V.z.
Berlin, 1. Juni. Fürst Bismarck ist, wie man hört, eingeladen worden, als einer der Taufst athen sür den Sohn des Prinzen Wilhelm zu sungiren. (?) Diese Auszeichnung ist um ft bedeutungsvoller, als es wohl zum «stemntfl geschieht, daß bei den Taushandlungen innerhalb der LWniglichen Familie ein Mitglied eines nicht regierenden Fürstenhauses in solcher Eigenschaft sungirt.
Berlin, 1. Juni. Gestern Nachmittag wurde der Baronin v. Spitzemberg, der Wittwe des württembergischen Gesandten, die Ehre eines kaiserlichen Besuches zu Theil.
Berlin, 1. Juni/ Die Rcichstogskommission erledigte heute die Generaldebatte des Krankenkassen gesetzt s. Fast fämmtliche Redner sprachen sich gegen eine Zivischenkom- mission aus. Staatssekretär Bötticher hält cs sür möglich, sowohl das Unsallversichernngs- als das Krankenkassengesetz in dieser Session zu Stande zu bringen. Die Frage, ob Vertagung des Reichstages oder Einsetzung einer Zwischcnkommission, sei noch nicht zur Erwägung gekommen. Die Aufgabe der Kommission würde sein, in die Verhandlung einzutreten und ohne Rücksicht aus eine etwaige Zwischcnkommission die Gesetze zu erledigen
Berlin, 2. Juni. Nachdem geraume Zeit über den so vielfach bearbeiteten und umgearbeiteren Entwurf einer Reichs-Militärstrasprozeßordnuna nichts verlautet hat, heißt es jetzt, daß derselbe zurückgelegt sei, da eine Einigung nicht zu erzielen und grundsätzliche Anstände nicht zu beseitigen gewesen wären.
In unserm Auswärtigen Amte soll große Thätigkeit herrschen. Es leidet keine Frag?, so schreibt die „Köln. Ztg.", daß der deutsche Reichskanzler im Stillen nicht unthätig ist in der egyptischen Frage und zwar kann über die Richtung dieser Thätigkeit kein Zweifel herrschen. Die deutsche Politik hat vor dem russisch-türkischen Kriege von 1877 und nach demselben, besonders aus dem Berliner Congresse, sich für die Türkei keineswegs freundlich gezeigt, so daß die türkischen Bevollmächtigten ihren Unmuth oft zn erkennen gaben. Wir können uns nur darüber freuen, daß die deutsche Politik jetzt auf andere Wege cingelenkt hat. Sie sucht die Türkei zu stärken und den Einfluß des Sultans auf die islamitische Politik nicht verringern zu lassen. Es ist ja auch offenbar, daß die Türkei, wenn es je zu einem russisch-französischen und deutschen Kriege kommen sollte, ein gewiß nicht verächtlicher Bundesgenosse für uns sein würde.
Dem viel Aufsehen machenden Buche «Preußen im Bundestag" entnehmen wir Folgendes: Fürst Bismarck ist stets Miethcr in Frankfurt gewesen. Als er ein Haus an der Bo- ckenheimcr Landstraße bezogen hatte, verlangte er von dem Besitzer, daß dieser einen Gartenpavillon, in welchem zur Sommerszeit Hr. v. Bismarck zu speisen Pflegte, mit der Küche durch eine Schellenleitung verbinde. Als der Hausherr sich weigerte, erklärte sein Miethcr! Gut, ich werde mir selbst helfen. Und was geschah? Am folgenden Mittag sielen in unregelmäßigen Pausen verschiedene Pistolenschüße; auf diese Weise setzte sich Hr. v. Bismarck, wenn ein Gang der Mahlzeit erledigt oder eine Flasche geleert war, mit den. Kuchen- personal in Rapport.
Eine nicht geringe Ueberraschung wurde dieser Tage einer Waschfrau in Wesel zu Theil, als sie in ihr Schlafzimmer trat und dort zwei fremde Kinder in ihrem Bette vorsand. Die Untersuchung stellte fest, daß eine Zigeunernmtter in dem Schlafzimmer gewesen war und, um sich ihrer Kinder zu entledigen, dieselben dort untcrgebracht und ihrem Schicksal überlassen hatte.
Italic«.
Rom, 2. Juni. Garibaldi ist heute Abends U'/z Uhr in Caprera gestorben. (Giuseppe Garibaldi wurde am 4. Juli 1807 zu Nizza geboren und trat früh in die Handelsmarine ein. Den Gedanken einer einheitlichen politischen Gestaltung Italiens, den Mazzini erfaßt, hat Garibaldi mit Feuer ergriffen. Mit welcher Energie er denselben nach seiner Rückkehr aus Südamerika gegenüber von den Franzosen, Neapolitanern und Oesterreichern ins Leben zu führen beflissen war, ist bekannt, namentlich sein Zug nach Sizilien und sein Einzug in Neapel, wie nicht minder der unglückliche Tag von Äspro- montc, wo er schwer verwundet wurde. Seine späteren exzentrischen Schwärmereien und seine oft geradezu lächerlichen, schwülstige» Briefe haben gewaltig an seinem früheren Ruhm gezehrt. Es war nachgerade Zeit, daß der närrische Alte von Caprera heim ging.-
Rom, 3. Juni. Die Nachricht vom Tode Garibaldi's macht allenthalben in Italien einen schmerzlichen Eindruck. Die Kaufläden sind geschlossen. In der Kammer wird heute eine große Gedächtniß- kundgebuiig erwartet. (Fr. I.)
(Germania über Garibaldi's Tod.) Bemcr- kcnswerth ist wohl folgende Aeußernng der Germania im Nekrolog aui Garibaldi's Tod: Die italienische Negierung ist eines Rnhkstör t-z :ij>!den. der allerdings nicht mehr persönlich,
sondern als Aushängeschild und Lobpreiser der republikanischen Bewegung unter Unrständon gefährlich. werden konnte. IMichailen wird de» Verblichenen natürlich ein pompöses Bchrao-
nitz bereiten und seine Leiche wahrscheinlich nach Rom überführen. An Demonstrationen dürste es dabei nicht fehlen. Biele Mitkämpfer Garibaldi's haben sich vor ihrem Ende mit Gott und der Kirche ausgesöhnt, die gräßlichen Blasphemien des Gestorbenen, sein mit den Jahren gestiegener und an Verrücktheit grenzender Haß gegen die Religion lassen nicht vermutheu, daß Garibaldi diese Gunst des Himmels zu Theil geworden ist; er steht vor dem ewigen Richter, n. dem Christen bleibt nur der Wunsch übrig: möge Gott ihm gnädig sein!
Schwede« und Norwegen.
Eine neue Verwendung von Holz ist in einer Spinnerei bei Norrköping in Schweden versucht worden, indem man aus der Holzfaser dort Fäden zum Nähen und Hackeln hergcsteUt hat. Es wird behauptet, daß diese den besten Garnen von Hanf und Baumwolle gleichkommen, und, da das neue Material zu einem sehr billigen Preise hergestellt werden wird, so kann cs bald kommen, daß wir Strümpfe und anderes Zeug aus Holz tragen werden. Frankreich.
Paris, 3. Juni. Die Kammer beschloß zum Zeichen der Trauer über das Ableben Garibaldi's die Sitzung auszuheben; unter Protesten der Rechte« wurde hierauf die Sitzung geschlossen. (Fr. I.)
Im lateinischen Viertel zu Paris sind ernstliche Unruhen ausgcbrochen. Ursache ist das eigenmächtige Vorgehen der Studenten gegen die Zuhälter einer gewissen Klaffe von Damen. Da sie sich hierbei zu Gewaltthätigkeitcn Hinreißen ließen, schritt die Polizei ein, woraus es zu wiederholten Kämpfen kam. Man schützt die Zahl der verwundeten Personen auf hundert. Ein Ausschuß der Studenten begab sich zum Polizeipräfecten, um gegen das Einschreiten der Polizei Einsprache zu erheben. Der Polizeipräfcct kam den Studenten sehr wohlwollend entgegen und gab zu, daß seine Befehle überschritten seien. Er bat sie. Ruhe zu bewahren. und versprach ihnen, keine Polizisten, sondern Stadtgartisten zur Ausrechterhaltnng der Ordnung in das lateinische Viertel zu senden. Die Polizei soll sich äußerst roh benommen haben, schlimmer als jemals zur Zeit des zweiten Kaiserreichs.
Rnßland.
Der „Tribüne" geht über die vielvcrrnfenen Reden des Genera! Skobekesf aus Warschau eine Mittheilung zu. Als der General während seines dortigen Aufenthaltes bei dem General Paniutin zu Gaste war. soll er im vertraulichen Gespräch geäußert haben, es thue ihm sehr leid, daß er seit seiner Reise nach Paris den größten Theil des Wohlwollens eingebüßt habe, dessen er sich bis dahin bei dem Kaiser Wilhelm erfreut habe; gern würde er dem alten Herrn die Hand küssen, und ihn um Verzeihung bitten, aber er habe nur seine Landsleute aufmerksam machen wollen, daß ihre deutschen Nachbarn sich bis an die Zähne bewaffneten und die Grenzen armirten, während die Russen dem allem ruhig zusäyen und nicht merkten, was vor ihrer Nase passire. Da habe er sie kräftig schütteln und wecken wollen.
Zu den bekannten Factoren, welche in Rußland in den letzten Monate» Industrie und Handel so stark schädigten, gesellt sich nun ein Neuer Faktor, die Geldnot», welche in letzter Zeit dort einen sehr bedenklichen Höhcgrad erreichte. Wie nämlich aus Geschäftskreisen in Rußland geschrieben wird, haben hervorragende Industrielle in Moskau, dem Mittelpunkte der Nationaündustric, den Beschluß gefaßt, den Betrieb ihrer Elablisscments cinzustclienj da der Absatz ihrer fertigen Fabrikate fast ganz in Stillstand gerathen, und, was noch schlimmer ist, die Geldnoth in allen Schichten der einheimischen Bevölkerung zum Ausbruch gelangt sei, so daß ein Wciterbc- tricb der Fabriken nicht Möglich gemacht werden könne, wenn die Auswanderung der Juden, welche allein den Ruin des Handels und der Industrie hervorgcrnfen hat, nicht durch ernstliche und rasche Inschutznahme derselben von Seiten der Regierung hintangehalten wird. In einer von vielen Industriellen vorbereitete» Petition an die Regierung heißt es unter Anderem: „Die russische Industrie hat fast nur das Inland zum Markte und den Markt selbst bilden die Juden, denn selbst von den einheimischen mchtsüdischen Kausen, gehl der wohlhabendste Theil so gut wie ganz für die einheimische Industrie verloren, weil ein Jeder, der cs irgend vermag, das ausländische Fabrikat selbst zu den übeririebensten Preisen der mittelmäßigen russischen Waare vorzicht, Das Ausblühen unserer Industrie hängt lediglich vom, Absatz im Jnlanöe ab, der ausschließlich von jüdischen Kaufteukcn betrieben wird." — Diese Zustände in Rußland haben übrigens auch in den Ackerbau treibenden Landesthcilen Rußlands Hnnderilauseilde von noth- wcndigen Armen dem Landbau entzogen und es ist sehr fraglich, ob Rußland, über dessen Getreide-Ernte nur Widersprechendes verlautet, Heuer berufen sein wird, in der Ernährung Wcsteuropa's eine hervorragende Rolle zn spielen, wcßhalb säst in keiner Branche die Conscquenzen dieser Zustände tiefer empfunden werden dürften, als im Getreidegeschäste. Wie man vernimm!, hat in Newport ein Comite ans der Geireidebranche
Fachnutc r.aa- Rußland (nistüdn, um in den Gebieten des Schwarzen und Azow'schcn Meeres die Entwickelung des dortigen Saatciistandes zu beobachten und regelmäßig nach Ncw- Uork Rapport, zg. erstatten. ' ' ,Fr. I.)
Awerrka.
Chicago, 1. Juni. Gegen 1200 strickende Arbeiter der Eisenhütten grifft« heute den Eisenbahnzug an. worin sich mehrere Arbeiter befanden, welche sich dem Sinke nicht a»schließen wollte». Die Sinkenden rissen die Arbeiter aus dem Zuge, mißhandelten sie und feuerten mehrere Pistolenschüsse ab. Der Richter des Appellenhofcs von Illinois wurde tödtkich verwundet.
New-Z)ork, 1. Juni. Gestern wurden in Folge von Arbeitseinstellungen sechs Stahl- und Eisenwerke in Pensilvanien geschlossen. Der Stricke erstreckte sich außerdem aus Ohio, Westvirgüiia, Missouri und Kentucky. Die Zahl der Sinkenden wird auf 50,000 angegeben, wovon allein aus den Distrikt Pittsburg 18,000 kommen.
Die Nachrichten über die Erutcaus sichten in den Vereinigten Staaten lauten günstig, so daß, wen» keine gewaltsamen Elementarcreignisse eintretcn, eine gute Sommer- und Herbstcrnte zu erwarten steht.
ZSSi-S!
^ § l s?
H 3 .P 1 D!
2 L 20,-4^
v v». es c» vs S»
' . »4« LS _
8 3
" . »iS . s
3 rs "w 7»
Handel st Verkehr.
* Nagold. (BiehmarktSresultat vom t. Juni.) Zngcsührl wurden: Ochsen 20 Paar, verkauft 9 Paar, Erlös 6877 .T Zufuhr Kühe 92 Stück, verkauft 21 Stück, Erlös 4213 Zusnbr Kalbcln 53 Stück, verkauft t6 Stück, Erlös 2341 .«! Zusnhr Schmalv'ch 63 Stück, verlaust 25 Stück. Erlös 2613 .L Gesammtcrlös 9167 Zusnhr Lanfer- schweine 108 Stuck, veiknuft 53 Stück, Erlös 2254 .4! 50 -!. Zufuhr Saugschweine 175 Stück, verkauft 138 Stück, Erlös 1768 .L 30 ->. Gesammtcrlös 4022 80 M
Attcnstai g, 3. Juni. Unser Psingst inarkt war ungemein belebt, wozu wohl auch die heilere Pfiiigstwitterniig wie auch der Umstand beitrug, daß die Dienstboten in der Umgegend den „Psingstmarkt" in Altenstaig als ihr „Jägcrrecht" betrachten. Es wurden bezahlt sür ein Paar fette Ochsen 56 Kar. schweren Schlags, für ein Paar Zugochsen 86—40 Kar., sür einen Stier 170 — 200 für ein Kalbet 140—170 sür eine Kuh 250—3c>0 Käufer, namentlich Israeliten,
waren viel auf dem Platz und wurde viel und zwar mit bedeutendem Aufschlag gehandelt. Der Schweincmarkt war flau befahren, Läufer kosteten 30- 40 .6. Milchfchweinc N> —20
Eine Versammlung der Gerber von Bibcrach, Ulm Geislingen und Göppingen hat beschlossen, den Preis der Häuie hcrabzusetzcn. und zwar die Kuh- und Kalbclhäute aus 33 -4, Stierhäutc 30 ^l, Hagcnhäutc 25 -!, Kalbfelle 60 per Psd.
Von der Jagst, 1. Juni. Die ersten Berkäuse in diesjähriger Wolle wurden heute bei uns abgeschlossen u. wird sür kleinere Posten Mittelbastard 1 .L 40—50 ^ per Pfund bezahlt. _ (St.-A.)
l -ZiLiS"
S.Ti Lv » 'Z'? S"«'
2 <N!
ZK ZKZ 3 S c» ^ co ^
-SSL
Sonst und sestk).
Wic's Vincke (Ober-Präsident von Westfalen 1815-44) auf Reisen trieb, und welche ergötzliche Abenteuer dabei vorfielen.
(Fortsetzung und Schluß.)
Fand Vincke einen Beamten früh nach 6 Uhr im Bett, so faßte er ei» böses Borurtheil gegen ihn, was er nicht leicht wieder verwischen konnte. Einst kommt er Abends im hohen Sommer gegen 9 Uhr in den Ort, wo der Landrath auf seinem Gute wohnt. Er kehrte in der Dorfschenke ein und eilte dann, den Landrath zu besuchen. Die Dienerschaft weist ihn mit dem Bemerken ab, der Herr sei schon zu Bette. — „Schön, denkt er, früh zu Bette und früh wieder auf." — Er suchte, wie fast immer, durchaus unerkannt in der Dorfschenke sein Lager und ist früh vor 5 Uhr schon wieder auf dem Schloß. Alles noch in tiefem Schlaf. Er besuchte Garten und Park und kehrte nach einer halben Stunde wieder. Derselbe Zustand. Nach einer Exkursion in Feld und Wald findet er die Dienerschaft auf, erhält, aber den Bescheid: Vor acht Uhr sei der Herr in keinem Falle zu sprechen. Dann kehrt er zurück i» sein Wirths- hans, schreibt ein Billet, worin er sein Bedauern ansdrückt, daß die elfstündige Ruhezeit des Herrn Landraths ihn des Vergnügens beraubt habe, ihn zu sehen» und ihm die Möglichkeit benommen, mehrere dienstliche Gegenstände mündlich abzumachen, die nun durch weitläufige Korrespondenz erledigt,werden müßten." Dann setzte er sich in den Wagen ober zu Pferde und reiste ab. Aber ivas der Landrath für ein Gesicht gemacht hat, als er das las! Der Ober-Präsident nannte ihn nie mehr anders als: „den Erzlangschläfer!" Etwas besser crgings jenem Bürgermeister, welcher zugleich Kolon oder Besitzer eines Bauernhofes war. Zu dem kam Vincke Morgens vor 6 Uhr geritten und trat geradewegs in die Wohnstube. Die. Frau war eben damit beschäftigt, den Kaffee zu kochen. Der Mann aber lag nebenan im Alkoven im Bett, der nur durch eine Gardine vom Wohnzimmer getrennt war. Der Angstschweiß brach ihm. aus, als er die ihm bekannte Summe Vincke's hörte. Entsetzt rich-
LS Z'" 5
S o - » : Z SS'
' 3
3 8
-r rr -8 3." rß-A «
ZO-KZ «
ZS'Z? >»
> S..i S
s _2- Sri?:.
» I eres
«ec» e-n
os o «
DA ss