mitten im Walde gelegene Station Maulbronn. Be­kränzte Wagen brachten die Sänger an den Bestim­mungsort. Maulbronn zeigte sich in schönem Festgewand, indem die Häuser beflaggt oder bekränzt waren; auch Ehrenpforten mit passenden Inschriften waren ange­bracht. Nach der Hauptprobe war gemeinsames Mit­tagessen mit über 200 Gedecken. Um 2'/, Ubr gieng ein stattlicher Zug vo» Sängerinnen und Sängern unter dem Geläute der Glocken in die geräumige, alt- ehrwürdige Klosterkirche, die gerade vor 700 Jahren erbaut wurde. Der Chor, in welchem eine neue Orgel von Walker aufgestellt war, füllte sich mit über 200 Sängern; eine große Menge von Zuhörern sammelte sich im Schiff der Kirche. Zuerst sang die ganze Ge­meinde, dann hielt Prälat v. Gerok über Psalm 8l die gelungene Festrede, in welcher die Bedeutung des Chorgesangs für unsre Gottesdienste klar dargelegt wurde. In der Aufführung, welche Stadlpsarrer Köstlin von Friedrich-Hafen, seither in Maulbronn, leitete, wechselten Choräle, kleinere »nd größere Chöre, worunter auch ein Schüler- und Männerchor. Alle hatten das christliche Kirchenjahr mit Weihnachts-, Passions-, und Osterkreis zum Gegenstand. Dazwischen sang die Gemeinde, und Repetent Roller sprach die biblischen Verbindungsworte. Sämmtliche Chöre wur­den mit Würde und Präzision vorgetragen und all­seitig mit Befriedigung ausgenommen. Nach der kirch­lichen Feier sand eine Bereinigung im schönen Speisesaal der früheren Klosterbrüder statt, wo leibliche Erquick­ungen warteten. Hier wechselten Reden, Toaste und Gesänge der einzelnen Vereine; auch Begrüßungstcle- gramme an König Karl und Kaiser Wilhelm gingen ab, bis gegen 7 Uhr die Schwarzwatooereine mit Aus­nahme von Sulz auf den Bahnhof abgeholt wurden, um mit einem Extrazug nach Pforzheim und von dort wieder in die Heimat zu gelangen.

* Wenn die warme Witterung anhält und sich dem Weinstock auch ferner günstig zeigt, so werden die Emminger ihren eigenen Neuen trinken, denn gegenwärtig steht die Rebenanlage des dortigen Ge­meindepflegers in schönster Blüthe.

Calw, 24. Juni. In unserem, dem VII. Reichs- tagswahlkceise, wird der 30. Juli keine Aenderung herbeiführen. Der bisherige Abgeordnete, Fabrikant Julius Staelin hier, hat durch sein Verhalten im Reichstag, durch seine in streng nationalem Sinne ge­haltenen Abstimmungen, namentlich durch seine Zu­stimmung zu dem Ausnahmegesetze, das Vertrauen seiner Wähler aus sämmtlichen 4 Obecamlsbezirken Calw, Herrenberg, Nagold und Neuenbürg in einer Weise gerechtfertigt, daß sein Name wohl mit noch größerer Mehrheit aus der Urne hervorgehen wird, als bei der früheren Wahl, deren Ergebniß schon an Einstimmigkeit grenzte; ein Gegenkandidat hätte ledig­lich keine Aussicht auf günstigen Erfolg. Das erfahren wir besonders auch aus dem zuletzt genannten Ober- amtsbezirke, in welchem früher da und dort noch eini­ges Vorurtheil gegen Herrn Staelin obwaltete. Dieser hat bereits erklärt, dem durch etwaige Wiederwahl an ihn ergehenden ehrenvollen Rufe gerne folgen zu wollen.

Calw, 24. Juni. Am verflossenen Sonntag erfreute sich die Schwarzwaldbahn einer lebhaften Frequenz, da sich hier und in Teinach mehrere größere Gesellschaften zusammen bestellt hatten; in Calw waren versammelt Juristen und Beamte ans Baden und Württemberg, sowie die Herren Professoren von dem Stuttgarter und dem Karlsruher Polytechnikum; in Teinach wurde eine Versammlung von Naturforschern abgehalten; am gleichen Tage feierten die Buchdrucker- gehilsen von Karlsruhe und Pforzheim in letzterer Stadt das Gutlenbergsfest. (Neue Ztg.)

Der Fabrikarbeiter und Wirth Jakob Friedr. Na sch old von Calw wurde vom Schwurgericht dingen wegen versuchter Brandstiftung, welcher er ge­ständig sich zeigte, zu 2'/s Jahr Zuchthaus und 5 Jahr Ehrverlust verunheilt.

Herrenberg, 23 Juni. Die Untersuchung der Attentäter von Unterjesingen geht trotz des großen Fleißes des Untersuchungsrichters langsam und schwie­rig vorwärts, da die Angeklagten sich trotz aller Er­mahnungen nicht hecbeilassen, Geständnisse abzulegen. Mit unseren Rindvieh-Fleischpreisen liegen wir sehr im Argen; ringsum stehen die Preise auf 6064 ^>, bei uns schon lange Zeit auf 68 L. Es wäre sehr angezeigt, wenn sich bei uns ein Consum-Verein grün­dete, denn es ist in der That nicht zum Aushalten.

Stuttgart, 24. Juni. (Reichskandidaten.) Ueber die diesmaligen Kandidaturen für den Reichstag be­richtet dieWürtternbergische Korrespondenz" folgendes: Als definitive Kandidaten treten in Württemberg auf, resp. wieder auf: Fürst von Hohenlohe-Langenburg, bisheriger Abgeordneter im 12. Wahlkreis, staat-minister Frhr. v.

Barnbüler, bish. Abg. im 2., Oberfittanzrath Knapp, bish. Adg. im 4., Fabrikant Stalin, bish. Adg. im 7., Oberbürgerm. Heim (?), bish. Abg. im 14., Oderfinanz rath v. Schmid, bish. Abg. im 1L. Wahlkreis. Diese ge­hören sämmtiich der (frei-konservativen) Deutschen Reichs­partei an. An ihrer Wiederwahl ist nicht zu zweijein. Der­selben Partei dürsten sich im Falle ihres Sieges anschließen die Herren: v. Werner, Präsident der Centralstelle für die Landwirtdschast, Obertribunatrath v. Geh in Tübingen und Regierungsrath Daniel in Hall. Herr v. Werner wird im ö. Wahlkreis kandidatiren (seitheriger Abg. war der Demokrat Netter), Herr v. Geh gegen Payer im 6 . Herr Daniel (dessen Kandidatur übrigens noch nicht ganz definitiv zu sein scheint) im 11. Vertreter des letzteren Wahlkreises war bis­her Herr Hofrath Buhler. Im 13., 16. und 17. Wahlkreis werden die seitherigen Abgeordneten Leonhard, Grat v. Bissingen und Graf Konstantin v. Zeit (alle 3 Mit­glieder des Zentrums) wieder austreten. Herr Moriz Mobl tritt nicht wieder gegen Leonhard aus. Im 1. Wahlkreis spricht man von 3 Namen: Kammerpräsident v. Holder, bish. Abg-, Geheimer Rath v. Fader und Bankdirektor Karl Fetzer. Elfterer gehört der nationalliberalen Partei an, Herr o. Faber würde sich voraussichtlich der frei-konser­vativen, Herr Fetzer der deutsch-konservativen Partei an schließen. Verschiedene Blätter wollen zwar wißen, daß Herr v. Hölder diesmal nicht als Kandidat für Stuttgart austreten wolle, wir halten aber diese Meldung für mindestens ver­früht. Dis Sozialdemokraten haben den vr. Dulk als Kandidaten aufgestellt. Im 3. Wahlkreis (Heilbronn) tritt der Gerichtshosdireitor v. Huber lnationaltiberal) nicht wieder auf. Man nennt bis jetzt die Herren v. Rum et in, Kanzler der Universität Tübingen, geb. Heiibronner, (frei- konservativ), und Oberbürgermeister Wüst in Heilbronn (frei- konservativ), von denen der eine oder andere (nicht gegen­einander) kandidiren dürste. Im 8. Wahlkreis nennt man bis jetzt die Herren Freiherr Hans v. Ow oder Oekonomie- raih Schosser (beide frei-konservativ) als mögliche Kandi­daten. Wer im 9. Wahlkreis gegen den fortschrittlichen bisherigen Abgeordneten schwarz auftritt, ist noch nicht bekannt. Jedenfalls wird ihm ein Gegenkandidat gegen- übergcstellt werden. Im 10. Wahlkreis tritt der bisherige Abgeordnete, Negiernngsrath Diefenbach nicht wieder aus; wer an seiner Stelle kandidiren wird, tft bis jetzt noch nicht bestimmt.

Cannstatt, 24. Juni. Hsnte Abend fand un­ter großer Betheilignng die Enthüllung des Grab- Denkmals Ferdinand Freiligrath's stall. Nach der Weihe-Rede des Professors Klaiber fiel die Hülle, gezogen von den noch im jugendlichen Alter stehenden Enkeln des Dichters; die erzene Kolossal-Büste ist ein Werk Donndorf's

Cannstatt, 24. Juni. Vom Lokalagenten war aus gestern Abend in das Gasthaus zum Krahnen eine öffentliche sozialdemokratische Volksversammlung einbe rufen worden. Auf diese Einladung fanden sich nun so viele antisozialistische Elemente im Saale ein, daß eine Sozialdemokratenversammlung unmöglich gemacht wurde.

Im Bezirk Eßlingen sind Heuer 670 Simri Maikäfer mit einem Kostenaufwand für die Gemeinden von 482 gesammelt worden.

Nachtrag zur Tagesordnung für die Schwur- gerichrssitzungen in Tübingen im zweiten Quartal des Jahres 1878. 11) Mittwoch den 3. Juli: Anklagesache gegen den Ziegler Christoph Nolhfnß von Gräfenhausen, OA. Neuenbürg, wegen Beleidigung des Kaisers; 12) Mitt­woch den 3. Juli: Änkiagesache gegen den Schreiner Johann Martin Gutvrod von Mägerkingen, OA. Reutlingen, we­gen Beleidigung des Kaisers; 13) Donnerstag den 4 Juli: .Anklagesache gegen Karl Hummel von Donzdorf, vormali- l gen Güterabferlignngsgehilfen in Metzingen, wegen mehrerer mit falscher Beurkundung verbundener, durch Rechnungsfäl- schung erschwerter Unterschlagung im Amte; 14) Freitag den 5. Juli: Anklagesache gegen die ledige Dienstmagd Marianne , Schach von Pottringen, OA. Herrenberg, wegen Kindsmords.

In Sin ns he im (bei Mettringen) und in Mulfingen, OA. Künzelsau, brannte durch Blitzschlag je ein Haus mit Scheuer ab, in Künzelsau selbst aus gleicher Ursache eine vollgefüllte Scheuer.

München, 21. Juni. Alle in München leben­den, wehrpflichtigen Oe st reich er wurden zu ihren Abthellungen einberufen.

München, 24. Juni. Laut Beschluß der Po­lizei-Direktion ist der socialdemokratische Arbeiterverein Hierselbst geschlossen worden.

Bürgermeister v. Stromer in Nürnberg machte den städtischen Behörden die Mittheilung, daß ihm ein Brief mit der Drohung zugekommen sei, daß, wenn nicht bis zum 1. Juli olle fremden Arbeiter entlassen würden, Nürnberg an allen 4 Ecken angezündet werde. Der Brief trägt die Unterschrift:Die feiernden Ar-

- beiter. Einer für Alle."

Dresden, 22. Juni. Die Fortschritts- und die nationalliberale Partei im Landtag haben sich ge­einigt, bei den Reichstagswahlen überall in Sachsen zusammenzugehen und sich in jeder Beziehung voll und

- aufrichtig zu unterstützen.

Berlin, 22. Juni. Mir scheint, daß man jetzt

> nirgendwo ruhiger und verständiger über Attentat, Socialisten und Neuwahl urtheilt, als gerade am Schauplatze des Attentats, in Berlin selbst. Es stellt sich jetzt heraus, daß die Polizei-Reporter, die osficiöse Presse und das Wolff'sche Telegraphen-Bureau in den

ersten auf das Attentat folgenden Tagen ganz abscheu­lich gelogen haben und dadurch zum Theil eine siebe» haste Aufregung im Lande entstanden ist. Das Attentat war eine ohnehin erschütternde Thalsache, deren Eindruck wahrlich nicht mehr künstlich gesteigert zu werden brauchte. Alles, was von Erklärungen Nobiling's, von weitver­zweigten Verschwörungen und dergleichen in die Welt hinaus telegraphirt wurde, hat sich absolut nicht be­stätigt. Nicht der mindeste Anhalt liegt vor für eine Verbindung Nobiling's mit Führern der Socialisten- Parlei. Aber die große Menge hat in der Aufregung jene Nachrichten verschlungen; die Berichtigungen wer­den ihr nicht in derselben Weise zugeführt. Wie das Attentat selbst ihre Geschichte schändet, so wird auch Manches, was demselben an Begebenheiten gefolgt ist und in den Wahlkämpfen noch folgen wird, einst der deutschen Geschichte nicht sonderlich zur Ehre gereichen. Bei den Denunciationen wegen Majestäts-Beleidigung haben falsche Angaben, Mißverständnisse und niedrigste Rachsucht vielfach auch eine große Rolle gespielt.

Berlin, 22. Juni. Die Kongreßnachrichten lauten heule nicht günstig. Die bulgarische Frage will sich keiner Lösung fügen; nach einem Berichterstatter derKöln. Ztg." wäre sogar die Besorgniß nicht ganz grundlos, daß der Kongreß an dieser Frage scheitern könnte. AuchStandard" sieht die Lage als sehr kritisch an, der Krieg sei noch immer möglich Die bulgarische Frage wurde von Ansang an als die Haupt­schwierigkeil des Kongresses angesehen, und man weiß es der Leitung des Kongresses allgemein lebhaft Dank, daß sie dieselbe in den Vordergrund der Debatten ge­stellt hat, weil mit der Vereinbarung über diese Frage der Erfolg des Kongresses steht und fällt. Der bul­garischen Frage zu lieb wurde die letzte Kongreßsttzung vom Freilag auf Samstag verschoben, weil man die Borberathung über dieselbe am Freitag weiter zu för­dern gedachte. Diese Borberathung beschäftigte mehrere Tage hindurch gewissermaßen einen Sonderausschuß, welcher aus dem Fürsten Gorlschakoff, dem Grafen Schuwaloff und dem Grafen Andrnssy besteht. Zu den Konferenzen dieser Herren sind vielfach russische und österreichische Militärs hinzugezogen worden, da man sich hauptsächlich mit Grenzrcgulirungen beschäftigt. Bezüglich Nord-Bulgariens scheint man nach derNat.- Ztg." zu einer Verständigung gelangt zu sein, während hinsichtiich des südlichen Bulgariens dieGarantiefrage", d. h. die Gewährung von türkischen Garnisonen, Schwierigkeiten mache, da Rußland Bedenken trage, derartigen Forderungen zu entsprechen. Nach der Köln. Ztg." hätte Lord Beaconsfield betreffs der bulgarischen Frage gegen den Grafen Schuwaloff die offenste Sprache geführt.Er bemerkte unter Anderem, man möge es in Rußland vielleicht für eine gute Po­litik erachten, viel zu fordern, und wenig zu erhalten. England verfahre anders und sage gerade heraus sein erstes und sein letztes Wort. Rußland habe in San Stefano einen Frieden diktirt, der darauf ausgehe, die Türkei zu vernichten; er dagegen, Beaconsfield, sei nach Berlin gekommen, um die Türkei zu erhalten. Damit der Türkei die Möglichkeit gegeben werde, ein unabhängiges Dasein zu behaupte», sei es nöthig, daß sie ihre Grenzen verlheidigen könne, und daß nicht Rußland jeden Augenblick durch die Balkanpässe gegen Konstantinopel hervorzubrechen vermöge.- Der Balkan und seine Pässe müssen in den Händen der Türkei verbleiben. Wenn Rußland in diese nothwendige For­derung willige, so hege er die beste Hoffnung, daß auch alle übrigen Punkte geregelt würden und der Friede erhalten bleibe, wo nicht, so bleibe nur der Krieg übrig, und es sei besser, ihn heute als morgen anzufangen." Angesichts dieser entschlossenen Sprache ist Oberst Bogoljubow nach Petersburg gereist behufs Einholung von Instruktionen bei dem Zaren. Trotz der gespannten augenblicklichen Lage behauptet sich die Hoffnung, daß der Kongreß dennoch zum Frieden füh­ren werde.Die besten Kenner Rußlands, schreibt die Köln. Ztg.", behaupten, das Reich sei zu erschöpft, um einen neuen Krieg mit Erfolg führen zu können. Die englischen Staatsmänner, die ihrerseits über uner­schöpfliche Hülfmittel gebieten, kennen die Lage Rußlands sehr wohl, wollen sie aber keineswegs übermüthiger Weise ausbeuten, sondern erklären,'daß sie von Rußland nur das unumgänglich Nothwendige verlangen." Große Hoffnung setzt man auf das einige Vorgehen Englands und Oesterreichs, das Rußland zur Nachgiebigkeit zwingen werde; es heißt denn auch heute, allerdings noch unverbürgt, Rußland habe der gemeinsamen For­derung dieser beiden Mächte bereits nachgegeben und den Komm des Balkans als die Grenzlinie für Süd­bulgarien so wie das Recht der Garnisonirung für die Türkei am südlichen Abhange des Gebirges zugestandeu.