auf dem Kongreß erscheinen möchten. Wer sonst noch erscheinen wird, ist zweifelhaft.
Wie die „christlichen Sozialisten" über „Mein und Dein" denken, darüber giebl die letzte Nummer des „Staatssozialist" vom 2. d. M. einen recht überraschenden Aufschluß. Namentlich denen, welche sich eines größeren Grundbesitzes erfreuen und dabei für Herrn Hofprediger Stöcker und dessen Agitation schwärmen, sei der Aussatz „Ueber die Begründung eines künftigen christlichen und Bekämpfung des Herr schenken römischen Eigenthumsrechts" angelegentlich zur Lektüre empfohlen. Ganz offen wird hier eine Eigen thumstheorie, und zwar im Namen des Christenthums, aufgestellt, die den sozialdemokratischen Forderungen wie ein Ei dem anderen gleicht. Es wird dort in Betreff des Eigenthums an Grund und Boven in nackten Worten die Behauptung ausgestellt, „daß ein Besitz an Grund und Boden, welcher über denjenigen Bedarf j hinausgeht, der dem Einzelnen für die feidsteigeue Bethätigung behufs Gütererlangung und Erzeugung für seine und seiner Familie persönliche Existenz eiforderlich ist", mit der Grundforderung der christlichen Nächstenliebe in Widerspruch stehe, weil der Mehrbesitzende dadurch feine Mitmenschen an der gleichen Geltendmachung ihres Anrechts am Grund uns Bode» hindere. Wodurch unterscheiden sich diese Sätze noch von den kommunistischen Lehren oer Sozialdemokratie.
Ein Voltigeur und Kunstreiler ersten Ranges, nicht etwa auf ungesattelien Pferden, sondern auf eisernen Eisenbahnwagenpuffern, ist der reisende Schneider- geselle Ferdinand Reichert aus Berlin. Derselbe ist neulich auf dem Puffer des letzten Wagens des Magdeburger Personenzuges ganz wohlbehalten bis Potsdam geritten. Zwei Stallleute in Gestalt von Bahnhofsarbeitern halfen dem kühnen Reiter von seinem gefährlichen Sitz und übergaben ihn der Bahnpolizei
Berlin. So jung und schon galant. Gestern Mittag stieg am Brandenburger Thore nebst einer Anzahl Schülern eine junge Dame in einen Pferdebahnwagen ein. Als der Kondukieur beim Ein- kassiren des Fahrgeldes zu der letzteren kam, gestand dieselbe erröthend, daß sie ihre Börse vermisse und nicht zahlen könne. Sie wendete sich an verschiedene Herren und Damen um den Betrag von 10 Pfennigen und gab ihre Wohnung an. Doch keiner der Allgesprochenen schien gewillt zu fein, dieser Bitte nachzukommen, bis ein kleiner, kaum 6 Jahre alter Junge rief: „Herr Kondukteur, hier ist der Groschen, und sind Sie man ruhig, Fräulein!" Sprach's und zahlte, während die Großen sich getroffen anblickten.
Ueber das Unglück auf der Jll in Straßburg (s. vor. Bl.) ist ein amtlicher Bericht erschienen, welcher sagt, daß von 21 Jnsaßen des Rachens 16 durch Schwimmen sich gerettet haben; 5 (nicht 11, wie die erste Schreckensbotschaft lautete) sind ertrunken.
Oesterreich —Ungarn.
Wien, 5. März. Es kursirt eine Aeußerung des Erzherzogs Albrecht, der, was ich wiederholt betone, als das Haupt der rusfenfrenndlichen Partei am Kaiserhofe gilt, die für die Anschauungen in den maßgebenden Kreisen bezeichnend ist. Von ungarischer Seite wurde dem Feldmarschall bedeutet, daß Trans- leithanien einer Partial-Mobilisirung und Okkupation heftigen Widerstand entgegensetzen werde, worauf dieser erwiderte: „das ist zwecklos, was geschehen muß, das geschieht. Der Selbsterhaltungstrieb zwingt die Monarchie zur Besetzung Bosniens und der Herzegowina, denn wenn wir den russischen und italienischen Einflüssen in jenen Gebieten zunächst unserer Grenze nicht die Thüre angelweit öffnen wollen, bleibt uns keine andere Wahl, als selbst hinzugehen und dort rechtschaffen zu arbeiten, wie unsere staatliche Mission es erfordert. Gehen wir nicht dorthin, so werden andere hingehen, wenn nicht heute, so doch morgen; haben wir nicht das politische Verdauungsvermögen, um diese Länder aufzunehmen, so werden andere dies Vermögen bethätigen, dann werden aber auch wir aufgefressen. Darum sage ich: Es wird marschirt! Gott mit uns!" Wenn solche Anschauungen herrschen, dann ist es begreiflich, daß die Offiziösen dem Einmarsch in Bosnien und der Herzegowina Tag für Tag das Wort reden und dann ist es auch vergeblich, gegen diesen Einmarsch sich noch weiter zu stemmen.
Wien, 8 März. Erzherzog Franz Karl, der Vater des Kaisers, ist heute Mittag gegen 1 Uhr gestorben.
Wien, 7. März. Die „Polit. Korr." meldet aus Konstantinopel: Gestern wurde das Ceremoniell für den heute erwarteten Besuch des Großfürsten Nikolaus vereinbart. Jgnatieff verweilte seit vorgestern in Konstantinopel, um mit Savfet Pascha zu konferiren
und das ratifizirte Jriedensinstrumcnt enigegenzunehmen, mit welchem er morgen über Odessa nach Petersburg abreifen wird. Derselbe machte den Botschaftern Prinz Reuß und Graf Zichy längere Besuche.
Wien, 7. März. Der Kronralh hat endgültig die Einbringung der Credit-Vorlage beschlossen. Der Honoed-Minister Szende hatte beim Kaiser Audienz, um angeblich über die Eventualität der Verwendung der Honveds in Bosnien zu referiren. Wie verlautet, ist General Philippovits zum Commandamen des Bosnien occupirenden Corps bestimmt.
Ueber die eigentlichen Absichten Oestreichs gilt als ein wohlunterrichtet bezeichneter Wiener Korre spondent der deutschen St. Petersburger Zeitung die folgende» merkwürdigen Aufschlüsse: „Oestreich rüstet energischer, als bis jetzt eingestanden wurde. Man weiß in eingeweihten Kreisen, daß bald neue Kredit sorderungen Nachfolgen werden, wenn dies »öthig werden sollte. Die Wege für die Beschaffung mehrerer hundert Millionen sind schon geebnet; englische Finanziers haben mit überraschender Bereitwilligkeit sehr große Beträge dem Wiener Cabinet zur Verfügung gestellt. Ein Mobilisicungsbefchluß ist bis zur Stunde nicht gefaßt, noch weniger eine Mobilisirung angeordnet. So viel aber steht fest, daß, wenn eine Mobilmachung erfolgt, dieselbe die gesammten Streitmächte der Monarchie, die gemeinsame Armee und die zisleiihanische Landwehr, sowie die ungarischen Honveds mit Einem Male umfassen wird. Und hiesür sind für alle Fälle sämtliche Details bis aufs Haar geregelt. Die Kommandanten, der höchste sowohl wie die zweiten und dritten Ranges, haben ihre Ernennungen bereits in der Tasche. In unserer Monarchie ist noch niemals ein so außerordentlich hoher Grad der Schlagfertigkeil erreicht worden wie jetzt, und die ernstesten und fachkundigsten Persönlichkeiten erklären mit Bestimmtheit, es seien lediglich wenige Tage nothwendig, um eine große Armee in die Lage zu versetzen, daß sie den Kampf ausnehme.
Triest, 9. März. Auf dem Lloyd-Dampfer „Sphinx", von Caoala kommend, mit 2500 Lscherkesseu an Bord, brach ein Brand aus und ist der Dampfer hierauf am Cap Elia gestrandet. 500 Personen kamen um, die anderen wurden gerettet.
Italien.
Nom, 7. März. Die Thronrede des Königs Humbert bespricht zunächst die auswärtige Politik. Allgemeine Aufmerksamkeit errege augenblickltch die Orienlfrage. Die Regierung, die mit allen Mächten in den freundschaftlichsten und herzlichsten Beziehungen steht, beobachte gewissenhaft die Verträge und bewahre eine vertrauensvolle 'Neutralität. Äeßhalb stimmte sie ohne Zögern der Einladung zu, an der Konferenz sich zu bctheiligen, aus welcher ein dauerhafter Friede hervorgehen möge. Italiens aufrichtige Unparteilichkeit weide seinen Raihjchlägen einen größeren Werth geben. Das Beispiel der modernen Geschichte des Landes gebe ein Argument an die Hand, um die der Gerechtigkeit und Humanität am meisten entsprechende Lösung zu unterstützen. Die Rede gedenkt der Neubesetzung des hl. Stuhles, welches Ereigniß man sich stets als von den größten Schwierigkeiten begleitet oorgestelll habe. Der Papst, der seit 32 Jahren regierte, sei beklagt und verehrt ins Grab gestiegen. Die Neuwahl konnte sich ohne Störung der Ruhe des Staates und des Friedens der Gewissen und in vollster Unabhängigkeit der geistlichen Herrschaft vollziehen unter Aufrechterhaltung unserer Institutionen; und indem wir unfern Respekt vor dem Glauben mit der Pflicht der unerschütterlichen Vertheidigung der Rechte des Staats und der Prinzipien der Humanität versöhnten, zeigten wir der Welt und werden ihr ferner zeigen, wie fruchtbar die Freiheit ist. Der König drückt das Vertrauen aus, Italien werde in feinen Händen nicht von dem hohen Platze herabsteigen, auf den die großherzige Beharrlichkeit des ersten Königs und die Tugenden seines Volkes gestellt haben.
Rom, 8. März. Bezüglich der Meldungen über die Beglückwünschung des Papstes durch den König und die Antwort des Papstes darauf theilt die „Agencia Stefani" mit: der König beauftragte einen hohen Prälaten, den Papst in seinem Namen zu beglückwünschen, worauf der Papst dem König durch dieselbe Mittelsperson dankte.
Bei der Krone soll der Ehestandsskandal Cris- pi's einen sehr niederschlagenden Eindruck gemacht haben. Hat doch die Königin selbst die frühere „wilde Ehefrau" des Ministers als dessen Gattin empfangen.
Frankreich.
Im französischen Senat hat sich eine Par- teiverfchiebung vollzogen, über die der „Soleil", das
Hauptorgau der Orleanisten, eine sehr wichtige Meldung bringt. Das genannte Blatt theilt eine Erklärung mit, in der angezeigt wird, daß ungefähr 20 Konstitutionelle sich von der Rechten des Senats getrennt haben, um die Politik der Regierung zu unterstützen, „so daß im Senat fortan der Linken die Mehrheit angehört." Rußland.
Trotzdem der Feldzug gegen die Türkei zu Ende ist, sammelt Rußland neue Streitkräfte und konzentrirt dieselben in Rumänien, welches Land allmählich den Charakier einer Operationsdasis gewinnt. Soviel steht fest, daß seit dem Abschlüsse des Waffenstillstandes fortwährend Truppen aus Rußland nach Rumänien einrücken. Vor einigen Tagen mußte sogar der Waaren- vcrkehr auf der Roman-Jassy-Bahn unterbrochen werden, um dem Truppentransporte Platz zu machen, was sogar während des Krieges sehr selten vorkam. Russischerseils wird dieser neue Truppennachschub folgendermaßen motivirt: Erstens sollen die russischen Korps, welche de» Balkan-Ueberyang bewerkstelligt haben, enorme Verluste erlitten haben. Mehr als 20.000 Mann sind den furchtbaren Strapazen und dem Froste erlegen. Wenn man die in den Gefechten erlittenen Verluste und den großen Krankenstand hinzurechnet, so werde man begreifen, daß große Nachschübe nothwendig seien, um alle diese Lücken auszufüllen. Es wird behauptet, daß ganze Abtheilungen in den Schluchten des Balkans vollständig verschollen sind, daß einzelne Regimenter in einer einzigen Nacht 400—500 Mann durch den Frost verloren u. s. w. Zweitens sei eine große Trnppenzahl erforderlich, um die okkupirten Gebietstheile, kie Etappen und verschiedenen Garnisonen zu besehen. Schließlich heißt es, daß die neu ankommenden Truppen nur jene Abibeilungen, welche am Kriege ihettaenommcn haben, abiösen und nach dem Friedensabschluffe in den von Rußland als Garantie zu okkupirenden Provinze» verbleiben sollen.
England.
London, 8. März. Im Unterhause erwiderte Northcote auf eine Anfrage Hartington's: „Er könne das Dalum des Zusammentretens des Congresses nicht angeben. Eine gestern eingegangene Mittheilung Oestreichs schlage Berlin als Conserenzort vor. England beanstande diese Veränderung nicht und habe demgemäß geantwortet. Lyons bleibe unzweifelhaft Englands Vertreter bei der Conferenz "
In London ist man über das Friedenswerk von Sau Steimo »ichlö weniger als erbaut. Die „Pall Mail Gazette" erklär!, daß sie ohne große Spannung die Friedensbedingungen erwarte; denn eine Thatsache stehe ohnehin nun fest: eine selbstständige Türkei ist nicht mehr da, Rußland trete an deren Stelle. Der Sultan werde ohne Zweifel von nun an der treue Verbündete des Czaren. Es sei daher völlig gleichgiltig, ob z. B. die türkische Flotte dem Sultan oder dem Czaren zur Verwaltung überlassen werde, ob Rußland Aegyptens Herr werde, oder Herr des Herrn von Aegypten. Europa werde nur zufrieden- gestellt sein, falls Rußland seiner jetzigen Stellung ganz entsage; da dies aber Uebermenschliches verlangen hieße, so verspricht sich das Blatt auch von Konferenzen in > Baden oder sonstwo oitterwenig.
Türkei.
Snleiman Pascha soll ertränkt worden sein. Es seien in seinem Besitze Schriftstücke gefunden worden, die bewiesen hätten, daß er es auf einen Sturz des Sultans abgesehen habe. Ehrgeizige Pläne wurden ihm immer zugeschrieben. Man habe ihn von dem Dardancllenschlosse auf ein Schiff gelockt, ihn dann in einen Sack genäht und ins Meer geworfen. (Andere Nachrichten lassen ihn in Constantinopel eintreffen, um vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden.) _
Handel und Verkehr rc.
Nagold. (Diehmarkt-Resulta t.) Zu Markt
wurden gebracht: 96 Ochsen, verkauft wurden 34 Stück, Erlös 13,542 89 -1: Kübe zu Markt gebracht: 139 Stück,
verkauft 34 Stück. Erlös 3664 Rinder zu Markt gebracht: 37 Stück, verkauft? Stück, Erlös 4099 Schmalvieh zu Markt gebracht: 36 Stück, verlaust 6 Stück, Erlös 700 Schweine zu Markt gebracht: 229 Stück, verkauft 117 Stück, Erlös 5417 73 0: Saugschweine zu Markt gebracht: 159
Stück, oerkauft133 Stück, Erlös 1473 77
Rottenburg lSchw. B.) Im Hopfenhandel macht sich gegenwärtig etwas mehr Leben bemerkbar. Tue Preise bewegen sich im Durchschnitt zwischen 50 und 70 — Der Handel mit Hopfenstangen ist gegenwärtig sehr lebhaft und ist für diesen Artikel selbst wenn wenige Neuanlagen gemacht werden, hier immer großer Bedarf.
Die Preise für die bezeichneten Besoldungsfrüchte, zu deren Bezahlung die Kameralämter hiemit ermächtigt werden, sind für das Kalenderjahr 1878 folgendermaßen festge- steüt worden: für 1 Ctr. Kernen 11 68 -i, für 1 Ctr.
Roggen 8 78 für 1 Ctr. Gerste 9 23 für 1 Ctr.
Mischling 9 für 1 Ctr. Haber 6 ^ 68