Mro. 121
60. Jahrgang
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Amts- »ml I»telkige»Matt für äea Aeziek.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückrmgsgebühr beträgt 9 -I, p, Spalte im Bezirk, sonst 12 H.
Dienstag, äen 13. Oktober 1885.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 «kL 30 H, sonst in ganz Württemberg 2 70 H.
AnrMche Wekanntnrcrchungen.
Calw.
An die Ortsvorsteher.
Da bestehender Vorschrift gemäß vor dem Eintritt der kälteren Jahreszeit die feuerpolizeilichen Vorschriften zur öffentlichen Kennt- niß gebracht werden müssen, werden die Ortsvorsteher beauftragt, die Bestimmungen der K. Verordnung vom 21. Dez. 1876 (Reg.-Bl. S. 513 ff.) betreffend die Feuerpolizei alsbald in ortsüblicher Weise zu verkündigen, deren strenge Einhalt zu überwachen und auch die Ortsfeuerfchauer und Polizeidiener zu getreuer Erfüllung der ihnen in dieser Richtung obliegenden Verpflichtungen anzuhalten.
Ueber die erfolgte Verkündigung ist im Schultheißenamtsprotokoll Eintrag zu machen.
Den 10. Oktober 1885. K. Oberamt.
Flaxland.
Calw.
An die Ortsvorsteher.
Indem die Ortsvorsseher des Bezirks auf den Ministerial-Erlaß vom 24. v. M. betr. die Anzeigen und Untersuchungen -er Unfälle (Min.- Amtsblatt S. 266) zur genauen Nachachtung Hiemil hingewiesen werden, werden dieselben benachrichtigt , daß ihnen mit nächster Post ein Exemplar des vom Reichsversicherungsamt für die von den Betriebsunternehmern den Ortspolizeibehörden zu erstattenden Anzeigen festgestellten Formulars zur Kennt- nißnahme und Aufbewahrung in der Gemeinde-Registratur zugehen wird.
Zur etwaigen Bestellung des erforderlichen Formularvorraths ist der Sendung ein Bestellzettel der Kohlhammerffchen Buchdruckerei beigelegt.
Den 11. Oktober 1885. K. Oberamt.
_ Flaxland.
Calw.
An -re Ortsvorsteher.
Mit dem in vorstehendem Erlaß erwähnten Formular für die Gemeinde- Registratur gehen den Ortsvorstehern der in Betracht kommenden Gemeinden die Mitgliedscheine für die Mitglieder der Württ. Baugewerks-Berufsgenoffen- schaft und für diejenigen der Südwestdeutschen Holzberufsgenoffenschaft sammt
je zwei Formularen für Unfallanzeigen mit dem Auftrag zu, solche den Beteiligten ohne Verzug zustellen zu lassen.
Die fernerhin einkommenden Mitgliedscheine anderer Berufsgenossenschaften werden den Ortsvorstehern in gleicher Weise ohne Begleitschreiben zugehen und wird deren pünktliche Zustellung an die Mitglieder erwartet.
Gleichzeitig werden die Ortsvorsteher beauftragt, die Inhaber von unfallversicherungspflichtigen Betrieben, welche den obengenannten wie anderweitigen Berufsgenossenschaften zugehören, sich aber bis jetzt nicht angemeldet haben, zu sofortiger Anmeldung zu veranlassen. (Vgl. § 35 und 36 des Reichsgesetzes vom 6. Juli 1883, Relchs-Ges.-Bl. S. 69.)
Den 11. Okt. 1885. K. Lberamt.
_ - _ Flaxland.
Calw.
«An die Ortsvorsteher.
Die Ortsvorsteher derjenigen Gemeinden, in welchen Krankenkassen (Ortskrankenkaffen, Hilfskassen) und Krankenpflegeversicherungskassen ihren Sitz haben, werden hiemit beauftragt, den Vorständen dieser Kassen von dem Ministerial-Erlaß vom 20. Aug. d. I. (Minist.-Amtsbl. S. 236) Eröffnung zu machen und daß dieß geschehen ist, binnen 10 Tagen hieher anzuzeigen.
Den 11. Okt. 1885. K. Oberamt.
- Flaxland.
'AoLAifche Wachvichten.
Deutsches Reich.
zv. 6. Stuttgart, 8. Okt. Von einem Wiederbeginn des Landtags im Monat November ist gegenwärtig in verschiedenen Zeitungen des In- und Auslandes die Rede. So viel wir vernehmen, steht darüber noch gar nichts fest und haben auch noch keinerlei Beratungen darüber stattgefun- den. Nichtig ist dagegen, daß der Wiederzusammentritt des Landtags für den Spätherbst schon zur Zeit der Vertagung in Aussicht genommen war. Wie weit aber die vorbereitenden Geschäfte sind und ob genug zubereiteter Stoff vorliegt, um wenigstens mehrere Wochen beraten zu können, darüber ist uns zur Zeit noch nichts zur Kenntnis gekommen, daher derartige Nachrichten jedenfalls mit Vorsicht und nur als das aufzunehmen sind, als was sie wohl auch nur gelten sollen, als Vermutungen.
IrSUiAelSN. «Nachdruck °-rb°tm.>
Kin Arauenl'eöen.
Roman aus den baltischen Provinzen Rußlands.
Von Milly Pabst.
(Fortsetzung.)
Am anderen Morgen ließ Feodor sich zu ungewöhnlich früher Stunde melden. Verwundert vernahm Aglaja das, warf noch einen Blick in den Spiegel, um ihr kokettes Negligee zu prüfen und trat dann mit einem erfreuten Blick und glücklichem Lächeln in's Boudoir.
Feodor war im Reiseanzuge und sah ernst und feierlich aus. Bestürzt rief Aglaja:
„Was ist geschehen, mein Freund? Du willst mich verlassen?"
Schweigend nahm Feodor ein Papier aus seiner Brusttasche und reichte es mit tiefernster Miene Aglaja hin. Es war die Vorladung zur Scheidung im Konsistorium — festgesetzt auf den zweitnächsten Tag.
Aglaja mußte alle ihre Willenskraft aufbieten, um den wilden Triumph, der ihr Herz erfüllte, nicht allzu sichtbar auf ihrem Antlitz Hervorbrechen zu lassen.
Stumm sank sie in seine Arme und barg ihr Haupt an seine Brust.
„Aglaja", begann Feodor tiefbewegt, „die Stunde der Entscheidung ist dal Versprich mir, wenn Du mein Weib geworden, mich bis an's Ende ebenso zu lieben, wie jetzt! Denn nur die Gewißheit Deiner und meiner überschwänglichen Liebe läßt nur den bevorstehenden Schritt weniger verächtlich erscheinen, diese Gewißheit soll mir den schweren Gang zum Gericht erleichtern!"
„Feodor", entgegnete Aglaja mit leisem Vorwurf, „Du kannst noch nach allem, was geschehen, an meiner unauslöschlichen Liebe zu Dir zweifeln?! Habe ich Dir nicht Alles geopfert, die Welt mit ihren Vergnügungen und Zerstreuungen, ja, mein Teuerstes meine Ehre — mich selbst?! Du
thust mir weh mit Deiner Bitte, Du Heißgeliebter! Ich habe noch nie ein Versprechen von Dir gefordert; meine Liebe zu Dir ist uneiqennübia — selbstlos!—" "
„Vergib, mein Engel", bat er, ich wollte Dir nicht wehe thun! Es war nur die Angst, Deine Liebe zu mir — dem Schuldigen — könnte einst schwinden, die mir die Liebe diktierte!"
Aglaja erhob den schönen Kopf.
„Du bist nicht so schuldig, wie Du glaubst, Geliebter. Die Allmacht unserer Liebe entschuldigt uns." >
Und mit verführerischem Lächeln bot sie ihm die Purpurlippen zum Kusse.
Noch einmal drückte er sie heftig an sich — dann riß er sich los. Er durfte nun nicht mehr zögern, wollte er den nächsten Zug noch benutzen und rechtzeitig im Hardershof eintreffen. —
Aglaja frohlockte. Nun war in wenigen Tagen der gefürchtete Moment vorüber und binnen einen Monats konnte sie schon Herrin auf Hardershof sein. O, wie würden sie vor Neid bersten, ihre sogenannten Freundinnen, wenn sie ihre prachtvollen Gemächer, ihre glänzende Toilette bewundern werden müssen! O, sie wollte schon eine Rolle spielen, trotz aller bösen Zungen, die gewiß nicht schweigen werden, wenn nach wenigen Monden Gut Hardershof schon einen — Erbprinzen bekam!
Inzwischen entführte das Dampfroß Feodor mit Windeseile der Residenz.
Je näher er den heimatlichen Fluren kam, desto unruhiger und aufgeregter wurde er. Er sollte vor Lina treten, vor sein verratenes Weib! — Und wieder erstand das Schreckensbild seines Traumes vor seinem inneren Auge!
Erschöpft und von rastlosen anklagenden Gedanken gepeinigt, langte er früh am andern Tage in Hardershof an. Es blieb ihm nur Zeit, seine Toilette zu wechseln, denn sofort mußte er nach R. zum Konsistorium.
Einige Zeilen von der Hand seiner Mutter sagten ihm, daß sie schon am Tage vorher abgereist sei und im Hotel „St. Petersburg" auf ihn warte, um mit ihm zugleich zum Konsistorium zu fahren.
In fieberhafter Eile ordnete Feodor seine Toilette — dann ging's fort! Noch nie war ihm der Weg zur Station so endlos lang erschienen, obgleich