Nach zuverlässigen Berechnungen wird das deutsche Reich, ohne daß der Tabak eine Vertheueruug über den gegenwärtigen Preisstand hinaus erführt, über 150 Millionen Nettoertrag aus dein Tabaks­monopol ziehen. Die Consumenten würden also durch die Einführung des Tabaksmonopols nicht blos keine Einbuße, sondern den unschätzbaren Bor­theil genießen, daß sie beim Staatsbetriebe sicher wären, für ihr Geld überall eine solide, unver­fälschte Waare zu erhalten, während sie jetzt, Dank den Kunstgriffen und Betrügereien vieler Ta­bakshändler und Verfertiger, die bisher noch gar nicht genug an's Licht gezogen sind, oft unter dem Namen Tabak ein Produkt einknnfen, in welchem zwar kein Blatt jener Pflanze, dafür aber desto mehr gesundheitsgefährliche und ekelerregende Substanzen enthalten sind. Vielleicht den größten Nvrtheil aus der Einführung des Monopols wür­den die Tabakspflanzer ziehen, die dadurch einen gesicherten Absatz zu festen Preisen erhallen würden, während sie jetzt den Bedingungen und Launen der Tabaksspekulanteu schutzlos preisgegeben sind. Im Elsaß rufen die Tabakspflanzer einstimmig die Tage des Tabaksmonopols zurück, da sie uach Aufhebung desselben nicht mehr einen lohnenden Verdienst fin­den und den Talakanbau daher bereits bedeutend eingeschränkt haben. Dafür, daß unter der Herr­schaft des Tabakmonopols billiger und guter Tabak von den RegicrungSsabriken geliefert werden kann, liefert O>':erreirh den Beweis; daselbst wird Tabak geringe.ee Gattung zu 85 .F das Pfund verkauft. Diese Ziffer bitten wir, allen den von den bekannten Führern der Fortschrittspartei und ihren Trabanten ausgehenden Entstellungen cntge- genzuhalten."

Oesterrcich-Uiilp rn.

Zn den Augen- und Ohren-Spiegeln, welche die ärztliche Kunst erdacht und in die Praxis Ange­führt hat, ist jetzt auch ein Magenjpiegel gekommen, Gastroskvp genannt. Der llniversitätsprofessor Or. Mikulicz in Wien ist der Erfinder und hat eine vor vielen Aerzten angcstellte Probe glanzend bestanden. Er führte das 65 Centimeter lange und 14 Milli­meter dicke, an seinem unteren Ende mit einer sinn­reichen optischen Vorrichtung versehene Rohr bei einer Patientin nicht nur init größter Leichtigkeit in den Magen ein, sondern er konnte dasselbe an zwan- Minuten im Schlunde der Kranken lassen, so^daß die Untersuchenden den Magen in allen seinen THA- len ganz bequem besehen, ja stndiren konnten. DaS Instrument steht mit einer Batterie derart in Ver­bindung, daß der Magen zugleich in seinem Innern elektrisch beleuchtet erscheint und so vie kleinsten Ver­änderungen an der Magenschleimhaut kenntlich wer­den. Das Instrument wird für das Untersuchen und Erkennen und also auch Heilen der Magen­krankheiten von großer Bedeutung werden.

sEinc interessante Operation) fand kürzlich in Wien staik. Professor Mcmlhner vvllfiihrte am ab. v. Mts. die Entfernung des grauen Staares aus dem Innern des Auges bei einem im 102. Lebensjahre stehenden Greise, Herrn Altinann aus Tyrnau. Die Operation verlief normal, die Heilung d.r Wunde erfolgte anstandslos und nach Ablauf von 10 Tagen konnte der Lperirte mit vollkommen schwarzer Pu­pille in seine Heimath zurückreisen. Es lagt sich nicht Nach­weisen, das; eine analoge Operation im laufenden Jahrhundert vorgekommcn wäre.

Italien-

Rom, 8. Nov. Man spricht hier, und zwar im Zusammenhänge mit der Eventualität eines Ge­genbesuches des Kaisers bei dein hiesigen Hofe, von Versöhnungsversuchen zwischen dem Vatikan und Quirinal, welchen Versuchen Oesterreich nicht fern­stehen soll.

Italienische Blätter berichten von einen: Glück­wunsch-Schreiben des deutschen Kronprinzen an König Humbert, in welchem derselbe seiner Freude über die Wiener Entrevue Ausdruck giebt, weil da­durch Italien auch Deutschland nähergebracht werde. Nach einer Münchener Meldung der Mailänder Perseveranza" hat auch der König von Bayern anläßlich der Wiener Reise des königlichen Paares ein Glückwunsch-Schreiben an König Humbert gerichtet.

Frankreich.

Paris, 7. Novbr. In der Nacht vom Frei­tag auf Samstag wurden die Kaffeehäuser und son­stigen Buden, die sich im Tuilericn-Garten befan­den, von einer Räuberbande ausgeranbt und verwüstet. Die Sache erregt Aufsehen, da dies im Herzen von Paris geschehen konnte. Die Misse-

thäter wurden bis jetzt noch nicht entdeckt. Daß Paris heute so unsicher ist, verdankt man besonders dem General Farre, der fast alle militärischen Wa­chen in Paris, auch die, welche sonst am Eingänge der Tuilerien und auf dem Place de Eoncorde stehl, eingezvgeii hat.

In einer zwar nur von etwa 200 Personen, aber von lauter Eommunarös besuchten Versamm­lung, welche am Sonntag in der Rue de Lavis zu Paris abgehalten wurde und wieder aus den Be­schluß hinauslies, daß das Ministerium in Anklage- zusiand versetzt werden müsse, ereignete sich folgen­der merkwürdige Zwischenfall: Ein Redner, Namens Lambert, glaubte der Versammlung aus der Seele zu sprechen, indem er pathetisch ausries:llus nennt man Canaillen und uns schickt man ni's Bagno, weil wir Paris in Brand gesteckt hätten, wäh­rend doch Jedermann weiß, daß die Versailler es gethau haben!" Da wurde er aber von allen Sei­ten mit den Rusen unterbrochen:Nicht doch, wir, die Communards, haben das Feuer angelegt und wir werden es nöthigensalls wieder thnn!" Damit nicht genug, ergriff der Vorsitzende, Bürger Cvar­iier, eui ehemaliges Mitglied der Eommune, gravi­tätisch das Wort und sagte:Die Eommune hat Paris zum Heile der Revolution in Brand ge­steckt, sie macht daraus kein Hehl: im Gegentheil sie rechnet es sich zum Ruhme au." Und schtieglich er­klärte der Bürger Marunet noch vesiimmter:Ich bin Mitglied der Eommune gewesen und in dieser Eigenschaft habe ich am 23. Mai 1871 mit meinen College» dafür gestimmt, daß gewisse Stadtviertel in Brand gesteckt würden. Es war dies eine ganz aus­gezeichnete strategische Maßregel und es wäre unver­zeihlich gewesen, wenn wir gewisse öffentliche Gebäude unzerstört gelassen hüllen. Man hat uns Borwürfe gemacht wegen des Brandes des Stadthauses, wel­ches mau mit Beharrlichkeit das Haus des Volkes nennt. Ich aber sage, wir haben wohl, daran ge- than, die Tuilerien niederznbreuneu, diesen Palast der Kaiser und Könige, und wir haben wohl daran gethan, das Stadthaus uiederzubreniien, diesen Pa­last der Bourgeosie!"Ja wohl, ja wohl, Bravo!" erscholl eS von allen Seiten,und wir werden es bei der nächsten Gelegenheit nicht anders halten!"

Mcm schreibt derNordd. Allg. Ztg." ans Paris: Die Bevölkerung Frankreichs tiecrug 1S7o 36 553 000, 1880

37 160 000 Einwohner, Hai sich aifv in zehn Jahren nur um 612000 Eiuwvlmer vermehrt, diejenigen Deutschlands in dem- s.Uren Jahrzehnt uni Ist? Millionen. Ans taufend Einwohner kamen in Front:eich 1867 26,47, 1878 nur noch 25,33 Gebur­ten; in Deutschland 1867 38,60, 1878 38,78 Geburten. Der Ueberschuß der Geburten über die Todesfälle betrug in Frank- rrich 1867 140 600, 1878 nur noch 08 175 : in Deutschland 1860 428000, 1878 556506. Kails die jranzosijche Bevöl­kerung nicht durch Eunvandernng bedeutend znnchmen, die deutsche durch Auswanderung bedeutend abnehmen sollte, wird hiernach Frankreich am Ende dieses Jahrhunderts voraussicht­lich kaum 40, Deutschland über 60 Millionen Einwohner zäh­len, Das; eine so rapide Zunahme seiner Bevölkernng Deutsch­land wirthschaftlich gegen Frankreich in Nuchtheit setzen must, ist klar. Deutschland 'erzieyi jährlich ea. 400000 Kinder mehr als Frankreich. Angenommen, das; von dieser Zahl selbst 25 pEt. vor vollendetem zwanzigsten Lebensjahr sterben, Lebens­unterhalt und Erziehung der übrigen aber während zwanzig Jahren 4000 Fr. kostet, so stellt es sich heraus, daß Deutsch­land jährlich über eine Milliarde ans Kinderzncht verwendet, die Frrnkreich in industrielle Unternehmungen steckt oder auf Zinsen legt. Hierbei ist nicht einmal in Betracht genommen, das; in Folge dieser progressiven Voiksvcrmehrnng die deutsche Auwandernng im letzten Jahrzehnt die Höhe von über 600 000 erreichte und die Auswanderer nicht bloß die Produktivkraft unserer Konkurrenten im Auslände verstärkt, sondern, voraus­gesetzt, daß jeder Emigrant auch nur 100 Francs mit sich nahm, der Heimath weitere 60 Millionen Francs entzogen haben. Wenn für Deutschland einerseits die Hülfsquelle der indirekten Steuern in ergiebigerem Maße als jetzt erschlossen wäre, andererseits die Zunahme der Bevölkerung sich durch noch stärkere Auswanderung namentlich der ärmsten Klassen der Bevölkerung oder größere Selbstbeherrschung mehr saus dem Niveau der vorhandenen Unterhaltsmittel halten wollte, so würde der Abstand zwischen dem Reichthum Frankreichs und demjenigen Deutschlands sich bald bedeutend verringern. Was dagegen Frankreich angeht, so werden allerdings viele Fehler seiner Finanzleitnng gut gemacht durch zwei so wesentliche Momente, wie das sechzigjährige unveränderte Bestehen eines überwiegend auf indirekte Abgaben aufgebanten Steuersystems und die schwache Zunahme der Bevölkerung."

Amerika.

Washington, 8. Nov. General Sherman empfiehlt im allgemeinen Jahresbericht aus Gründen des militärischen Dienstes die Vermehrung des Heeres.

Sind Sie musikalisch?

Wenn noch niemals in deinem Leben, lieber Leser, die Frage an dich herangetreten ist, ob du musikalisch seist, d. h. ob du irgend einem Insten-

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ment von der Pauke bis zur Maultrommel Töne zu entlocken vermögest, dann betrachte dich als ein ach­tes oder neuntes Weltwunder oder deine Mitmenschen als Barbaren. Der Schüler, welcher einen Freitisch bekommt, der Student, der in einer Familie Zutritt hat (und zwar sind das höchstselten Familien ohne Töchter), der junge Mann, den die Frau Princi- Ass:!:?«, palin einlädt, herein in die gute Stube zu kommen, der Lieutenant, der bei den Gattinnen der Regi­ments-Kameraden Visite schneidet, das junge Mäd­chen, welches in die Pension Antritt sie alle werden in der ersten Viertelstunde am Prüfstein des Baß- und Violinschlüssels und wenn die Anforde­rungen hochgehen, an Beethoven. Chopin, Wagner und Schumann ans ihre Talente und Gesellschafts- unterhaltungsgabe geprobt und je nach der Stufe, welche sie auf der Tonleiter erklommen haben, ge­schätzt und benutzt. Mit der Nachfrage mindestens im Gleichgewicht steht das Angebot. Mancher er­kundigt sich, ob man musikalisch ist, um die eigene Befähigung in der hehren Kunst zu doeumentiren.

Halte uns für keinen Verächter der Frau Mnsika, lieber Leser; wir meinen mit I)r. Luther:

Wer nicht liebt rc.", aber wir sind Gegner der biedern Mittelmäßigkeit und der blöden Einseitigkeit.

Jene glaubt die Kunst zu unterstützen, wenn sie ihr möglichst viele, gleichgültig ob fähige oder unfähige Jünger zuführt, diese macht die Mode mit und vernachlässigt über der einen Kunst andere weit mehr zur allgemeinen Bildung beitragende.

Welche gebildete, einigermaßen auf guten Ton und gesellschaftliche Stellung haltende Familie wäre ohne Instrument? Daß diesInstrument" keine Lanzette oder Knochensäge, sondern An Flügel,

Pianino, mindestens jedoch ein tafelförmiges Piano­forte ist, muß jeder anständige Mensch von vorn herein wissen. Sind Kinder da, so müssen diese natürlich Klavierstnnden haben, dennman weiß nicht, wozu siAs brauchen können." Neunzig Pro­cent der jungen klaviergepeinigten Mädchen bringen's bis zum Sehnsuchtswalzer, den Klosterglocken und ÄZ einigen leichten Sonatinen; eher schon werfen die Knaben, wenn nicht Talent und Trieb sie fesseln, das musikalische Joch ab, wenn dessen Anforderungen mit denen der Wissenschaft sich unvereinbar erweisen, einzelne greifen zur Königin der Musikinstrumente, der Geige, und Auserlesene (wir reden hier lediglich von Dilettanten) bringen es zu etwas wirklich Tüch­tigem. Zwischen diesen Wenigen aber wimmelt ein Heer von musikalischen Männlein und Weiblein dritter, vierter und fünfter Sorte, die keine Ahnung davon haben, wie sie mit ihremTalent" in der zudringlichsten aller Künste die liebe Mitmenschheit martern, peinigen und quälen und wie sie thatsäch- lich die längst abgeschaffte Folter aufs fleißigste handhaben. HAliger Bismarck, schaff' uns eine Klaviersteuer und eine recht hohe, mit Tonuhr, ähn­lich den Gas- und Wasseruhren!

L>o viel Begehuugssündeu das Klavierspiel aufweist, so viele Unterlassungssünden sind in Bezug aufs Singen, vornehmlich Chorsingen zu ver­zeichnen. Jünglinge und Männer sind dem Chor- Gesang noch mehr zugethan als junge Mädchen und Frauen. Und doch ist das Singen nicht nur körper­lich sehr gesund, sondern auch und vorzugsweise das Chorsingen musikalisch bildend. Allerdings muß ein tüchtiger Dirigent die Hebungen leiten. Solcher

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Gesang macht den Betheiligten Vergnügen, stärkt die Brust, bildet die Stimme, schärft das Gehör, fördert den musikalischen Geschmack und kann in engeren u. weiteren Kreisen viel zur Geselligkeit, zu manchem schönen Genuß beitragen. Es ist schon ein Zeichen von wirklicher Liebe zur Kunst und von gutem Ge­schmack, wenn junge Mädchen und Frauen einem Verein beitreten, welcher den Chorgesang pflegt. Bringen sie musikalische Vorbildung mit, vielleicht schon einige Uebung im Sologesang und eine gute etwas geschulte Stimme, desto besser. Aber die Solosängerinnen sollen nicht denken, sie seien zu gut zum Chorsingen, die meisten von ihnen haben noch viel zu lernen, besonders im Treffen, und wäre das nicht der Fall, so können sie beim Einüben gute Chorführerinnen werden. Doch genug von der Musik! möge sie vollseitiger von den Berufenen und Begabten, weniger aber von den Mittelmäßigen und Talentlosen gepflegt werden. Warum aber legt man so geringen Werth aufs Zeichnen und Ma­len? Wir könnten von Göethe wissen, welchen geistigen Genuß, welche Freude und welche Vor-

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