein Dammrutsch bezeichnet. Die Straße von Freiburg nach Hugstetten ist von Menschen besät. Vom Zugpersonal ist keiner verletzt. — Das Eisenbahnunglück nimmt leider einen immer gräßlicheren Umfang an, man befürchtet, daß unter den Trümmern des Zuges noch mehr Leichen sich befinden als man anfänglich glaubte. Anatomie, Klinik und Blatternhaus sind von Unglücklichen belagert, die ihren Vater, ihren Mann, ihre Kinder suchen und nicht finden. Von den Jammernden selbst sind viele im Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Die Trauer in unserer Stadt ist eine allgemeine. Die ankommenden Züge bringen bereits Angehörige der Verunglückten, die weinend und klagend durch die Straßen ziehen. Der Verkehr auf der Strecke Freiburg-Hugstetten wird wohl längere Zeit unmöglich sein. — Weitere drei Verwundete sind ihren Wunden erlegen und in die Anatomie verbracht worden. Man zählt setzt 53 Todte und an 100 Verwundete. Zehn Minuten, nachdem das Unglück geschehen, brauste der Colmarer Eilzug heran. Nur der Geistesgegenwart eines Schaffners ist es zu danken, daß der Zug unmittelbar vor den Trümmern hielt und ein zweites Unglück verhütet wurde. — Von dem Unglück sind gegen 1200 fröhliche Menschen, meist Elsüßer, die in dem Vergnügungszuge mitfuhren mehr oder minder schwer betroffen. Dieselben hatten den gestrigen schönen Sonntag hier in gemüthlichster Weise zugebracht und campirten nach der Katastrophe im stockfinsteren Mooswald bei heftigem Gewitterregen stundenlang, bis ausreichende Hilfe kam. (Fr. I.)
Frei bürg, 4. Sept. Die Zahl der -vodten nimmt noch immer zu; man befürchtet, daß das Unglück Hunderte von Menschenleben kosten wird, da die Anzahl der Verwundeten sich nachträglich bedeutend höher herausstellt, als ursprünglich angenommen wurde. Unter den Entstehungsursachen wird auch das Umfallen einer Telegraphenstange in Folge des Sturmes aus das Geleise bezeichnet. Der Betrieb wird aus zwei bis drei Tage gestört sein.
Freiburg i. V., 4. Septbr. Die entsetzlichen Folgen der Katastrophe übersteigen die ärgsten Befürchtungen; es werden noch immer neue Leichen aufgefunden. Bereits sind über 50 hervorgczogen worden. An zweihundert Verwundete wurden hinweggeschafft. Der Anblick des Trümmerhaufens ist entsetzlich; wegen des fortwährenden Nachrutschens des Dammes schreitet die Abräumung nur langsam vor. (Fr. I.)
Nach der „Els.-Lothr. Ztg." sind von dem Zuge fünfzehn Waggons vollständig ineinander gedrückt und zertrümmert worden; die Zahl der Verwundeten soll sich auf 200 belaufen.
In Gössenheim bei Arnstein (Unterfranken) sind 10 Häuser und 11 Scheunen abgebrannt.
Ludwigshafen, 31. Aug. Heute hat der Stadtrath einstimmig beschlossen, vom 1. Januar ab das Schulgeld für Volksschulen aufzuheben. Die Einnahme aus demselben betrug etwa 6000 ^
Die Frankfurter sind keine Verächter des Pf erde- fleischcs. Tic „Schlachtrosse", Ivie man sie in Berlin nennt, sind sogar im Preis gestiegen. Die besten Stucke kosten das Psnnd 27 4, die Stücke 2icr und 3ter Güte 18 4, Cotcletts 10 4, Wurst 10 4.
Berlin, 4. Septbr. Die „Germ." schreibt: Als durchschlagendste praktische Widerlegung der „Nordd. Allg. Z." geben wir nachfolgende, uns zur Veröffentlichung zugesandte, bündige Erklärung eines hiesigen (Berliner) katholischen Seelsorgsgeistlichen wieder: „Der rabiaten „Nordd. Allg. Ztg." kann ich die beruhigende Versicherung geben, daß seit der langen Zeit meines hiesigen Wirkens Hunderte von protestantischen Eheleuten in die katholische Kirche aufgenommen worden sind, ohne daß der mindeste Zweifel über die Giltigkeit ihrer protestantisch geschlossenen Ehen erhoben und ohne daß sie nochmal katholisch getraut worden, obwohl dies von Vielen aus ihnen sogar verlangt wurde."
Berlin, 4. Sept. Ein Petersburger Telegramm der Vossiichen meldet: Hier geht das Gerücht, daß Vorbereitungen zur Reise des Kaisers nach Moskau im Geheimen getroffen werden.
In der Mischehenfrage hat endlich der
Fürstbischof von Breslau das Wort ergriffen und das vielberufene Proklama — ohne vorherige Bittschrift der preußischen Regierung — aufgehoben. Der Rückzug wird in folgende Form gekleidet: „Auf Grund eines früheren Dekretes des Apostolischen Stuhles hat der hochw. Herr Fürstbischof Robert nunmehr erklärt, daß die Doolaratio vlsmoiitina von nun an auch in dem Delegatnrbezirke in Kraft trete. Diese Ausdehnung wäre ohne Zweifel früher schon erfolgt, wenn nicht durch die „Absetzung" des Fürstbischofs Heinrich eine solche Maßregel unmöglich gemacht worden wäre. Somit ist jetzt ein gleiches Recht bezüglich der Mischehen in der gesamten Diö- cese hergestcllt." —
Berlin, 4. Sept. Der Rückzug des Fürstbischofs Herzog in der Frage der Misch-Ehen wird auf höhere Pression zurückgeführt.
Die „Nat.-Ztg." schreibt: „Die Verstimmung über die Haltung des Fürstbischofs von Breslau ist in leitenden Kreisen, wie verlautet, eine sehr lebhafte. Herr Herzog hat, ehe er die Zustimmung der Regierung zu seiner Erhebung zum Fürstbischof erhielt, Versicherungen seiner friedlichen und entgegenkommenden Gesinnung gegeben, denen persönliches Vertrauen cntgegengcbracht wurde; man fühlt sich in dem Vertrauen, das auf diese Versicherungen gesetzt wurde, gröblich getäuscht. Nicht minder wie Fürstbischof Herzog hat Papst Leo XIII. die friedlichsten Absichten ausgesprochen, aber auch bei ihm hat sich im entscheidenden Moment immer Jemand hinter der Scene gefunden, der das einstürzte, was mühselig aufgebaut war. Die Mission des Herrn v. Schlözer hat sich, wie verlautet, unter diesen Gegensätzen abgespielt und mit besonderer Freudigkeit kehrt er sicher nicht nach Rom zurück. Die preuß. Regierung. so wird versichert, wolle vor den Katholiken des Landes beweisen, daß sie alle Mittel des Friedens erschöpft habe, ehe sie diese als aussichtslos bei Seite legt. Es wird behauptet, daß nach dem definitiven Abbruch der Verhandlungen ein besonders feierlicher Schritt in Aussicht steht, wie er bei Beginn des Kirchenkonfliktes mehrfach stattgefunden hat."
Im Lager der evangelischen Orthodoxie ist nunmehr auch über die Mijchehe Zwiespalt ausgebrochen: während Stöcker erklärt, er segne keine Mischehe evangelisch ein, wenn zuvor die katholische Einsegnung stattgefunden hat — fordert der gleichfalls orthodoxe „Evangelisch-kirchliche Anzeiger" behufs Sicherung der kirchlichen Doppeltrauung ein Gesetz, welches das Verlangen eines Reverses mit Geld- oder event. Gefüngnißstrafe belege. Dies sei der einzig praktische Ausweg.
(Preisschrift über Volksernährung.) In der Konkurrenz über die Preisfrage: „Wie nährt man sich gut und billig", für deren Lösung der Verein Concordia einen Preis ausgesetzt hatte, ist nunmehr die Entscheidung erfolgt. Die L-chrift sollte so abgefaßt sein, daß jede Hausfrau sich selbst darnach herausrechnen könne, wie unter Berücksichtigung des in den verschiedenen Gegenden abweichenden Geschmackes eine den Ansprüchen der Physiologie genügende Ernährung in der billigsten Weise, d. h. mit dem geringsten Geldaufwandc bewerkstelligt werden kann. Es waren 33 Konkurrenzarbeiten eingegangen, und das Preisgericht hat der Arbeit des Or. Meinert-Berlin einstimmig den Preis zuerkannt. Mit gleicher Einstimmigkeit wurden zwei weitere Prcisarbeiten lobend erwähnt. Im Interesse der Herbeiführung einer gesunden Volksernährung ist die preisgekrönte Schrift zum Massenvertrieb bestimmt worden und wird zu dem geringen Bezugspreis von 50 durch den Buchhandel abgegeben werden; den Vertrieb hat die Firma S. Mittler u. Sohn in Berlin übernommen.
Die viel besprochene Straßburger Tabaks- Fabrik hat, wie es scheint, allzu sicher auf das Tabaksmonopol spekulirt. Es ist ein öffentliches Geheimnis;, daß sie sehr schlechte Geschäfte gemacht
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hat und ihre unverkauften Vorräthe um jeden Preis
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loszuschlagen sucht. Ihre Verluste sollen gegen 3 Millionen Mark betragen. Ihr Direktor vr. Roller hat Urlaub genommen und wird nicht wiederkehren.
Italien.
Rom, 4. Sept. (Sch. B.) Man spricht von Mißhelligkeiten zwischen dem Papst und Jacobin i aus Anlaß der Mischehensrage, die des Letzteren Rücktritt zur Folge haben könnten.
Frankreich.
Paris, 3. Sept. (Fr. I.) Herr v. Lesseps