Ein Wurm im Auge. Dem Professur Gräfe in Halle ist dieser Tage eine sehr schwierige Operation gelungen: er hat nämlich einer Dame einen lebenden Wurm ans dem Auge entfernt. Uebrigens ist dies bereits der zehnte Fall dieser Art, welchen I)r. Gräfe mit Erfolg behandelt hat.
Berlin, 18. Febr. Tie Borarbeiten für die Bvrsensteuer werden eifrig gefördert. Anch der Entwurf der Wchrstener ist bereits über die ersten Stadien hinausgekommen; dagegen ist es fraglich, ob die Vorlegung des letzteren Gesetzentwurfs noch in dieser Session erfolgen wird. (W. L.)
Berlin, 19. Febr. Durch den Beschluß des Bundesraths oom 27. November v. I. ist die Verwendung von Kirsch- und Weichsclblättern bei der sserftellellung von Tabakfabrikatcn entsprechend dem Anträge für 1879/80 gestattet worden. Neuerdings hat der Reichskanzler beim Bundesrath beantragt zu beschließen, daß in Zukunft anch die Verwendung von Melilotenblüten (Steinklee/ und eingesalzcnen Roscn- blättern bei der Herstellung von Tabakfabrikaten gestattet werde. (Wir können uns mit derartigen Surrogaten nicht befreunden'. Ranch- und Schnupftabak sind Genußrnittei. wenn anch keine Lebensmittel. Diese Genußiuittcl kommen zum Theil mit der Lunge und dem Magen (als Rauch) und mit den Schleimhäuten des Menschen in Berührung. Wenn man den Metzgern die unschädlichen Wnrstsurrogate oder richtiger Bindemittel (aus Stärkemehl n. s. w.) verbietet, sollte man den Tabakfabrikanten die Fälschung des Tabaks mit Stoffen, die absolut kein Tabak sind, auch nicht gestatten. Das erscheint denn doch als eine Forderung der Gerechtigkeit und der Gleichheit aller vor dem Gesetz.) ^ (W. L.)
Berlin, 19. Febr. Heute Mittag um 1 Uhr fand in der russischen Botschaftskapelle ein feierliches Tedeum statt, welchem der Kaiser mit den Prinzen Friedrich Karl und Alexander und dem Prinzen August von Württemberg beiwohnte. Die Minister, Generalfeldmarschall v. Moltke mit der Generalität, die höchsten Hofbeainten und alle auswärtigen Botschafter und Gesandte mit ihren Rathen und Sekretären, sowie die Hosinarschalle des Kronprinzen und die Prinzen Karl und Friedrich Karl und die Offiziere des Kaiser-Alexander-Garde-Regiments nahmen gleichfalls an der Feier Theil. (T. Chr.)
Berlin, 20. Febr. Der Landtag wurde heute bis zun: 20. Mai vertagt. (N.-Ztg.)
Berlin, 20. Febr. (Reichstag.) Bei der Wahl des zweiten Vicepräsidentcn werden abgegeben 202 Stimmen, darunter 9-1 unbeschriebene, also gültig 108. Es haben erhalten Ackermann 102, v. Benda 2, Fripschc 2. Thilo 1 und Vahlteich 1 Stimme. Ackermann ist somit gewählt und nimmt die Wahl an.
Berlin. Es bestätigt sich, daß, nachdem Bennigsen mir dem Reichskanzler wiederholt konferirt, das überwiegende Gros der nationalliberalen Fraktion für die unveränderte Annahme des Militärgesetzes stimmen wird.
Deutschland und Oesterreich wollen gute Freunde und Genossen sein zu Wasser und zu Land. Ein beredtes Zeugnis; liegt dafür vor. An der Westküste von Südamerika sind schon lange die deutschen Kriegsschiffe Hansa, Freya und Hyäne siationirt, um in dem Kriege zwischen den Chilenen und Peruanern die Deutschen zu schützen. Die Commandeure dieser Schiffe haben jetzt den Befehl erhalten, den österreichischen Bürgern an jenen Küsten denselben Schutz angedeihen zu lassen wie den Deutschen und den Weisungen der österreichischen Konsuln dieselbe Folge zu leisten wie denen der deutschen Eonsuln, wo dies irgend möglich ist.
Oesterreich—Ungarn.
IN. Helmes in Wien will ein Mittel gegen giftige Schlangenbisse entdeckt haben. Er stellte sich der Gesellschaft der Aerzte vor und ließ sich von einer ausgewachsenen, IV» Meter langen, mit allen Giftzähnen und Giftdrüsen versehenen Klapperschlange dreimal in die rechte Hand beißen. Darauf wurde rasch das Thier unter festen Verschluß gebracht und I)r. Helmes beeilte sich, nach schnellem Abbinden des Handgelenkes seine schon parat gehaltenen inneren und äußerlichen Remedim anzuwenden, welche ihn schon nach 10 Minuten außer Lebensgefahr setzten und blos eine kleinere Anschwellung der Oberhand als Bißgefolge zurnckließen, ohne das; Uebelkeit, Krampf oder Ohnmacht sich einstellten, trotzdem die Wunden an der Hand durch die Bisse mit Blut u. Gift bedeckt waren; er beantwortete noch während
dieser Manipulationen jedwede Fragen, welche die Herren Aerzte an ihn stellten, mit Ruhe und ohne geringstes Angstgefühl. Nach Verlauf einer halben Stunde verließ der „Serpentvloge" den Saal und das Haus und hatte gestern nur noch eine kleine Anschwellung und ganz kleine Bißwunden aufzu- weisen.
Italien.
Rom, 18. Febr. Der König hat in seinem Namen, sowie im Namen der Königin und des ital. Bvlkes dem Kaiser von Rußland telegraphisch seine Glückwünsche zu dessen Errettung ausgesprochen. Der Papst hat ebenfalls ein Glnckwnrrjchtelcgramm an den Kaiser Alexander gesandt.
Anch die italienische Regierung hat die Eröffnung der Kammern dazu benützt, um ein Frie- densprvgramin zu verkünden. In der Thronrede wird feierlich erklärt, daß die Erhaltung des Friedens in den Wünschen und im Interesse Italiens liege. Jedenfalls kann mau mit Genugthuuug kvustatireii, daß Friedensbetheuerungeu überall zur marktgängiger: Münze geworden sind.
Schweiz.
Gegen den 1. Mürz kann der Gotthardt durchbrochen sein; die schweizerische Post beabsichtigt, schon nächsten Sommer die Eilwagen durch den Tunnel gehen zu lassen. Für die Eisenbahn wird dieser erst Mitte 1882 fertig lein.
Das Dorf Riein in Granbünden wurde dieser Tage ein Raub der Flammen. Versichert war wenig, sozusagen nichts, darum ist die Noch groß und Hilfe dringend nöthig.
Frankreich.
Paris, 19. Febr. Der vorgestern hier verhaftete Russe K. ist dem Vernehmen nach beschuldigt, daß er der Urheber des Attentats aus der Moskauer Eisenbahn sei. (N.-Ztg.)
Paris, 20. Febr. Das Beglückwünschnngstc- legramm des Präsidenten Group hat der Kaiser von Rußland mit einem Telegramm beantwortet, in welchem es heißt: „Ich danke Ihnen herzlich für die von Ihnen ausgedrückten Gefühle. Der Geist des Bösen ermüdet nicht, noch weniger aber die göttliche Gnade. Ich rechne mit Zuversicht ans die Sympathie der rechtschaffenen Leute."
In bonapartistischen Kreisen macht sich eine tiefe Mißstimmung über den Umstand geltend, daß der Kaiser von Rußland den General Fleuch, welcher in persönlichen Angelegenheiten dort eingetroffen sei, nicht empfangen habe. Bekanntlich verlautete bei der Durchreise des Generals Flenry durch Berlin, daß derselbe einer speeielten Einladung des Ezaren zur Beiwvhnnng der Festlichleiten anläßlich des bevorstehenden Regierungs - Jubiläums folge. Da die Anwesenheit des Generals Flenry in der russischen Hauptstadt infolge der ihm erwiesenen Auszeichnungen in französischen Regiernngskreisen mißliebig bemerkt wurde, scheint man eine Nectisieativn für angezeigt gehalten zu haben. In bonapartistischen Blättern hatte man geradezu behauptet, das; General Flenry in hochpolitischer Mission sich nach Petersburg begeben habe.
Die Vorrichtung, den Magen vermittelst eines eingeführten Schlauches zu waschen, ist schvn seit etwa 15 Jahren bei Aerzten in Gebrauch. Das Instrument ist nicht von einem Herrn Faucher in Paris erfunden, sondern Ende der sechziger Jahre von IN. Pawollek, damals Assistenzarzt der Poliklinik zu Marburg. Dieser sogenannte „Pawvllel - sche Magenheber" ist übrigen» mit der vielfach im Gebrauch stehenden Magenpumpe nicht identisch. — England.
London, 19. Febr. Der Gemeinderath verwarf nach lebhafter Debatte den Vorschlag, eine Adresse an den Zar zu richten, mit 72 gegen 45 Stimmen.
Rußland.
St. Petersburg, 19. Febr. Eine offizielle Mittheilung über das Attentat lautet: Am 17. ds. Mts. Abends 6Vs Uhr fand im Wintcrpalais eine Explosion statt, verursacht durch eine beträchtliche Menge Dynamit. Dieselbe erfolgte unterhalb des Wachtsaales in der Richtung nach dem Speisesaale Sr. Majestät. Acht Soldaten sind todt, 45 verwundet. Der Umstand, daß die gewöhnliche Dinerstunde des Kaisers gewählt wurde, deutet die Absicht des Attentats aus die Person Sr. Majestät an. Die göttliche Vorsehung hat unfern erhabenen Herrn und die Mitglieder der kaiserlichen Familie irr Schutz ge
nommen. Die Untersuchung ist eröffnet. - Die „Agence russe" meldet: lieber die Urheber des Attentats liegen keine pnblicirbaren Nachrichten vor. Die Untersuchung dauert unansgesetzt fort. Der Speisesaal ist stark beschädigt; alle Fenster sind zertrümmert, der Fußboden gehoben. Außer den 8 durch die Explosion sofort zerschmetterten Soldaten sind noch 2 tvdtc Soldaten unter den Trümmern gefunden. Von den 45 Verwundeten sind inzwischen mehrere gestorben.
St. Petersburg. 20. Febr. „Gvlos" meldet: Die Dhnamitladnng, welche die Explosion verursachte, befand sich unter der Palaiswachstubc im KeUerraum, wo eine von 4 Tischlern bewohnte Tischlerwerkstatt war. Drei Tischler sind in Gewahrsam genommen, der vierte ist verschwunden. Die Dynamit ladnng wird nach den ungerichteter, Beschädigungen ans 4 Pnd (64 Igo geschätzt. Das Winterpalais und die anderen Palais und Krvbgebänden werden von dazu beorderten Sappeurs genau untersucht. Heute findet die Beerdigung der bei der Explosion" Getödteten oder an ihren Wunden gestorbenen Soldaten des sinnländischen Garderegiments statt. Die Gesanimt- zahl der Gctödtetcri betrügt 10, darunter ein Palais- dicncr: verwundet sind 47 Soldaten und ein Palaisdiener. iSt.-A.r
Petersburg, 2l. Febr. Das Leichenbegängnis; der bei der Explosion verunglückten Soldaten fand gestern im Beisein des Regimerischcss, des Großfürsten Konstantin, unter großer Betheilignng von Offizieren aller Grade der hiesigen Garnison und der Bevölkerung statt. Die Särge wurden von Offizieren getragen. Der Kaiser und der Thronfolger wohnten der Leichenscierlichkeit in der Kaserne des Regiments bei und besuchten sodann die Verwundeten in dein Lazarett). Gestern starb der elfte Soldat in Folge seiner Verwundung bei der Explosion.
Petersburg. Geradezu unfaßbar ist eS, daß die Vorbereitungen znm Attentate ohne polizeiliche Störung vollzogen werden konnten, und doch wendete Kaiser Alexander während seines letzten Aufenthaltes im Winterpalais alle Vorsichtsmaßregeln an, die einem so mächtigen Herrscher zur Verfügung stehen. Er zeigte sich selten außerhalb des Palais, und auch in dieses erhielten nur die höheren Beamten und das diplomatische Personal Eintritt. In der Küche waren, wie der „Germania" glaubwürdig berichtet wird, zwei Vertrante des Kaisers mit der Beaufsichtigung des Koches und mit der Prüfung der Speisen beauftragt, die ans der Tafel des Hofes Platz finden sollten. Selbst Briefe und Gesuche und Immediateingaben soll der Kaiser Alexander seit dem wiederholten Attentat nicht angerührt haben, da es sich einmal erwiesen hat, daß eins der Schriftstücke mit einem starken Gift getränkt war. lind fuhr der Kaiser einmal aus, was in letzter Zeit gewöhnlich nur behufs Entgegennahme der militärischen Paraden geschah, so war er regelmäßig von einem starken Corivvi begleitet, während ringsum ein ganzer Schwarm geheimer Polizeibeamten dafür Sorge trug, daß kein irgendwie verdächtiges Individuum in die Nahe des Monarchen gelangte. Mit einem Worte, es wurde Alles gethan und nichts unterlassen, was der Gene- ralgvuverncur und der Chef der III. Abtheilnng der geheimen Kanzlei des Kaisers zur Sicherung des Lebens des Herrschers vor den Anschlägen der Nihilisten für ersprießlich erachteten, trotzdem geschah das Schreckliche.
lieber die Verbreitung des Nihilismus in der russischen Armee wird der „Pos. Ztg." geschrieben: Unter den bei den Nihilisten beschlagnahmten Papieren befand sich eine chiffrirte Depesche, welche in der 3. Abtheilung der kaiserlichen Kanzlei nur mit Mühe enträthselt werden konnte. Aus dieser Depesche geht hervor, daß eine bedeutende Anzahl von Offizieren der Lillieritrnppeil, ja sogar der Garde, wie nicht minder einige Grvßwürdenträger, selbst solche, die der Person des Kaisers nahe stehen, rnit den Nihilisten in Verbindung getreten sind, um den Kaiser endlich zu nöthigen, dem Lande eine Konstitution, der Armee, Presse und den Schulen mehr Freiheit zu geben. Die Entdeckung dieser Depesche, wie anderer Schriftstücke soll einen tiefen Eindruck hervorgebracht haben. Als dem Kaiser ihr Inhalt mitgetheilt wurde, ließ er sofort den Grafen Schuwalosf zu sich berufen, mit dem er lange konferirte. Später wurde der Großfürst-Thronfolger zum Kaiser berufen: über die Unterhaltung Beider verlautet selbstverständlich nichts. Türkei.
Konstantinopel, 22. Febr. Oberst Synge,