60. Jahrgang.
Mo. 99.
Amts- uml InteUgenMatt für äen Kezirkr.
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§am8tag, äen 22. August 1885.
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„Calwer Wochenblatt"
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-Politische Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
— Die „Koblenzer Ztg." meldet: „Soeben geht uns von befreundeter Seite die erfreuliche Nachricht aus Wilhelmshaven vom 14. ds. Mts. zu, daß dort eine Privatdepesche aus Sidney eingetroffen, wornach S. M. S. „Augu st a" daselbst angekommen ist. Dasselbe hatte in Rücksicht auf andere Fracht nur wenig Kohlen ausgenommen und mußte unter widrigen Winden viel segeln." Bis jetzt fehlt jede Bestätignng von anderer Seite.
— Dem „Hamb. Corr." zufolge wird Commodore Paschen in Zanzibar nicht allein wegen der streitigen Gebietsteile zwischen dem Sultan und der beiden deutschen Gesellschaften verhandeln, sondern auch wegen Entschädigungsansprüche, die zwischen beiden Parteien gegenseitig anhängig gemacht worden sind. Bekanntlich hatten Soldaten des Sultans auf neutralem Gebiet die Expedition Hörnecke widerrechtlich angegriffen. Dieselbe setzte sich zur Wehr und tötete 4 Soldaten. Der Sultan soll nun dafür eine Entschädigung — man spricht von 150,000 vtL — beanspruchen, ebenso soll aber auch auf der anderen Seite eine bedeutende Gegenforderung bestehen. Man hofft hier in maßgebendem Kreisen, diese Sache werde nach, orientalischer Sitte durch „Geschenke" ausgeglichen und damit zugleich ein besseres Einvernehmen angebahnt werden. Die Deutsch-Ostasrikanische Gesellschaft ist und war schon früher hierzu bereit, hat sich auch bald nach der Erwerbung von Usagara angelegen sein lassen, mit dem Sultan, aus einer realen Macht, sich gütlich auseinanderzusetzen. Diese Versuchs scheiterten aber an der Verblendung des Sultans, der die Deutschen als eine von den Engländern abhängige Nation betrachtete. Nachdem nun ein ziemlich langer Landstrich nahe der Küste von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft in Besitz genommen und dadurch das Eingreifen anderer Mächte in ihre Interessensphäre unmöglich gemacht ist, hat man es mit der Erwerbung der weiter nach den Seen
zu gelegenen Landschaften weniger eilig, zumal gegenwärtig Verhandlungen zwischen Berlin und London im Gange sind behufs endgiltiger Fixierung dieser „Interessensphäre". Dieselbe soll nördlich bis zum Keniagebirge, südlich bis zum Tanganyika-See reichen. Man will es nun der allmälig fortschreitenden Zivilisation überlassen, das, was erworben ist, auch wirklich zu besitzen. Wäre der umgekehrte Weg eingeschlagen worden, so wären etwaige Plantagen oder Ansiedelungen, die mit deutschem Gelds angelegt worden wären, in die Willkür eines halbwilden Potentaten gegeben worden und es hätten sich daraus ernstere Verwickelungen ergeben können, als diejenigen waren, die jetzt rasch und glücklich gelöst worden sind.
O»e st e r r e i ch.
W ie^n, 18. Aug. Das „Fremdenblatt" schreibt: „Die Wiener Sänger kehren mit Ehren reich beladen heim und die Hauptstadt Oesterreichs wird den ihren Söhnen in Berlin zu Teil gewordenen Empfang als Unterpfand der freundschaftlichen Gefühle beider Residenzen gegen einander stets in angenehmer Erinnerung behalten." — Für die Sicherheit des russischen Kaiserpaares in Kr.emsier werden die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen. Auf eine ziemlich weite Entfernung wird die Gegend von einem Militär-Kordon umzogen werden, für dessen Dienst die Anordnungen bereits getroffen wurden. In Kleinster selbst wird eine strenge Fremdenkontrole gehandhabt, die geplanten Zuzüge von Vereinen und Ban- derien dürften kaum ausgeführt werden. Die russischen Herrschaften langen mit einer Suite von mehr als dreißig Personen an; im Ganzen dürften von den beiderseitigen Höfen den Ministern und Würdenträgern — die Dienerschaft nicht gerechnet — gegen 500 Personen anwesend sein. Die Ankunft der russischen Majestäten und Großfürsten erfolgt am 25. d. nachmittags, die Abreise am 26. d. abends nach Gmunden, wo ein zweitägiger Aufenthalt in Aussicht genommen ist. Nachdem nebst dem österreichischen Kaiserpaare und dem Kronprinzen auch Erzherzog Karl^Ludwig in Kremsier anwesend sein wird, so glaubt man, daß auch einer der Brüder des Zaren in Kremsier erscheinen dürfte.
Spanien.
— Aus Granada wird dem „Jmparcial" vom 13. geschrieben. „Heute hat die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle schrecklich zugenommen'
Feuilleton.
Zm Avgründe.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „EinVampY r.')
(Fortsetzung.)
„Das sind ja Euere hunderttausend Franken!" rief Graf Villefleur ungeduldig; „schnell doch, ich habe keine Zeit — gebt mir den Wechsel!"
Jsmael hustete von neuem, und zwar heftiger und länger, als vorher.
„Der Betrag stimmt", sagte er; „aber ich kann heute abend kein Geld und keine Werte annehmen, weil mein Kassenschrank in Reparatur genommen werden muß, und ich deshalb all meine Papiere und Geldbestände bei der Bank von Frankreich in Aufbewahrung gegeben habe. Dorthin brachte ich auch Ihren Wechsel in Depot, so daß ich Ihnen den Wechsel nicht eher, als morgen früh nach zehn Uhr herausgeben könnte. Sie müssen sich also bis dahin gedulden, Herr Graf; um elf Uhr bin ich von der Bank zurück und wieder in meiner Wohnung."
Graf Villefleur stieß einen Fluch aus, und mißtrauisch betrachtete er einige Augenblicke den kleinen, schmutzigen Greis, dessen Gesichtsfarbe bei dem flackernden trüben Lichte der Oellampe noch unbestimmter war als gewöhnlich. Aber nichts in diesen Mienen deutete darauf, daß das, was er als Grund des unliebsamen Aufschubes angegeben, nicht auch der Wahrheit entspräche, und wohl oder übel mußte Graf Villefleur sich mit der ihm von Jsmael wiederholt gegebenen Zusage begnügen, daß er kommenden Vormittag punkt elf Uhr seinen Wechsel in Empfang nehmen könne, selbstverständlich gegen Zahlung der vollen Summe von hunderttausend Franken.
Höflich und untergeben, wie früher stets, leuchtete diesmal Jsmael dem Grafen zur steilen, düstern Treppe hinab, auf deren halber Höhe ihnen ein Arbeiter begegnete, der in dem Hause zu wohnen schien, in welchen) aber die scharfen Augen Jsmaels sofort Juan erkannten; dieser hatte, nachdem er dem Grafen auf der Straße bis zur Hausthür Jsmaels gefolgt war, auf der Treppe Posten gestanden, und war nun, um nicht drunten den Grafen
an sich vorübergehen lassen zu müssen und dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, den Herabsteigenden entgegen gegangen. Sofort machte er aber Kehrt, um langsam und leise wieder dem Grafen zu folgen, und als Jsmael auf dem unteren Stockwerke den Grafen allein hinabsteigen ließ, und auf dem Rückwege Juan begegnete, flüsterte er demselben im Vorübergehen ins Ohr!: „Es droht Gefahr!"
Der Graf hatte keine Ahnung davon, daß einer der Leute Baltimores an seiner Ferse hing, und wenn auch während einiger Minuten noch der Aerger über den unvorhergesehenen Aufschub bei ihm das vorherrschende Gefühl war, so redete er sich doch bald ein, daß die Angaben Jsmaels wahrheitsgemäß sein müßten, und daß er um so sicherer am nächsten Morgen im Wiederbesitz seines gefälschten Wechsels sein würde, als er überzeugt war, daß Jsmael bei der Gewißheit, einen solch' riesigen Gewinn einzustreichen, selbst mit Ungeduld den nächsten Vormittag herbeisehnen würde. -Mazu setzte ihn das ungewohnte Bewußtsein, daß er noch unbeschränkter Herr der hübschen Summe von fünfzigtausend Franken und der sämtlichen von ihm noch zurückzubehaltenden Zinskoupons sei, bald in die trefflichste Laune, so daß er beschloß, den Abend und die Nacht in angenehmer Gesellschaft zu verbringen.
Unter seinen verschiedenen Gedanken hatte er sein eigenes Stadtviertel erreicht und blieb unschlüssig einen Augenblick stehen, um zu überlegen, ob er nicht die für Jsmael bestimmten Rententitel nach Hause bringen sollte. Da fiel sein Blick zufällig auf das Gebäude des Polizeikommissariats, und ein neuer Gedanke schoß ihm durch den Sinn. Er wollte jetzt schon eine Anzeige von dem Abenteuer erstatten, welches ihm vergangene nacht begegnet war, damit die Festnahme des Banditen am nächsten Tage vor sich gehen könnte, sobald er selbst mit Jsmael abgerechnet haben würde. Am kommenden Morgen würde er kaum Zeit finden, um die Denunziation zu machen, und damit nicht der Kommissar voreilig zur Verhaftung schritte, wollte er denselben nur ersuchen, auf die nächste Mittagsstunde einige Mann zur Verfügung zu halten, denen der Graf den Aufenthaltsort des Banditenführers aus den Pyrenäen bezeichnen wolle.
Gleichzeitig konnte er den Kommissar darauf vorbereiten, welcher Art die beiden Schriftstücke seien, welche der Bandit von ihm unter Bedrohung seines Lebens erzwungen hatte; das würde ihm von vornherein einen Vor-