Berlin, 12. Aug. Wie verlautet, wird an Stelle Hofmann's der Oberprüsident von Schleswig-Holstein Bötticher zum Staatssekretär des Innen: ernannt und der Regierungspräsident von Düsseldorf, Hagemeister, zum Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein. — Für die überschwemmten Distrikte Schlesiens wird eine Nothstandsvorlage ausgearbeitet.
Berlin. Wie der „Westph. Merk." und andere lathol. Blätter berichten, circulirt gegenwärtig in: ganzen deutschen Reiche eine an den Reichskanzler und Ministerpräsidenten Fürsten Bismarck zu richtende Petition, welche die ernsten Gefahren schildert, die nicht allein den wirthschaft- lichen Verhältnissen und dem Wohlstände des deutschen Volkes, sondern auch seiner Cultur und Religion von dem Ueberhandnehmen des Judenhums und dessen steigendem Einflüsse drohen sollen, und, um diesen Gefahren zu begegnen, die Reform und Ergänzung jener Gesetzgebung als nothwendig bezeichnet, welche die Ausbeutung und Verderbung des deutschen Volkes durch die Juden und die von jüdischen Anschauungen angesteckten Deutschen ermöglicht habe. Es wird daher die Bitte ausgesprochen, „der Reichskanzler wolle zur Verhinderung weiterer Zunahme des jüdischen Volkselements und jüdischen Einflusses den gesetzgebenden Körpern des deutschen Reiches und Preußens baldmöglichst Vorlagen machen, durch welche 1) die Maffeneinwan- derung der Juden, besonders von Osten her, erschwert wird: 2) diejenigen Geschäftszweige, welche, wie Börsen, Banken und Zeitungswesen, von den Juden und den zu jüdischen Anschauungen verführten Individuen zur Ausbeutung des deutschen Volkes benutzt werden können, comrolirt und möglichst hoch besteuert werden; 3) die amtlichen Berufskreise, deren Autorität durch das Eindringen jüdischer Anschauungen gefährdet wird, etwa mit dem Rechte der Wahl, ähnlich wie es sich bei den Ofsiziercorps schon längst bewährt hat, ausgerüstet werden; gesetzliche Garantien für die völlige Ausschließung aller Juden von obrigkeitlichen Aemtern und Befugnissen geboten werden." Wie der „Westph. Merk." versichert, ginge die Agitation nicht von Herrn Stöcker aus. Die Petition, welche viele Unterschriften erhalten soll, wird angeblich Ende September überreicht werden. Wir sind neugierig — vorausgesetzt, daß die ganze Geschichte nicht eine phantastische Ausgeburt der (freilich sehr kühlen) Hundstage ist — was Fürst Bismarck dazu sagen wird!
ES verlautet, daß Kronprinz Rudolf den Kaiser bei der Reise nach Galizien und der Bukowina begleiten und dann an den Kaisermanövern in Deutschland theilnehmen werde.
Mil dem Bau eines Reichstagsgebüudes will es in Berlin nicht vorwärts gehen, obgleich eine Summe von 29 Millionen vollwichtiger Reichsmark als Barifonds thatsüchlich schon seit Langem existirt. Ursprünglich wollte man in der Thiergartengegend dieses monumentale, dem Volkswillen des Deutschen Reiches repräsentirende Gebäude aufbauen, nachdem aber alle Vorschläge an dem vielköpfigen Willen der Reichstagsmitglieder gescheitert, bleibt jetzt nichts anderes übrig, als inmitten Berlins ein Straßenviereck niederzurcißen und statt dessen das Parlamentsgebäude aufzuführen.
Das „Elf. Journal" schreibt zur Ernennung Hofmanns: „Bis jetzt hat Fürst Bismarck Hofmann die größte Achtung bezeugt. Die Persönlichkeit, die der Reichskanzler entsendet, um neben und unter Hrn. von Manteuffel unser Land zu regieren, ist mit° seinem vollen Vertrauen ausgerüstet. Die Zukunft wird uns zeigen, ob die Mission, welche der neue Saatssekretär in Elsaß-Lothringen erfüllen soll, die Verwirklichung desjenigen Programmes ist, welches der Statthalter jüngst, bei Gelegenheit der Eröffnung der ersten Sitzung des Stadtrathes, auseinandergesetzt hat. Wir werden erfahren, ob man in Berlin dieses Programm für gut heißt, oder ob Herr von Manteuffel nur seinem eigenen Impulse folgte, als er dasselbe mit einer Klarheit kundgab, die jede Zweideutigkeit ausschließt.
Etwa 300 Mitglieder der Kriegervereine Frankfurt, Wiesbaden, Hanau, Aschaffenburg rc. haben das Gedächtnis) an die Schlachten von Weißen- bnrg und Wörth auf den Schlachtfeldern selbst erneuert. In allen betr. Garnisonsstüdten des Elsaß rc. wurden sie von dem Offizierscorps empfangen, begrüßt, gefeiert und geleitet. Zuerst wurde der
Gaisberg bei Weißenburg besucht, dessen Erstürmung so viele Opfer gekostet hat. Man sang tiefergriffen an dem großen Kriegerdenkmal einen Choral, hörte die Gedächtnißrede des Garnisonspredigers und legte Kränze und Palmzweige auf den Gräbern. Es folgte die Besichtigung des Schlosses und Pachthofes Gaisberg, in deren Wänden die Kugeln der Schlacht eingemauert sind. Dann gings nach Hagenau, wo viele Straßburger Kriegskameraden angekommen waren; die Musik des Jügercorps spielte und ein Festcommers der Gäste und des Ofsiziercorps fand statt. Der deutschen Armee wurde ein Hoch gebracht, den Manen der Gefallenen ein stilles Glas geweiht. Andern Morgens wurde in Morsbrunn das Denkmal der gefallenen französischen Kürassiere besichtigt und Günstedt besucht; Jeder suchte von da aus die Standorte auf, welche die Truppen, zu denen er gehört, an jenem heißen Schlachttage inne gehabt, alle Gräber wurden mit Blumen und Kränzen geschmückt. In Wörth fanden sich alle wieder zusammen und besuchten den großen Grabhügel, in welchem 1500 Krieger den Todesschlaf schlafen; die Kapelle des Jügercorps spielte einen Choral, ebenso an dem Denkmal der Franzosen. Das Feld dort ist eine große Todtenstadt, rechts und links vom Wege stehen dicht gesäet die Denkmäler von verschiedenen Corps und eine Unzahl von einzelnen Grabsteinen. Auch der Standort, von dem aus der Kronprinz die Schlacht geleitet, und der gewaltige Nußbaum, unter welchem Mac Mayon kommandirte, wurde besucht. Eiu feierlicher Gottesdienst in der Friedenskirche in Fröschweiler, von dem bekannten Pfarrer Klein geleitet, schloß die patriotische Feier.
Weilburg, 22. Juli. (Welchen Grad die Rohheit und Verwilderung) eines Theils der Bevölkerung des unteren Westerwaldes erreicht hat, schreibt man der „Köln. Ztg.", lehrt u. A. folgender Fall. Nachdem kürzlich ein Einwohner des Dorfes ck., zugleich öffentlicher Beamter, vom königlichen Landgerichte zu einer erheblichen Freiheitsstrafe ver- urtheilt worden, weil er sein entkräftetes Pferd vor dem überladenen Wagen thatsüchlich todtgeschlagen und seinen Sohn zur Theilnahme an dieser Thierquälerei gezwungen hat, ist jetzt durch einen hiesigen Gendarmen der Fall zur Anzeige gebracht, daß ein anderer Landmann einem jungen Rehkitzcheu, das er in fremder Jagd gestohlen, die Zunge ausgeschnitten hat, um das arme hilflose Thierchen am Klagen zu verhindern! Das zum förmlichen Erwerbszweige ausgebildete Rauben junger Rehe wird trotz aller Bemühungen der Forstbeamten und Gendarmen hier nicht aufhören, so lange nicht die Kürschner, die oft Dutzende derartiger Häutchen zum Verkaufe haben, zum Ausweis über den Erwerb mit aller Strenge angehalten werden. Das Jagdgesetz verbietet ein- für allemal das Einfangen und Tödten dieser wehrlosen Geschöpfe, die sich beim Nahen einer Gefahr an den Boden schmiegen und dann leicht erbeutet werden können.
Bautzen, 7. August. Eiu hiesiger Einwohner, welcher vor einiger Zeil eine )ener Annoncen laS, in welche» die direkte Vermittlung von Doktordiplomeu ohne Vorausbezahlung angeboren wird, machte sich, um dieses Treiben etwas näher beobachten zu können, den Spatz, eine bezügliche Anfrage an den Vermittler E. Gies in London einzuschickcu, in weicher er u. A. bemerkte, datz er nur autodidaktisch gebildet sei und das Doktordiplom behufs Hebung seiner sozialen Stellung zu erlangen wünsche. Noch am nämlichen Tage, als dieser Brief in London eintraf, setzte sich der genannte Agent Gies an seinen Schreibtisch und antwortete mit folgender ungemein interessanten Epistel: „Geehrter Herr! Da Ihr Bildungsgang (durch Privalstudium) wohl genügend sein wird, so ist es mir möglich, Ihnen den Doktorgrad der usw-englischen Universität in Boston zu verschaffe», sobald Sie juiir Ihre vivo, (kurzen Lebenslauf) einsenden; eine Arbeit lege ich selbst bei (!) Sie erhalten neben dem Diplom eiu Certificat, daß Ihr Name promovirt in den Universitätsbüchern eingetragen ist. Ich vermittle die meisten nach Deutschland hin. Die Gesammlspesen betragen 650 Reichsmarck. Sie wollen dieselben an mich mit Ihren Papieren einsenden oder bei irgend einem soliden Geschästshause bis zum Eingänge des Diploms deponiren, so daß Sie also ganz sichcrgestcllt sind. So Sie die Sache sogleich beantragen, können Sie sehr bald im Besitze des Dokuments sein, da ich in nächster Woche einige Aufträge absendc. Ich übernehme die Garantie der Aechtheit. Um gefl. umgehende Antwort ersuchend in Hochachtung E. Gies." Raffinirt genug war dieser Brief in ein schwarz- berändertes, unfrankirtes Eouvert eingeschlossen, da es wohl vorgekommen sein mag, daß unfrankirte Briefe, welche der Herr in gewöhnlicher Form abgcschickt hat, nicht angenommen worden sind. Die ganze Sache hat ohne Zweifel ihre heitere Seite, liefert aber zugleich einen neuen Beweis für die That- sache, daß das Geschlecht der Dummen nicht „alle" wird.
Lübeck, 13. Aug. Heute früh 8 Uhr erfolgte aus dem Dampfer „Haufa" im Hafen eine Benzin-
Explosion; das Schiff ist verbrannt, 7 Feuerleute und 5 Leute von der Schiffsmannschaft verwundet.
Oesterreich—Ungarn.
Wien, 11. Aug. Feld'marschall Graf Moltke ist hier angekommen. Er wird in Ischl eine mehrwöchentliche Bade- und Luftkur gebrauchen.
Aus Pest wird berichtet: Die Eltern zweier hier wohnender Gymnasialschüler merkten seit 3 Tagen, daß die Knaben schlecht aussahen und sich weigerten, irgend eine Speise zu sich zu nehmen. Es wurde eiu Arzt consultirt und dieser brachte es bald heraus, daß die zwei Knaben, angeeifert durch die Berichte über Dr. Tanner, ähnliche Versuche an sich erproben wollte. Natürlich verschrieb er ihnen sofort einige tüchtige Portionen Fleisch.
Prag, 13. Aug. BeiHlinsko ist eiu Wolkenbruch niedergegangen, durch den der Eisenbahnverkehr unterbrochen und eine immense Ueber- schwemmung entstanden. Die Vorstädte von Chru- dim sind unter Wasser. (Schw. B.)
Frankreich.
Paris, 12. Aug. Aus Poitiers wird telegra- phirt, daß sich in Vieux-Port, im Arrondissement Chaterellault, heute ein schreckliches Unglück zugetragen hat: ein Felssturz verschüttete zwei Häuser und mehrere Kalköfen, an denen an 20 Personen beschäftigt waren. Man hat schon 12 Todte herausgezogen und keine Hoffnung, die übrigen Begrabenen zu retten.
Der Oberstlieutenant des 64. Territorial (Landwehr)-Regiments (Niovre) hat aus Anlaß des Fahnenfestes einen merkwürdigen Tagesbefehl erlassen, in welchem es u. A. heißt: „Ich wünsche ganz besonders, daß die drei Farben unserer schönen und großen Revolution von 1789, die euch fortwährend an die Ehre und das Vaterland erinnern müssen, euch zu gleicher Zeit die Liebe für alle Völker einflößcn, sowie den Wunsch, daß sie sich gegen die Tyrannei und den Fanatismus und für den Umsturz der angeblichen Geburtsrechte Verbünden. Stolz auf eure Werke, werdet ihr mit mir nur wollen, daß die Fahne der 64er zur Eroberung aller Freiheiten führen wird, und ihr werdet zugleich wünschen, ich bin dessen sicher, daß sie bald, wie die der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die einzige Fahne der Vereinigten Staaten von Europa darstcllen wird. Durch die Errichtung dieser Vereinigten Staaten von Europa werden wir, ihr wißt es, zum allgemeinen Frieden, dem Ziele aller unserer Wünsche gelangen, der seit Jahrhunderten ohne Aufhöreu die internationalen Schlagbäume bedroht. Es lebe die universelle Republik! Der Oberstlieutenant, Kommandant des Regiments: Th. Canat."
Gambetta spielte in Cherbourg, wohin er mit dem Präsidenten Grevy zur Flottenrevue gekommen, die erste Rolle. Auf den Straßen, durch die er fuhr, rief er der ihn feiernden Volksmenge aus dem Wagen zu: Grevy, den Präsidenten der Republik, müßt Ihr hochleben lassen! — Die Menge that's und Grevy wurde feuerrotst. — Auf dem Schiffe, das vom Stapel gelaufen war, stand und ging er sehr spreizbeinig, auch auf dem festen Lande. Das Volk sieht in ihm nicht nur seine Vergangenheit von 1870 und 71, sondern auch seine Zukunft. Er ist ihm offenbar die Verkörperung des Revanchegedankens. Gambetta balancirt die Revanche geschickt auf seiner Zungenspitze. So auf einem Bankette, welches am Abend stattfand. — In unglücklichen Zeiten, sagte er in seinem Trinkspruch, müssen die Völker in Ruhe und Ueberlegung, frei im Gebrauch ihrer Hände und Waffen, sowohl im Innern wie nach außen sich ab wartend verhalten. „Große Reparationen" (Wiederherstellungen) können nur dem Rechte entspringen; wir oder unsere Kinder können auf dieselben hoffen, die Zukunft ist Keinem verboten." — Als man ihm vorwarf, er bevorzuge die Armee allzusehr, antwortete er: es geschieht nicht aus kriegerischem Geiste, sondern aus Nothwendigkeit, Frankreich wieder in seinen ersten Platz in der Welt einzuführeu. „Wenn unsere Herzen schlagen für Erreichung dieses Zieles, so handelt es sich nicht um das Streben nach einem blutigen Ideal, sondern um die Erhaltung des Ganzen, was von Frankreich übrig bleibt, damit wir auf die Zukunft rechnen und wissen können, ob es hienieden eine Gerechtigkeit gibt, welche zur geeigneten Stunde herbeikommt." — Das ist fast nicht mehr balancirt, sondern kokettirt, Herr