trachte; ec habe nie Grund zum Haß gegeben. Sämmt-
liche Monarchen, zuerst der König von Belgien, haben den Kaiser telegraphisch beglückwünscht. Die Großherzogin von Baden verfiel, laut einer Depesche der „Fr. Ztg". nach dem Attentat in eine Ohnmacht. — Welch' große, inhaltschwere Entscheidung ist über dem Haupt der nichts ahnenden Welt dahingcrauscht. Eine kleine Hebung oder Senkung der Pistole mehr , ein kaum zu berechnendes Etwas und das der Nation so theure Leben wäre verhaucht, eines der kostbarsten Blätter unserer Geschichte mit blutigem Verbrechen befleckt, eine unlöschbare Schmach dem de nt scheu Namen zugesügt. Denn umsonst sträubt sich der Einzelne in der Nation gegen das unumstößliche Gesetz, welches auf das Haupt der Gesammtheil ladet, was jeder ihrer Angehörigen im Guten und im Schlimmen gethan. Der Gedanke, daß der Wiederher- stcller des deutschen Reiches sein großes und ruhmreiches Leben von der Hand eines deutschen Meuchelmörders hätte verlieren können, bereitet uns ein doppeltes Grauen. Hat doch der Kaiser aus manchem Schlachtfelde die Kugeln um sich pfeifen hören, und das Schicksal, das Tausenden von tapfer» Kriegern bereitet wurde, hätte ihn bei Königgrätz, wie bei Gravelotte treffen könne». Es wäre ein schöner Soldatemod von feindlichen Kugeln gewesen und der Kaiser hat ihn nicht gescheut, noch gefürchtet. Aber den tapferen allen Krieger, den greisen Vater neben seiner Tochter, den wohlwollendsten Herrscher durch tückischen Meuchelmord von einem unwürdigen Sohne des eigenen deutschen Vaterlandes bedroht zu sehen — welch ein Btto qewäyrl dieser Gedanke! Wohl uns, ruft ein Berliner Blatt aus, wohl uns und unseren fernsten Nachkommen, daß diese Gefahr vorübergegangen ist.
Der §. 80 des R.St.G.B., welcher bei dem jüngsten Attentat auf den Kaiser in Betracht kommt, lautet: „Der Mord undderBersuchdes Mordes, welcher an dem Kaiser, an dem eigenen Landesherren, oder während des Aufenthalts in einem Bundesstaat an dem Landesherr» dieses Staates verübt worden sind, werden als Hochverrath mit dem Tod bestraft."
Berlin. Die naiionalliberale Fraktion hat sich dahin schlüssig gemacht, daß als die Gegenstände, für welche die Erledigung noch in dieser Session in Aussicht zu nehmen sei, die folgenden zu velrachlen wären, nämlich die Vorlagen über Gewerbegerichte, Gewerbeordnung, Auwaltsordnuug, Gebührenordnung, das Enquötcgesetz, rumänischer Handelsvertrag, Goll- hardbuhn, schwedisch-norwegischer Auslieferungsvertrag, Matrikularbeitragsgesetz, Servisgcsctz, Gesetz über die Verfälschung der Nahrungsmittel, Spielkartenstempel, Militäranleihe. Die Session soll nach den getroffenen Bestimmungen am Mittwoch vor Himmelfahrt geschlossen werden. Dabei setzt das Präsidium die Bereitwilligkeit des Hauses voraus, täglich zu Plenarsitzungen zusammenzutrelen.
Nach dem Berliner Fremdeublatt wird der Kaiser von Marokko eine glänzende Gesandtschaft als Erwiderung auf die von dem Kaiser Wilhelm an ihn im vorigen Jahre gerichtete nach Berlin schicken. Sie ist beauftragt, dem Kaiser kostbare Geschenke, unter vielen anderen auch einen Zug prachtvoller Berberrosse, zu überbringen. Die Gesandtschaft wird an der Grenze Deutschlands feierlich empfangen und nach Berlin geleitet werden.
Im deutschen Reichstage sind 4g Petitionen mit mehr ats 20,000 Unterschriften in Sachen der Jmpffrage einge- lausen und in dem Petitionsausschuß einer gründlichen Unter- suckmng unterworfen worden. Die in Lebus (auch in der DZ. besprochene) mittelst des Jmpsens aus 26 Schulmädchen übertragene Syphilis und zwei ähnliche Fälle in Tschetschno und Buckau machten vor allen andern Anfsehen. Der Regierungs Commiffar Weymann bestätigte amtlich die Richtigkeit des Lebuser Vorfalls, der um so schrecklicher sei, weil den Jmpfarzt keine Schuld treffe, da der Stamm-Impfling sogar jetzt noch gesund sei. Er sprach im Namen der Regierung die Ansicht aus, daß die Nothwendigkeit der Impfzwang fortbestebe, daß aber der Impfzwang mit den nöthigen Schutzmaßregeln zu umgeben sei. Der Impfzwang lege dem Staate die Verpflichtung auf, das Impfen gefahrlos zu machen. Nur eine Methode gebe unbedingten Schutz, die Impfung mit thierischer (Kuhs- Lymphe, und diese sei durchführbar, wie in Hamburg, Berlin u. a. Städten bestehenden Anstalten, die nur mit thierischer Lymphe impfen, beweisen. Der Vertreter des Reichsgesund' heitsamtes. Geh. Rath. Finklendurg, schloß sich dieser Erklärung an, neue Schutzmaßregeln feien durchaus nothwendig. Seit LU—80 Jahren seien ungefähr 26 Fälle der Uebertragung von Krankheiten durch Impfung sestgestellt, nie aber so unzweifelhaft, wie in dem Lebuser Falle, obgleich den Arzt keinerlei Vorwurf treffe. Die Zwangs-Impfung könne trotzdem nicht aufgehoben werden, da die großartigen Erfolge der Impfung in der Verhütung der Ausbreitung der Pocken- epidennen statistisch und wissenschaftlich nachgewiesen seien.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 12. Mai. Minister Delbrück ist hier eingetroffen. — Bei dem deutschen Botschafter Grafen Srolberg erschienen heule die österreichischen Würdenträger und die hier akkreditirlen Botschafter, um ihre Gratulationen wegen des Mißlingens des Atteutais aus Kaiser Wilhelm darzubiingen.
Frankreich.
Paris, 12. Mai. Gestern gleich nach dem Bekanntwerden des Attentats auf den Kaiser Wilhelm beglückwünschte der Marschall Mac Mahon den Kaiser telegraphisch zu dem Fehljchlagen des ruchlosen Attentates. Die Journale sind einstimmig in Brandmarkung des Attentates. — Oberst Denfert, der Vertheidiger von Belfort, ist gestorben. Er war ein energischer Anhänger der Republik.
England.
London, 14. Mai. Die „Times" meldet, daß die russisch-türkischen Verhandlungen wegen Uebergabe der Festungen in Stillstand geralhen seien.
London, 14. Mai. Reuter meldet ans Kon stanlinopel, 13. Mai: Gras Zichy bezeichnet,: der Pforte die temporäre Okkupation Bosniens durch Oesterreich-Ungarn als erforderlich.
Rußland.
Wie man ans Petersburg berichtet, ist Wjcra Sassulilsch trotz des Freispruchs der Jury in einem „Hotel Garni", wo sie sich verbürgen hielt, ausgeforjchl und verhaftet worden; dagegen wird bestritten, daß ihr Vertheidiger Alaxandrow f-stgenom men worden sei.
Türkei.
Konstantinopel, 13. Mai. Die Pforte beschloß aus das peremtorische Verlangen ToUebenS die Festungen sofort zu räumen, Schumla zuerst, dann Varna, zutetzl Baium. Totteben sicherte zu, die russischen Truppen nach Adrianopel und Dedeagatsch zurückzuziehen. sowie Erzerum zu räumen, sobald obige Festungen von den Türken geräumt seien. Der „Daily Rews" meldet weiter: Totteben drohte Konstanlinopel zu okkupiren, wenn die Festungen nicht sofort übergeben würden. Osman Pascha berichte! im Ministerraihe, die türkische Armee sei nicht in der Verfassung, einer Okkupation Konstanlinopeis zu widerstehen.
Handel und Verkehr re.
sP reise der Lebensbedürfnisse in Stuttgart auf dein Wochenmartl vom 14. Mai 1873.) 1 Kilo iüße Butter 2. 40, 1 Kilo saure Butter 2. 20, 1 Kitv Rindschmalz 2. 60, 1 Kilo Schweineschmalz „« 1. 20, 1 Liter Milch 16 4, 10 frische Eier 50 4, 100 Kilo alte Kartoffeln -« 7, '/- Kilo Mastochsensieisch mit >/ro Zugabe 76 4, >/r Kilo Schweinefleisch 65 -1, '/s Kilo Kalbfleisch 70 4, sir Kilo Rindfleisch 65 4, Kilo Hammelfleisch 60 -4, 1 Kilo Ker< mnbrod 30 -4, 1 «ilo Schwarzbrod 28 4, 1 Paar Wecken wiegen 80 Gramm, 50 Kilo Heu 4L 2. 50, 1 Bund — 10 Kilo 50 -4, 50 Kilo neues Stroh .« 2, 1 Bund — 10 Kilo 40 4, 1 N. M. Buchenholz 4! 15, i R -M. Birkenholz 4L 12,
1 R.-M. Tannenholz 0.
Stuttgart, 13. Mai. (Land es Produktenbörse.) Auch unsere Börse vertief heute in recht ruhiger Haltung und der Verkehr beschränkte sich auf den »billigsten Bedarf. Wir »euren ver 100 Kiivgr.: Waizen ruff. 23 4L 50 4 bis 25 — 4, Waizen bayr. 23 4L 50 4 bis 24 .« 80 4.
Kernen 25 .« 20 4 bis 25 .« 40 4, Dinkel 16 4L 20 4 bis 16 .« 40 4, Hajer 15 .4L 60 4. Riehlpreise pro 100 Kilgr. inkl. Sak: Mehl Nro. 1: 37 4L bis 38 4L, Mehl Nro. 2: 34 .« bis 35 Mehl Nro. 3: 30 .« bis 31 4L, Mehl Nro. 4: 27 4L bis 28 4L
Mannheim, 12. Mai. Unter dem Eindruck der günstigen Frühjahrs-Witterung und der weichenden Tendenz der tonangebenden auswärtigen Märkte war die Stimmung im Getreibehandei während abgelaufener Woche ruhig und Preise zu Gunsten der Käufer. Wir notiren per 100 Kilos: Weizen je nach Qualität 23-25, Roggen 4L 16-16.50 für ruf- fischen und 4L 17—18 für pfälzischen und französischen, Gerste 20—19.50, Hafer 4L 14.50-16, Kohlreps 4L 36—36.50.
Vom oberen Neckarthal, 18. Mai. Wir haben anhaltend sehr fruchtbare Witterung mit warmen Gewitterregen. Ganz besonders zu statten kam die maste Witterung unseren Futterkräutern, so daß schon hie und da Klee geholt werden kann, ebenso steht der Wieswachs, daß man unter allen Umständen eine sehr gesegnete Heuernte erwarten darf. Obst wirb es auch ziemlich geben, mit Ausnahme von Birnen, welchen bei ihrer frühen Biüthe der reichliche Regen geschadet hat.
Freiburg i. Br., 8. Mai. Die heurige Kirschenernte scheint nicht so reichlich auSfallen zu wollen, als man hofsle. Das anhaltende Regenwetter während der Blüte und noch mehr allerlei schädliche Insekten haben die Ansätze sehr vermi ndert.
Nürnberg, 11. Mai. (Hopfen.) Der Donnerstags- markt war sehr ruhig : von 70 Ballen Umsatz sind 12 Ballen Hallertauer zu 68—72 8 Ballen Elsässer zu 58—62 4L
und Aischgründer zu 50—52 4L zu erwähnen. Gestern gingen nur 50 Ballen zu gedrückten Preisen ab, welche meistens aus Hallertanern bestanden und zu 45—68 gebandelt wurden. Im Allgemeinen ist die Tendenz im Verlauf der Woche weichend geblieben: gute Württembergec und Hallertauer in grüner Farbe blieben gefragt, da sie aber selten vorhanden, so kamen nur einige Abschlüsse zu gestrigen Preisen zu Stande.
Ulm, 8. Mai. (Wollmarkt.) Der diesjährige Wollmarkl findet wie bisher in der Veitswoche, und zwar Heuer am 13.. 14. und 15. Juni d. I. in den neu eingerichteten Markthallen statt. Die Einlagerung der Wolle kann schon von jetzt an geschehen und ist die sür den Markt bestimmte Wolle 4 Wochen vor Beginn und ebenso nach Beendigung des Marktes von einer Lagergebühr frei.
Falsche Münze.
Aus den Nachtseiten der Weltstadt.
Novelle von W. v. Strachwitz.
(Fortsetzung.)
Aus einer Reihe trüber, stürmischer Tage folgte ein heilerer sonniger Morgen. Frühlingslüsie wehten und weckten FrühliiigSahnuiigen, die Herzen und Knospen schwellen ließen. Es war Königs Geburtslag. Die Glocken von den unzähligen Thürmen der Riesenstadt begrüßte« ihn in festlichem Geläut, die Straßen prangten im Schmuck der Fahnen und Flaggen i» den nationalen Farben, die Bataillone schritten im Paradeanzug nach den Kirchen, die Universität, die Schulen rüstelen sich zur Feier; buntes, festliches Treiben überall.
Im Vorzimmer der Frau von Fries gab Grieben seine Karte ab mit der Frage, ob die gnädige Frau bereit sei ih» zu empfangen. Die zurückkehrende Dienerin forderte ihn auf, einzutreten.
Helene befand sich in elegantem Morgenanzuge. Sie erwiderte die Begrüßung unsers Freundes mit einem huldvollen Lächeln.
„Ich wollte mir die Frage erlauben, gnädige Frau, ob ich wohl das Glück habe» konnte, Sie zu einem Spaziergauge zu begleiten, um uns des herrlichen Wetters zu erfreuen und zugleich unser» patriotischen Empfiuduuduugeu genug zu lhuu, indem wir vor das königliche Palais pilgern."
„Unter Ihrem Schutze, würdiger Ritter, bin ich bereit," eutgegnete sie neckisch heiter, ihm die Hand zur Begrüßung reichend, die er an seine Lippen zog. Nur um einige Minuten Geduld bat sie, um ihre Toilette zu vervollständigen, und als sie nach deren Verlauf aus dem Nebeugemach wieder heranslrat, bot er ihr fernen Arm. Sie eilten hinab, wie beschwingt schrillen sie Sette an Seite durch die prächtigen Straßen, seren Namen jeder an einen der glorreichen deutsche» Siege erinnert, durch den Triumphbogen hinweg, durch welchen die Helden des Vaterlandes ihren Einzug zu halten pflegen in die Hauptstadt des Reiches »ach ruhmvollen Kämpfen — Frühlingserwachen in sich und um sich.
Der glänzende Platz, an welchen in einem Kranze von Prachtbauten das königliche Palais stößt, war bereits dicht augefüllt von einer sestlichgekleideten, fröhlichen Menge. Von der Hauptwache her erklangen die rauschenden Weisen der Wachtparade. Prunkende Equipagen fuhren vor, welche in ununterbrochener Reihe die an der Gratulaiionscour Theilnehmendcn herbeiführten, die Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hanfes, die fremden Fürstlichkeiten, die diplomatischen Vertreter des Auslandes.
Grieben wagte es, den Arm seiner Begleiterin an sich zu drücken.
Es kamen die Minister, die Generalität. Ein donnerndes Hoch begrüßte den sich aus der Equipage schwingenden Kanzler, ein gleiches den Chef des Generalstabes, den rühm- und ehrenbedeckten Feldmarschall.
„Helene!" unterbrach Grieben das Schweigen, indem die Beiden, inneren Glückes voll, neben einander wandelten. Es war das erste Mal, daß er sie so nannte.
Ein vieltausendstimmiges Hoch durchzitterte wieder die Luft, der greise Herrscher hatte sich grüßend der Menge am Fenster gezeigt. Hüte und Tücher wurden geschwenkt.
Grieben versenkte in seliger Selbstvergessenheit den Blick in das schöne Auge seiner Begleiterin.
„Helene, wollen Sie nicht verstehen, welche Empfindungen mein Herz erfüllen?"
Sie schlug die Augen nieder. „Sie vergessen den patriotischen Zweck, mein Freund, der uns hierher geführt," sprach sie freundlich abwehrend.
Wieder trat der Monarch ans Fenster, wieder schwenkten Tücher und Hüte und erschallten Jubelrufe. Auch unser junges Paar stimmte diesmal ein.
Die Menge begann sich zu zerstreuen; die Beiden folgten dem allgemeinen Strome. Sie sprachen Nichts; Grieben wagte es nicht, von seiner Liebe zu sprechen und für eine Unterhaltung über gleichgültige Dinge fand er in feiner bewegten Stimmung keinen Anknüpfungspunkt.
Vor einem renommirten Modengeschäft verabschiedete sich Helene. Auf den halb fragenden, halb bittenden Blick des jungen Mannes antwortete sie