Köln, 19. Nov. Wie in Bonn so auch hier wurde gestern Abends 11 Uhr 20 Minuten ein heftiger senkrechter Erdstoß verspürt. Dauer zwei Sekunden. Dann folgten Stunden lang gelinde Zuckungen. Auch in der Schweiz wurden ähnliche Erder» schütterungen wahrgenommen.
Berlin, 17. Nov. Gestern fand beim Reichskanzler ein Essen statt, zu welchem die hier anwesenden Mitglieder des Bundesraths Einladungen erhalten hatten. Das Mahl zählte dreißig Gedecke und begann um 5 Uhr. Nach dem Essen wurde bei der Zigarre eines der bekannten Politischen Plauderstündchen abgchalten, in denen der Reichskanzler in gemächlicher Rede und Gegenrede seine Auffassungen und Absichten zum besten gibt. Der Reichskanzler ging dabei ohne Umschweife auf die Fragen ein, die jetzt alle Gemüther bewegen, und äußerte sich nach der Köln. Ztg., welche hierüber berichtet, dahin, er könne sich nicht dazu entschließen, den Kaiser zu verlassen oder gar im Zorne zu scheiden: aber so einfach, wie man sein Berbleiben im Amte hinzustellen beliebe, liege die Sache doch nicht. Es sei freilich recht bequem, wenn man beständig wiederhole, er werde schon bleiben: denn es sei ja richtig, daß das für das Ausland und auch im Innern, z. B. für den Verkehr mit dem Kaiser, seine Wichtigkeit habe; aber dann dürfe er doch wohl eine bessere Behandlung erwarten, auf die er mehr sehe, als auf guten Lohn. Man könne doch nicht von ihm verlangen, daß er Das, w er für unrichtig und schädlich halte, für seine Gegner in Ordnung bringe und erledige, daß er sich einfach zum gehorsamen Diener der anderen Fraktionen mache. Bei dem Widerstande aber, auf den seine Polink in neuester Zeit gestoßen sei, bei der Feindseligkeit, mit der ihn sogar die amtlichen Blätter verbündeter kleiner Regierungen während der letzten Wahlen bekämpft hätten, müsse er, wenn er auf dem von ihm eingcschlagenen Wege forlschreite, einen Konflikt befürchten, und dem wolle er nach seinen Kräften Vorbeugen. Er wolle also einmal sehen, ob andere Männer, die sich des öffentlichen Vertrauens, wie es die letzt Wahlen bekundet haben, in höherem Maße erfreuen, eS geschickter anfangen und günstigere Ergebnisse erzielen würden, als er. An welche Parteien er zu diesem Behufe heranzutreten habe, sei ihm durch den Ausfall der Wahlen Vvrgezeichnet. Es würde sich also nur darum handeln, ob er im Zentrum oder in der liberalen Partei wichtige leitende Persönlichkeiten finden würde, welche ein Programm aufftellen könnten, dem der Kaiser seine Zustimmung zu geben vermöchte und das sie im neuen Reichstage durchzusetzen sich Zutrauen würden. Diesen glücklicheren Händen würde er dann die Leitung der Geschäfte übergeben, während er sich darauf beschränken würde, die guten Beziehungen zum Auslande aufrecht zu erhalten. Wenn er also auch von seinein verfassungsmäßigen Rechte, zu jeder Zeit seinen Abschied nehmen zu dürfen, aus Ergebenheit für seinen kaiserlichen Herrn nicht Gebrauch machen wolle, so werde er nunmehr dahin wirken, daß ein wirklicher Stellvertreter, ein Vizekanzler, iür den er beim Reichstage ein Gehalt von 60,000 Mark fordern werde, an seiner Statt in die Leiung der Geschäfte eintrete. Er selbst werde sich alsdann auf seinen „Alteutheil" zurückziehen. Als sich der bayerische Gesandte v. Lerchenfeld verabschiedete, sagte ihm der Reichskanzler: „Bereiten Sie also ihren Landsmann Frankenstein daraus vor, daß ich demnächst in Unterhandlungen mit ihm treten werde."
Berlin, 17. Novbr. Die Entschließung des Kaisers, nach ärztlichem Rath der Eröffnung des Reichstags fern zu bleiben und dieselbe durch den Fürsten Bismarck vollziehen zu lassen, erfolgte um 11 Uhr Vormittags. Die Thronrede war bereits gedruckt; sie wurde nun umgcarbeitet und auf den geschäftsmäßigen Theil beschränkt. Zum Ausdruck der völligen Uebereinstimmung des Kaisers mit Bismarcks Programm, welches unbeschränkt ausrecht erhalten iit, wurde die Form einer kaiserlichen Botschaft. die bisher im Reiche wie in Preußen ohne Präcedenzfall ist, gewählt. Die Botschaft wurde lautlos entgegengenommen, und wird in liberalen Kreisen als offene Fehdeerklärung angesehen. — Der Reichstag, obwohl beschlußfähig, zeigte in den Reihen des Eeurrums und der nativnalliberaleu Partei wegen des bayerischen Landtags und des hannoverschen Provinzial - Landtag s noch erhebliche Lücken. Die Abgeordneten aus dem Reichslandc und die
Polen waren spärlich vertreten, Socialisten gar nicht anwesend.
Berli n, 18. Nov. Sämmtliche liberale Blätter stimmen darin überein, daß nach der Thronrede eine Verständigung zwischen Bismarck und den „Liberalen" aussichtslos erscheint. Die „Nationalzeitung" hebt hervor, die kaiserliche Botschaft beharre bei derjenigen Politik Bismarcks, gegen welche die Nation bei den Wahlen entschieden habe.
Berlin, 18. Nov. Die drei liberalen Gruppen beabsichtigen, Stauffenberg als ersten Präsidenten aufzustellen. Das Zentrum ist bereit, für den konservativen Kandidaten v. Levetzow zu stimmen. Franckenstein wird ohne großen Anstand erster Vizepräsident. Häuel ist von den liberalen Gruppen als zweiter Vizepräsident in Aussicht genommen; Levetzvw's Wahl zum Präsidenten gilt als wahrscheinlich. Die kleineren Fraktionen dürften die Haupt- entschciduug geben.
Berlin, 18. Nov. Einem Telegramm der „Germ." aus Rom zufolge erfolgt heute die Ernennung Kopps zum Bischof von Fulda.
Berlin, 19. Nov. Der Reichstag wählte Lewetzow zum Präsidenten mit 193 Stimmen, v. Stauffenberg erhielt 148 Stimmen. — v. Frankenstein wurde mit 197 Stimmen zum ersten Vizepräsidenten gewählt. Benda erhielt 136 Stimmen. — Als zweiter Vizepräsident wurde Ackermann mit 158 Stimmen gewählt, nachdem Benda die auf ihn gefallene Wähl abgelehnt batte. Häuel erhielt 138 Stimmen. Die nächste Sitzung findet Donnerstag, 24. d., statt.
Die „Prvvinzialkorrespvndenz" erblickt in der Botschaft des Kaisers den vollen und unzweideutigen Beweis, daß die bisherige Politik des Fürsten Bismarck im Einvernehmen mit dem Kaiser befolgt wurde und sagt: Wenn der Kaiser für die gelammten Pläne des Kanzlers auch Angesichts der gegenwärtigen Lage mit solcher Entschiedenheit eintrete, so sei für Fürst Bismarck zunächst kein Grund vorhanden, dem Dienste des Vaterlandes zu entsagen. Es werde sich nun darum handeln, ob in dem neuen Reichstage eine Mehrheit zu finden ist, welche bereit sei, die weitgreifcuden und schwierigen Aufgaben, deren Anregung der Kaiser für seine Herrscherpflicht hielt, mit dem Reichskanzler in Angriff zu nehmen, oder ob der Reichskanzler und zugleich mit ihm wohl der Kaiser ans dieses letzte schöne Ideal seines Lebens verzichten solle.
Stach der „Danziger Zeitung" wies die russische Regierung sämmrliche Juden ans Ocel aus.
(Verwendung der leuchtenden Farben.) Das Eisenbahn: egiment in Berlin stellt zur Zeit eingehende Untersuchungen über die Verwendbarkeit der sogenannten leuchtenden Farben im Eisenbahndienst an. Es ist in Aussicht genommen, diese Farben einmal zum Anstrich vvn Signalstangen, dann aber zur Erleuchtung von Waggons beim Passiven von Tunnels und dgl. zu verwenden. Aehuliehe Versuche haben auch bereits schweizer Eisenbahnen auSgesührt, während über die Benutzung dieser Farben zu Schiffsahrtszweckeii die Swinemin- dcr Haseudirekiivn Erfahrungen zu sammeln sucht.
(Rattenkönig.) Emen eigcnthümlichen Fund machte neulich in der Gegend von Hagen ein Naturforscher, als er, nach Spätlingen suchend, durch den Wald streifte. An einem großen Steine horte er plötzlich ein ängstliches Piepe» und Stöhnen, und als er näher trat, zeigte sich hinter dem Steine am Felsen eine kleine Höhle, in der er nur mit Hilfe seines Feuerzeuges etwas entdecken konnte. Zu seinem nicht geringen Staunen sah er hier sechs Ratten mit de» Schwänzen zusain- mcngewachseu, die bei dem Scheine des Lichts nach allen Seiten fliehen wollten und nun in rasender Geschindigkeit sich um ihren gemeinschaftlichen Mittelpunkt drehten. Nachdem er mit seinem Stocke einige getödtct, gelang cs ihm, der anderen habhaft zu werden.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 18. Nov. Die Wiener Allgemeine Zeitung ersieht aus der kaiserlichen Botschaft, daß Bismarck neuerdings mit Energie, ja mit gesteigerter Begeisterung in den Kamps für seine ökonomischen Pläne eintrete. Sie bezeichnet den Passus über die auswärtigen Angelegenheiten als wohlthuend. Die Neue freie Presse sagt: Die Thronrede ist ein Meisterstück in Form und Fassung. Der feierliche Ernst derselben entspricht völlig dem großen Problem. Die Thronrede wird ein denkwürdiges geschichtliches Aktenstück bleiben. Das N. Wien. Tagbl. sagt: Die kaiserliche Botschaft richtet sich auch an künftige Geschlechter. Das Vermächtniß des Kaisers und Bismarcks enthält Glaubensartikel, an denen die deutsche Politik für ewige Zeiten festhalten soll. Von so erhabener Stelle vorgetragene Grundsätze müssen zündend ans Alle wirken, welche an die Ideale der Botschaft glauben. Friedensversichernngen in so feierlicher Form wurden fast niemals ertheilt.
Die Blätter kolportiren ernste Nachrichten aus ' Süddalmatien, wo eine Insurrektion ausgebrochen sei. Offiziell wird blos zugegeben, daß Räuberbanden aus der Herzegowina in Crivoscie cingebrochen und dort plünderten. Laut Privatmeldungen swurde der Bischofs Petranowitsch, welcher die Gemüther be- schwichtigen wollte, von den Insurgenten mißhandelt. AKnZ-A Italien. Z3K77
Rom, 17. Nov. Das Königspaar ist um A-7"sis«'§ halb 12 Uhr ein getroffen und wurde auf dem Bahn- PKWAs Hof vvn den Ministern, den obersten Hofchargen, dem Bürgermeister und den Spitzen der Behörden empfangen. Damen überre^cp,, (iMriiMir »Nr» ^8 » prachtvolles Blumenbouqnet.
Damen überreichten der Königin ein s 18 Gewerbeverenie mit
Bannern und inehr als 4000 Personen begleiteten
den königl. Wagen bis zum Qnirinal, wo das Kö-
nigspaar mit den königl. Prinzen auf dem Balkon UZZ-ni-
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erschien und für die enthusiastische Volkskimdgebnng
dankte.
In der Schwefclmine zu Gessolungo bei Caltanissetta auf der Insel Sizilien hat eine furchtbare Gasexplosion statt- gesunden. Etwa 70 Arbeiter waren in der Mine beschäftigt;
40 davon vermochten in mehr oder minder verletztem Zn- stände die Flucht zu ergreifen: dreißig wurden als Leichen ' ^ hervorgeholt.
Schweiz. ^
Bern, 12. Nov. (In Sachen derTvdes- strafe.) Der „Köln. Ztg." schreibt man: Der Re- ' giecungsrath des Kantons Bern hat heute das '
Gesuch um Wiedereinführung der Todesstrafe behau-_,
delt und beschlossen, dem Großen Rathe vorzuschlagen, nicht ans den Antrag einzugehen, dagegen das Stras- und Gefängnißwesen umzugestalten.
(Selbstständige Uhren.) Man schreibt aus
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Vvwry (Schweiz): Am 16. Januar 1879 deponirte
ein alter Uhrmacher unserer Stadt beim Bürgermeisteramte ein versiegeltes Packet, in welchem sich zwei Taschenuhren befanden, deren sinnreicher Mechanismus das „Aufziehen" als einen längst überwundenen Standpunkt erscheinen ließ. Bor einigen Tagen wurde das Packet in Gegenwart einer großen Menschenmenge geöffnet, und als die schützenden Hüllen gefallen waren, hörte man das fröhliche Ticken der Uhren, die seit 21 Monaten mit keinem Uhrschlüssel in intime Berührung gekommen.
Frankreich.
Paris, l7. Nov. Ans Anlaß der Demission Chanzh's und St. Vallier's wird hier eine Äußerung des Fürsten Bismarck kolportirt. Derselbe soll gesagt haben: Gambetta ist ein großer Redner und Staatsmann, aber noch ein größerer Patriot; er liebt sein Land zu sehr, um es in unabsehbare Abenteuer zu stürzen; deßhalb fürchte ich seinen Regierungsantritt nicht."
Die Ernennung Berts zum Cnltusminister hat den Zorn unserer ultramontanen im höchsten Grade angefacht. Die Germania sagt: Mit der Ernennung des Atheisten und Knlturpaukers Pank Bert zum Unterrichtsminister hat der Erfinder des: olorioalismo voilä l'simviui!" (im elerikalen Shstem sucht den Feind!) nicht nur der katholischen Kirche, sondern allen noch gläubigen Elementen der Republik einen Fehdehandschuh vor die Füße geschlendert, der einen Kampf um die ganze Existenz zwischen Glauben und Unglauben in Aussicht stellt." Es ist aber gut, daß man weiß, worin der „Atheismus" des Herrn Bert besteht. Er ist ein ausgezeichneter Physiologe, er vertritt die Philosophie ans Physiw
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logischer Grundlage, er huldigt dem wissenschaftlichen
Materialismus, ohne aber das höhere Ziel, den Idealismus, aus den Augen zu verlieren, kurz er ist der französische Virchow, als auch Redner, als welcher er über eine zermalmende Logik gebietet. Ein solcher Atheist ist unter allen Umständen besser als ein Jesuit.
England.
London, 17. Sept. Gestern Abend 'erschienen mehrere Personen in dem Zweigpostainte in Hattongarden in London, drehten daselbst das Gas ab und bemächtigten sich der Beutel mit eingeschriebenen Briefen, welche Diamanten im Wertste von 80,000 Pfd. Sterling ^ 1,600,000 c/lL, adressirt an verschiedene Diamantenhändler ans dem Festlande, enthielten. Die Diebe sind noch nicht entdeckt.
Handel L Verkehr.
(AnSbach-Gunzenhauseii 7 fl.-Loosc vom Jahre l857.) Ziehung am 1. Novbr. 1881. Gezogene Serien: ilro. 61 438 451 778 821 878 953 1017 1127 1241 1339 l400 1408 1429 1733 2001 2129 2173 2198 2356 2517 524 2640 2713 2781 2822 2860 2815 2924 3207 3255