DaS herannahende Weihuachtsfest wirft bereits seine Lichter voraus und tausend rege Hände sind schon mit den Borbereitungen zu dem schönsten aller Feste beschäftigt. Auch in das Getriebe der Politik bringt der goldene Schimmer der Weihnachtszeit einen Moment der Ruhe und wohl überall sind die Parlamente in die Weihnachtsferien gegangen. Der Schluß der Berhaudlungen des deutschen Reichstages vor dem Feste wurde am 17. erwartet; unter den Gegenständen, mir denen sich der Reichstag vorher noch beschäftigte, befand sich auch der „Antrag" des Bundesrathes, betreffend die Errichtung eines Reichstags-Gebäudes auf dem Grundstücke des Rac- gynski'fchen Palais. Gegen die Stimmen des Centrums und eines Lheiles der Deutschcvnfervativen nahm der Reichstag am Dienstag diesen Antrag an und somit ist denn nach jahrelangen, vergeblichen Verhandlungen eine bestimmte Grundlage gefunden, auf welcher sich das jymdolijche Werk der Einheit der Nation weiierentwickeln kann. Am Donnerstag, den 15. Dezember, als dem sogenannten „LchwerinS- tag", beschäftigte sich das Haus lediglich mit Interpellationen und Anträgen. — Für Sonnabend, den 17. Dezember, war ans die definitive Präsidentenwahl, welche vier Wochen nach Beginn der Session stattzufinden hat, festgesetzt. Die Wiederwahl des jetzigen Präsidiums Levetzvw-Frankcnftein Ackermann per Acclamation gilt für unzweifelhaft.
Berlin, 17. Dczbr. Der Reichstag wählte das bisherige . .äsidinm durch Zuruf wieder.
Von London aus hat man es wieder einmal nöthig gesunden, zu versichern, daß man nicht daran denkt, Helgoland an das deutsche Reich abzutreten. Nun, gefordert haben wir es noch nicht, und besondere Schmerzen macht es uns anch nicht. Mit dem holsteinischen Friesiande fiel das kleine Felseneiland 1714 an die schlauen Dänen, die alle beim Fischfänge abgefangenen Helgoländer Fischer zu hängen drohten, worauf natürlich die tapferen Fischerweiber den holsteinischen Kommandanten zur Kapitulation zwangen. Die Engländer besitzen die Insel seit 1807, wo sie die guten Dünen Vvr° dem Korsen zu retten halten. Wunderlich, überall wo die Engländer für Recht und Freiheit eintreten, bleiben ihnen die Inseln und Königreiche an den Schuhsohlen hängen, lind noch 'wunderlicher: 1863 gaben die Engländer um Mr. Glad- stone's und deö alten Homer willen die jonischen Inseln an Griechenland zurück: für Klopstock und Klaus Groth har scheint'S der englische Minhter- präsident nicht die gleiche Schwäche, irotzdem die französische Flotte im Jahre 1870 die Helgoländer Felsendecknng und die englischen Steinkohlen recht ordentlich gegen uns ausznnützen wußte. Oder vielleicht gerade deßwegen?
Das Züchtig ungsrccht der Lehrer ist wiederum Gegenstand einer reiche-gerichtlichen Entscheidung geworden. Es heißt darin: Ein öffentlicher Lehrer, welcher in wissentlicher Ueberschreilnni, der bestehenden LandeSschulordnnng einen Schüler züchtigt und dabei vorsätzlich körperlich mißhandelt, ist, abgesehen von der iim betreffenden Disciplinarstrase wegen Körperverletzung im Amte nach tz 349 des Str.-G.-B. zu bestrafen, auch wenn die dem «chüler zngesügte Mißhandlung keine gesnndheitsfährdenden Zotgen gehabt hat.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 14. Dezbr. Der ganze innere Raum des Riugtheaters wurde heute desinfizirt. Im Par- quet und iin Bühneraume brannte es heute wieder. Auch in der vergangenen Nacht brach in der Friseurstube des Ringtheaters Feuer aus, welches jedoch bald gelöscht wurde. Heute wurden viele Leichenreste, ganz- und halbverkohlt, in den Trümmern gefunden. Neuerdings sind 20—30 Widerrufe von angeblich Vermißten eingegangen.
Wien, 14. Dez. „Marxer Friedhof", so nennt die Volksstimme nach dem Polizeipräsidenten Ritter von Marx die Brandstätte des Riugtheaters. „Civil-Königgrätz in Oesterreich", so rief im Abg.-Haus vr. Heilsberg aus, als Graf Taaffe die Polizei zu entschuldigen suchte. „Marxer Friedhof" und „Civil-Königgrätz", diese beiden Schlagworte karakterisiren die Stimmung der Bevölkerung Wiens mehr als lange Artikel.
Scit dem Unglücksabend weilt in der unmittelbaren Nähe der Brandstätte des Ringtheaters ein Hund. Das treue Thier, gewohnt, seinen Herrn überall zu erwarten, wo dieser jeweilig sich aufgehalten halte, begleitete ihn am Abend des Brandes zum Ringtheater. Er harrte vergebens der Rückkehr, und«mun will er, von sichtlicher Trauer erfüllt, nicht mehr von der Stelle weichen. Alle Bemühungen, das manchmal in ein schmerzliches Geheul ausbrechende Thier fortzuschaffen, sind vergeblich.
Frankreich.
Paris, 16. Dezbr. Durch die Freisprechung Henri de Rochefort's in dem Roustanscheu Prozesse hat nicht nur der Ministerresident in Tunis, sondern die französische Regierung selbst eine Niederlage erlitten, wie man sie sich nicht fataler denken kann. Skandalösere Dinge wurden einem Beamten noch nie uachgcsagt, als sie der „Intransigent" dem Herrn Roustan vorgeworfen hat: daß er um ein schnödes Geld sein Land in die tunesische Affaire hineingehetzt und um den Preis des Blutes von Tausenden von Franzosen sich und seine Gönner, Gambeua, Renault u. a. um Millionen bereichert habe. Deßwegen erregt anch die Freisprechung (wozu noch die Berurtheilung Rouslans in die Kosten kommt) in ganz Frankreich ein ungeheures Aufsehen. Rouslans Freunde sind geradezu erstarrt und erklären, den Spruch der Geschworenen nicht fassen zu können. Man hatte ziemlich allgemein an die Berurtheilung Rocheforts geglaubt und der Staatsanwalt schloß seine Rede mit den Worten: „Wenn Sie Rochefort freisprechen, werde ich meine Pflicht thnn und Roustan wird morgen auf der Bank der Angeklagten sitzen."
Der Sieg, den Gambetta im französischen Senate in der Angelegenheit der tunesischen Credite Errungen har, — der Senat bewilligte die für die tunesische Expedition geforderten Gelder einstimmig — ist selbst für die Regierung unerwartet gekommen. Denn nach dem bisherigen gespannten Berhältnisse, das in vielen Fragen zwischen Gambetta und dem größten Theile des Senates bestand, war ein solcher Erfolg des Ersteren kaum zu erwarten, indessen die ungewöhnliche Liebebenswürdigkeir, weiche der Ministerpräsident in seinen letzten SenatSreden gegen den Senat entwickelte, scheint die widerstrebenden Elemente der 'Rechten wenigstens in der tunesischen Frage un- gestimml zu haben. Aus Tunis kommen übrigens jetzt wieder interessantere Nachrichten. General For- gemol hat fick nach seinem großen Zuge durch ganz Süd-Tunesien in diesen Lagen mir dem General Saussier wieder in Tebessa vereinigt, lleberall hatte auf diesem Zuge die Bevölkerung mit Ausnahme des Stammes der Hammama ihre freundlichen Gesinnungen bekundet; doch glaubt man, daß auch die Ham- mama sich bald nnterwerseu werden.
Rugians.
In Rußland fleht man wieder vor einem großen Nihiltsreuprozeß. Im Januar finden in Petersburg die Berhaudlungen gegen den Nihilisten Trigoma statt, weicher beschuldigt ist, der eigentliche Urheber des Attentates gegen Kaiser Alexander 11. vom r/is. März d. I. zu sein. Beseitigt wird die nihilistische Verschwörung durch diese ewigen Prvcesse freilich nicht.
Handel L Verkehr.
Stuttgart, 15. Dez. (Ledermarkl.) Heute wurde tu der Lederyullc am Leouhardsptatz der Ledermarkt adgehat- teu. Die Zufuhr ist eine ziemlich starke, allerdings meistens untergeordnete Woare. Der Verkauf ist ein sehr lebhafter und sind tue Preise im Berhüitiiiß zur Qualität hohe. Es läßt sich annehmeu, daß bis zum Schluß des Marktes heute Alles verkauft werden wird.
Stuttgart, 17. Dez. Die Möbelmesse war auch gestern sehr stark besucht. Der größte Theil der Waare ist verkauft, namentlich die Landschreiner haben ein sehr gutes Geschäft gemacht und ist sehr viel Waare nach Baden verkauft worden. Den Schreinern ist gestattet worden, am künftigen Montag noch feil zu halten.
Stuttgart. Ulmer Loitcrie. Als Gewinner des ersten Preises wird ein reicher Prancreibesitzer genannt.
Abstempelung ausländischer Werthpapiere. Mit dem 29. dieses Monats läuft der Termin ab, bis zu welchem ausländische Werthpapiere, welche vor dem 1. Oktober lS81 ansgcgcben sind, von den Steuerbehörden gegen Erhebung einer ermäßigten Stcmpelabgabe abgestempeit werden dürfen. Bis zu dem genannten Tage beträgt die Abgabe für solche ausländische Aktien 50 -1 für jedes Stück, für ausländische Obligationen 10 -i für jedes Stück, ohne Rücksicht auf den Werth, den das Papier darstellt. Wer vom 30. d. M. ab ausländische Werthpapiere abstempcln lassen will, muß die volle, tarifmäßige Steuer, welche nach dem Nennwerth der Papiere berechnet wird und für Aktien 5 vom Tausend, für Obligationen 2 vom Tausend beträgt, entrichten. Mögen die Besitzer ausländischer Werthpapiere, die jetzt noch auf kurze Zeit gebotene günstige Gelegenheit, ausländische Papiere gegen eine verhältnißmäßig ganz geringfügige Steuer abgestempeit zu erhalten, nicht unbenutzt vorübergehen lassen.
Im Banne der Leidenschaft.
(Fortsetzung.)
Während dieser Minuten durchlebte der Fremde alle Qualen der Todesangst. Wüthend versuchte er erst die Thüre zu sprengen, doch die starken Bretter spotteten seiner Angriffe. Das Cajütenfenster war
nicht zu öffnen und auch zu klein, ihn auszulassen.
Als er das Vergebliche seiner Bemühungen einsah, trat dumpfe Mutlosigkeit an Stelle der Aufregung. Erschöpft sank er auf eine Bank und schloß die Augen.
Das bei dem Anschlägen jeder Welle sich erneuernde Krachen des Schiffes ängstigte ihn nicht mehr, auch nicht das Rauschen des durch das Leck eindringenden Wassers. Die Vergangenheit zog vor seinem innern As 8 ?
Auge vorüber, unwillkürlich falteten sich die Hände A-TN IFA zum Gebet, er sank in die Kniee — da ertönte ein !
Krachen und Knattern, dröhnender als zuvor, eine mächtige Welle hatte das Schiff in seinen Fugen vollends gesprengt, von allen Seiten drang das Was- 8§P^?'D^ ser ein und die folgende Sturzwelle begrub idas Fahr- ^ zeug in Trümmern zerschmettert in die Tiefe.
Der Sturm auf der See war am Morgen des »-v-zs darauffolgenden Tages vorüber. Nur die hochgehen- Ä Z« den Wellen verriethen seine Spuren. Der reine Mor- SW--- genhimmel war mit flimmernden Sternlein besäet und ? ? Z der silberne Halbmond verbreitete sein magisches Licht ZW über die Meeresfläche und leuchtete den Schiffen, die "'A? sich aus dem Sturme gerettet hatten, auf ihrem Wege. D rs-A Doch bald verscheuchte die aufgehende Sonne durch ihre rosige Borbotin Morgenröthe die glänzende Schaar der Sterne und selbst der freundliche Mond erblaßte.
Die heimtückischen Wellen des Meeres hatten sich fl D wieder beruhigt und glitten spielend und säuselnd dahin. Aber viele Schiffstrümmer trieben auf der See umher und zeugten von den Opfern des Sturmes.
Auf einer der Planken trieb die Gestalt eines Mannes dahin, er schien todt zu sein. Aber plötzlich bewegte er sich und zeigte ein bleiches, durch Schrecken
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und Gefahren entstelltes und von einem schwarzen Barte umrahmtes Antlitz. Die herrlichen Haupt- und Barthaare des Geretteten waren von dem Meerwas- "E ^ ser durchnäßt und befanden sich überhaupt in der größ- " ^
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ten Unordnung. Die schwarzen Gluthaugen leuchte- WZ Z ten in einem eigenehümlichen Feuer. Er war sich seiner im höchsten Grade hilflosen und traurigen Lage bewußt, doch das ruhige heitere Wetter gab ihm neue Hoffnung auf Errettung. Er fand, daß die Größe der Schiffsplankc, auf welcher er sich gerettet hatte, PZ ihm einige Bewegung erlaubte. Er versuchte daher, A sich seine Lage so angenehm wie möglich zu machen.
Vor allen Dingen brachte er sein Haupt- und Barthaar, welchem die Mecreswellcii arg mitgespielt hatten, in einige Ordnung. — Der Capitän und die Schiffsmannschaft der Philadelphia wurden jetzt vielleicht, wenn es ihnen möglich gewesen wäre, den Mann auf der Schiffspianke zu sehen, ihren Passagier wie- dererkamit haben, wir erkennen aber in ihm den Grafen Belhazy.
Der .Graf Belhazy hatte sich nach den Vorgängen mit Herrn von Buchenau und Rosa, der Tochter des Freiherrn von Schönhain, genöthigt gesehen, die Flucht zu ergreifen, um den Gerichten zu entgehen.
Er war zunächst nach Amsterdam geflohen und gedachte van da unbehelligt Amerika zu erreichen. Es würde ihm dies auch gelungen sein, wenn nicht die Philadelphia, auf welcher er die Reise machen wollte, untergegangen wäre. Nur durch einen äußerst günstigen Zufall hatte sich Belhazy beim Untergange vom Tode gerettet und nun trieb er hilflos auf der Planke im weiten Ocean umher. Mit unendlicher Liebe hing Belhazy am Leben. Und was war das in letzter WZA-FZ Zeit für ein Leben gewesen?-! Wohin hatte ihn seine »
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Leidenschaft geführt?! Er, der reiche ungarische Graf Belhazy, welcher zu seinem Vergnügen und zu seiner Ausbildung einige Zeit in Deutschland zu verweilen gedachte, hatte sich von seiner Leidenschaft so weit hin- reißen lassen, daß er jetzt das Leben zweier Menschen gg auf dem Gewissen hatte. Fast mehr noch als die Gewissensbisse quälte Belhazy der Gedanke, daß er Rosa, das blühende, unschuldige Mädchen, welches er mit aller Gluth einer leidenschaftlichen Seele liebte, um's Leben gebracht haben konnte, indem er sie bei dem verzweifelten Ritt von seinem Pferde stürzen ließ.
Und was hatte er Theures und Liebes in Ungarn zurückgelaffen? Einen alten ehrwürdigen Vater, dessen einziger Trost und Freude auf dieser Erde er war, und eine elternlose Braut aus reicher Familie. Konnte Belhazy jemals mit Ehren wieder vor die Augen seines Vater und seiner Braut treten, wenn die grausamen Thaten, welche er sich in Deutschland hatte zu Schulden kommen lassen, zu Ohren seines Vaters und seiner Braut gelangten? — Einem Vater hatte er den einzigen Sohn, einer liebenden Braut den Bräutigam geraubt, einen hoffnungsvollen Jüngling hatte er gemordet und ein blühend schönes Mädchen, die